Vorwort – Eigene Seite
In der Praxistradition von U Dhammaloka –
dem zu seiner Zeit von der Geschichtsschreibung unterschlagenen und heute neu entdeckten ersten westlichen buddhistischen Mönch, der aus Irland kam und in Burma ordiniert hat. Offenbar war damals eine solche Persönlichkeit als Urvater des westlichen praktizierten Buddhismus nicht erwünscht.
Denn er ist in mehreren asiatischen Ländern ein höchst populärer Frei- bzw. Selbstdenker, Atheist, Gegner der britischen Fremdherrschaft, Debattengewinner gegen christliche Missionare, Autor, Gründer der „Buddhist Tract Society“ mit Schriften für ein breites Publikum und Aktivist gewesen. Außerdem hatte er in Burma einen hohen Stand als buddhistischer Mönch, wo er selbst andere ordinieren konnte.
Es erscheinen aktuelle verschiedene wissenschaftliche Arbeiten über U Dhammaloka oder sie sind in Vorbereitung.
Ein frei verfügbarer Beitrag von Professor Laurence Cox aus Irland: The politics of Buddhist revival: U Dhammaloka as social movement organiser.
Ein weiterer Beitrag von Laurence Cox im Journal of Global Buddhism (10 – 2009): Laurence O’Rourke: U Dhammaloka: working-class Irish freethinker, and the first European bhikkhu? Der Download dieses letzteren Beitrags setzt eine (lohnende!) kostenlose Mitgliedschaft bei Academia.edu voraus. Der Beitrag kann aber auch sofort hier von der Seite des Journals of Global Buddhism heruntergeladen werden.
U Dhammaloka ist also nicht bloß der erste westliche Mönch gewesen, sondern auch der erste westliche Mönch, der andere zu Mönchen ordinieren konnte:
Seine erste Schrift in der „Buddhist Tract Society“, die ihn populär unter Asiaten und westlichen Freidenkern gemacht hat (anklicken für eine Vergrößerung):
Ein Film über U Dhammaloka ist in Vorbereitung (siehe dort vor allem auch die Interviews mit dem Filmemacher, Ian Lawton, oder auch die diversen einführenden Videos).
Es gibt eine sehr unterstützenswerte Fundraising-Seite für diesen Film, und mit weiteren Informationen.
Das Vorwort zum Blog
1) Was bedeutet die Praxislehre des historischen Buddhas im Westen für heute?
2) Eine Kommunikaton über Arthur Schopenhauer und
eine kurze Geschichte des Buddhismus im Westen
(Am 11. November 2013 ergänzt:)
Was bedeutet die Praxislehre des historischen Buddhas
im Westen FÜR heute?
Die Beantwortung dieser Frage verfolge ich auf vier Ebenen, die als weitgehend getrennt voneinander zu verstehen sind.
Sie stehen in keiner „Rangfolge“, sondern orientieren sich an verschiedenen Zielgruppen.
In einer Hinsicht ist die vierte Ebene die wichtigste. Denn letztlich zählt angesichts des vergänglichen Lebens vor allem die innere Praxis, im Sinne jenes „Befreiungspragmatismus“, wie in der Indologie die Lehre des historischen Buddhas unterschieden wird.
Die anderen drei Ebenen haben durch ihre Orientierungswirkung die Funktion, die für das jeweilige Individuum optimale Praxis vorzubereiten.
Sie stellen ebenfalls durch die von ihnen bezweckten Erkenntnisse selbst bereits eine Praxis dar – nämlich im Sinne des Blogtitels „Selbstdenkens“, das eng mit der intuitiv „sehenden“ bzw. „trefflichen Achtsamkeit“ (samma sati) verbunden ist:
1) Die Ebene der Wissenschaft.
2) Die Ebene des Journalismus.
3) Die Ebene des Dialogs, der Debatte oder der Kommunikation.
4) Die Ebene der spirituellen Praxis oder deren Weitervermittlung.
1) Auf der Ebene der Wissenschaft geht es um möglichst objektive, korrekte und genau belegte Aussagen. Dabei verstehe ich Wissenschaft als den Inbegriff maximaler intellektueller Unabhängigkeit. Wenn Wissenschaft dagegen bestimmten Interessen dient, etwa durch die gezielte Auswahl von Themen, die im Zusammenhang der untersuchten Frage jedoch untergeordnet sind und damit ein falsches Bild vermitteln, erfüllt sie nicht dieses Kriterium von „guter“ bzw. „echter Wissenschaft“.
Ein Beispiel: Wenn bei der Frage nach der Gewalt in den Religionen von Wissenschaftlern die ziemlich verbreitete Antwort kommt, dass es Gewalt „genauso“ in der Geschichte des Buddhismus wie in der Geschichte des Christentums oder des Islams gäbe, und sie dann einige „Belege“ dafür anführen. Das mag wörtlich genommen schon richtig sein (wenn man „genauso“ im Sinne von „auch“ anstatt von „in gleichem Maße“ versteht).
Aber bei der übergeordneten Frage der Gewalt interessiert für eine wirklich „objektive“ Antwort in erster Linie ein Vergleich der Dimension von Gewalt in der Geschichte der jeweiligen Religion – und zwar vor allem gemäß den folgenden Kriterien: Auf welche Weise ist eine Religion zur Weltreligion geworden? In welchem Maße sind in ihrem jeweiligen Namen Religionskriege geführt worden? In welchem Maße sind in ihrem jeweiligen Namen generell Gewalttaten verübt oder auch Eroberungs- oder Territorialkriege geführt worden? Wie glaubhaft bzw. verankert in den universellen religiösen Grundwerten von Einfachheit, Ethik, Ruhe und Weisheit sind ihre jeweiligen namhaften Vertreter; usw.?
Aus diesem „objektiven“ Blickwinkel stellt sich das Bild ganz anders dar:
Die Gewalt in der Geschichte des Christentums – oder des Islams – verhält sich zur Gewalt in der Geschichte des Buddhismus hinsichtlich der Dimension in etwa so, wie sich die Größe Russlands zur Größe Hollands verhält.
An diesem Verhältnis ändert sich auch nichts dadurch, dass sich jene Wissenschaftler auf „Holland“ fokussieren!
Sie tun es, weil sie aus mehreren Gründen das „Interesse“ haben, den Buddhismus als ähnlich gewalttätig erscheinen zu lassen.
Die Aussage, „jede Religion“ werde „missbraucht“, gehört in eine ganz ähnliche Kategorie.
