Die „besondere“ Vipassana-Tradition von S. N. Goenka –
und ihre angeblich „reine Technik“ des Buddhas!
Eine notwendige, große Diskussion
PS) Der zweite – noch tiefere sowie wichtigere – Teil folgt
als ein separater, neuer Beitrag,
(Aussage vom August 2017)
* Näheres zum neu entdeckten Urvater des westlichen praktizierten Buddhismus,
U Dhammaloka, hier im Vorwort
* Tipp: Die Spiegelung meiner Facebook-Seite auf diesem Blog
Die Gründe für die Publikation des folgenden Textes:
* Die Tradition des Inders S. N. Goenka repräsentiert eine einflussreiche heutige Richtung des Vipassana. Sie ist durch eine Monopolisierung des Begriffs „Vipassana“ charakterisiert, in Form der wissenschaftlich unbelegten Ansicht, dass der historische Buddha ausschließlich die von dieser Richtung vertretene Methode gelehrt habe. So spricht Goenka auf den einführenden Zehntageskursen mehrfach von der reinen Technik „pure technique“ des Vipassana und beschreibt einen Buddha, der diese „Technik“ als das eine Mittel zur Befreiung verbreitet habe. Das impliziert, dass andere Ansätze des Vipassanâ Abweichungen von der Lehre des historischen Buddha wären. In keiner anderen Tradition des Vipassana wird ein solcher Anspruch erhoben, alleine die eine Methode des Buddha zu vermitteln. Der folgende Text zeigt, woher dieser Anspruch in Wahrheit kommt.
* Die von der Tradition von S. N. Goenka betriebene Monopolisierung beeinflusst die Praktizierenden dieser Richtung, die folglich davon ausgehen, dass „Vipassana“ bloß das umfasse, was sie dort praktizieren und lernen.
* Außerdem werden Außenstehende in diesem Sinne beeinflusst. Sie übernehmen diese spezielle Sicht vom Vipassana zum Beispiel aus diversen PR-Maßnahmen und Selbstdarstellungen der Tradition oder dem Einführungsbuch in die Methode von S. N. Goenka.
Es sind mir zu diesen Fällen diverse Beispiele bekannt.
* Je größer diese Tradition des Vipassana wird, desto mehr verbreitet sie ihre spezielle Sichtweise. Deshalb erscheint das Korrektiv einer Diskussion wie etwa mit dem folgenden eingehenden Beitrag sinnvoll und notwendig.
Wissenschaftlich betrachtet ist „Vipassana“ der Überbegriff über die größte Praxisströmung des frühen Buddhismus Theravâda (Südostasien, Sri Lanka), die eine breite Palette unterschiedlicher methodischer Schulungen der Achtsamkeit und der damit verbundenen Traditionen umfasst.
* Die Monopolisierung des Begriffs „Vipassana“ in Form jenes Reinheits- bzw. Alleingeltungsanspruches und eine bestimmte, unten näher erklärte Organisationsstruktur dieser Tradition bewirken, dass deren Lehrende und Praktizierende eine starke Fokussierung auf die eigene, so genannte „reine Technik des Buddha“ zeigen; und damit zwangsläufig auch eine gewisse Traditionsspurigkeit bzw. Einsspurigkeit des Denkens, wie sie ihnen häufig von außenstehenden Beobachtern zugeschrieben wird.
In dieser Tradition herrscht eine gewisse Diskussionsfeindlichkeit in Bezug auf grundsätzliche Fragen, die sich nicht innerhalb des „von oben“ vorgegebenen Rahmens des näheren Verstehenwollens der vermeintlich „reinen Technik “ oder „reinen Lehre“ des Buddha bewegen. Es wird damit begründet, dass solche Fragen lediglich von der Praxis der (reinen) Technik abhalten würden.
Näher betrachtet ist diese Haltung eher ein Schutzmechanismus vor dem Reflektieren derjenigen Ansichten und Prämissen, in welche die spezifische Meditationsmethode dieser Tradition eingebettet ist.
Vorweg möchte ich noch Folgendes betonen:
Es geht mir nicht um eine Ablehnung der Tradition von S. N. Goenka, weil ich mir der vielen positiven Aspekte dieser Tradition bewusst bin. So ist etwa mit meinem Kursbuch Vipassana neben anderen Strömungen auch diese Richtung positiv beschrieben worden. Denn die Richtung von S. N. Goenka bringt ernsthafte Meditation an einen relativ breiten Bevölkerungskreis.
Es geht mir um das Fördern eines Diskussionsprozesses, der den aus meiner Sicht negativen Aspekten dieser Tradition entgegenwirkt. Für ein wirkliches Gedeihen, das heißt nicht bloß in der Inselsituation der Anhänger, im von Aufklärung und wissenschaftlichem Denken geprägten Westen ist längerfristig betrachtet jenes Sichverschließen vor begründeten und wichtigen Fragen nicht zweckmäßig.
Wenn ich die folgende Analyse der Tradition von S. N. Goenka publiziere oder mit einem anderen Blogeintrag Kritik gegenüber der Lehre von Bhante Vimalaramsi übe, mache ich es aus Wertschätzung für die stark praxisorientierte Bewegung des Vipassana insgesamt und die ihr zugrunde liegende Lehre des Buddha. Diese verträgt sich sich nicht mit Alleingeltungs- oder Monopolansprüchen. Die Kritik gegenüber den Stellungnahmen zu der vollen Nonnenordination im entsprechenden Eintrag in diesem Blog hat den gleichen Grund.
Es würde der frühbuddhistischen Praxis und Lehre im Abendland zugute kommen, wenn ein Denken in Form von Alleingeltungsansprüchen (wie in den beiden eben erwähnten Vipassana-Traditionen), die im Vergleich zu den alten Quellen schlichtweg nicht haltbar sind, oder auch Patriarchalismus und Bedachtsein auf eigene Privilegien (wie hinter den genannten Stellungnahmen zur vollen Nonnenordination) nicht aufträten.
Anzumerken ist hier noch, dass sich diese Kritiken im Religionsvergleich auf relative Kleinigkeiten beziehen. So sind jene beiden Alleingeltungsansprüche moderat im Vergleich etwa zum Alleingeltungsanspruch des Katholizismus, der auf einer durch bestimmte Bibelstellen begründeten dogmatischen Glaubensüberzeugung beruht, die überlegene Kirche bzw. die einzige zum Heil führende Religion zu verkörpern und einen dementsprechenden globalen Missionsauftrag zu haben.
Auch die Stellung der Frau in den buddhistischen Traditionen – in manchen von ihnen herrscht eine weitgehende Gleichberechtigung und im Westen ist die Zahl der weiblichen buddhistischen Lehrenden annähernd so groß wie die Zahl der männlichen – ist wesentlich besser als im Katholizismus (ganz zu schweigen vom Islam).
Die Gliederung des folgenden Beitrags:
Einleitung
Ein substanzorientierter Reinheitsbegriff
Weitere Ausdrucksformen der besonderen Reinheitssicht
Der alte Bestand an Sankhâras
Die Vorteile der Technik
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Einleitung
Es gibt lediglich in dieser Vipassana-Richtung bestimmte eingehende Befragungsbögen vor den Kursen, mit denen zum Beispiel nachgefragt wird, ob seit dem letzten Kurs in der Tradition von S. N. Goenka andere Methoden oder Meditationsformen praktiziert worden seien. Eine Voraussetzung für einen aufbauenden längeren Kurs ist hier, dass seit dem letzten Kurs keine andere Methode oder Meditationsform praktiziert, mithin die Praxisform dieser Tradition gleichsam „rein“ gehalten worden ist.
Es stellt sich die Frage, welche Gründe dieses kurz skizzierte und für die buddhistische Vipassana-Tradition generell untypische Charakteristikum der Richtung von S. N. Goenka hat. Der nahe liegendste Grund ist ein bestimmtes Verhältnis zur Frage der „Reinheit“ oder „Unreinheit“. Denn diese Begriffe kommen in Goenkas Lehre relativ häufig vor – deutlich häufiger als in den Reden des historischen Buddha im Palikanon, wo sie nachrangig sind.
Die bessere Übersetzung von Visuddhi ist auch nicht der absolute Zustand der „Reinheit“, sondern der allmähliche Prozess der „Läuterung“. Vi- bedeutet eine Bewegung „weg von“ etwas (hier weg von Verblendung und Unwissen), mit dem Ziel von „Suddhi“ – einem innerlich geläuterten oder reinen Zustand. „Reinheit“ oder „Reinigung“ bedeutet das Freisen bzw. Freimachen einer Sache von Schmutzpartikeln, zum Beispiel wie bei „Reinigungsdienst“, Kleidung „in die Reinigung“ bringen oder „Reinemachefrau“. Diese und ähnliche Begriffe beziehen sich nicht auf den geistig-spirituellen Bereich. „Visuddhi“ dagegen bezieht sich bloß auf den geistig-spirituellen Bereich, wie im Deutschen das Wort „Läuterung“.
Der Begriff „Läuterung“ eignet sich nicht für eine dualistische Gegenüberstellung der Art wie bei dem Begriffspaar „rein“ und „unrein“, was ein wichtiges Merkmal der Lehre von S. N. Goenka ist.
Außerdem argumentiert er, dass der Buddha jene „reine Technik“ des Body Sweepings selbst gelehrt habe. In den Reden des historischen Buddhas laut Palikanon gibt es keinen klaren Beleg für diese Methode des systematischen Körperdurchwanderns auf Basis der Konzentration auf den Atem um die Nasenlöcher herum; ebensowenig wie es dort einen klaren Beleg für die anderen heute praktizierten Vipassanamethoden gibt.
Der historische Buddha hat eine breite Palette von Methoden im Bereich der Ruhe- bzw. Konzentrationsmeditation „Samatha“ und im Bereich der Einsichtsmeditation „Vipassanâ“ gelehrt. Er ist als Großmeister der „geschickten Mittel“ berühmt, der sich gezielt auf das jeweilige Individuum einstellen konnte, um ihr oder ihm konkret zu helfen.
Deshalb sollten alle heutigen Traditionen und zeitgenössischen Lehrenden, die beanspruchen, der Lehre des Buddha genau zu entsprechen, ähnlich fähig sein, zugeschnitten auf die konkreten Individuen mehrere Methoden anzubieten (was bestimmte Schwerpunktsetzungen nicht ausschließt).
Das starke Vorkommen der Begriffe „Reinheit“ oder „Unreinheit“ bzw. „rein“ oder „unrein“ in der Lehre von S. N. Goenka stammt nicht aus den Reden des historischen Buddha, auf die sich Goenka ausschließlich bezieht. Die Begriffe „Reinheit“ oder „Unreinheit“ bzw. „rein“ oder „unrein“ sind jedoch in jener Religion zentral, die Goenkas Ausgangspunkt gewesen ist – dem Hinduismus. Goenka kommt aus einer orthodoxen hinduistischen Familie und hatte ursprünglich große Berührungsprobleme mit dem Buddhismus, wie er selbst betont. Seine Familie gehört zur indischen Minderheit Burmas.
Ein substanzorientierter Reinheitsbegriff
Außerdem vertritt Goenka einen substanzorientierten Reinheitsbegriff, der ebenfalls hinduistische Wurzeln hat. Dieser Reinheitsbegriff kommt etwa in dem Ausdruck der „vibrations“ auf den Punkt, der in Goenkas Lehre häufig auftaucht, während er in den Reden des Buddha nicht erscheint. Aus den Kontexten in Goenkas Lehre, in denen dieser Ausdruck erscheint, wird klar, dass damit eine Art von subtiler Reinheits- oder Unreinheitsmaterie gemeint ist, die andere Menschen oder auch Gegenstände gleichsam als ein feiner Stoff positiv oder negativ „belegt“ bzw. auf sie einwirkt.
Daraus resultiert das Grundprinzip der Trennung bzw. Nichtvermischung oder, falls Kontakt mit vermeintlich weniger reinen Menschen oder Gegenständen stattgefunden hat, der gezielten Reinigung von deren Vibrations, die auf einen selbst eingewirkt haben.
Auf einem Servicekurs, den der Autor in dieser Tradition gemacht hat, wurden etwa strikt das Geschirrwasser sowie die Geschirrtücher für das Geschirr der Kursteilnehmer und der Assistenzlehrer voneinander getrennt gehalten. Ähnlich durfte für den Meditationsraum ausschließlich ein bestimmter Staubsauger gebraucht werden. Nach einem Gang in die Stadt zum Einkaufen für die Küche musste zuerst in einem speziellen Raum meditiert werden, bevor man wieder zum Küchenteam stoßen konnte.
Dieses Prinzip der Trennung bzw. Nichtvermischung oder, falls Kontakt mit vermeintlich weniger reinen Menschen oder Gegenständen stattgefunden hat, der gezielten Reinigung von deren „Vibrations“, liegt dem hinduistischen Kastensystem zugrunde. Der große Unterschied zu Goenkas Ansatz ist freilich, dass im hinduistischen Kastensystem das Reinheitsniveau eines Menschen ein Leben lang durch dessen Geburt bzw. Kaste festgelegt ist. Bei Goenka dagegen kann es unabhängig von der Geburt durch die Praxis jener „reiner Technik“ angehoben werden. Damit ist hier jedem Menschen die innere Befreiung möglich. So ist im Hinduismus das Prinzip der Trennung bzw. Nichtvermischung oder, falls Kontakt mit vermeintlich weniger reinen Menschen oder Gegenständen stattgefunden hat, der gezielten Reinigung, ungleich schroffer und weitgehender.
Die Möglichkeit der Befreiung für jeden Menschen in Goenkas Lehre ist buddhistisch. Denn der historische Buddha war ein Gegner des Kastensystems. Aber die feinstoffliche Auffassung von Reinheit oder Unreinheit als Vibrations und das daraus resultierende Prinzip der Trennung bzw. Nichtvermischung oder, falls Kontakt mit vermeintlich weniger reinen Menschen oder Gegenständen stattgefunden hat, der gezielten Reinigung, ist hinduistisch – selbst wenn es bloß die subtilen Formen wie in der Tradition von S. N. Goenka hat.
Weitere Ausdrucksformen der besonderen Reinheitssicht
Weitere Merkmale belegen dieses Prinzip der Trennung bzw. Nichtvermischung oder, falls Kontakt mit vermeintlich weniger reinen Menschen oder Gegenständen stattgefunden hat, der gezielten Reinigung; etwa die eingangs beschriebene Kontrolle durch jene Befragungsbögen, um sicherzustellen, dass die Tradition rein oder unvermischt gehalten wird.
Die besondere Reinheitssicht S. N. Goenkas wird etwa auch noch an der traditionsinternen Namensgebung klar. Die für die Public Relations der Organisation zuständigen Gruppen heißen „Outreach Committees“. Man „streckt die Arme“ helfend „aus“ nach Menschen in einer bedauerlichen Lage, die irgendwo feststecken, um sie von dort herauszuziehen. Ein „Outreaching“ erfolgt vor allem von oben nach unten. Weil sich das „Outreaching“ auf alle Menschen außerhalb der eigenen Tradition bezieht, wird also offenbar davon ausgegangen, dass sie sich alle in einer bedauerlichen Lage befänden. Dies ist lediglich durch die Ansicht zu erklären, dass sie aufgrund der Nichtkenntnis bzw. Nichtpraxis jener „reinen Technik“ zwangsläufig in einer bedauerlichen Lage sein müssten.
Goenka betont stark, dass er keinen „Buddhismus“ lehre, sondern lediglich „die Kunst des Lebens“ – den „Dharma“, wörtlich „Das, was trägt“, wie der Buddha seinen kulturübergreifenden Befreiungsweg selbst genannt hat. Damit beruft sich Goenka unmittelbar auf den Buddha. Aber auch folgende Tatsache verweist auf eine andere Reinheitssicht Goenkas:
Die vielen Assistenzlehrenden der Tradition dürfen nicht eigenständig lehren – bloß sehr wenige an der Spitze der weltweiten Organisation dürfen es –, sondern sind auf den Kursen lediglich still meditierend gleichsam als besondere „Ruhepole“ anwesend, sprechen kurze Einleitungen, stehen für Interviews zur Verfügung und bedienen die Knöpfe der Anlage, um die Kassettenanleitungen oder Videovorträge Goenkas abzuspielen. Diese strikte, von Goenka selbst ausgehende Kontrolle, was in seiner Tradition gelehrt werden kann und was nicht, das heißt die Vorgabe, dass nichts anderes als seine Anleitungen und Vorträge gelehrt werden dürfen, belegt wiederum jene Überzeugung Goenkas von der „reinen Technik“. Denn angesichts dieser Überzeugung muss er unbedingte Sorge tragen und die entsprechende Kontrolle ausüben, dass sich keine „fremden“, weniger reinen Elemente hineinmischen.
Goenka lehrt explizit, dass bereits der Buddha die Technik genau so gelehrt habe (wofür es keinen einzigen Beleg in dessen Reden gibt), sie in Indien untergegangen, auf verschlungenen Wegen nach Burma gelangt und schließlich zu U Ba Khin gekommen sei und schließlich heute durch ihn, Goenka, wieder in die Welt gebracht werde. Er versteht sich als der Wiederbeleber der reinen Methode des historischen Buddhas, mit dem höheren Auftrag, sie wieder breit angelegt in die Welt zu tragen. Diese Auffassung ist wissenschaftlich gesehen unhaltbar – eine reine Legende.
Ein weiterer Ausdruck der hinduistisch gefärbten Reinheitssicht der Tradition von S. N. Goenka ist eine schwach ausgeprägte Kultur der Auseinandersetzung. Denn über eine vermeintlich einzige „reine Technik“ des Buddha gibt es ja letztlich nichts zu diskutieren. Aus dieser Sicht werden Kritipunkte unbewusst als Nichtsehen oder sogar als häretischen Zweifel empfunden. Es sind verschiedene Fälle bekannt, wo auch sehr sachlich begründete Kritik von den Lehrenden der Tradition kategorisch zurückgewiesen worden ist.
In der Zeit des historischen Buddha herrschte eine ausgeprägte Kultur der sachlichen Auseinandersetzung über alle religiösen oder spirituellen Lehren und Ansichten, wie es viele Reden des Erwachten belegen. Er hat sogar ausdrücklich zu einer besonders kritischen Prüfung seiner eigenen Lehre aufgefordert und nähere Anweisungen dazu gegeben (vgl. etwa das Vîmamsaka-Sutta: „Der Prüfende“, Mittlere Sammlung 47).
Zentral für jene ausgeprägte altindische Kultur der sachlichen Auseinandersetzung über alle religiösen oder spirituellen Lehren und Ansichten ist das „Selbstdenken“ (mit A. Schopenhauer gesprochen). Laut der frühbuddhistischen Lehre kommt die „Weisheit durch eigenes Nachdenken” (cintâ-mayâ pannâ) als Erstes, also vor der „Weisheit durch Aufnehmen” (suta-mayâ pannâ), etwa durch Hören oder Lesen. Diese letztere Weisheit kommt vor der „Weisheit durch praktische Kultivierung” bzw. meditative Verinnerlichung (bhâvanâ-mayâ pannâ) höherer Qualitäten von Herz und Geist.
Gemäß der Lehre des historischen Buddha ist der prüfende Geist also die Grundvoraussetzung für alle weiter gehenden Formen von Weisheit.
Der alte Bestand an Sankhâras
Ein anderer Hauptbegriff in Goenkas Lehre, der deutlich jene substanzorientierte Reinheitssicht zum Ausdruck bringt, ist der „alte Bestand an Sankhâras“ (old stock of Sankhâras). In Buddhas Lehre umfassen die Sankhâras (wörtlich „Gestaltungen“) die glück- oder leidvollen inneren Ergebnisse der Willensregungen, je nach deren Qualität.
In Goenkas Lehre werden sie wiederum substanziell bzw. feinstofflich aufgefasst, nämlich als Ablagerungen in Form verfestigter Körperempfindungen (infolge der Verblendungen), die durch gleichmütiges Betrachten im Rahmen des Body Sweepings „abgetragen“ werden sollen. Goenkas Anweisung dazu – „keep eradicating“ (beseitigen).
Der „Stoff“ jener Ablagerungen und der Körperempfindungen im Allgemeinen wie auch der oben genannten „Vibrations“ sind die so genannten „Kalâpas“ – körperlich aufgefasste Kleinstkonglomerate aus verschiedenen Eigenschaften. Die unterschiedlichen Empfindungsqualitäten im Körper ergäben sich aus dem Vorherrschen jeweils bestimmter Eigenschaften innerhalb dieser Kalâpa- bzhw. Empfindungs-„Cluster“.
Die Lehre von den „Kalâpas“ stammt aus der späteren auslegenden Literatur des Theravâda. Diese Lehre gehört nicht zum Palikanon (noch nicht einmal zum später entstandenen Abhidhamma innerhalb des Palikanons). Laut der Lehre des Buddha werden die Sankhâras nicht materiell-körperlich „lokalisiert“ bzw. haben keine echte Substanz.
Die Vorteile der Technik
Der historische Buddha im alten Indien war ein klarer Gegner der Reinheitsbetonung und -auffassungen in seinem brahmanisch-hinduistischen Umfeld. Es gibt aber auch Vorteile der die eigene Tradition hervorhebenden Reinheitsauffassungen S. N. Goenkas:
Eine ausgeprägte Konzentration auf eben diese Tradition, was zum Beispiel eine besonders effiziente Organisationsstruktur mit sich bringt. Hier liegt ein Grund für das starke Wachstum der Richtung.
Ein weiterer Grund mag sein, was die Vipassanalehrerin Mary Thanissara mit folgender Aussage resümiert (sie hatte 60 Kurse in der Richtung von S. N. Goenka gemacht, bevor sie über 10 Jahre in der Tradition von Ajahn Chah ordiniert und eine führende Nonne war; heute ist sie eine Laienlehrerin des Vipassanâ):
„Das Body Sweeping ist die wirksamste Methode, die es gibt, um Konzentration aufzubauen; aber die Einsichten, die hier verwirklicht werden können, sind nicht die höchsten.“
Es sind die konzentrativen Versenkungszustände, in denen durch das zeitweise Ausschalten der Verblendungen eine subjektiv empfundene Reinheit gegeben ist, aber – durch das gleichzeitige Beibehalten des Bewusstseins von „Ich und mein“ im Rahmen der bloßen Konzentration – ebenfalls eine Identifikation damit bzw. Abgrenzung von „Unreinheit“. So betrachtet ist der schnelle Konzentrationsaufbau mithilfe des Body Sweepings auch eine Quelle jener Reinheitssicht in der Tradition von S. N. Goenka.
Es ist dieser schnelle Aufbau starker Konzentration bzw. geistiger Ruhe, die viele von der Methode überzeugt. Dadurch spricht sie sich herum. Das Erfolgsgeheimnis der Tradition ist, dass das Body Sweeping ein machtvolles Gegenmittel gegen die übermäßige Betonung des „Kopfes“ in der heutigen Zeit ist. U Ba Khin, der überaus pragmatische Vater der Methode, war der höchste Verwaltungsbeamte Burmas nach der britischen Kolonialzeit. Er hatte die Technik ursprünglich als Gegenmittel gegen Korruption in den ihm unterstellten Verwaltungsbereichen eingesetzt.
Viele Lehrende des Vipassanâ, die andere Ansätze vertreten, sagen von der Methode von S. N. Goenka, dass sie eine ideale Grundlagenpraxis und sehr hilfreiche Technik sei. S. N. Goenkas großes Verdienst ist, dass er noch mehr als andere Lehrende ernsthafte Achtsamkeitsmeditation in breitem Maßstab weltweit vermittelt.
Anmerkung:
In direkter Antwort auf verschiedene Kommentare von Blogbesuchern, die hier nachfolgend erscheinen, habe ich zum Teil noch längere eigene Kommentare gepostet. Sie sind wichtige Ergänzungen zum obigen Einleitungsaufsatz. Lesen Sie diese ganze interessante Diskussion.
{ 101 comments… read them below or add one }
https://youtu.be/Q29ZYhw0LRg
Hier sagt Goenka ganz klar, dass es für verschiedene Menschen verschiedene Ansätze gibt.
Außerdem funktioniert ihre Kritik am Reinheitsbegriff Goenkas meines Erachtens nur im Deutschen. Der von Goenka benutzte englische Begriff „pure“ hat eine andere Färbung.
Zudem finde ich es fragwürdig, die Einsichten einer ordinierten Nonne mit der von Goenka gelehrten Technik, die explizit eine Technik für Laien ist, zu vergleichen. Eine Nonne widmet ihr Leben der Lehre Buddhas in all seiner Tiefe. Ich kann als Laie garnicht den Anspruch haben, dieselben Einsichten zu erlangen.
https://insightmyanmar.org/burmadhammablog/2013/03/sn-goenka-pays-respects-to-shwe-oo-min.html
Hier kann man nachlesen, dass Goenka seinen Schülern, die ordinieren wollten die Shwe oo Min Monastry empfohlen hat. Diese entstammt der Mahasi Tradition.
So eng kann Goenka das also nicht gesehen haben.
Ich habe ihren Artikel direkt nach meinem ersten Kurs gelesen und ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass diese Art von kritischer Auseinandersetzung (der ich ihre Berechtigung grundsätzlich nicht absprechen will) einen sehr unerfahrenen Meditierenden definitiv ziemlich aus dem Konzept bringen kann. Aus diesem Grund verstehe ich die Vorsicht, mit der in Goenkakreisen mit Theorie umgegangen wird, die noch nicht von eigener Meditationserfahrung gedeckt ist. Das das manchmal dogmatische und diskussionsfeindliche Auswüchse annimmt will ich nicht in Abrede stellen.
Dennoch denke ich, das sie ihre Kenntnisse genauso gut hätten verwenden können, um die Gemeinsamkeiten der verschiedenen Traditionen hervorzuheben.
Mit persönlich geht es definitiv so, das je mehr Erfahrung ich in der U Ba Khin Methode entwickelt, desto weniger habe ich dass Gefühl, dass das, was ich über andere Traditionen lese etwas grundsätzlich anderes ist. Das ich mich überhaupt mit anderen Traditionen beschäftigt habe geht auch auf ihren Artikel zurück und dafür bin ich ihnen auch dankbar. Am Ende geht es da meines Erachtens aber eher um technische Details als um die eine wahre Technik.
Hi Stefan,
Momentan habe ich einen zweiten Teil nicht vor.
Meine Prioritäten liegen schlicht woanders. Ich muss auch mit meiner Zeit und Energie haushalten!
# Die Tradition von S. N. Goenka spielt für mich keine nähere Rolle mehr.
Auch früher war ich ja zu keiner Zeit ihr „Vertreter“, wie es dort letztlich gewünscht wurde, weil ich mir von niemandem das Selbstdenken verbieten lasse.
Als mir von ihren „Soldaten“ die Teilnahme an einem 20-Tages-Kurs verweigert wurde, mit dem Hinweis auf die Blogdiskussion oben, war das Fass voll.
Spaßeshalber war ich einmal vor einigen Wochen bei deren wöchentlicher Abendmeditation in Hamburg (200 Meter von meiner Wohnung entfernt). Bei einem guten anschließenden Gespräch mit einem „alten Schüler“ kam gleich eine jener gedrillten, gebrainwashten Wächterfiguren dazu und meinte zu mir, dass diese Themen hier nicht statthaft seien.
„Selbstdenken“ ist dort in Wahrheit nicht statthaft!
# Mit „Erwachen“ hat das alles rein gar nichts zu tun. Im Gegenteil – das Erwachen soll verhindert werden.
Das „Lockmittel“ sind die hohen Konzentrationszustände, die mit jener „Sweeping“-Methode (wie auch mit anderen Methoden der ständigen Wiederholung) realisiert werden können.
Aber bereits der historische Buddha warnte eindringlich vor der Verwechslung von hoher Konzentration mit Erwachen. Diese Verwechslung gilt als eine der kardinalen „Fehlansichten“ (siehe dazu „Diigha Nikaaya 1“). „Konzentration“ ist in der frühbuddhistischen Psychologie auch ein „neutraler Faktor“!
Psychopathen an der Macht z. B. haben auch eine hohe Konzentration!
# In einer echten Diskussion über die Grundlagen des Goenka-Ansatzes hätte keiner der „Assistenzlehrenden“ eine Chance gegen mich.
Sie wiederholen einfach stereotyp ihre „Vorgaben“ – gewissermaßen automatenhaft, ohne jede echte Individualität, die eben auch „ausradiert“ werden soll.
# Diese Tradition ist gleichsam durchdrungen von einem praktisch „jesuitischen“ Geist des Gehorsams und des stupiden Nachredens der vermeintlich „wahren“ oder „reinen Lehre“:
Die letztlich bloß auf den sentimentalen Legenden Goenkas und bestimmten gezielten Fehldeutungen der alten Reden des historischen Buddhas beruht.
# Ich halte diese Tradition für ein „Kuckucksei“ im Nest der frühbuddhistischen Achtsamkeitspraxis, die von den Quellen her von einem ganz anderen Geist geprägt ist:
Ähnlich wie das synkretistische „Unterminierungs“-Zen des Jesuiten-Paters Pater Hugo Enomiya Lasalle ein Kuckucksei im Nest des japanischen Zen ist!
# Siehe auch das Kapitel G in diesem eingehenden eigenen Beitrag zur Praxislehre des historischen Buddhas (im PDF des Originalbeitrags, der dort weiter unten geöffnet werden kann):
„The real greatness of the human being:
The Buddha´s timeless practice path to unlock one´s spritual potential“
Dort geht es näher „zur Sache Goenka-Tradition“!
# Mein persönlicher Praxis-Hintergrund ist eine Mischung aus den alten Reden des historischen Buddhas im Pali-Kanon (nicht Goenkas Fehldeutungen derselben), der modernen Vipassana-Praxis-Bewegung (das heißt des gemeinsamen Nenners der unterschiedlichen Vipassana-Ansätze), der altindischen buddhistischen „Mahasiddhas“ Nagarjuna (zur „Leerheit aller Dinge“) und Shantideva (des Begründers des Bodhisattva-Ideals) sowie von tantrischer, energiespiritueller Praxis (Naropa, Tilopa).
In dem eben verlinkten Beitrag wird es auch deutlich.
# Drei weitere und ähnlich große (englische) Beiträge von mir – ebenfalls vom früheren „Narrative“-Publikations-Netzwerk – folgen hier auf meinem Blog bald noch im bebilderten Original.
# Gerade treibt mich jedoch mehr die politische Lage um, etwa der deutsche Protest gegen die diktatorische Corona-Kontroll-Agenda.
Viele Grüße,
Hans
Hallo Hans,
Gibt es den 2. Teil mittlerweile?
Ich finde ihn nicht.
Dank und Gruß
Stefan
Hi,
Merci! Ja, „Reinheit“ spielt dort eine große Rolle – hinduistisches Konzept.
Das buddhistische „visuddhi“ bedeutet Läuterung, ist also viel weniger „absolut“ or dualistisch.
Das Bild des „trojanischen Pferdes“ ist gut.
Aber dies hat eine Tiefendimension, die wenige sehen:
Siehe das entsprechende Kapitel in diesem großen „Narrative“-Beitrag von mir, zur Tradition von S. N. Goenka.
The real greatness of the human being: The Buddha´s timeless practice path to unlock one´s spirital potential!
Hi,
Vielleicht sollte man Goenka mehr als Geschätsmann sehen.
Er hat primär am Anfang seine Kurse für Inder entwickelt. Deshalb ist eben diese Hinduismus Synthese vielleicht sogar Absicht. Ich habe stark aufgepasst – es wird in seinen Vorträgen immer nur das BILD des Reinwaschens erzeugt, wie es die Hinduisten so gerne machen (selbst Nicht-gläubige haben das drinnen. Den Reinheitsfimmel saugen die wohl mit der Muttermilch auf).
Wirklich SAGEN tut er es aber nicht. Analog sagt er immer, dass es nur eine Technik, keine Religion sei. Was sei an Ethik und Läuterung des Geistes schon auszusetzen?
Genau so wird Anatta nicht erwähnt. Warum wohl? Sicher, weil es Hinduisten sauer aufstoßen würde. Ansonsten stichelt er ganz bewusst gegen die Glaubensreligionen.
Wir haben es meiner Meinung bei Goenkas Kursen mit einer Art Buddhismus als trojanisches Pferd für Hinduisten zu tun.