Natürlich ist dies richtig. Aber auch hier kommt es wieder auf das geschichtliche Ausmaß des jeweiligen „Missbrauchs“ an.
Es genügt dafür eigentlich schon ein kurzer Blick auf die aktuelle Situation:
Während etwa in der islamischen Welt alle paar Tage „im Namen Allahs“ ein Selbstmordattentäter viele Soldaten oder „Glaubensbrüder“ umbringt, weil letztere einer anderen Richtung des Islams folgen, hat sich in über 50 Jahren brutalster Unterdrückung der buddhistischen Tibeter durch China kein einziger Tibeter als Selbstmordattentäter betätigt, obwohl Chinesen in großer Masse im tibetischen Kernland leben. Das Gleiche gilt für die buddhistischen Burmesen, als sie noch unter der brutalen Unterdrückung durch die Militärs litten.
Auch kann es nicht die Aufgabe von Wissenschaft sein, „Binsenweisheiten“ zu belegen.
Und es ist nichts Anderes als eine Binsenweisheit, dass auch die beste Religion nicht im Alleingang quasi „von sich aus“ Menschen in Verwirklichte verwandelt.
Denn jede Religion ist letztlich immer bloß ein Angebot; zumindest der Buddhismus.
Dagegen sind Christentum und Islam in ihrer gewaltsamen Ausbreitungsgeschichte generell den Kontinenten, Ländern und Menschen aufgezwungen worden.
Aus jenem Dimensionsunterschied in puncto Gewalt ist der Schluss zu ziehen, dass Gewalt von den monotheistischen Religionen „eingeladen“ wird. Das hat zum Beispiel der namhafte Ägyptologe Jan Assmann mit seiner berühmten These von der gewaltfördernden „mosaischen Unterscheidung“ der Monotheismen nachgewiesen. Auf Amazon heißt es dazu:
„Ob Christentum, Judentum oder Islam – alle monotheistischen Weltreligionen sind Kinder einer Revolution: die Ablösung der vielen Götter durch den alleinigen Gott. Diese Umwälzung brachte für unsere Vorstellung von der Welt, für unser Menschenbild und für unsere Ethik fundamentale Veränderungen mit sich. Dass der Kultur- und Religionstheoretiker Jan Assmann sie zugleich als Quelle von Intoleranz, Gewalt, Hass und Ausgrenzung sieht, macht seinen Essay zu einer explosiven Provokation.“
Der Psychologieprofessor Franz Buggle geht mit seiner profunde belegten Streitschrift Denn sie wissen nicht, was sie glauben: Oder warum man redlicherweise nicht mehr Christ sein kann in eine ähnliche Richtung. Auf Amazon sagt er aufschlussreich über seine Motivation zu diesem Werk:
„Ich demonstriere durch Zitate, daß die Bibel, unsere Heilige Schrift, Gottes Wort, ein zutiefst gewalttätiginhumanes Buch ist, völlig ungeeignet als Grundlage einer heute verantwortbaren Ethik. Nicht zuletzt habe ich dieses Buch auch als klinischer Psychologe in Gedanken gerade an die vielen Menschen geschrieben, … die im Blick auf das Christentum in einer nicht selten krankmachenden Orientierungsnot leben, weil ihnen die Informationen für eine begründet verantwortliche Entscheidung für oder gegen das Christentum, für oder gegen eine Kirchenzugehörigkeit fehlen …“
Auf der Website des herausgebenden Alibri-Verlags heißt es zu diesem Werk unter anderem:
„Buggles Kritik richtet sich insbesondere auch gegen die Positionen zeitgenössischer progressiver Theologen (Hans Küng) und christlicher Wissenschaftler (C.F. von Weizsäcker), die zwar die Kirche negativ bewerten, aber an der Bibel und den darin propagierten christlichen Werte festhalten.“
Eine zwangsläufig letztlich immer konfessionsgebundene „Theologie“, auch wenn in ihrem Rahmen etwa historische Philologie und Philosophie vermittelt wird, ist keine „Wissenschaft“ im eigentlichen Sinne. Denn echte Wissenschaft kann nicht dazu dienen, die Ausgebildeten mit einem rhetorischen Instrumentarium zu versehen, dass sie bloße Annahmen bzw. reine Glaubensüberzeugungen wie vor allem „Gott“ oder „ewiges Leben“ oder „unsterbliche Seele“ als vermeintliche Realitäten darzustellen.
Genau dies tun Theologen jedoch zum überwiegenden Teil in ihren verschiedenen Ämtern gegenüber der Öffentlichkeit. In jeder anderen Wissenschaft würden sich die Wissenschaftler durch ein solches Vorgehen sofort selbst vollständig disqualifzieren. Nicht in der „Theologie“!
Beispiele für diese wissenschaftliche Ebene auf meinem Blog, der Website oder YouTube und Wikipedia:
* Wissenschaftliche Vorträge von buddhismuskundlichen universitären Zentren auf YouTube:
* Die Darstellung des Buddhismus für das Harenberg Lexikon der Religionen.
* Ein genereller Überblick zur westlichen Bewegung der Achtsamkeits- bzw. Einsichtspraxis Vipassana* Die Darstellung von „Vipassana“ auf Wikipedia. Dieser Eintrag stammt zu 90 Prozent von mir und hat einen früheren Werbebeitrag der Vipassana-Tradition von S. N. Goenka ersetzt.
2) Die Ebene des Journalismus
Diese erste Ebene steht in meinen Medienbeiträgen für ein breiteres Publikum im Vordergrund, etwa diesem eingehenden Beitrag für Psychologie Heute – über die Vipassana-Wurzeln des populären komplementärmedizinischen Programms „Stressbewältigung durch Achtsamkeit“ (MBSR) von Jon Kabat-Zinn.
Ein weiteres Beispiel: Buddhismus in Geschichte und Gegenwart – im Magazin des deutschen buddhistischen Dachverbands, Buddhismus Aktuell. Es ist ein Auszug aus einem eigenen Buddhismuskapitel für ein populäres Lexikon.
Weitere journalistische Beiträge, die trotz ihrer verständlichen Sprache natürlich immer wissenschaftlich korrekt sein sollten und müssen:
* Die ursprüngliche Achtsamkeit im Magazin des deutschen buddhistischen Dachverbands, Buddhismus Aktuell. Hier geht es relativ kurz um einen Vergleich der westlichen zur ursprünglichen Achtsamkeit in der Lehre des Buddhas. (Eingehend wird dieses Thema im zweiten Teil des oben verlinkten wissenschaftlichen Vortrags auf YouTube behandelt.)
* Die Faszination des Buddhismus im Westen, der vor Jahren in drei großen Tageszeitungen erschienen ist (Hamburger Abendblatt, Stuttgarter Zeitung und Berliner Zeitung).
Hier geht es um die Gründe für die wachsende Faszination an der Lehre des Buddhas im Westen.
* Eine Schilderung eines typischen Vipassana-Kurses. Aus dem Vorspann:
„Buddhistische Meditationszentren gibt es heute in jeder größeren Stadt. Aber was erwartet Sie eigentlich konkret, wenn Sie intensiv eine buddhistische Meditation praktizieren?
Dieser Beitrag schildert es am Beispiel der klassischen Achtsamkeitspraxis ‚Vipassanâ‘.“
3) Die Ebene des Dialogs, der Debatte oder der Kommunikation
Auf dieser Ebene sehe ich mich in der nordamerikanischen Tradition, wie sie heute vor allem von dem von der Vipassana-Praxis stark vorgeprägten Sam Harris vertreten wird, der die altindische Debattenkultur im Kontext der buddhistischen Urgemeinde im Westen machtvoll wiederaufleben lässt – mit religionskritischen Büchern in Millionenauflage sowie zahlreichen Debatten an Universitäten und in den großen Medien. (Sein YouTube-Kanal. Daneben gibt es viele weitere Aufzeichnungen von ihm auf YouTube. Hier ein „typischer“ guter Beitrag von ihm in einer großen Debatte an der amerikanischen „Notre Dame University“ mit dem evangelikalen Apologeten und Prediger Dr. William Lane Craig.)
Es geht mir – ähnlich wie Sam Harris – um eine sachliche, rein inhaltlich orientierte „Streitkultur“, die ich ausdrücklich als positiv betrachte; und zwar in dem Sinne, dass sie das beste Klärungsmittel für spirituell Suchende über den wahren Gehalt bzw. die innere Tragfähigkeit einer jeweiligen Lehre ist.
Sam Harris richtet sich gegen jede Religion und jeden Glauben, aber keineswegs gegen eine tragfähige, für den Westen adäquate Spiritualität, die er vielmehr vertritt. Er gilt neben Richard Dawkins und Christopher Hitchens als ein weltweit führender Vertreter des „neuen Atheismus“, wendet sich aber wegen seines expliziten Interesses an Spiritualität gegen das Wort „Atheismus“, weil es leicht als Ablehnung von allem, was „irgendwie“ mit Religion oder Spiritualität zu tun habe, misszuverstehen sei.
So ist er – wie ich selbst – kein Vertreter der Religion des „Buddhismus“, sondern der unmittelbar verifizierbaren Praxislehre des Buddhas (siehe diesen Beitrag von ihm). Hier erscheint ein Beitrag von Sam Harris über „Meditation“ und zwei geleitete Vipassana-Meditationen (Audios). Eine tiefe, poetische Reflexion über Leben und Tod ist hier.
Der Begriff „Buddhismus“ ist hochproblematisch, weil „Ismus“ eine ideologieartige Festlegung, Enge oder Einseitigkeit beinhaltet. Was würde denn ein Christ sagen, wenn man ihr fragte, ob er ein „Jesuist“ sei? Er würde diese Frage als negativ empfinden, eben weil „Ismus“ bei Lehren überwiegend negativ wirkt.
Außerdem ist es eine rein westliche Wortschöpfung.
Alle asiatischen „Religionen“ sind von westlichen (christlich vorgeprägten?) Interpreten mit der Endung „Ismus“ versehen worden, während die Monotheismen die positive Endung „tum“ erhalten haben! Oder im Falle des „Islams“ diesen (positiven) Begriff aus der islamischen Lehre selbst. Der eigene Begriff des Buddhas für seine Praxislehre lautet „Dharma“, wörtlich „Das, was von innen her trägt“, das als ein in der Erfahrung verifizierbares universelles spirituelles oder inneres „Gesetz“ gilt.
Wie Sam Harris teile ich das frühbuddhistische Grundprinzip, dass sich eine gute Lehre in der lebendigen, sachlichen Debatte mit überzeugenden Argumenten bewähren können muss.
Es ist mir klar, dass ich in dieser Hinsicht in der deutschen buddhistischen Szene eine Ausnahme darstelle.
Das hat mit der übergeordneten Situation in Deutschland zu tun bzw. mit der weitgehenden Anpassung des organisierten deutschen Buddhismus etwa in Form von dessen deutschem Dachverband DBU an just diese Situation – in der Hoffnung auf materielle Vorteile, vor allem durch den erstrebten „Körperschaftsstatus“, der „anderen“ religiösen Gemeinschaften unter ganz bestimmten Voraussetzungen vom Staat in dessen altetablierter Koalition mit den Kirchen zugesprochen werden kann.
Eine solche zielgerichtete „Anpassung“ bzw. Umdeutung der Praxislehre des Buddhas, etwa in Form des so genannten „buddhistischen Bekenntnisses“ der DBU, sehe ich sehr kritisch.
Die übergeordnete Situation in Deutschland:
Die christlichen Kirchen sind hierzulande – im Hinblick auf die immense finanzielle Förderung durch alle Steuerzahler (mit etwa durch Carsten Frerk genau belegten rund 20 Milliarden jährlich NEBEN der Kirchensteuer von rund 9 Miiliarden sowie NEBEN der Förderung von Caritas und Diakonie mit rund 45 Milliarden) – im Grunde genommen „Staatskirchen“.
Das bedeutet eine klare Missachtung der von der deutschen Verfassung geforderten „weltanschaulichen Neutralität“.
Eine „Trennung von Staat und Kirche“ ist dort gar nicht erwähnt, wie sie etwa für die USA oder Frankreich gilt. Bei heute schon mehr Konfessionslosen in Deutschland – mit einer stark wachsenden Tendenz – als jeweils Mitgliedern der katholischen und der protestantischen Kirche wäre eine klare Trennung natürlich auch hierzulande angemessen.
Interreligiöser Dialog:
In Deutschland wird – staatlich(-kirchlich) gezielt gefördert – generell der „interreligiöse Dialog“ hochgehalten.
Darunter wird immer ein Dialog verstanden, bei dem letztlich die Gemeinsamkeiten herausgestellt werden, auch wenn es sich um periphäre Lehren handelt. Dagegen werden objektive Unvereinbarkeiten verschwiegen oder gezielt umgedeutet.