Arm sind nur jetzt vor allem die Leute aus dem Westen, die den Dogmatismus lieben, und WIRKLICH denken, sie würden keinen Buddhismus praktizieren (oder müssten eine Reinheit der Lehre bewahren).
Ich erkläre mir das so, dass Goenka eben ein guter Geschäftsmann ist, und Buddhismus an Hindus verkaufen kann.
Es war interessant, hilfreich und lehrreich, all die Beiträge hier zu lesen. Auch ich habe bei Goenka meinen Weg begonnen, der mich immer freier gemacht hat und den ich jetzt durch eigene Überlegungen und Erfahrungen ergänzt habe.
Ich denke, uns allen ist die Erfahrung zugänglich, daß schlicht und einfach das Denken und die Aufmerksamkeit sich gegenseitig aufheben. Im Ergebnis also, daß wo die Aufmerksamkeit total ist, das Denken zum Erliegen gekommen ist. Und wir wissen doch auch, daß jede Ego-Vorstellung Produkt von Denken ist.
Die verschiedenen Formen der Achtsamkeit, die der Buddha lehrt, sind im Ergebnis, wenn man alle gleichzeitig erreicht, die Befreiung. Man lebt nur noch in der totalen Aufmerksamkeit. (Erleuchtung ist ja ein Begriff, den der Buddha auch nicht liebte. Dazu später noch.)
Der direkteste Weg dorthin besteht ja dann auch tatsächlich in der häufigen Übung der Aufmerksamkeit. Dabei hat die Aufmerksamkeit auf den Körper noch eine ganz besondere Funktion: im Körper, in Form von Verspannungen, sind Gefühle abgelegt die den Mensch bei einem Ereignis irgendwann mal aufgeregt haben, welche aber nie zu einem Ende kamen, welches dieser Mensch als angemessen empfunden hätte.
Das sind die Gedanken und Gefühle (ich nenne das Kopfkino), die den Menschen zu allen möglichen Gelegenheiten vom eigenen Geist im Vordergrund präsentiert werden, obwohl seine Aufmerksamkeit gerade auf was ganz anderem ruht. Ablenkung, nennen wir das.
Durch die Aufmerksamkeit auf den Körper, zumal dort wo man Schmerz oder Spannung spürt, werden diese Gefühle geweckt. Unterbricht man das Kopfkino durch weitere Aufmerksamkeit auf den Körper, so wertet der Geist das als Desinteresse an der Geschichte und gibt die dazu gehörigen Spannungen, welche er ja nur für das Kopfkino braucht, in Form von Hitze in die Umgebung ab. Eine Erfahrung, die wohl alle schon gemacht haben, die nach Goenka meditieren.
Gerade dafür ist dann auch die Disziplin gut, die Goenka ja auch genauso fordert: daß man immer so schnell möglich von jeder Ablenkung wieder auf die Körperachtsamkeit zurückkommen. Und solange es Ablenkung gibt, ist diese Technik, die Körperachtsamkeit, nach aller Logik die effizienteste.
Allerdings behaupte ich, daß bei der Körperachtsamkeit das Sweeping keinen Vorteil bringt. Man kann genauso gut bei einem beliebigen Schmerz oder sonstigen Gefühl anfangen und dabei bleiben, bis es aufgelöst ist. Man muss nicht beim feinsten anfangen. Fängt man beim gröbsten an, wird irgendwann das feinste das gröbste sein. Wichtig für den Erfolg ist, von jeder Ablenkung möglichst schnell zur Aufmerksamkeit zu kommen. Sonst hat man keinen Effekt.
Sind keine Ablenkungen mehr da, dann bist du nicht mehr da. Dann versucht das Universum sich mit dir zu verbinden und dann musst du zulassen, zu sterben. Kannst du das nicht, so kommen die Ablenkungen wieder. Erst wenige, dann immer mehr. Dann kannst du nochmal meditieren und bekommst eventuell das Angebot wieder, zu sterben. Natürlich nicht der Körper, nur das Ego, aber das ist die gleiche Empfindung!
Es gibt ja auch die Menschen, bei der sich die Verbindung mit dem Universum anders herstellt. Manche sterben dabei so schnell, daß sie gar nichts mehr entscheiden können. Die sind Erleuchtet, denn normalerweise offenbart sich ihnen das Universum total.
Haben die vorher nicht mit der Körperachtsamkeit meditiert, so werden die in der Regel langsam wieder von ihren alten Gefühlen eingefangen. Das war das, was den Buddha so gestört hat an den Erleuchteten seiner Zeit, von denen er ja einige der verschiedensten Schulen aufgesucht und mit ihnen nach deren Lehre geübt hat.
Wenn er aber feststellte, daß diese Lehrer sich doch auch manchmal aufregten oder ärgerten, laut oder wütend wurden, dann dachte er sich, daß er besseres wollte: völlige Befreiung.
Dieselben Feststellungen kann man übrigens auch heute noch bei den Lehrern machen, welche selber nicht genau wissen, warum sie Erleuchtet wurden oder den Weg kennen, der aber nicht die Körperachtsamkeit war.
Das Ergebnis von Erleuchtung alleine ist eben ein anderes als das von Befreiung, der die Erleuchtung folgt.
Ich bin Goenka dankbar. Aber rausgeschmissen hat man mich dort auch, nachdem ich Fragen gestellt hatte, die ein Lehrer dahin deutete, daß ich wohl andere Methoden benutzt haben musste. Und gegen die Entscheidung eines Lehrers gibt es keine Instanz. Ich habe Verständnis dafür. Man hätte sonst endlose Streitereien.
Und das, was Goenkas Gründung in der Welt leistet, ist heilsam, nicht unheilsam!
Die letzten Jahre habe ich in Triebel beobachtet, dass der Glaube, das wäre die einzig wahre Art zu Meditieren immer rigider wird. Schade. Früher habe ich das Zentrum noch weiter empfohlen, das mache ich nicht mehr.
Wenn man nicht ausschließlich nach Goenka lebt, dann darf man eh nicht mehr kommen. Seltsam.
Was ich befremdlich fand, dass mittlerweile selbst Kleinigkeiten mürrisch geahndet werden, z.B. Brille beim Meditieren auf der Nase vergessen (verboten!), Nachbar auf dem Kissen eingeschlafen und geschnarcht (Rüge!)….. da ich unerlaubterweise beim Meditieren die Augen geöffnet habe, konnte ich sehen, dass sogar die Assistenzlehrerin zusammengesunken und mit nach vorne gekippten Oberkörper da saß …. ist sicher auch ein Vergehen.
Für mich ist Goenka nun endgültig abgehakt.
Mit den Schriften Buddhas kennt sich da leider eh niemand aus.
Lieber Hans,
ein Freund hat mir deinen Artikel geschickt (den obigen) und ich habe nun auch einige der Kommentare (nicht alle) gelesen. Auch ich habe Vipassana Kurse gemacht, 15 Stück in 6 Jahren, war also recht engagiert dabei. Anfangs begeistert, dann sind mir nach und nach Zweifel gekommen.
Das scheint den meisten auf dieser Seite hier gemein zu sein, Zweifel an der Art, wie Goenka die Lehre Buddhas vermittelt. Ich schrieb damals einen kleinen Artikel, mehr für mich und Freunde, was ich an Goenkas Verbreitung der Lehre „falsch“ und „ungut“ finde.
Erste Zweifel kamen bei mir auf bzgl des Chantings. Chanting erschien mir kulturell, und das wo immer von „universell“ gesprochen wird. Dann fand ich (ironischerweise in der Bibliothek von Dhamma Dvara in Triebel) im Buch „Der Buddha und sein Orden“, Fritz Schäfer, S. 160f ein Zitat aus der überlieferten lehre: „Die Lehre in gedehntem Singsang vorzutragen ist eine Verfehlung“. Hier scheint also der Erwachte sogar ausdrücklich darauf hingewiesen zu haben „kein Chanting“.
Assistenzlehrer, die ich mit diesem Widerspruch konfrontierte, konnten mir keine klare Auskunft geben. „es handle sich bei Goenkas Chanting nicht um die Rezitation der Lehre“ war eine Antwort. Aha. Um was dann??
Dann machte ich schließlich einen Satipatthana – Kurs.
Dort fügte sich dann alles zusammen, mir wurde klar, was hier falsch läuft, und wie „echte“ Meditation aussieht.
Das Bodysweeping ist nicht abzuleiten aus der Sutta. Wieso Goenka darauf gekommen ist, keine Ahnung. Ich denke, hier spielt die Motivation eine Rolle, Vipassana an möglichst viele verbreiten zu wollen. und somit alles runterzubrechen auf eine scheinbar simple Technik.
Auch dass man den Leuten erzählen kann „so gehts, diese Methode ist es“ zieht bestimmt viele an. dann muss man nicht mehr selbst denken.
nun ja, ich schrieb ja, mir wurde im Satipatthana Kurs klar, wie „echte“ meditation abläuft.
das klingt sicher anmaßend für viele, ist nun aber eben so.
ich fand das, was in der MahaSatipatthana Sutta steht sehr einleuchtend. Da ist alles enthalten. Es bedarf überhaupt keiner besonderen Deutung oder Auslegung.
Das ganze ist keine Methode, sondern eine Praxis, d.h. eine fortwährende, kontinuierliche Praxis. Auch steht nicht darin, „mach es so oder so“, sondern das Ganze ist eine Beschreibung.
Es heißt (in der Übersetzung von Goenka): „Hier setzt sich ein Mönch voller Eifer und Aufmerksamkeit hin … den Körper im Körper beobachtend…. usw.
Es heißt nicht „der Mönch zwingt sich dazu, sich hinzusetzen, 2 Stunden am tag…
Man setzt sich also hin, wenn der Eifer da ist.
und was macht man dann?
man verweilt mit Beobachten des Körpers im Körpers… usw.
mit anderen Worten, man ist einfach da und verweilt mit Aufmerksamkeit.
Bei Atmung, Empfindung, Geist (oder Gemüt) und Geistesinhalten.
Die einzige Stelle, wo etwas von „üben“ steht ist: den ganzen Körper spürend werde ich einatmen, so übt er sich… und „mit ruhiggestellten körperlichen Aktivitäten werde ich einatmen, so übt er sich“.
Ich verstehe dieses „Üben“ als Ausrichtung.
Also: Wenn der Eifer da ist, setzt man sich hin, und übt sich darin, den ganzen Körper spürend ein und auszuatmen… oder mit ruhiggestellten körperlichen Aktivitäten ein und auszuatmen.
Der ganze Rest, alles andere ergibt sich.
Wichtig ist, dass man keinem Plan folgt beim „Beobachten“, sonst ist es keine echte Beobachtung. Sonst ist es ein „ich beobachte“. es muss eine Beobachtung sein ohne Ich, ohne Zentrum. Die stellt sich dann ein, wenn man einfach da ist. und wenn der Eifer da ist, was zu machen, dann übt man sich eben darin, den ganzen Körper spürend ein und auszuatmen.
ich habe dies begonnen zu praktizieren und die Ergebnisse sind alle wunderbar.
Die Praxis stimmt außerdem damit überein, was viele andere lehren, dich ganz unabhängig von irgendwelche Schulen, nur aus eigener Erfahrung über Meditation sprechen sowie Jiddu Krishnamurti, Eckhart Tolle, Mooji usw.
Ich möchte hier mit der Nennung dieser Namen keinen Schulenstreit vom Zaun brechen, lediglich für mich waren es sehr hilfreiche Lehrer (ebenso wie Goenka).
Nun ist klar: man braucht keinen anderen Lehrer (neben dem Erwachten). In der mahasatipatthana Sutta ist alles gesagt.
Und wenn jemand ganz ohne Lehrer möchte, bitte, warum nicht. Man kann auch ohne Landkarte ans Ziel kommen, ist halt nur schwieriger.
Letztlich muss sowieso jeder die Schritte selbst gehen.
Nun noch einige Kritikpunkte an deiner Kritik bzw. dem was ich hier gelesen habe.
Häufig wird der Alleingeltungsanspruch von Goenka kritisiert. Dem schließe ich mich an.
Dann hast du aber oben geschrieben (sinngemäß, wenn ich dich richtig verstanden habe), einen solchen Alleingeltungsanspruch habe Buddha nicht gehabt oder verfolgt.
Das sehe ich anders.
Es ist doch überliefert, wie er gesagt haben soll: „ich bin der Vollendete.“ nicht andere.
„Ich habe den Weg entdeckt“. oder in der Mahasatipatthana Sutta: Der „einzige“ Weg zur läuterung der Wesen etc. ; der Einzige Weg, das ist doch ein Alleingeltungsanspruch, oder?
Und es ist halt die Wahrheit. was soll man machen.
Es gibt einen Weg, und das ist der achtfache Pfad. Nur eben keine Methode. Und Früchte erntet, wer den Weg geht.
Warum ich das betone liegt daran, dass ich in dieser ganzen „Wissenschafts“-diskussion die große Gefahr sehe, den Relativitsmus zu bestärken. „Alles ist relativ, viele Wege führen nach Rom“ etc.
All dies unter dem Vorzeichen vermeintlicher Toleranz.
Das ist nicht der edle achtfache Pfad. Der Pfad beginnt mit rechter Ansicht, und was ist das:
„Es gibt den Vollendeten“, „es gibt die Lehre“, es gibt die Heilsgängergemeinschaft“, „es gibt Wiedergeburt“, „es gibt Karma“, „Es gibt diese und jene Welt“ usw.
Das sind alles recht eindeutige, und definitive Geschichten. Eben universelle Wahrheit.
Relativismus ist sehr gefährlich. Gehört zur falschen Ansicht. Sorgt für Verwässerung. dient Maro.
Dann schriebst du (auch wieder nur mein verständnis von dem, was du schriebst): sankharas lagern sich nicht unbedingt als körperliche Muster ab.
nun, dem widerspreche ich.
vielleicht nicht unbedingt, aber Geist und Körper sind untrennbar miteinander verbunden. und ich erlebe ja ständig, wie beim Prozess der Läuterung Spannung im Körper sich auflösen. Meine Wirbelsäule hat sich neu ausgerichtet, das ist sogar messbar. Messbar aufgerichtet, weniger verdreht als früher.
Sankharas, sowie ich sie kenne, zeigen sich „immer“ auch körperlich. solange man einen Körper hat, würde ich sagen.
Gut. Weiteres fällt mir hier nicht.
Ich wünsch euch allen alles Gute,
viele Grüße,
Thomas
hallo, ich bin per Zufall auf diesen Blog gestoßen und wundere mich das Konkurrenzdenken. Ich habe die Vorträge gerade wieder ganz frisch im Gedächtnis und was als reine Lehre beschrieben wird hat sich für meine Ohren viel mehr auf sila, samadhi und panja, also Moral, Kontrolle des Geistes und am eigenen Körper erfahrene Weisheit) bezogen als auf „Mein Vipassana ist besser als dein Vipassana“
Er spricht immer wieder davon, dass es zu vielen Strömungen kam, die Buddha als Gottheit die Verantwortung übertragen haben, die Erleuchtung der Anhänger herbeizuführen und bei denen es um Rituale etc. geht, statt um die beobachtung auf den eigenen Organismus auf die Reize von ausßen.
Ich denke, das ist die Verunreinigung um die es ihm geht, also den einfachen Weg, die Verantwortung abzugeben und von höherer Instanz ERleuchtung zu erwarten, den Himmel nach dem Tod, oder was auch immer.
Gerade diese Einfachheit ist es, was mich hier anzieht.
Und dass gerade keine Dogmen auferlegt werden – mach was immer du willst, aber sila, samadhi und panja, das muss rein bleiben. Völlig logisch für mich. Was an Goenkas eigeninterpretationen für mich nicht stimmig ist, lasse ich einfach weg, ohne mich zu echauffiren und es besser wissen zu wollen, die Antworten finden sich sowieso in mir und nicht in Goenka, nicht bei Hans Gruber (bitte auf Körperreaktion achten) oder bei irgendwelchen anderen Leuten. In der Stille in mir tun sich die Antworten auf. ∞shan
Lieber Hans,
Ich möchte noch einmal die Diskussion aufnehmen bezüglich der Vipassanatradition nach Goenka.
Ich bin selbst mit Unterbrechungen seit über 15 Jahren Schüler in dieser Tradition und tue mich aktuell einmal wieder schwer mit der Forderung, in dieser Tradition ausschließlich diese eine Technik zu praktizieren. Wenn man in der Tradition weiterkommen will, muss man ausschließlich diese Technik praktizieren.
Da ich viele Vorteile in dieser Tradition sehe und viele positive Erfahrungen gemacht habe, tobt in mir ein Für und Wider.
Die positiven Effekte, die ich erfahren habe:
A) Noch nie habe ich mich so geläutert gefühlt wie nach einem 10-Tageskurs:
Leichtes Körpergefühl. Gefühle der klaren Sinneswahrnehmung. Friedliche und erfüllte Stimmung. Gefühle der Sinnhaftigkeit. Positive Grundstimmung und Tatendrang.
B) Die Methode schlägt gut bei mir an. Das will heißen, dass ich viele Momente des Friedens erfahren habe, und dass ich besser mit schwierigen Situationen im Alltag umgehen kann
C) Weniger Negativität im Alltag, besserer und weniger ichbezogener Umgang mit meinen Mitmenschen.
Trotz dieser Vorteile finde ich es problematisch, mich auf diese eine Methode festzulegen. Es gibt allerdings nach meinem Verständnis ganz klare Argumente, warum dies von Goenka gefordert wird.
Diese Argumente würde ich gerne zur Diskussion stellen und deine Sichtweise dazu sehen.
1) Es gibt nicht wenige, die unterwegs sind auf dem spirituellen Markt, und die immer dann weiterziehen zur nächsten Methode, wenn die Schwierigkeiten auftauchen. Man kann durchaus Parallelen ziehen zum weltlichen Leben. Bei den kleinsten Problemen wird der Partner gewechselt, der Job gekündigt, man zieht in eine andere Stadt, ein anderes Land; nur das eigentliche Problem, das meist in einem selbst schlummert, wird dadurch nicht gelöst.
2) Die Intention dieser Vorgabe seitens Goenka ist es vermutlich diesem Entgegenzuwirken.
3) Nach meinen ersten Kursen wollte ich eine andere Tradition kennenlernen und bin in einem Zentrum in Sri Lanka gewesen. Dort gab es keine klaren Vorgaben. Jeder hat für sich verschiedenste Techniken probiert; wobei Anapana das für alle gültige und verbindende Mittel zu sein schien.
4) Danach war die Verwirrung auch in der täglichen Meditation groß. Wenn ich mich hingesetzt habe, habe ich mit Anapana begonnen.
Dann kamen Gedanken: „Mach doch lieber das und versuch doch jetzt mal lieber das.“ Auch bezüglich der Dauer der eigentlichen Meditation: „Ach komm schon, jetzt reichts doch oder mach noch ein bisschen länger. Sitz noch 10min etc.“ Also im Großen und Ganzen unglaublich viel Unruhe.
Bei Goenka ist es vollkommen klar. Du machst die eine Technik, und Du sitzt eine Stunde; komme was da wolle. Das fand ich unglaublich hilfreich, um tiefer in die Meditation zu kommen. Und ich war froh, dass ich diese Diskussion im Kopf los war und wieder meditieren konnte. Also wieder Kurse bei Goenka. Dann kam bei mir eine Phase, in der ich die Meditation ganz gelassen habe und mich voll meinem Beruf und meiner damals neuen Beziehung gewidmet habe.
Nach 2-3 Jahren merkte ich aber, dass mir ohne die Meditation etwas fehlt und alte Negativitäten, Unruhe, Ärger etc. wieder stärker wurden. Im Nachhinein war auch dies eine sehr lehrreiche Phase in meinem Leben, die mich darin bekräftigt, dass es nicht den klaren linearen Weg zur großen Erleuchtung gibt, sondern viele kleine Schlenker.
5) Lieber Hans – Du hast weiter unten im blog erwähnt, dass es nur noch wenige Lehrer insbesondere im Westen gibt, die die Methode des Labelings noch in ihrer ursprünglichen Form lehren. Ich denke, dass es Goenkas große Sorge war, dass dies auch mit dieser Technik so passieren könnte. Jeder legt es etwas anders aus und gibt hier noch etwas dazu und nimmt da etwas weg; je nach persönlicher Vorliebe und Abneigung und nach einigen Jahren ist die ursprüngliche Lehre dann verloren.
In den Vorträgen spricht er ja auch von „polluted Dhamma“, also „verschmutztem Dhamma“. Diesen Begriff finde ich sehr problematisch. Ich habe das Thema auch einmal bei den Assistenzlehrern zur Sprache gebracht. Laut deren Aussage gibt es seitens Goenka weder den Anspruch, die alleinige heilbringenden Technik zu besitzen, noch die Verachtung anderer Techniken. Man soll sich nur für einen Weg entscheiden und diesen dann auch zu Ende gehen.
In den Vorträgen klingt mir das teilweise anders; aber was soll ich machen: Ihn selbst fragen ist nicht mehr möglich und die Assistenlehrer sagen, dass Goenka nicht so gedacht hat. Seitens Goenka war das sicherlich nur guter Wille um einer Verwässerung entgegenzuwirken. Ich vermisse allerdings ein klares Statement von Goenka, dass es nicht der einzige Weg ist und das die anderen Techniken ihre Berechtigung haben. Es heißt in den Vorträgen immer: „Wir sind nicht hier um andere Techniken zu verdammen“, und etwas später werden die Techniken dann zerlegt; und es wird dargestellt warum diese nicht funktionieren oder zu grob sind und die Unreinheiten in der Tiefe nicht berühren können. Das finde ich widersprüchlich.
6) Dass bestimmte Lehrer anderer Techniken nicht zu Kursen zugelassen werden, erkläre ich mich so, dass einer Kommerzialisierung von Dhamma vorgebeugt werden soll. Das heißt, dass ich das in den Kursen Gelernte nehme, vielleicht noch ein, zwei andere Elemente anderer Techniken dazugeben, dem Ganzen einen anderen Namen gebe und dann teure Seminare anbiete.
7) Zum Reinheitsdenken bei Goenka würde mich mal interessieren, woher du die Verbindung zum Hinduismus nimmst? (Abgesehen davon, dass er in einer hinduistischen Familie aufgewachsen ist.)
Ich war vor meiner Vipassanazeit in einem hinduistischem Ashram. Amma war/ ist die spirituelle Leiterin, bekannt auch als die hugging mother, die also in ihren Darshans alle umarmt; und dabei gibt es ausgiebigen körperlichen Kontakt. Da scheint es also nicht die Sorge zu geben, sich durch Körperkontakt zu verunreinigen. Kannst du Literatur zu diesem Thema empfehlen?
Für mich stellt sich nun die Frage, wie wichtig ich dieses aus meiner Sicht durchaus problematische „Reinheitsgebot“ nehme. Besonders die Vorgabe, andere Techniken zum Tabu zu erklären, ist für mich ein sehr dicker Brocken. Vielleicht verpasse ich auch Erfahrungen in anderen Traditionen, die mich weiterbringen. Andererseits befürchte ich auch Verzettelung, wie in meiner oben beschriebenen Zeit nach dem Besuch des Zentrums in Sri Lanka.
Ich freue mich über Rückmeldungen, vielleicht hat jemand ähnliche Erfahrungen gemacht?
Zudem freue ich mich über deine Sichtweise zu den verschiedenen Themen, Hans.
Liebe Blogbesucher,
Ich habe heute den ganzen Tag damit zugebracht, diese Diskussion zu lesen. Ich wurde von einem Freund hierauf aufmerksam gemacht worden, da ich mich mit ihm über meine Teilnahme am Vipassana-Kurs von Anfang Dezember 2014 ausgetauscht habe.
Ich bin insgesamt schon jetzt sehr dankbar über die vielen anregenden Informationen und kritischen Reflexionen über viele verschiedene Themen.
Mir waren einige dieser Aspekte auch direkt während der 10 Tage in Triebel aufgefallen. Vieles von dem, was dort bewegt wurde, ist mir aber erst durch eure Worte verständlich geworden. Dafür vielen Dank.
Ich habe mir einige Notizen zu den ganzen Kommentaren gemacht und jetzt am Ende festgestellt, dass ich die inhaltliche Güte der Gespräche irgendwie wellenartig empfunden habe. Häufig gab es interessante Verweise zu weiteren Quellen (besonders hat mich das eine Interview mit Sayadaw U Tejaniya aufgemuntert und erfreut). Doch streckenweise war ich gelangweilt, wegen gebetsmühlenartiger Wiederholungen von „Reinheit – Unreinheit“ und „einziger, wahrer Methode“-Posts. Vermutlich haben aber auch die ihre Berechtigung, sofern es stimmt, dass dies wirklich die einzige Diskussionsplattform für den kritischen Austausch über Goenkas Weg darstellt.
Für Deine über Jahre anhaltende Anstrengung hast du meine tiefe Anerkennung. Noch mehr habe ich mich gefreut, als mich das Gefühl beschlich, in den letzten Posts eine friedlichere Stimmung auszumachen.
Ich werde mal versuchen, einige Fragen zu formulieren und Anmerkungen einzufügen. Der Rest ergibt sich dann ja vielleicht aus einem weiteren Diskurs.
# 1: Deine Aussage: „Es gibt etwa bestimmte Listen in der Goenka-Tradition, wie ich aus einer sicheren Quelle weiß, wie Assistenzlehrende auf bestimmte Fragen und Probleme zu reagieren haben.“
Dafür möchte ich gerne Quellenbelege haben. Welche Fragen? – Welche Antworten?, etc… Wenn du die nicht liefern kannst oder möchtest (um deine Quelle zu schützen), solltet du auf solche Aussagen im Sinne wissenschaftlicher Güte verzichten (aus meiner kritischen Betrachtung).
# 2: Dies dreht sich um die Begrifflichkeit „Vedana“; Deine diesbezügliche Aussage:
„Und das Gleiche gilt für die anderen drei Vergegenwärtigungen, nämlich – 2) die Gefühle, aber hier sind genau genommen die geistigen Gefühle gemeint, 3) die Geisteszustände bzw. wechselnden willentlichen Reaktionen und 4) die Natürlichen Wahrheiten bzw. Grundwahrheiten der Lehre des Buddhas.“
Eine ganze Weile früher (zeitlich; weiter unten im Blog) erwähnst Du die Betrachtung der Körpersensationen im Kontext der Body-Sweeping Methode von Goenka.
Für mich bestand hier lange eine große Unklarheit, was Vedana eigentlich bedeutet. Im Palikann wird es mit „Gefühl“ übersetzt. In Goenkas englischsprachigen Teachings wurde mir deutlich, dass Vedana „Körperempfindunden“ (sensations) meint. Ab diesem Zeitpunkt ist eine neue Klarheit entstanden.
Ich habe das so begriffen: Alle Sinneswahrnehmungen (aller 6 Sinne) spiegeln sich als Vedanas im Körper. Sozusagen ist die gesamte sinnlich erfahrbare Welt in meinem Körper wie ein Spiegelbild abgelegt. Auf dieser Basis haben sich mir neue Erkenntnisse erschlossen.
Du erwähnst in dem von mir angeführten Zitat „genau genommen […] geistige Gefühle“. Bitte erläutere mir das Verständnis des Pali-Begriffs Vedana!
Dieses Verständnis erscheint mir nicht nur hinsichtlich der Methode wichtig, sondern letztlich auch, um den 12 Glieder des Bedingten Entstehens tiefer zu durchdringen. Denn hier hat Vedana die Stellung unmittelbar vor Tanha (Begierde). Goenka erläutert: „Immer wenn durch Sinneskontakt Vedana entsteht, soll es in der Weisheit von Anicca münden, anstelle in Tanha.“
Ich stimme mit vielen der bisherigen Kommentaren hier überein, dass es zu wenig theoretischen Input in der Tradition von S. N. Goenka gibt. Weder wurde der Zusammenhang innerhalb jener 12-gliederigen Kette des Bedingten Entstehens erklärt, noch wurde tiefgehender auf die beiden anderen Daseinsmerkmale (Anm. des Admins: Dukkha „Nichthinreichen“ und Anatta „Nichtselbst“) eingegangen.
Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, wann die denn wohl kommen. Leider wurde ich enttäuscht; und diese beiden anderen Daseinsmerkmale wurden hinsichtlich der konkreten Sicht innerhalb der Meditationspraxis gar nicht erwähnt. Ich habe dies als eine große Lücke empfunden und war froh, dass ich mich vorher schon eingehend mit diesen Aspekten befasst habe. Sie tauchten dann von alleine auf. Aber wie ist das wohl für diejenigen, die noch nie etwas von Anatta „Nichtselbst“ gehört haben?
# 3: Kalapas (Anm. des Admins: freii übersetzt „Empfindungspunkte“, die zentral für das Body-Sweeping sind) –
Ich habe zum ersten Mal von einem weiteren Freund von dem Begriff gehört und damals gegooglet. Dabei fand ich heraus, dass Kalapas vom Buddha selbst nicht gelehrt worden sind. Für mich hat sich Goenka damit selbst zerlegt. Die von ihm suggerierte Beziehung zwischen „pure, real dhamma“ und „Kalapa“ trägt zur Unglaubwürdigkeit seines Wahrheitsanspruches bei. Dennoch: Laut seiner Erklärung bestünden Kalapas aus folgenden vier Elementen, sind damit selber zusammen gesetzt (was aus meiner Sicht mit den drei Daseinsmerkmalen kompatibel erscheint).
1. Das gegenwärtige Zusammenspiel der Elemente im eigenen Körper (innen)
2. Das gegenwärtige Zusammenspiel der Elemente in der Umgebung (außen)
3. Die gegenwärtige geistige Verfassung
4. alte sankharas
Hinsichtlich der ersten beiden Aspekte sehe ich darin die materielle Seite – sowohl „innerlich“ als auch „äußerlich“ – repräsentiert. Widerspricht sich das mit der Intention der Formulierung des Satipatthana Sutta „[…]So wacht er nach innen beim Körper in der Betrachtung des Körpers, so wacht er nach außen beim Körper in der Betrachtung des Körpers, nach innen und außen wacht er beim Körper in der Betrachtung des Körpers.[…]“. Ich bin mir klar, dass dies aus dem Kontext gerissen ist, repräsentiert aber meines Erachtens die Relevanz von innen und außen.
Hinsichtlich der gegenwärtigen geistigen Verfassung besteht ja ein großer Spielraum. Geht es hier um die Gemütsverfassung, also beispielweise um das Verweilen in Gleichmut als einem heilsamen Wirken gegenüber dem Verweilen in Aversion oder Begierde als einem unheilsamen Wirken?
Stellen „Sankharas“ (Anm. des Admins: „Formationen“, als Resultat früheren intentionalen, willentlichen Wirkens, in diesem Sinne v. a. bei Goenka, das heißt all das, was geformt worrden ist; aber original auch als Ursache, das heißt das, was formt – die Intentionen, der Wille) die Früchte (vipaka) früherer Handlung (Kamma) dar?
In diesem Fall wären Sankharas lediglich in Verbindung mit Ethik zu verstehen, da sich der Kamma-Begriff nur auf ethisches Verhalten bezieht. Oder wie sonst kann man diese von Goenka als „gewohnheitsmäßige Muster“ beschriebenen Gestaltungen begreifen? Im Palikanon wird „Sankhara“ als „Karmaformation“ beschrieben.
Sehr wohl bin ich mir bewusst, dass „Sankhara“ (laut Ajahn Buddhadasa) eine dreifache Funktion (Gestalter, Gestalten, Gestaltetes) meint. Was steckt dahinter? Unterscheiden sich diese Funktionen hinsichtlich ihrer Stellung in der 12-gliederigen Kette – als das 2. Glied und als eines der den Fünf Khandhas [Anm. des Admins: die Konstituenten allen bedingten Seins, nämlich Materielles, Gefühlsreaktionen, begrifflich bewusste Wahrnehmungen, Willensregungen („Sankharas“ hier bloß in dieser Bedeutung) und rein rezeptives, grundlegendes Bewusstsein] zugerechneten Elemente – oder beherbergt es immer alle Aspekte?
Beim Scannen des Körpers (1. Aspekt der Kalapas) in einem bestimmten räumlichen Klima (2. Aspekt) ist der Geist in einem gewissen Zustand (3. Aspekt) – z. B. Gleichmut. Zudem lösen sich Früchte früherer Handlung auf (4. Aspekt) und entfalten sich in diesem Bewusstseinsmoment.