Der Zweck eines solchen „Dialogs“ ist, vor allem die im Westen zunehmend populäre und atheistische Religion der Lehre des Buddhas – die laut ihren maßgeblichen Quellen immer in sachlich-kritischer Auseinandersetzungen mit anderen Lehren gestanden ist -, zu integrieren und damit zu suggerieren, dass sie letztlich auch nichts Anderes lehre.
Viele so genannte deutsche „Buddhisten“ beteiligen sich aus den genannten Gründen daran; oder sind dabei Verfechter verschiedener „integraler“ Theorien, etwa Joachim Wetzky, Manfred Folkers oder Dr. Paul Köppler.
Die kritische Haltung der frühbuddhistischen Lehre wurzelt darin, dass der Glaubensinhalt oder generell die Sichtweise dort ausdrücklich als das Führungsglied des gesamten universellen Befreiungsweges gilt.
Deshalb gilt dort ohne eine so genannte „treffliche Sicht“ (samma ditthi) eine zunehmende innere Befreiung als unmöglich.
Beispiele für diese Ebene auf meinem Blog oder der Website:
* Die umfassendste Diskussion im Internet über die größte Vipassana-Tradition weltweit, nämlich von S. N. Goenka.
* Eine goße Debatte mit einem bekannten deutschen Vertreter eines christlich angepassten Buddhismus,
über das Thema der Lehre des Buddhas für heute.
4) Die Ebene der spirituellen Praxis oder deren Weitervermittlung:
Hier bleiben die anderen Ebenen unberücksichtigt.
Denn hier geht es ausschließlich um eine für das konkrete Individuum möglichst hilfreiche spirituelle Praxis, was immer ein großes Einfühlungsvermögen, eine Kenntnis von sich selbst und der inneren Lage des anderen Menschen sowie die Anwendung möglichst effektiver Methoden verlangt.
Der Zweck dieser Ebene ist die konkrete Etablierung eines höchstmöglichen Maßes von Eethischer Motivation, innerer Ruhe und befreiender Einsicht – auf der Grundlage einer geschulten Achtsamkeit.
Diese Ebene kommt auf gelegentlichen eigenen Kursen zum Tragen oder über manche Angebote auf diesem Blog und der verknüpften Website, wie etwa von geleiteten Meditationen der Achtsamkeits- bzw. Einsichtspraxis Vipassana.
Beispiele für diese Ebene auf meinem Blog oder der Website:
* Die universellen Meditationen des Herzens.
* Eine geleitete Audio-Meditation zu einer befreienden Atembewusstheit.
Um nach der Erläuterng jener voneinander getrennten Ebenen noch einmal die Eingangsfrage zu stellen:
Was bedeutet die Praxislehre des historischen Buddhas im Westen FÜR heute?
Nichts mehr und nichts weniger als – „Selbstdenken und sehende Achtsamkeit“, wie der Titel dieses Blogs lautet.
Auf diesem Blog erscheinen unabhängige Aussagen zu dem Thema, das im menschlichen Leben alleine wahrhaft zählt – dem kulturübergreifenden Weg oder inneren Gesetz des „Dharma“ (Das, „was“ von innen her „trägt“). Ausschließlich so hat der Buddha bzw. „Erwachte“ gemäß den alten Quellen seine universelle Praxislehre genannt. Der Dharma bedeutet – kurz resümiert – ethische Motivation, innere Ruhe und befreiende Einsichten.
Die Quelle dieses zeitlosen Weges sind eben – Selbstdenken und sehende Achtsamkeit!
Dies ist der Blog eines Indologen, aber zugleich inneren Praktikers – und zwar über die eine wirklich tragfähige Alternative zu „Religion“, ob diese nun ein -tum oder ein -ismus ist ….!
Du kannst auf diesem Blog auch selbst einen Kommentar zu meinen Einträgen oder, davon unabhängig, etwas zu dem jeweils erörterten Thema schreiben (vgl. dazu auch unten den Abschnitt „Kommentare von Besuchern“).
Ich verstehe diese Webpräsenz nicht als eine übliche Diskussions- oder Debattenseite, sondern als eine Meinungs- bzw. Kommentarseite mit einem relativ hohen Anspruch zu bewusst ausgewählten, zentralen aktuellen Themen.
Wenn meine Beiträge Dich zu Reflexionen zu einem Thema inspirieren können oder umgekehrt, ist der Zweck dieses Blogs erfüllt; nämlich eine Plattform zu sein, die andere zum Selbstdenken und innerer Praxis inspiriert.
Selbstverständlich können Deine Kommentare auch kritische Antworten sein. Denn Kritik – gegebenenfalls auch scharfe, solange sie sachlich und gut begründet ist – hat auf diesem Blog seinen festen Platz.
„Selbstdenken“ (ein Begriff Arthur Schopenhauers) führt zu einer Praxis, die befreit.
Mit buddhistischen Worten ausgedrückt:
Die „Weisheit durch eigenes Nachdenken“ ist die Quelle der „Weisheit durch Aufnehmen“ (Hören, Lesen), die wiederum die Quelle der „Weisheit durch praktische Kultivierung“ höherer Qualitäten von Herz und Geist ist (1).
Gemäß der Praxislehre des historischen Buddha, wie sie mit den Redensammlungen des Pali-Kanons überliefert ist, bildet der prüfende Geist also die Grundvoraussetzung für alle weiter gehenden Formen von Weisheit.
Ich lade Dich herzlich zum Mitlesen oder eigenen Kommentaren ein.
Mit guten Wünschen im Dharma
Hans Gruber
Anmerkungen:
(1) Vgl. zu dieser Abfolge der so genannten „Drei Weisheiten“ etwa die Längere Sammlung der Reden des Buddha, Rede 33.
Nähere Informationen zu einer guten Übersetzung dieser Redensammlung, einer der fünf Sammlungen des Pali-Kanons, und weitere Tipps stehen hier auf der Website.
Im späteren Buddhismus ist die Reihenfolge dieser „Drei Weisheiten“ übrigens umgestellt worden, was eine kaum bekannte Tatsache ist.
Ich halte diese Umstellung jedoch für einen, wenn nicht den zentralen Unterschied zwischen dem frühen Buddhismus und verschiedenen Formen des späteren Buddhismus. Im tibetischen Buddhismus steht an erster Stelle die „Weisheit durch Aufnehmen“ (Hören, Lesen).
Denn in dieser Tradition gilt die „Hingabe an den Guru“ als die Grundvoraussetzung für alle weiter gehenden Formen von Weisheit. Dort wird das kritische Denken also jener Hingabe untergeordnet.
Im frühen Buddhismus hat der Lehrende die Funktion eines beratenden „spirituellen Freundes“ (kalyâna mitta).
Im Vordergrund stehen hier Selbstverantwortung und unabhängiges, prüfendes Denken.
Dies geht aus vielen Reden der alten Sammlungen hervor, etwa dem zentralen Kalama Sutta der Angereihten Sammlung, 3.65 (eine gute englische Übersetzung steht hier).
Mit dieser letzteren Rede werden die damals wie heute üblichen Orientierungsinstanzen – vor allem vermeintlich geoffenbarte „heilige Schriften“, die Wahrheitsansprüche von Meistern oder die landläufige, etablierte Meinung relativiert und anstattdessen die eigenständige, kritische Prüfung, was heilsam und was unheilsam sei, betont.
Der historische Buddha hat gemäß den alten Reden sehr weitgehende Vorschläge gemacht, was die kritische Prüfung von spirituellen Lehrenden bzw. von deren Ansprüchen auf das Erwachen angeht. Das bekannteste Beispiel für solche Vorschläge ist das Vîmamsaka Sutta der Mittleren Sammlung, 47 (eine gute englische Übersetzung erscheint hier).
Kommentare von Besuchern:
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Der Blog wird gut besucht, wie ich aus den internen Daten ersheen kann.
Damit findet Dein Kommentar eine größere Leserschaft.
Eine Kommunikation über Arthur Schopenhauer
und eine kurze Geschichte des Buddhismus im Westen
Auf Facebook habe ich einen (1) Eintrag gepostet – zum Thema Lesen und Selbstdenken, wie es Arthur Schopenhauer sieht (siehe dazu mit ausführlichen Zitaten Schopenhauers hier). Diesen Eintrag publiziere ich nachfolgend als Erstes.
Der Entwickler der Event Publishing Software „Fastbroadcast“ für spirituelle Veranstaltungen, Horst Noreick, hat dann (2) einen wichtigen Einwand dazu formuliert. Mit seinem Einverständnis kann ich diesen Einwand hier publizieren.
Danach folgt (3) meine ausführliche Antwort auf Horst, die sich generell auf Arthur Schopenhauers Beitrag zum Thema Buddhismus im Westen bezieht; sowie „eine kurze Geschichte des Buddhismus im Westen“ enthält.
(4) Schließlich folgt noch die aufschlussreiche weitere Kommunikation mit Horst.
Damit bringe ich auch grundlegende Positionen zum Ausdruck, die als Ergänzung zu diesem Vorwort des Blogs zu sehen sind.
(1) Lesen und Selbstdenken …
Ein Besucher meines Blogs, Thomas Teepe, hat mich wegen eines angeblich falschen Zitats Arthur Schopenhauers zum Thema Lesen und Selbstdenken kritisiert. Aber es war nicht falsch; ich hatte bloß ein paar Auslassungspünktchen weggelassen.
Bei der Gelegenheit habe ich in meiner Antwort Schopenhauer ausführlich zu diesem Thema zitiert. Nichts für schwache Gemüter!
Schopenhauer ist der Großmeister schlechthin, was die Vereinigung von brillianter Intellektualität, anschaulicher „Sprache auf den Punkt“ und unabhängigem Geist angeht.
Kein anderer deutscher Philosoph kommt ihm hier nahe!
Schopenhauer hat erst nach Fertigstellung seines Hauptwerkes Die Welt als Wille und Vorstellung die Lehre des Buddhas entdeckt (soweit sie in seiner Zeit schon zugänglich war, was ja erst ganz am Anfang war) und sah sich durch sie in seiner Philosophie vollkommen bestätigt.
In der Tat gibt es große Parallelen; wie hier zum Thema „Selbstdenken“.
(2) Der Einwand von Horst Noreick:
Hallo Hans,
Schopenhauer wurde 1813 von Friedrich Majer in das antike hinduistische Denken eingeführt. Die Welt als Wille und Vorstellung erschien 1819. Schopenhauer bezieht sich an verschiedenen Stellen auf die Upanishaden und den Buddha. In der Wikipedia heißt es : Zwar entwickelte er sein Grundsystem wohl noch unabhängig von diesen Einflüssen, allerdings hatte Schopenhauer bereits Ende 1813 Kontakt mit dem Orientalisten Friedrich Majer. Von diesem erhielt er auch eine Teilübersetzung der Upanishaden, einer Textsammlung aus der späten vedischen Literatur, in welcher die Anfänge der Lehren des Brahmanismus, Buddhismus und Hinduismus liegen.
(3) Meine ausführliche Antwort:
Hallo Horst,
Das stimmt zum Teil (1) –
Von Friedrich Maier erhielt Schopenhauer 1813 die „Oupnek´hat“, eine Übersetzung von 50 Upanishaden (nichtbuddhistisch) – eine lateinische Übersetzung einer persischen Übersetzung des Sanskrit-Originals: „Soweit“ war also diesbezüglich die Forschung damals …!
Sie hat ihn dennoch stark beeinflusst; so stark, dass er 5 Jahre später schrieb: „Die Sanskritliteratur wird sich als nicht weniger einflussreich für unsere Zeit wie die griechische Literatur für die Renaissance im 15. Jh. erweisen.“
Aber über den Buddhismus war zu jener Zeit noch kaum irgendetwas bekannt! Auch bis 1844 gilt es noch, als die erweiterte zweibändige volle Version von Schopenhauers Hauptwerk „Die Welt als Wille und Vorstellung“ erschien.
Schopenhauer dankt dort dem Russen Isaal Jakob Schmidt; der das „Diamantsutra“ des Mahayana-Buddhismus übersetzt hat. Mehr stand ihm damals offenbar nicht zur Verfügung. 1851 zitiert er gar in seinen Aphorismen eine Sammlung von Reise- und Missionsgeschichten aus dem 18. Jh. („Lettres édifiantes et curieuses“) als Autorität zum Buddhismus.
Es war erst das 600-seitige Großwerk des französischen Philologen Eugène Burnouf, „Die Einführung in den indischen Buddhismus“ (1844), das erstmals systematisch buddhistische Quellen aufgearbeitet hat – und die moderne Buddhismuskunde begründet hat. Das Werk gibt einen wissenschaftlichen Überblick über die Geschichte, die Lehren sowie die Texte des Buddhsimus und beruht auf erstmals von Burnouf übersetzten Quellen in Sanskrit und Tibetisch. Der hohe wissenschaftliche Wert seiner Arbeit ist unbestritten.