Aus dieser Sicht kann ich die Idee der Kalapas aus ihren Bestandteilen nachvollziehen. Mir sind auch einige Erlebnismomente bewusst, in denen ich kurzzeitig irritiert war, weil ich meine bemerkt zu haben, wie die Welt um mich herum aufgrund derartiger Prozesse eingefärbt wird bzw. sich abrupt verändert.
Ich bin jetzt ein wenig von der reinen Vipassana-Kritik an Goenka abgeschweift, finde aber vor allem im Nachgang eines 10-Tages Kurses die Frage nach Vedana und Sankhara äußerst relevant. Ich möchte mir ersparen, die ganzen wohl angebrachten Kritikpunkte zu wiederholen. Ich teile viele der unangenehmen und auch viele der angenehmen Aspekte, die hier über Goenkas Technik und Lehrstil ausgebreitet wurde, und freue mich an solch einer lebendigen Diskurskultur teilnehmen zu können.
Herzlichen Gruß,
Timo
Nachtrag)
Es kamen mir noch ein oder zwei Aspekte in den Kopf, die ich hier äußern wollte.
Ich habe mich eine Weile mit morphologischer Psychologie befasst. Dabei geht es um das Entstehen und Vergehen von Phänomenen und ihren Fortgang. Ich persönlich finde darin viel Nähe zum Dharma. Morphologische Psychologie versteht sich als Synthese aus Gestaltpsychologie und Psychoanalyse im Fortgang der Morphologie Goethes.
#1: Als ich darüber nachdachte musste ich schmunzeln, dass all diese Bemerkungen zum Thema Reinheit von Goenkas Methode und einer entsprechenden Abschottung der Institution gegen andere Impulse irgendwie mit einer Frage resonierten, die mir in der Zeit in Triebel aufkam.
Wieso ist dieses Zentrum genau dort entstanden, wo früher die Stasi ihre Mitarbeiter geschult hat? Welche Verbindung gibt es zwischen diesen beiden „Formen“?
#2: Hier wird berichtet, dass das Erlangen der Vertiefungen „Jhanas“ nicht notwendig sei, um Nibbana zu erreichen.
Ich stelle mir hinsichtlich der 6. Fessel (Begierde nach feinkörperlichen Zuständen) und der 7. Fessel (Begierde nach unkörperlichen Zuständen) die Frage, wie sich diese Fesseln lösen könnte, ohne mit den feinkörperlichen Vertiefungen (Rupa-Jhanas) und den unkörperlichen Vertiefungen bzw. Zuständen (Arupa-Jhanas) in Beziehung getreten zu sein?
Gibt es diesbezüglich Darlegungen im Palikanon, die Deine (des Blogbetreibers) Sichtweise stützen? Ich meine, Du hast das im Verlauf der Diskussion irgendwann vertreten?
Herzlichen Gruß,
Timo
Lieber Rafi,
Nun noch einmal persönlicher zu Deinen guten Beobachtungen:
* Du wirst Deine Fragen überwiegend durch das Video bzw. Audio von dem Abend auf You-Tube beantwortet finden (siehe auch letzte Antwort zu Dir). Denn darin stelle ich gerafft die unterschiedlichen Befreiungswege in der Lehre des Buddhas und der Vipassana-Bewegung vor.
Wie es in der Vorankündigung dazu hieß, entsprechen diese unterschiedlichen Wege oder „Befreiungstypen“ unterschiedlichen Gewichtungen der beiden Hauptbereiche des inneren Pfades, nämlich von „Ruhe“ (Samatha) und befreiender „Einsicht“ (Vipassana) – wie auf einer Waage, die in verschiedenen Graden zur einen oder der anderen Seite neigt.
Der Buddha hat sie alle gelehrt!
* Deine Beobachtung zum tibetischen Buddhismus und der Yoga-Tradition würde ich vollkommen teilen. Aus frühbuddhistischer Sicht sind die verschiedenen „konzept“-orientierten Meditationsformen des tibetischen Buddhismus (Mandalas, Mantras, Visualisierungen …) Konzentrationsmethoden – auch wenn sie im tibetischen Buddhismus anders gewertet werden. Denn sie befassen sich alle mit im Geist erschaffenen Konstrukten, Bildern oder eben „Konzepten“ in diesem weiteren Sinne, die in einem selbst willentlich ständig „reproduzierbar“ sind und damit Konzentration aufbauen.
Befreiende Einsichten können sich dagegen alleine in Bezug auf die natürlichen Phänomene oder Prozesse von Körper und Geist entwickeln, indem diese a) in ihrer natürlichen Gegebenheit fortlaufend erfasst werden und es damit möglich wird, b) dass zunehmend in deren Wesen eingedrungen wird bzw. dieses „aufscheint“.
Befreiende Einsichten können sich nicht in Bezug auf selbstgeschaffene Konzepte einstellen – höchstens in dem Sinne, dass sie als selbstgeschaffenen Konzepte erkannt werden und nicht mehr mit Realitäten verwechselt werden. Dies gilt etwa auch für alle monotheistischen Reflexionen, Kontemplationen oder Gebete zu „Gott“ oder „Jesus“
* Es kann in Bezug auf die unterschiedlichen frühbuddhistischen Befreiungswege nicht um ein „abschließendes Urteil“ gehen. Denn es sind einfach unterschiedliche Wege, die für den je-weiligen „Typ“ besonders gut geeignet sind. Wichtig ist hier, zu verstehen, welcher Typ man selbst ist, um die beste Wahl treffen zu können!
* Es fällt allerdings auf, dass generell die Vertreter des Ruheweges, bei welchem die Vertiefungen „Jhanas“ als Voraussetzung für die befreienden Einsichten gelten, ihren Weg verabsolutieren, das heißt als den alleine möglichen hinstellen wollen. Deshalb gibt es in meinem Vortrag auf YouTube zum Einstieg des Hauptteiles eine nähere Erwiderung auf ein bestimmtes Hauptargument von Ajahn Brahm und Bhante Sujato.
Warum jene Verabsolutierung der Fall ist? Ich denke, deshalb:
* Die Früchte der hohen Konzentrationen stärken das Bewusstsein von „Ich und mein“, was die Quelle von Fixierung oder Identifikation ist. Dann können diese Früchte mit den Befreiungsfrüchten verwechselt werden (eine große Gefahr laut den Reden des Buddhas).
Innere Befreiung besteht immer in der Auflösung aller Fixierungen durch das wachsende Verstehen des „Nichtselbst“ – ergänzt durch ein „vorbereitendes “ wachsendes Verstehen des allumfassenden Selbst in Liebe, Mitgefühl, Mitfreude und Gleichmut. Das allumfassende Selbst ist die höchste „konventionelle“ Realitätsebene. Das Nichtselbst ist die höchste, letztendliche Realität außerhalb aller Konventionen, Begriffe und Konzepte.
* Im Falle von Ajahn Brahm und Bhante Sujato meine ich, dass als weiteres Motiv hinzukommt, dass sie mit ihrer Ausschließlichkeit ein Gegenstück zur wichtigsten burmesischen Vipassana-Strömung v. a. von Mahasi Sayadaw bilden wollen.
Warum wollen sie dies?
Weil diese Bewegung weltweit primär von Laien getragen ist, besonders einflussreich ist und der hier vertretene „Direkte Weg“ – unabhängig von den Jhanas – zur Befreiung auch von Laien begehbar ist.
Und dies bedroht generell die Machtstellung des theravadischen Ordensbuddhismus, die Ajahn Brahm und Bhante Sujato (und nicht nur sie) bewahren möchten.
Auch ist der Ruheweg über die Jhanas primär bloß für Ordinierte begehbar oder zumindest lediglich durch eine langwierige Anleitung durch Ordinierte auch für Laien möglich. Auch deshalb vertreten ihn Ajahn Brahm und Bhante Sujato.
Ihnen geht es nicht um die bloßen Fakten laut den Reden des Buddhas. Ihnen geht es um sie selbst bzw. die von ihnen vertreten „Institution“!
Herzlich,
Hans
Hi Rafi,
Sorry für die späte Antwort!
Aber genau zu diesem Thema habe ich am 14. Nov. im „Buddhistischen Zentrum“ von Dr. Sylvia Kolk einen Vortrag gehalten. Seit heute steht der ganze Abend (Vortrag 53 Minten und geleitete Atemmeditation 30 Minuten plus Gespräche) auf meinem YouTube-Kanal unter diesem Link.
Der Titel –
Die ungleichen Befreiungswege des Buddhas:
Kein „Einziger Weg“, sondern bloß
ein „Direkter“!
Siehe dort auch die Beschreibung unterhalb des Videos, mit zusätzlichen Informationen!
Ein ähnliches Video stand dort seit dem 17. Dezember, das ich heute durch das neue ersetzt habe. Mit dem alten gab es Probleme mit dem Audio und Zitaten in Bildern. Denn ich nutze ein neues, viel besseres Videoerstellungsprogramm und beherrsche es noch nicht ganz. Dieses Thema interessiert offenbar: Das alte Video ist in den zehn Tagen 162 mal abgerufen worden.
Gib gerne Deine Meinung (dort oder hier).
Herzliche Grüße,
Hans
PS: Eine weitere Diskussion rund um dieses Thema findet sich hier auf dem Blog von Florian Scheidemantel.
Lieber Hans,
Danke noch mal für die ausführliche und informative Antwort. Die E-Books sind bereits heruntergeladen und warten darauf in die Praxis umgesetzt zu werden. Auch das kurze Video von Mahasi ist sehr inspirierend, da es diesen Großmeister einmal von einer lebendig-erheiterten und dennoch gefassten Seite zeigt und weniger oberlehrerhaft wie auf der Wikipedia-Seite.
(Rein vom ästhetischen Aspekt her betrachtet könnte man nämlich fast meinen die Attitüden der Meditationslehrer spiegeln sich in deren Schülern wider. Die Goenka-Tradition, die für das Glückseligkeit versprechende Antlitz des Video-Meisters ihr kritisches Denken aufgibt und die Mahasi-Tradition, die sich ganz im Sinne des Oberlehrers in Detailfragen in Blogs die Finger wundtippt oder „intellektuelle Dhamma-Bücher“ verfasst – siehe Daniel Ingram -. Das nur am Rande…)
Eine letzte Frage möchte ich in diesem Blog noch gerne loswerden:
Hans, du hast erwähnt, dass der Body-Scan eventuell „nur“ eine Konzentrationsmethode sei, im Unterschied zu Einsichtstechniken. Diese Debatte scheint mir als Oberlaien eine Kernunterscheidung der verschiedenen buddhistischen Strömungen zu sein, d.h. inwieweit Jhanas für die Einsichtspraxis von Bedeutung sind.
Der originale Mahasi-Ansatz vertritt ja die Ansicht, dass eine Minimalberuhigung und -Konzentration ausreiche und ebenso vertritt es, glaube ich, auch Goenka, indem er Anapana als Vorbereitung für den Body-Scan lehrt.
Dies jedenfalls ganz im Unterschied zum tibetischen Buddhismus, welcher eine Beherrschung der Jhanas vor der Einsichtspraxis betont. (Man könnte hier vielleicht den Vergleich ziehen mit dem Achtgliedrigen Pfad des Patanjali oder im Allgemeinen der Yogatradition, welche Konzentration in Form von Asanas und Pranayama vor tieferen Einsichten empfiehlt oder voraussetzt.
Ein abschließendes Urteil zu diesem Problem: Samadhi und Panna, kann ich von dir an dieser Stelle und ganz prinzipiell wohl nicht erwarten, aber vielleicht kannst du mir durch noch ein paar mehr Literaturtipps weiterhelfen, selbst auf die Sprünge zu kommen ;-).
Liebe Grüße,
Rafi
Lieber Rafi,
Es freut mich, dass ich Dir mit Website und Blog bisher bereits weiterhelfen konnte.
Trotz der von mir angestoßenenen kritischen Diskussion über die Goenka-Tradition auf diesem Blog möchte ich vorweg sagen:
Meditation an den Goenka-Zentren hat die folgenden Vorteile:
* Sie ist für jeden unabhängig vom Geldbeutel zugänglich, wegen des Spendenprinzips, das dort selbst für die Unkosten gilt (ein zentraler Punkt, angesichts des profitorientierten Geistes, der sich heute mit einer von den großen Vipassana-Methoden inspirierten „Achtsamkeit“ vor allem im „Stressbewältigungs“- bzw. MBSR-Bereich breit macht).
* Es gibt zahlreiche Zentren dieser Richtung mit noch viel zahlreicheren, regelmäßigen Kursen.
* Diese Zentren sind sehr gut organisiert und ausgestattet. Selbst für das (sehr gute) Essen gibt es genaue Pläne, an die sich die Server halten müssen.
Ich empfehle diese Meditation, die in jedem Falle gut geeignet als Einstieg ist. Jeder, der dort einen Kurs gemacht hat, kann danach wegen der perfekten Organisation und der strengen Regeln meditieren!
Die Methode des Body-Sweepings ist auch zweifellos eine der größten Vipassana-Methoden. Es ist bloß schade, dass diese Tradition von S. N. Goenka auch jene bestimmten klaren „Schattenseiten“ hat, die in der Diskussion näher zur Sprache gekommen sind.
Hoffentlich kommt es in dieser Tradition auch langsam zu den notwendigen Änderungen. Ich habe schon viele getroffen oder hier gelesen, die jene in der Blogdiskussion erwähnten „Absonderlichkeiten“ mit Bauchschmerzen hinnehmen, um dort Kurse machen zu können. Kein guter und tragbarer Zustand!
Außerdem und vor allem ist das untersuchende Denken zentral in der Lehre des Buddhas, auf die sich S. N. Goenka beruft:
Hier gilt die „Weisheit durch Nachdenken“ (cinta-maya-panna) als die Basis aller weitergehenden Formen von Weisheit. Oder: Hier gilt die „treffliche Sicht“ (samma ditthi) durch Unterscheidung von weniger trefflichen oder verfehlten Sichten als das Führungsglied des ganzen inneren Befreiungspfades. Bestimmte Reden, wie etwa das Vimamsaka-Sutta, sind Anweisungen zur genauen kritischen Prüfung der Qualitäten von Lehrern. Berühmt in puncto Selbstdenken ist auch das Kalama-Sutta.
Goenka entspricht mit jener starken, hinduistisch verwurzelten Reinheitsbetonung mit ihren verschiedenen Ausdrucksformen (siehe dazu die Diskussion hier auf dem Blog) übrigens nicht einmal der Lehre U Ba Khins, das heißt seines eigenen Lehrers:
Ich habe einmal einen Kurs an der ursprünglichen U Ba Khin-Tradition von Mother Sayama in England gemacht, die ja U Ba Khins Hauptschülerin war, als die langjährige Leiterin seines Hauptzentrums in Burma. Die Methode, die dort gelehrt wird, ist die gleiche wie bei Goenka – aber ohne jene ganze Reinheitsbetonung; und mit diversen Lehren von U Bah Khin selbst.
In Gesprächen dort mit sehr alten Schülern habe ich herausgefunden, warum Goenka sich von dieser ursprünglichen Tradition getrennt hat:
Als Inder wollte er zuerst die Methode von U Ba Khin vor allem in Indien verankern. Aber dies war mit jener stark burmesisch-buddhistisch ausgerichteten ursprünglichen Lehre von U Ba Khin rund um seine Methode des Body Sweepings nicht möglich. Es gibt ein uraltes Spannungsverhältnis zwischen dem Buddhismus mit dessen Lehre vom „Nicht-Selbst“ und dem Hinduismus mit dessen Lehre vom „Wahren Selbst“ – um den Hauptunterschied ganz kurz anzusprechen.
So hat Goenka diese Lehre abgewandelt und um jene „indische“ Reinheitsbetonung erweitert! Nur: Die ganze Welt außerhalb Indiens, wo heute sein Vipassana-Stil auch breitangelegt gelehrt wird, ist nicht Indien ….!
Ein Danksagung von Goenka von 2008 (unter diesem Link mit schönen Abschiedsworten und Bildern von Goenka; dort weiter unten ist es der Text „I cannot forget their help“; der Text steht auch direkt hier auf der Seite des „Vipassana Research Institutes“) zeigt auch, dass es an einer Stelle einen Konflikt zwischen Goenka und U Ba Khin gab. Goenka fragte sich daraufhin selbst, ob er noch die Lehrerlaubnis von U Ba Khin habe.