1833 verkündete dieser große Philologe:
„Wir sollten unsere Auge nicht verschließen vor dem brilliantesten Licht, das jemals aus dem Osten gekommen sein mag.
Und wir wollen versuchen, das große Spektakel zu begreifen, das sich da unserem Blick darbietet. Es geht nicht bloß um Indien. Es geht um eine Seite aus den Ursprüngen der Welt.“
Der Orientalist Max Müller berichtet von einem Treffen mit Burnouf 1845; und zitiert ihn mit der Aussage:
„Ich bin ein Brahmane, ein Buddhist, ein Zoroastrier. Ich hasse die Jesuiten!“
Vor Burnouf war die Existenz einer eigenständigen, sich von den Monotheismen grundlegend unterscheidenden Weltreligion „Buddhismus“ ein Mythos. Mit und nach Burnouf ist es eine wissenschaftlich erwiesene Tatsache gewesen, die gleichsam wie ein „Schock“ für das abendländische Bewusstsein gewirkt hat.
Deshalb haben schon bald danach die großen, das Christentum und den Buddhismus „vermengenden“ bzw. den Buddhismus vereinnahmenden oder „unterordnenden“ Konstrukte wie etwa die Theosophie oder die verstellenden und bloß so genannten „Übersetzungen“ der Reden des Buddhas durch Karl Eugen Neumann im Deutschen eingesetzt (die auch heute viele Bewunderer unter deutschen „Buddhisten“ hat).
Das Ganze setzt sich bis heute fort, zum Beispiel mit Ken Wilbers Integralismus-Kopfgeburten; oder dessen „Offshot“-Buddhismus-Interpreten wie dem Psychologen Joachim Wetzky, der vom „Deutschen Buddhistischen Dachverband“ DBU hofiert wird. Auf meinem Blog ist eine große Diskussion mit ihm unter „Buddhas Lehre für heute“, die genau zeigt, was er und seine Gesinnungsgenossen wirklich über die Lehre des Buddhas wissen – sehr wenig.
Wie soll man auch die präzisen „Buchstaben“ dieser Befreiungslehre richtig lesen können, wenn man sie mir der stark getönten, die Dinge systematisch verwischenden bzw. anders erscheinend lassenden Brille des Wilberschen Integralismus oder der christlichen, jüdischen oder islamischen Glaubensvorstellungen bzw. -konstrukte „lesen“ will?
Aber das tiefere Wissen über die Lehre des Buddhas – und ein gewisses „Erwachen“ – ist heute bereits soweit gediehen (etwa nach zwei Weltkriegen und anderer Katastrophen als der zwangsläufigen Folge einer weit verbreiteten inneren „Nichtentwicklung“), dass es auch machtvolle adäquate Wiedergaben gibt – vor allem die erstklassigen Neuübersetzung der Redensammlungen des Palikanons durch den Amerikaner Bhikkhu Bodhi; oder die Aussagen des amerikanischen „Horseman of New Atheism“ Sam Harris.
Er kommt mit einem starken meditativen Praxishintergrund aus der frühbuddhistischen Vipassana-Tradition und führt mit millionenfach verkauften Büchern den westlichen Atheismus neben Richard Dawkins an. Aber im Unterschied zu Richard Dawkins lehnt Sam Harris lediglich die Glaubensreligionen ab, keineswegs aber eine adäquate Spiritualität für den Westen, die er vielmehr gezielt und systematisch entwickelt.
Erst im Zuge der Auswirkungen des Großwerkes von Burnouf wandte sich Schopenhauer voll dem Buddhismus zu.
In dieser Zeit verkündete er begeistert: „Du wirst das Nirvana erreichen, wo Du nicht mehr diese vier Dinge vorfindest: Geburt, Alter, Krankheit und Tod.“
Der von Schopenhauer ausführlich erklärte „Wille zum Leben“ als Urgrund allen Lebens entspricht genau dem zwanghaften „Durst nach Sinnesgenuss, Sein und Nichtsein“ in der Lehre des Buddhas, das auf dem „Nichtsehen“ des Wesens der Dinge beruht – der letzten „Ursache des Leidens“.
„Vipassana“ (klares Sehen) mit Hilfe von „Selbstdenken und sehender Achtsamkeit“ hebt allmählich dieses Nichtsehen auf!
Im späteren zweiten Band seines Hauptwerkes räumt Schopenhauer ausdrücklich dem Buddhismus den „Vorrang“ vor allen anderen Religonen ein. Er betont dort, dass es ihm eine Freude sei, sein Werk in derart enger Übereinstimmung mit dem Buddhismus zu sehen.
Er fügt dort noch hinzu, dass ihn dies um so mehr freue, als er mit der Entwicklung seiner eigenen Philosophie gewiss nicht unter dem Einfluss des Buddhismus gestanden habe!
Wenn also eines der größten und weitreichendsten Werke der abendländischen Philosophie in derart enger Beziehung zum Buddhismus steht, zeigt dies Eines:
Es gibt jenes überall gültige Gesetz des „Dharma“ (wörtlich „Das, was“ von innen her tatsächlich „trägt“), wie es vom Buddha für alle Menschen verkündet worden ist.
Es ist individuell zu verwirklichen! Was aber etwa auch rein intuitiv ohne praktisch geschehen kann!
Und es steht über allen „Religionen“, und wo es mit ihnen nicht vereinbar ist (wie mit den heutigen großen Monothemismen), sind diese kritisch zu betrachten!
Trotzdem:
Schopenhauer hat ungeachtet seiner Brillianz nicht die Größe des Buddhas gehabt. Er hat etwa keine Methoden gelehrt, die im Zentrum der Lehre des Buddhas stehen.
Schopenhauer war ein Frauenverächter, während der Buddha keinen Unterschied zur Befreiungsfähigkeit von Frauen und Männern gemacht hat (mit vielen Belegstellen dazu).
Die moderne philologische Forschung hat klar nachgewiesen, dass jener Entstehungsmythos zum buddhistischen Nonnenorden mit Abwertungen später im Vinaya des Palikanons hinzugefügt worden ist – von kleingeistigen buddhistischen Mönchen, die es bis heute gibt und die jene Egalität und Gleichberechtigung nicht ausgehalten haben.