Dennoch:
Niemand vermittelt heute eine sehr wichtige Form der Vipassana-Meditation (abzüglich jener indisch-religiösen Fremdelemente) an dermaßen viele Menschen.
Dies erscheint mir um so wichtiger, als heutzutage die religiöse Verblendung im Rahmen der rein glaubensbasierten monotheistischen Relgionen – vor allem des gewaltvollen Islamismus – immer größere und verblendetere Formen annimmt. Und auch diverse mittelalterliche dogmatische „Probleme“ bzw. Diskussionen innerhalb des Katholizismus sind hier zu erwähnen – wo bestens bezahlte Kleriker nicht wahrhaben wollen, dass wir das 21. Jahrhundert haben; und sich auf die „reine katholische Lehre“ zur Verteidigung ihrer vermeintlichen „Glaubenswahrheiten“ berufen. „Glaube“ ist per se nicht „Wahrheit“, sondern immer bloß „Glaube“.
Dazu reicht schon ein berühmtes Sutta des Buddhas, um an wirklich heilsames Denken zu erinnern – das Kalama-Sutta, mit dem die Instanzen als Orientierung abgelehnt werden (heilige Schriften, vermeintlich geoffenbarte Lehren, der „charismatische“ Eindruck eines Lehrers, usw.), die von sämtlichen Klerikern und religiösen Dogmatikern hochgehalten werden; und stattdessen das eigene Untersuchen und Selbstdenken als die zu befolgende Leitschnur betont wird („was Ihr selbst als zum Heile führend erkennt …“).
Diese Religionen können keine Praktiken bieten, die den Menschen wirklich „innerlich“ nützen, in Richtung Befreiung!
In bestimmten Hinsichten wiederum entspricht Goenkas Ansatz unbedingt der Lehre des Buddhas; etwa seine ausdrückliche Betonung der Selbstverantwortung in der Praxis; siehe dazu die letzten Worte des Buddhas, die ich in meiner Antwort unten an Lecinia vollständig zitiert habe.
Nun zu Deiner Frage:
Aus der Tradition von Mahasi Sayadaw kommen zahlreiche zeitgenössische Lehrende. Aber einige davon sind später eigene Wege gegangen. Sie lehren nicht mehr oder bloß noch teilweise und abgewandelt die Methode des „Labelings“ dieser Tradition, das heißt das sogenannte „Etikettieren“ mit Hilfe kurzer begrifflicher „Schnappschüsse“.
1) Für Asien ist der „Retreatführer Asien“ eine gute Informationsquelle. Das würde hier zu weit führen.
Im Folgenden nenne ich ein paar Lehrende dieser Richtung, die auch in Europa aktiv sind, oder die zumindest Lehren oder Meditation im Web anbieten. Diese Reihenfolge ist keine Reihenfolge von Präferenzen:
1) Ein bekannter traditioneller Vertreter dieser Richtung ist der deutsche Mönch Bhikkhu Vivekananda. Er lehrt das klassische „Labeling“. Die Website seines Zentrums in Nepal am Ort der Geburt des historischen Buddhas, Lumbini, erscheint unter diesem Link (siehe dort unter „Teachings around the World“).
Er lehrt etwa am großen Vipassana-Zentrum „Piandeiciliegi“ In Norditalien. Auch andere dort aktive Lehrende haben den Mahasi-Hintergrund (jedoch nicht alle). Siehe dazu die dortigen Beschreibungen. Vivekananda ist von ihnen der bekannteste. Das Zentrum liegt am Rande der Appenninen, nicht weit von Mailand.
Ich persönlich finde unter denjenigen aus der Mahasi-Tradition, die eher neue Wege gegangen sind, besonders interessant:
2) Yuttadhammo Bhikkhu, dessen zahlreiche Lehrvideos und Meditationen auf YouTube bisher über 5 Millionen mal abgerufen worden sind. Sein YouTube-Kanal steht hier. Scrolle nach unten und Du siehst die verschiedenen Kategorien. Ganz unten ist etwa die Reihe „Ask a Monk“.
Hier ist ein langes aufschlussreiches Interview mit ihm.
Die Meditationsanweisungen dieser Tradition erscheinen hier.
Yuttadhamma ist übrigens auch ein Programmierer von höchst nützlichen Apps auf „Google Play“ für Android-Geräte, rund um die Lehre des Buddhas „Dhamma“, den Palikanon, Meditation oder Hilfsmittel wie die Meditationsuhr „Bodhi Timer“. Seine Apps erscheinen hier. Beachte dort v. a. „Meditation“ und klicke Dich dann vom entsprechenden Text weiter. Auch das Firefox-Addon „Digital Pali Reader“ stammt von Yuttadhammo, ein unübertreffliches Werkzeug für den Palikanon im Original.
Der Kanadier Yuttadhammo kommt aus der Tradition des thailändischen Meisters Ajahn Thong, eines bekannten thailändischen Vertreters der Mahasi-Tradition.
Ein größeres Zentrum der Richtung von Ajahn Thong hier in Deutschland ist „Dhammacari„.
3) Bhante Sujiva, der regelmäßig an verschiedenen Orten in Europa Retreats gibt. Er ist ein Schüler von U Pandita, einem der großen burmesischen Meister und einem der Hauptschüler Mahasi Sayadaws.
Seine Website erscheint hier. Siehe dort rechts unter „Retreat Schedule“.
Besonders empfehlenswert ist das 2014 neu eröffnete große Vipassana-Zentrum „Javorie“ in der Slowakei, das ein Schüler von Bhante Sujiva gespendet hat. Es ist günstiger und besser ausgestattet als alle anderen Vipassana-Zentren, die ich kenne (mit Ausnahme mancher Goenka-Zentren).
Sujiva gibt dort immer im Juli dreiwöchige Retreats. Es sind auch nur einzelne Wochen buchbar. Im August gibt er immer ein dreiwöchiges Retreat im oben erwähnten „Pian Dei Ciliegi“. Auch hier buchen viele nur einzelne Wochen.
Dieses Zentrum ist Sujivas Stammsitz.
5) U Tejaniya ist ein großer Star in den USA und Asien. Er ist der Hauptschüler von Shwe Oo Min, der wiederum einer der burmesischen Hauptschüler von Mahasi Sayadaw gewesen ist.
U Tejaniya ist deutlich weniger methodisch als Sujiva und vermittelt einen sehr unmittelbaren „Einsichtsweg“, der an manche Zen-Ansätze oder das tibetisch-buddhistische Dzogchen erinnert. Er ist aber dennoch fest eingebettet in den Lehren des frühbuddhistischen Palikanons, die ja auch solche unmittelbaren Wege bieten.
Er ist eher geeignet für Leute mit einiger Vipassana-Vorerfahrung. Denn die Struktur seiner Retreats ist relativ offen und achtsame Kommunikation spielt dort eine große Rolle. Er vermittelt seine Lehren auch primär dialogisch, in Form von längeren Gruppen-Kommunikationen mit ihm. Er gibt aber dazwischen auch (hervorragende) Vorträge.
Die Interviews mit ihm und seine Ebooks unter „Teachings“ hier auf seiner Website sind wirklich aufschlussreich. Viel von ihm erscheint ebenfalls auf YouTube.
Manchmal kommt er nach Europa, wo ich ihn bisher zweimal getroffen habe. 2014 im Mai war er in Javorie.
Viel von U Tejaniya gibt es auch auf der tschechischen Bhavana-Seite:
Siehe auf dieser Seite auch oben unter „Audios“.
Seine nächsten Kurse in Europa: 2015 England, „Gaia House“ (leider sehr teures Zentrum). 2016 Schweiz, „Beatenberg“ (auch sehr teuer), Holland und Finnland.
Ich werde in Finnland sein (günstig; und es sind Freunde, die es organisieren).
6) Brigitte Schrottenbacher, eine gute Lehrerin mit Mahasi-Einflüssen, ansässig in Thailand.
Sie gibt aber jedes Jahr diverse kürzere Retreats in Europa; 2015 etwa in Javorie, wohin ich sie vermittelt habe, und in Berlin.
Ich setzte mich für jenes Zentrum „Javorie“ ein, das 2014 neu eröffnet worden ein. Denn es ist bewusst sehr günstig gehalten, zugleich aber auch bestens ausgestattet – mit rund 50 Schlafplätzen im Haupthaus, daneben 15 geräumigen Steinkutis, mit Heizung für den Winter, und 3 kleinen Häusern mit Koch- und Schlafraum neben Meditationsraum für eigenständige längere Praxis; große Flächen unterhalb des Haupthauses für Gehmeditation; schönste, geschützte und ruhige Natur; ideale, helle Meditationshalle mit vielen Fenstern, sogar mit einem Luftaustauschsystem für den Winter; gutes Essen und hochmoderne Küche; klasse, schöner Essbereich; extra kleine Halle für Yoga usw. Dieses neue und auf die (verschiedenen) Vipassana-Traditionen beschränkte Zentrum hat alles!
Demnächst erscheint Brigittes Retreat-Schedule auf ihrer oben genannten Website. Eine Beschreibung ist auch hier auf meinem Blog.
7) Bhante Dhammajiva, der den speziellen singhalesischen Ableger der Mahasi-Tradition vertritt – mit mehr Gewicht auf der Ruhemeditation „Samatha“ als in der ursprünglichen, reinen „Einsichtsmeditation“ der Mahasi-Tradition.
Dhammajiva ist das Oberhaupt der singhalesischen Waldttradition mit vielen Klöstern. Er gibt 2015 erstmals ein Retreat an einem Vipassana-Zentrum in Europa, nämlich in Javorie, wohin ich ihn vermittelt habe.
Weitere Infos und Links zu ihm erscheinen hier.
Zuletzt noch etwas Bildmaterial:
Hier ist eine der wenigen Aufnahmen von Mahasi Sayadaw, dem einflussreichsten Vipassana-Meister in der Geschichte Burmas. Das Video ist in den späten Sechzigern noch mit „Super 8“ aufgenommen worden. Ab Minute 5.53 sieht man ihn lange von vorne. Das besondere Lächeln ab Minute 6.00 (leider bloß kurz) spricht Bände. Eine gute Sequenz kommt auch ab Minute 8.10 im Stehen:
Zuletzt noch ein sehr schönes Bild von Goenka (von der oben verlinkten Seite). Damit möchte ich auch diesem jüngst verstorbenen Meister hier meinen Respekt zollen:
Herzlich,
Hans
Anmerkung des Admins: Die direkten Links im folgenden Beitrag sind von mir eingefügt worden. Eine Antwort auf Rafi folgt.
Sehr geehrter Herr Gruber,
Ich würde Sie gerne um eine Auskunft bezüglich eines Vipassana-Retreats bitten. Aber zunächst kurz zu meiner Person und Vorgeschichte um diese Meditationsformen und warum ich Ihnen diese Frage stelle:
Mein Name ist Rafi; ich bin Philosophiestudent und vor ca. sechs Monaten habe ich auf Empfehlung eines Freundes hin einen 10-Tage-Vipassana Retreat in der Tradition von S.N. Goenka unternommen. Extrem skeptisch gegenüber der Struktur eines solchen Retreats, und da ich mich schlauerweise nicht wirklich vorher informiert habe, wie so ein Retreat abläuft, habe ich also die meiste Zeit damit verbracht, intelligente Überlegungen anzustellen, was mit dieser Organisation nicht stimmt (Sekte, Brainwashing usw.)
Erst nach dem Retreat und auf die Lektüre der Bücher von Ulrich Ott („Meditation für Skeptiker“, „Yoga für Skeptiker“) und einiger therapeutisch-orientierter Meditationsmeister (MSBR-Richtung) habe ich mich von den Vorzügen intensiver wie auch alltäglicher Meditationspraxis überzeugen lassen und mich somit für einen zweiten Retreat in der Goenka-Tradition entschlossen.
Dieser war sehr erfolgreich und dennoch blieben die tiefen Zweifel und Vorbehalte bezüglich der Organisation sowie einiger tiefer Eingeweihten bestehen (nämlich Lehrenden, die papagei-artig antworten und Tonbandknöpfe drücken).
Schließlich fand ich kurze Zeit darauf zurück zu ihrer Website, die mir bereits auf der Internetseite des Buches von Ulrich Ott empfohlen wurde, und die ich bisher bezüglich der verschiedenen Vipassana-Traditionen und der Retreatmöglichkeiten nur überflogen hatte. Diese Darstellung präsentiert bekommen zu haben (und auch Ihr Vortrag auf YouTube; Anm. des Admins: für weitere siehe meinen Kanal), empfinde ich jetzt als große Erleichterung, mich in den Bergen an Meditationsliteratur zu orientieren.
Jedenfalls bin ich auch auf ihren Blog gestoßen – mit der Diskussion der „reinen“ Goenka-Methode, die ich mit weit geöffneten Augen einige Stunden durcharbeiten musste und die meine Zweifel wunderbar auf den Punkt gebracht haben.
Angesichts ihrer Hilfe in Sachen Orientierung innerhalb der Vipassana-Bewegung, der hilfreichen Literaturtipps (Bhante Sujiva) und der klaren kritischen Argumentation bezüglich der Goenka-Camps, halte ich es daher für sinnvoll, Sie um Rat zu fragen was zukünftige Retreats angeht.
Zwar bietet ihre Website diesbezüglich bereits massig Informationen. Aber vielleicht können Sie mir weiterhelfen, ein für einen Studenten kostengünstiges Retreat (was ja gerade die Stärke der Goenka-Camps ausmacht) im mitteleuropäischen Raum zu finden (Unterrichtssprache: Englisch, Deutsch, Französisch), welcher mir insbesondere die Labeling-Methode als Ankerpunkt für weitere Meditationen vermitteln kann.
Herzlichen Dank für Ihre Arbeit
Hallo Lecinia,
Sehr interessant, dass den Praktizierenden auf den langen Kursen soviel Eigenständigkeit eingeräumt wird! Danke für die neue Info. Es freut mich, wenn ich hier alterfahrenen Schülern der Goenka-Tradition hilfreiche Anregungen geben kann.
* Ich bin mittlerweile schon einigen alten Schülern der Goenka-Tradition begegnet, bei denen sich nach längerer Praxis ein Ungenügen eingestellt hat.
In dieser Tradition hat man – solange dort nicht bestimmte Änderungen stattfinden (siehe die ganze Diskussion) – nach einer längeren Praxis bloß die Wahl, sich ihr ganz zu verschreiben und keine Zweifel mehr zu hegen (irgendwann wird man in diesem Falle Assistenzlehrer); oder man ergänzt oder ersetzt die Methode durch eine andere Vipassana-Praxis. Dann wird es schwer bis unmöglich, weiterhin Kurse für Fortgeschrittene in der Goenka-Tradition zu machen.
Das ist in keiner anderen Vipassana-Tradition der Fall.
Jene Besonderheit hat natürlich mit jener Reinheitsbetonung zu tun. Es wird davon ausgegangen, dass es die „reine Technik des Buddhas“ sei.
Vom Standpunkt dieses – durch die frühbuddhistischen Quellen restlos unbelegten – Glaubens sind Zweifel bloß am Anfang „zulässig“. Später, so weiter vom Standpunkt dieses Glaubens, müsse einem jene vermeintliche Reinheit der Technik immer klarer werden, wenn man wirklich Fortschritte machen würde. Folglich müsse man sich dann ganz für sie entscheiden. Diese „Entscheidung für“ ist hier also der Gradmesser für den eigenen inneren Fortschritt; das heißt für den eigenen inneren Reinheitsgrad.
Somit hat die Organisation auch keine Skrupel, ihre Praktizierenden entsprechend abzuchecken und gegebenenfalls Ausschlüsse vorzunehmen oder Kursteilnahmen zu verweigern!
Es hängt also alles von jenem Reinheitsglauben ab – der bloß in dieser Vipassana-Tradition vorkommt und nicht durch die alten Quellen belegt ist. Der Buddha hat laut diesen Quellen, auf die sich Goenka immer bezieht, keine der verschiedenen heutigen Vipassana-Methode selbst entwickelt oder vorgegeben.