Schopenhauer hat trotz seiner berechtigten Kritik der Religionen des Christentums und des Judentums auch antisemitische Züge gezeigt, wie ja auch diverse andere deutsche sogenannte „Geistesgrößen“, etwa – und viel ausgeprägter – Martin Luther, die hochmittelaterlichen Kirchenväter oder der Komponist Richard Wagner.
Alle zusammen sind sie damit klar eine Hauptquelle für den späteren Nationasozialismus gewesen. Adolf Hitler wr ja auch ein großer Bewunderer von Luther und Wagner.
Siehe zu dieser ganzen Frage etwa den amerikanischen Geschichtsprofesser John Weiss, der trotz seines Namens kein Jude ist: „Ideology of Death: Why the Holocaust happenend in Germany“. Er weist nach, dass der Vernichtungsantisemitismus der Nazis ohne die besonders antiemsitische Ausprägung bzw. Geschichte des Katholizismus und Protestantismus in Österreich und Deutschland nicht möglich gewesen wäre.
Der zentrale spirituelle Praxisbegriff „Achtsamkeit“ war kein Thema für Arthur Schopenhauer (und noch viel weniger für Martin Luther, die hochmittelaterlichen Kirchenväter und Richard Wagner)
Es ist dagegen der Kernbegriff in der Praxislehre des Buddhas!
Der Buddha hat kein Geschlecht sowie generell kein Volk, keine Ethnie und keinen Menschen „per se“ negativ bewertet.
Er hat das indische Kastensystem, das in seinen Grundzügen dem nationalsozialistischen Rassensystem gleicht (Hitler hat sich in seiner „formativen“ Wiener Zeit ja auch aus indischen Quellen für seine Ideologie bedient) scharf kritisiert und es auch explizit lächerlich gemacht (siehe etwa Dhammapada, Kapitel 26 Der Brahmane); und er hat es mit seinen eigenen Lehren vollständig „unterminiert“ und widerlegt!
Sogenannte (aus der damaligen brahmanischen Sicht) Kastenlose und Kastenniedrige gehörten zu den führenden „erwachten“ Vertretern der buddhistischen Urgemeinde.
(4) Die weitere Kommunikation mit Horst:
Hallo Hans,
Vielen Dank für Deine ausführliche Antwort. Da ist für mich wieder einiges dabei, dem ich nachspüren kann, wie etwa dem Entstehungsmythos zum Nonnenorden.
Dass über Buddhismus zur Zeit Schopenhauers kaum etwas bekannt war, ist schon klar – aber ich meine, diese wenigen Informationen haben zur Inspiration ausgereicht.
Eine Textsuche auf Google-Books in der ersten Auflage von Die Welt als Wille und Vorstellung von 1819 ergibt einen Treffer für Buddhaisten (S.513) und 4 Treffer für Veda.
Obwohl Schopenhauer als der Philosoph angesehen wird, der den Buddhismus im Westen eingeführt hat, meine ich, dass er primär das Konzept von Brahman und Atman aus den Upanishaden verarbeitet hat. Die konstruktivistischen Elemente (der Welt als Vorstellung) finden sich schon bei Kant.
Die Aussage Schopenhauers, er habe bei der Entwicklung seiner Philosophie nicht unter dem Einfluss des Buddhismus gestanden, ist insoweit korrekt, dass ihm keine Literatur darüber zur Verfügung stand. Es war mir nur daran gelegen, zu zeigen, dass der Impuls durch die Upanishaden und die Begegnung zu Majer wichtig war für sein Werk – auch schon für die erste Auflage. Ich sehe das so wie du, dass Schopenhauer trotz seiner Verdienste weit davon entfernt war, ein Buddha zu sein. Ich meine, dass es im Kontext seiner Zeit auch nicht möglich war, die Größe eines Buddhas zu erreichen.
Was Ken Wilber angeht, so halte ich seine Arbeit durchaus für wichtig. Ich meine, dass wir uns seit Schopenhauer in einem synkretistischen Prozess befinden, in dem Wissenschaft und indische Spiritualität verschmelzen. Das ist ein Prozess, der sich über viele Generationen hinzieht und wir können nicht sinnvoll zum Selbstdenken auffordern und gleichzeitig die Ergebnisse als „Kopfgeburten“ vernichten.
Ich sehe das vielmehr als Teil einer notwendigen Entwicklung und ich denke, dass der integrale Ansatz für viele Menschen hilfreich ist, um aus anderen Perspektiven sehen zu lernen.
Soweit ich Wilber verstehe, sieht er sich selbst auch nicht als Buddhisten.
Ich sehe ihn eher als Vermittler zwischen Religionen und der Wissenschaft und finde, dass er da einen guten Job macht.
Mit Sam Harris habe ich mich noch nicht beschäftigt. Da hast Du jetzt aber mein Interesse geweckt.
Liebe Grüße,
Horst
Lieber Horst,
Zu Arthur Schopenhauer sind wir uns zum großen Teil einig:
Wenn er den sämtliche Phänomene charakterisierenden “Willen zum Leben“ als das Ding an sich bzw. Wesen aller Dinge wahrnimmt, ist es nicht die Sicht des Buddhas zum „Sinnes-, Seins- und Nichtseinsdurst“ als der Ursache des Leidens.
„Alle Dinge“ (inklusive des „Verlöschens“ Nirvana des Durstes) „sind das Nichtselbst“, lautet die Sicht des Buddhas.
Die höchste Realität ist hier also bloß direkt erfahrbar, nicht jedoch begrifflich fassbar bzw. „greifbar“ – etwa als eine alles durchdringende „Weltseele“ Brahman, die mit dem vermeintlich eigenen „Wahren Selbst“ Atman eins sei; oder mit (christlich, jüdisch oder islamisch mystisch betrachtet) einem „unpersönlichen Gott“.
Aber die Charakterisierung des Willens zum Leben entspricht deutlich der Charakterisierung des Durstes durch den Buddha.
Und die Befreiung bei Schopenhauer als das Versiegen jenes Willens zum Leben aus Verstehen entspricht genau der Befreiung bei Buddha als das Versiegen des Durstes aus Selbstdenken, sehender Achtsamkeit und damit der wachsenden intuitiven Einsicht „Vipassana“.
Deshalb hat Schopenhauer auch später betont, dass er seine Lehre durch den Buddhismus voll bestätigt sieht.
Bei Ken Wilber sind wir uns nicht einig.