Die eine Praxis, die der Buddha (neben den „Vier Vergegenwärtigungen der Achtsamkeit“) ganz besonders gepriesen hat, ist das bewusste Ein- und Ausatmen – als einen vollständigen innerer Entwicklungsweg! Und eigenes Nachdenken spielt in seiner Lehre eine zentrale Rolle (siehe dazu oben meine erste Antwort an Rafi).
* Es hat mich sehr beeindruckt, als ich hörte, dass Goenka vor seinem Tod keinen „Nachfolger“ bestimmt hat, sondern die ganze Tradition oder Organisation mit all ihren Lehrenden zu seinem „Nachfolger“ gemacht hat.
Das ist in der Tat der alte Geist der Urgemeinde. Du kennst vielleicht die berühmten letzten Worte des Buddhas an den trauernden Ananda, der sich noch Anweisungen erhofft hat (Mahaparinibbana-Sutta, DN 16):
“Ich habe Euch alles gelehrt, ohne zwischen gemeinverständlichen und geheimgehaltenen Lehren zu unterscheiden!
Seid Euch selbst eine Insel, seid Euch selbst ein Freiort, nehmt keine äußeren Freiort;
und zwar mit dem inneren Gesetz des Dharmas als Insel, mit dem Dharma als Freiort,
ohne einen anderen Freiort!“
Wie könnt Ihr dies leisten?
Indem Ihr verankert bleibt in Betrachtung alles Körperlichen im Körperlichen, aller Gefühlsreaktionen in den Gefühlsreaktionen,
aller Geisteszustände in den Geisteszuständen, aller Natürlichen Wahrheiten in den Natürlichen Wahrheiten –
entschieden, klar wissend und achtsam, nach Beiseitelegen von Verlangen und Bedrückung im Hinblick auf die Welt!
Dejenigen, die jetzt heute oder nach meinem Fortgang in dieser Weise
sich selbst eine Insel und ein Freiort sind,
sowie keinen anderen Freiort außer sich selbst suchen,
das innere Gesetz des Dharmas als Insel und als Freiort nehmen,
sowie nichts Anderes außer den Dharma als Freiort suchen –
sie werden das Höchste verwirklichen!“
* Das ist eine große Chance, dass in der Goenka-Tradition jetzt allmählich notwendige Veränderungen stattfinden. Denn auch wenn Goenka stark betont hat, dass er lediglich die „Kunst des Lebens“ lehre, und keinen Buddhismus oder Hinduismus, entspricht dies nicht der Wahrheit. Denn seine starke Reinheitsbetonung zum Beispiel ist ein spezifisches „religiöses“ Element des Hinduismus, der in seiner Biografie eine große Rolle gespielt hat.
* Jüngst habe ich Bhante Sujiva im Pauenhof übersetzt. Dort waren zwei alte oder frühere Schüler von Goenka.
Der eine hat mir erzählt, warum er die Tradition von Goenka verlassen hat:
Unmittelbar nach einem Zehntageskurs hat ein noch einen zehntägigen Service-Kurs machen wollen. Aber vor diesem Service-Kurs wollte er sein Buch (eine populäre Vipassana-Darstellung von Bhante Sujiva) wieder haben, das er vor dem Meditationskurs abgegeben hatte. Alle müssen ja Schriften usw. vor dem Zehntageskurs abgeben. Auf einem Service-Kurs darf man jedoch eigentlich lesen!
Er hat das Buch nicht zurückbekommen. Denn es wurde nicht geduldet, dass während des Service-Kurses ein Buch gelesen wird, das eine andere Vipassana-Tradition behandelt. Denn alle anderen Vipassana-Traditionen werden dort als weniger „rein“ geglaubt! Daraufhin hat jener erfahrene Praktizierende die ganze Tradition verlassen.
Der andere Teilnehmer erzählte mir, dass ihm nach einem Service-Kurs ein Schüler der Tradition, der dort viele Kurse gemacht hatte, zum Abschied nicht die Hand geben wollte. Es sei jedoch nichts zwischen ihnen vorgefallen. Er vermutete, dass es damit zu tun hatte, dass jener sehr altgediente Schüler nicht riskieren wollte, durch das Händeschütteln mit einem weniger erfahrenen Schüler sozusagen sein „Reinheitslevel“ zu senken.
* Dies sind Verhaltensweisen, die letztlich durch das indische Kastensystem mit dessen Reinheitsvorstellungen inspiriert sind. Sie entsprechen also bloß einer bestimmten „Religion“ und einem bestimmten „Glauben“. Sie haben nichts mit der Lehre des Buddha zu tun – bzw. nichts mit einer „Kunst des Lebens“, wie man das universelle spirituelle Gesetz „Dharma“ des Buddhas durchaus gut übersetzen kann, und wie es Goenka ja auch übersetzt.
Herzlich, Hans
Hallo zusammen,
Immer wieder lese ich in diesem Blog und empfinde es als wohltuend, dass hier auch über die Goenka-Kurse offen gesprochen wird.
Ich habe schon viele Kurse in dieser Tradition gesessen und habe, alles in allem, sehr viel Gutes daraus ziehen können. Für mich war es der Einstieg in die Meditation. Dieser ist, auf Grund der Strenge, der Meditationsdauer und den hier angesprochenen (für mich zunächst nicht nachvollziehbaren) Regeln und Normen nicht ganz einfach gewesen. Dennoch: Er war sehr intensiv und hat mir „Bewußtseinszustände (ich nenne es mal so) eröffnet, die zu Einsichten geführt haben. Meine Reise hat hier begonnen.
Schade finde ich es, dass die Reise nicht weiter begleitet wird; und dass es für alte Schüler kaum möglich ist, tiefere Anweisungen und Belehrungen zu erhalten bzw. Erfahrungen mit Unterstützung eines Lehrers zu machen.
Die Satipatthana Kurse geben durch die Vorträge etwas mehr Informationen. Die Stimmung und die Gesprächsbereitschaft habe ich hier auch offener als sonst empfunden. Da nur alte Schüler teilnehmen, scheint es nicht mehr so sehr die Notwendigkeit zu geben, zu maßregeln und einzuschränken. Die Folge ist mehr Offenheit.
Noch stärker zeigt sich das auf längeren Kursen. Hier gibt es eigentlich keinen mehr, der auf die Einhaltung von Regeln schaut. Es wird erwartet, dass die Schüler dies von selbst tun – was auch der Fall ist. Handys müssen nicht mehr abgegeben werden, es gibt (mit Ausnahme der 18 Uhr-Sitzung) keine Anwesenheitspflicht mehr in der Halle.
Zuerst war ich verwundert, denn mittlerweile hatte ich mich an die Strenge bei Goenka gewöhnt. Dann habe ich es jedoch als wohltuend empfunden. Der Meditierende entwickelt so Eigenverantwortung. Ich habe gesehen, dass es der Organisation nicht darum geht, Kontrolle auszuüben. Vielmehr scheinen die anfänglichen Regeln eine Hilfestellung gewesen zu sein, die überflüssig wird, sobald der Teilnehmer selbst ein Interesse an der Meditation entwickelt hat und Erfahrungen sammeln konnte.
Das Gespräch mit den Lehrern ist auf langen Kursen kaum noch vorhanden. Nur zwei Mal innerhalb von 20 Tagen gabe es ein sehr kurzes Check-Up-Gespräch. Darüber hinaus wurden wir angehalten, nur im Notfall zum Lehrer zu gehen. Die abendlichen Fragerunden gab es nicht mehr. Letzten Endes bietet der 20-Tageskurs einfach nur das perfekte Umfeld, um selbstständig zu praktizieren.
Einerseits habe ich das positiv aufgenommen. Denn es zeigt sehr klar, dass es sich hier nicht um eine Sekte handelt, die einen weiter beeinflussen will.
Andererseits hätte ich gerne weitere Unterweisungen und Hilfestellungen bekommen. Die Vorträge am Abend sind etwas, aber nicht viel tiefer in die Materie eingetaucht, als das vorher der Fall gewesen war. Außerdem hat mir eine Begleitung gefehlt, mit der ich wirklich meine „Erfahrungen“ in der Meditation oder auch die unumgänglichen Verstrickungen in Irrtümer hätte besprechen können. Ich hatte gehofft, dies im Rahmen von längeren Kursen zu finden. Leider scheint das bei Goenka tatsächlich nicht möglich zu sein.
Die Praxis bleibt trotzdem gut. Ich empfinde sie aber als nicht ausreichend, um sie als die einzige Praxis weiter zu betreiben.
Liebe Grüße,
Lec
Diskussion auf YouTube mit einem erfahrenen Schüler der Tradition von S. N. Goenka
Im Juli 2013 habe ich am „Zentrum für Buddhismusforschung“ der Uni München einen öffentlichen Vortrag über die Vipassana-Bewegung gehalten, der hier auf YouTube erscheint. Der Vortrag war Teil einer Vortragsreihe, die sich an ein größeres, nicht bloß universitäres Publikum gerichtet hat.
Der Vortrag “Die ursprüngliche Achtsamkeit – Vipassana: Quelle des westlichen Achtsamkeitsbooms” war Teil einer Vortragsreihe, die sich an ein größeres, nicht bloß universitäres Publikum gerichtet hat.
Dabei habe ich an einer Stelle mit wissenschaftlichen Argumenten kritisch auf die Tradition von S. N. Goenka Bezug genommen (wo genau im Vortrag, dazu siehe den Vorspann des Videos).
Auf YouTube hat jüngst ein alter Schüler der Tradition von S. N. Goenka, Oli Weg, der offenbar auch an den aufbauenden langen Kurse der Tradition teilgenommen hat, meine diesbezüglichen Aussagen zurückgewiesen.
Daraus ist eine aufschlussreiche Kommunikation mit ihm entstanden, die unter dem Video auf YouTube nachzulesen ist.
Dort erscheint sein erster Kommentar ganz unten. Meine Antwort darauf ganz oben; und seine Rückantwort sowie meine eingehende Hauptantwort dann darunter. Keine Ahnung, warum YouTube es so anordnet.
Herzlich
Hans
Liebe Aranyaka Vasanta,
Danke für Deinen aufschlussreichen Bericht.
* Es ist länger her, dass ich einen „Satipatthana-Sutta-Kurs“ in Goenkas-Tradition gemacht habe. Sagt Goenka es wörtlich so, wie Du ihn zitierst, „dass man, wenn einem eine andere Interpretation mehr zusage, dabei bleiben sollte und damit das ,final goal´ erreichen sollte“?
Wenn Du die Niederschrift der Kursvorträge des „Satipatthana-Sutta-Kurs“ hast, wäre ich Dir dankbar, wenn Du mir die genaue Stelle nennen könntest. Außer es gibt inzwischen neue Kursvorträge, was mich dann auch interessieren würde.
Ich habe die Satipatthana Sutta Discourses by S. N. Goenka, Vipassana Research Publications, 1998.
* Goenkas Ansatz, verschiedene Techniken nicht zu mischen, ist nicht primär das Problem – obwohl auch dies angesichts der Verschiedenheit der Methoden den Praktizierenden selbst überlassen bleiben sollte, welchen Ansatz oder welche Mischung sie für sich persönlich wählen oder entwickeln.
Das haben auch die verschiedenen Vipassana-Lehrer letztlich nicht anders gemacht.
Das Hauptproblem ist Goenkas Begründung – die Aussage, dass das Body Sweeping die „pure technique“ des historischen Buddhas gewesen sei; unter anderem illustriert durch seine Story, dass der Buddha zu seiner Zeit allen diese Technik vermittelt hätte.
Das ist ein reines Märchen ohne den geringsten Beleg in den Quellen.
Außerdem bedeutet diese Aussage einen massiven Alleingeltungsanspruch, den es bloß in dieser Tradition gibt.
* Mal sehen, ob sich Deine Vorhersage bewahrheitet. Ich bin da skeptischer.
Herzlich
Hans
Lieber Hans, liebe Diskussionsteilnehmer_innen,
durch Zufall bin ich auf diesen Blog gestoßen und habe viele der Einträge mit großer Aufmerksamkeit verfolgt.
Ich selbst bin Praktizierende der Goenka-Tradition und halte mich in der Praxis streng an die Vorgaben der Organisation. Die Einsicht, die ich durch die Meditationspraxis erhalten habe, hat mein Leben grundlegend verändert und dies setzt sich durch kontinuierliche Praxis fort. Deshalb bin ich der Organisation zu tiefem Dank verpflichtet.
Dennoch bin ich ein kritischer Mensch und freue mich über die hier geführte Diskussion. Viele der angeführten Punkte sind für mich geradezu erhellend, weil sie mir eine neue Perspektive auf meine eigene Praxis ermöglichen. Viele der ausgeführten Gedanken, wie zum Beispiel der Monopolanspruch, der Reinheitsglaube und die substanzielle Vorstellung des Dhamma (was tatsächlich durchwegs hinduistisch ist) waren in mir schon ab meinem ersten Kontakt mit der Tradition im Ansatz vorhanden. Es freut mich, dass diese Gedanken hier weitergedacht wurden/werden. Die Kritikpunkte sind plausibel, objektiv und führen hoffentlich auch zu einem besseren traditionsübergreifendem Verständnis von Vipassana. Mich persönlich hat die Diskussion inspiriert, meine eigene Praxis undogmatisch und offen zu hinterfragen.
Bei meinem letzten Satipatthana Sutta-Kurs ist mir aufgefallen, dass Goenka sich neutraler als bei den 10-Tages-Kursen zu anderen Interpretationen der Satipatthana Sutta äußert. Natürlich argumentiert er, dass seine Interpretation am effektivsten wäre, aber er gibt die Empfehlung, dass man, wenn einem eine andere Interpretation mehr zusage, dabei bleiben sollte und damit das „final goal“ erreichen sollte. Ich hatte den Eindruck, dass er sich durchaus dessen bewusst war, dass andere Techniken ebenfalls zur Erleuchtung führen.
Ich fand seinen Ansatz, verschiedene Techniken nicht zu mischen, eigentlich immer plausibel und hilfreich (gerade am Anfang), da es mich ermutigte, mich wirklich mit Hingabe in einer Technik zu festigen. Wenn dies jedoch zu einem „Traditions-Chauvinismus“ führt, ist es ein Problem. Inwieweit das nun S.N. Goenkas persönliche Intention war, sei dahingestellt. Ich glaube, dass viel davon, was wir heute als Dogmatismen der Goenka-Tradition wahrnehmen, unbeabsichtigte Folgen einst praktischer Überlegungen waren, die nunmher durch die Größe der Organisation (gerade im Westen) nicht mehr tragbar sind. Ich vermute, dass sich durch Goenkajis Tod eine kritische (westliche) und eine konservative (östliche) Strömung herausbilden wird weil die Möglichkeiten des Wachstums als zentral organisierte Bewegung bereits ausgeschöpft sind. Das sehe ich durchaus als Chance.
Mit besten Grüßen!
Hallo Rupaloka,
Goenka behauptet nichts zu dieser von mir „ausgebreiteten“ – weil sehr breiten – Bedeutung der Körperbetrachtung in den Reden des Buddhas, auf die sich jenes Zitat des Buddhas bezieht.
Denn sein Verständnis von der Körperbetrachtung – als der systematischen Betrachtung der Körperempfindungen mit dem Body Sweeping – ist im Vergleich dazu sehr eng; sowie ohne einen konkreten Beleg in den Reden des Buddhas im Palikanon.
Nichtsdestoweniger baut die Methode Goenkas auf bestimmten Aussagen dieser Reden „ausdeutend“ auf, so wie es alle anderen Vipassana-Methoden ebenfalls machen.
Aber nichts rechtfertigt jenen „Vorrang“, den Goenka dem Body Sweeping andichtet, indem er diese Technik entgegen den Reden des Palikanons und ausgehend von seiner klar hinduistisch gefärbten Reinheitsbetonung zu einer „reinen Technik“ des Buddhas hochträumt.
Um ausgehend von jenen beschriebenen zentralen Achtsamkeitsreden des Buddhas die Betonung der Körperbetrachtung in ihren übergeordneten Kontext zu setzen und zu relativieren:
Laut Satipatthana-Sutta können ALLE Vier Vergegenwärtigungen der Achtsamkeit – das breit aufgefasst Körperlich ist lediglich die erste Vergegenwärtigung – als eigenständige Wege der Einsicht „Vipassana“ fungieren. Dies verdeutlicht der Refrain zum Einsichtsfortschritt nach jedem einzelnen Abschnitt.