Aber das muss ja auch nicht sein. Du warst jedenfalls einer der vielen sehr interessierten Zuhörer bei meinem Vortrag am „Numata Zentrum für Buddhismuskunde“ der Uni Hamburg jüngst am 7. Januar, was für mich eine besonders schöne Vortragserfahrung gewesen ist. Leider habe ich ja „im Trubel“ vergessen, den Aufnahmeknopf zu drücken. Den Vortrag hätte ich gerne auf YouTube zur Verfügung gestellt.
* Es mag seit der „Offenbarung“ des im Vergleich zu den Monotheismen ganz anders gearteten Buddhismus durch Eugène Burnouf einen starken synkretistischen, dieses „Andere“ gezielt „vereinnahmenden“ Zug im Westen in Bezug auf den Buddhismus geben, aber das ist nicht der einflussreichste Zug.
Sam Harris etwa hat eine deutlich größere Breitenwirkung auf den Mainstream als Ken Wilber, etwa mit zahlreichen echten, geradezu altindischen Debatten oder eingehenden Vorträgen an Universitäten, renommierten Instituten oder bei großen Fernsehauftritten.
Mit Bhikkhu Bodhis erstmals korrekten und verlässlichen umfassenden Neuübersetzungen (mit mehreren tausend Seiten) der Redensammlungen des Buddhas im Palikanon kann sich heute jeder ernsthaft Interessierte selbst ein klares Bild machen. Das war vor Bhikkhu Bodhi nicht möglich; und ist es leider bis heute im deutschsprachigen Raum nicht.
Unten habe ich die Anthologie Bhikkhu Bodhis, In The Buddha´s Words, verlinkt, die Reden aus verschiedenen Redensammlungen in seiner Neuübersetzung bringt.
Ich empfehle bloß dieses Original (die deutsche Übesetzung im Verlag Beyerlein & Steinschulte ist sehr fehlerhaft, wie es auch der befreundete Tantraexperte und Philologe Dr. Peter Gäng aus Berlin sieht).
Diese adäquaten Wiedergaben begründen eindeutig klare Unterscheidung und nicht Synkretismus.
* Hast Du Dich einmal gefragt, warum diese „Geistesriesen“ und „Herzensriesen“ wie der historische Buddha, Arthur Schopenhauer oder Eugène Burnouf alle klare Unterscheider gewesen sind, die Hinterfragung und Kritik niemals gescheut haben?
Obwohl aus ihren Lehren die friedfertigste Weltreligion, die Psychoanalyse (die ohne Schopenhauer nicht möglich gewesen wäre) oder die wissenschaftliche Buddhismuskunde als die objektive Wissenschaft zu diesem Thema hervorgegangen sind?
Mindestens ein Drittel der Reden des Buddhas sind kritische Auseinandersetzungen mit zeitgenössischen Lehrmeinungen.
Alle personalen oder unpersonalen Gottesideen zum Beispiel werden von ihm klar ausgeschlossen. Denn sie haben eine psychologische Rückversicherungsfunktion für das jede „Selbst“-Identifikation fundierende „Nichtsehen“ – die Wurzel des Leidens.
Umgekehrt ist etwa die extrem synkretistische Theosophie eine wichtige Wurzel des Nationalsozialismus gewesen, insofern die rechtsesoterischen theosophischen Strömungen eine Quelle für Hitler gewesen sind, wie klar nachgewiesen worden ist.
Hitlers Ideologie war selbst ebenfalls ein extrem synkretistisches Konglomerat aus altgermanischen Vorstellungen, den Rassentheorien des neunzehnten Jahrhunderts, indischem Gedankengut und Christentum. Den letzteren Bestandteil hat die neuere Forschung aufgezeigt, siehe etwa das Buch „Hitlers Theologie“.
In der Kurzbeschreibung dazu auf Amazon heißt es:
„Gewiss: Adolf Hitler war kein Theologe. Doch vom Beginn seines öffentlichen Redens bis zu seinen letzten dokumentierten Äußerungen verkündigte er sein Politikprojekt im Namen eines Gottes, konzipierte und legitimierte er es über theologische Begriffe. Diese spielten dabei keine nur rhetorische, sondern eine zentrale und tragende Rolle.“
Ohne tiefe Intution, die aus der klaren Unterscheidung, die in (nicht westlich verkürzter bzw. reduzierter) „sehender Achtsamkeit“ verwurzelt ist, dem Selbstdenken und dem Nichtopportunismus hervorgeht, ist der Manipulation Tür und Tor geöffnet. Echte innere Befreiung im frühbuddhistischen Sinne ist ohne jenen Komplex nicht möglich.
* Ken Wilbers synkretistisches System wird zum Beispiel in der Religionswissenschaft nicht als Wissenschaft anerkannt, gleichgültig wie populär er unter vielen sein mag, die sich in letztlich sehr begrenzten Zirkeln bewegen.
Sicher hatte Arthur Schopenhauer einige bedenkliche Seiten. Trotzdem spielte er als Philosoph wie Immanuel Kant in der „Champions League“, und ganz ähnlich die altgriechischen Philosophiegrößen. Dagegen spielen heutige Philosophen wie etwa Peter Sloterdijk oder Richard David Precht im Vergleich zu ihnen in der Regionalliga. Den geistigen Fortschritt sehe ich nicht, den Du meinst zu sehen.
Das Gleiche kann man sich ebenfalls zu den heute gefeierten Literaturgrößen fragen. Was haben sie etwa im Vergleich zu William Shakespeare, Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller oder die großen Aufklärer Denis Diderot und Jean-Jacques Rousseau zu sagen?
Heute verwechseln viele Quantität mit Qualität.
Sicher wird heute ungleich mehr „produziert“, „geschrieben“ und „geredet“. Und viele sind heute schon alleine deshalb schwer beeindruckt, wenn einer hyperaktiv ist, eine gute Rhetorik hat und viel verbalen „Output“. Das heißt aber nichts. Es kommt immer bloß auf die „befreiungsrelevante“ Qualität an.
Aus dem kleinen Tao Te King vor 2500 Jahren etwa ist der große, bis heute vitale Taoismus hervorgegangen.
Die Reden des Buddha bezeugen, wie zu seiner Zeit regelmäßig schon wenige Aussagen, wenn sie auf einen durch Selbstdenken und sehende Achtsamkeit innerlich entsprechend gereiften „Herzgeist“ getroffen sind, befreiende Einsichten ausgelöst haben.
Herzlich,
Hans
Anmerkung 1)
Siehe zum Folgenden: Batchelor, Stephen: The Awakening of the West: The Encounter of Buddhism and Western Culture. London: Aquarian, 1994.
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