Trotz dieser gewissen Eigenständigkeit ist im Normalfall jedoch von einer Steigerung auszugehen –
Auf Basis der Achtsamkeit für das Körperliche (und zwar in jenem breiten Sinne, wie von mir beschrieben) entwickelt sich die eigenständige Achtsamkeit für die geistigen Gefühlsreaktionen. Auf deren Basis entwickelt sich die eigenständige Achtsamkeit für die willentlichen Impulse bzw. fortwährend wechselnden Geisteszustände.
Auf diesem ganzen Fundament entwickelt sich ein tiefes, befreiendes Verständnis der Vierten Vergegenwärtigung der Achtsamkeit – (laut dem Satipatthanasutta) für die Natürlichen Wahrheiten vom Entstehen und Vergehen von Körper wie Geist, der Bedingtheit aller innerlich bindenden, hemmenden Kräfte und der spirituellen Höherentwicklung bis zum vollen Verständnis der Vier Edlen Wahrheiten vom Leiden, dessen Quelle, dessen Ende und dem Weg dahin.
Diese Steigerung wird mit der „Rede vom bewussten Ein- und Ausatmen“ Anapanansati-Sutta sehr klar:
Das Verständnis des Universellen Merkmales Vergänglichkeit und eine zunehmende Befreiung wird hier nämlich als die alleinige Folge der Entwicklung der drei Vergegenwärtigungen der Achtsamkeit für das Körperliche, die Gefühlsreaktionen und die Geisteszustände beschrieben – und zwar alle unter dem „Dach“ eines bewussten Ein- und Ausatmens.
Denn in diesem Sutta taucht kein Refrain wie im Satipatthanasutta auf.
Wie oben schon gesagt:
Diese Reden sind kein widerspruchsfreies “geschlossenes System”, sondern ein strikt auf die Befreiung unterschiedlicher Individuen mit unterschiedlichen Anlagen bzw. Bedarfen ausgerichteter “Erlösungspragmatismus”.
So werden hier auch unterschiedliche Methoden beschrieben (wenngleich mit bestimmten verbindenden Elementen), und nicht bloß eine Methode, wie es Goenka mit seinem Body Sweeping tut.
Herzlich, Hans
Gerade in dem von mir zitierten Abschnitt aus einem ganzen Vers der Numerischen schien mir, daß der Buddha eben jenen umfassenden Hinweis in kurzer Form ausführt, den Du danach nochmal ausgebreitet hast.
Und insofern schien mir die Frage erlaubt, ob es eigentlich eine wesentliche Sache ist, was nun Goenka dazu behauptet.
Lese ich den ganzen Thread, scheint mir niemand aus logischem Grund, sondern bestenfalls aus pragmatischem Grund, Goenka zuzustimmen.
Wir suchen doch immer das Heilsame!
Herzlich, Rolf
Hallo Rupaloka,
Jenes Zitat aus der Anguttara Nikaya bezieht sich auf die Körperbetrachtung, wie sie zum Beispiel mit der ersten Vergegenwärtigung des Körperlichen in der „Rede über die Vier Vergegenwärtigungen der Achtsamkeit“ Satipatthanasutta (MN 10) und der „Rede über die körpergerichtete Achtsamkeit“ Kayagatasatisutta (MN 119) erklärt wird.
In diesen grundlegenden Reden zum Thema Körperbetrachtung ist keine Rede von der systematischen Betrachtung der Körperempfindungen etwa in Form des Body Sweepings der Tradition von S. N. Goenka, sondern wörtlich von
1) der Betrachtung des Atems als vollen Einsichtsweg (nicht nur als Konzentrationsmittel wie bei Goenka),
2) den vier Körperpositionen bzw. deren Wechsel im Alltag,
3) aller gewöhnlichen körperlichen Handlungen, wie Strecken und Beugen der Gliedmaßen, Hin- und Weggehen usw.,
4) der inneren Körperbestandteile bzw. Organe usw. (um den Anschein eines einheitliche, fixierbaren „Körperdinges“ aufzulösen),
5) den Vier Universellen Elementen im eigenen Körper sowie in allen anderen Körpern und der Natur (der einzige Bereich, den man zumindest teilweise mit den Empfindungen im eigenen Körper in Verbindung bringen kann, aber freilich ohne dass hier irgendeine bestimmte Methode beschrieben werden würde),
5) der vorstellungsmäßigen Betrachtung der Auflösung des einmal toten Körpers.
Außerdem gelten alle diese Praktiken auch als getrennte Wege, die jeweils für sich genommen zu den befreienden Einsichten führen können. Das wird am Refrain klar, der nach jedem Abschnitt der Rede den möglichen befreienden Einsichtsfortschritt beschreibt.
Auch das ist eine ganz andere Sicht als in Goenkas Tradition!
Und das Gleiche gilt für die anderen drei Vergegenwärtigungen, nämlich – 2) die Gefühle, aber hier sind genau genommen die geistigen Gefühle gemeint, 3) die Geisteszustände bzw. wechselnden willentlichen Reaktionen und 4) die Natürlichen Wahrheiten bzw. Grundwahrheiten der Lehre des Buddhas.
Dieser ganze Weg wird im Satipatthanasutta nun als der „Einzige“ oder „Direkte Weg“ (ekayana maggo) beschrieben.
Auch das ist eine besonders starke und einmalige Aussage in den Reden des Buddhas!
Laut der „Rede über das Bewusste Ein- und Ausatmen“ Anapanasatisutta (MN 118) wiederum gilt ausschließlich das bewusste Ein- und Ausatmen als die allen anderen Praktiken überlegen Praxis, die „von großer Frucht und großem Nutzen“ sei. Laut dieser Rede führt das bewusste Ein- und Ausatmen automatisch zur Realisierung aller Vier Vergegenwärtigungen, der Sieben Glieder des Erwachens und damit zur vollen Befreiung.
Keine Praxis wird in den Reden des Buddhas insgesmt so häufig gepriesen wie das bewusste Ein- und Ausatmen als vollständiger Befreiungs- bzw. Einsichtweg (das heißt nicht bloß als Konzentrationsmittel wie bei Goenka).
Mit dem „Achtfachen Pfad“ wiederum werden die drei Bereiche Ethik, innere Ruhe und befreiende Einsicht als der große Befreiungsweg beschrieben.
So widersprechen sich die verschiedenen Aussagen in den Reden des Buddhas eben in einem gewissen Sinne.
Denn diese Reden sind kein widerspruchsfreies „geschlossenes System“, sondern ein strikt auf die Befreiung unterschiedlicher Individuen mit unterschiedlichen Anlagen bzw. Bedarfen ausgerichteter „Erlösungspragmatismus“.
So werden hier auch unterschiedliche Methoden beschrieben (wenngleich mit bestimmten verbindenden Elementen), und nicht bloß eine Methode, wie es Goenka mit seinem Body Sweeping tut.
Dies tut er noch dazu mit dem vollkommen unbelegbaren „Märchen“-Anspruch, das Body Sweeping sei die große, eine Methode des historischen Buddhas gewesen.
Der Buddha hat ein ungleich weiteren Geist als Goenka sowie seine Lehrenden und diversen Anhänger gehabt!
Herzlich
Hans
Aus der Anguttara Nikaya in der Übersetzung von Nyanaponika Thera und Bikkhu Bodhi, 60 (Seeking the End of the World):
“ … And I further proclaim, friend, that it is in this fathom-long body with its perceptions and thoughts, that there is the world, the origin of the world, the cessation of the world and the path leading to the cessation of the world.“
Wird in diesem Thread eigentlich um Wesentliches gestritten?
(Übersetzung jenes Zitats durch den Admin:
“ … Und so verkündige ich weiter, Freund, dass es in diesem klaftergroßen Körper mit seinen Wahrnehmungen und Gedanken ist, wo die Welt, der Ursprung der Welt, das Ende der Welt sowie der Pfad, der zum Ende der Welt führt, liegen.“)
Hallo zusammen!
Ich möchte die subjektiven Eindrücke nach meinem kürzlich absolvierten, ersten 10-Tages-Kurs „unter Goenka“ schildern.
Nach 8 Jahren Zen-Meditation und zahlreichen Sesshin wollte ich aufgrund meiner eindeutigen Neigung zum Dhamma nun die Meditationspraxis auf Vipassana umstellen. Kurze Kontakte mit Anapanasati waren ebenfalls vorhanden und so sagte mir der strukturierte Tagesablauf und die korrekte Beschreibung der Technik zu.
In chronologischer Folge die Auffälligkeiten, die mir während des Retreats durch den Kopf gingen (in Klammern: meine Überlegung in Retrospekt zum jeweiligen Punkt):
– die Aufforderung zum Ausfüllen des Fragebogens, zum Abgeben des Handys, der Wertsachen, der etwaigen Bücher etc. erfolgte in klinisch-sterilem Ton. Die Zuweisung des Schlafplatzes enthielt den auffallend hervorgehobenen Hinweis, dass der Kopf am markierten Ende des Bettes zu liegen habe (…wenn man dies einhält, liegen alle Köpfe der Zimmergenossen so weit wie möglich auseinander. Will man hier „energetische Verunreinigungen“ der einzelnen Personen durch die Mitbewohner minimieren?).
– die Art, wie Goenka chantet, muss man wirklich abkönnen. Ich empfand es meistens als Verunglimpfung der Texte. Ganz ehrlich: Wenn es sich nicht um eine buddhistisch ausgerichtete Veranstaltung gehandelt hätte, wäre ich geneigt zu vermuten, dass bei den Tonaufnahmen eine Menge Alkohol im Spiel war. Ich sah alleine vor mir 2 Personen, die Gehörschutz trugen. Einer davon wurde umgehend vom Manager ermahnt, diesen abzunehmen -es war in seinem Fall ein sichtbarer Gehörschutz. Am schwarzen Brett stand, dass dieses Chanting für eine „gute Stimmung“ sorgen sollte und es sich um kein Ritual handle (…über die gute Stimmung kann man geteilter Meinung sein. Ich empfand es als unnötige Wichtigtuerei).
– die Ankündigung der „tiefgreifenden Operation am offenen Geist“, einer „Umprogrammierung des Bewusstseins“ am 4. Tag durch die Vermittlung der (Goenka´s!) Vipassana-Praxis wurde nahezu in Marketingmanier vorgenommen. Aus einer schlichten Körperbetrachtungsmethode wurde die ultimative, vom Buddha exklusive dargelegte Meditationsmethode, die, wenn man sie absolut korrekt befolgt, direkt zur Befreiung führt.
– im Interview meldete ich Bedenken an, ob sich die Theorie mit den Sankharas, die quasi als „fühl- und messbare“ Anzeige des Fortschritts in der Geistreinigung präsent sind, denn via Lehrreden beweisen ließe. Außerdem hatte ich noch nie eine Beschreibung der Goenka-Methode im PK gelesen. Mir wurde gesagt, dass dies „so genau“ nicht drin stehe, aber wohl eher im Abhidhamma zu finden sei. Nach mehreren 10-Tages-Kursen könne ich bei einem Satipatthana-Kurs mitmachen, da würden dann keine Fragen mehr offen bleiben.
– ein Mitübender „Neuer Schüler“ hatte in der Pause aus Steinen im Wald ein Mini-Stonehenge gebildet. Das sah wirklich aus wie ein Miniatur-Modell vom Original. Dieses war am nächsten Tag zerstört. Es wurde – evtl. von einem anderen Schüler – eine Energiespirale aus den Stonehenge-Teilen gelegt. Auch dieses wurde zerstört, aber nach ein paar Tagen wieder aufgebaut (ich kann mir nicht vorstellen, wer da ein Problem mit solchen Symbolen hat, aber nach der Lektüre dieses Blogs habe ich u.U. eine Erklärung dafür).
Obwohl der Kurs für mich eine intensive Erfahrung war (nur hinsichtlich der Konzentration, nicht in Sachen Einsicht…), hatte ich vom ersten bis zum letzten Tag das Gefühl, dass hier irgendwas nicht stimmt. Ich spürte weder bei den Alten Schülern noch den Assistenzlern so etwas wie eine organische Glaubwürdigkeit, wie ich sie von einigen Theravada- und Zen-Leuten kenne. Gefährliches Halbwissen führt zu unvollständiger Praxis. Unter diesen Umständen zu lehren ist mE sehr riskant und fragwürdig.
Bei den Abendvorträgen wurde insgesamt recht gut und anschaulich das Dhamma erklärt, aber ich frage mich, ob es Sinn macht, einem völligen Neuling in 10 Tagen die Buddhalehre vom Tonband einzutrichtern. Die Neuen SchülerInnen, mit denen ich am Ende des Kurses sprach, hatten alle keine buddhistische „Vorbildung“…und so jemand wird zu einem 10-Tages-Retreat mit 10h Sitzen pro Tag zugelassen! Die waren teilweise geschockt, von den angeblich „völlig unreligiösen“ (Wiedergeburt, Achtfacher Pfad, Nibbana) Fakten, die ihnen jeden Abend vorgestellt wurden. Mir persönlich gefielen die Vorträge sehr gut, aber ich kann mir vorstellen, dass einige nach solch einem Kurs nie mehr was mit Buddhismus zu tun haben wollen. Die Lehre bedarf mE einiger Rückfragen seitens der Zuhörer. Dies ist bei solch einem Kurs nicht möglich, zumal die Interview-Zeiten sehr begrenzt sind. Ich habe mir die ganze Zeit gedacht, wie es wohl einer/m aufrecht Suchenden geht, für den ein Goenka-Kurs der erste Kontakt zum Buddhismus darstellt.
Die Entwicklung der Konzentration durch das Body-Sweeping ist wirklich beeindruckend, das konnte ich auch selber feststellen. Doch mE baut die Methode zu wenig Achtsamkeit auf. Die benötigte Balance von Energie, Konzentration, Achtsamkeit, Wissen und Vertrauen kann nicht entstehen, wenn man nur partiell informiert wird.
Außerdem wird der Neue Schüler mit zuviel neuen Behauptungen konfrontiert, auf die er nicht eingehen darf, da ja Schweigepflicht herrscht. Da die Kurse grundsätzlich kostenlos sind, führt dies mE dazu, dass viele Dhamma-Neulinge teilnehmen. Indem man quasi alles kostenlos gestellt bekommt, entwickelt man leicht das Gefühl, dass man deshalb „nicht zu widersprechen“ habe, d.h. seine eigene Kritik ausblendet. Das kann auch nach hinten losgehen… Sofern es mit der Konzentration gut läuft (wovon bei einem starken „Anfängergeist“ ausgegangen werden kann), ist man versucht, zu glauben, man habe „seinen Weg“ gefunden, ohne weiter zu hinterfragen. Ich bin froh, dass ich immer wieder prüfe, ob ich auf dem richtigen Weg bin und muss auch immer wieder etwas nachjustieren – so wie es meinem Wesen entspricht. Da gehört Geduld und Vertrauen, das sich aus sowohl intellektueller als auch meditativer Erfahrungseinsicht entwickelt, in hohem Maße dazu.
Sollte jemand bei Goenka „bleiben“, denke ich, dass der prüfende Geist, den Gotama seinerzeit so betont hat, absolut auf der Strecke bleibt. Ich unterstelle keiner/m Beteiligtem oder Goenka himself irgendwelche Absichten, aber man sollte doch überdenken, ob es denn angehe, dass man in diesem großen Umfang die Lehre des Erwachten einfach so nach eigenen Gutdünken auslegen und propagieren kann, weil sie einem selber geholfen hat.
Mein Fazit aus diesem Kurs und über die Goenka-Methode, in dieser Form:
Ein Crash-Kurs für Risikofreudige.
Sehr interessant und lehrreich, um seine Selbstwahrnehmung in Frage zu stellen.
Sicherlich in hohem Umfang geeignet, körperliche Leiden in den Griff zu bekommen.
Als vollständiger Befreiungsweg zu schmal. Sollte sie als diese verstanden werden, empfiehlt sich unbedingt umfangreiche einschlägige Lektüre abseits des „Goenka-Verlages“ sowie das Aufsuchen anderer Theravada-LehrerInnen. Ansonsten hängt die Achtsamkeit immer der Konzentration hinterher und man läuft u.U. Gefahr, psychische Schäden davon zu tragen, geschweige denn, jemals Dhamma wirklich zu erfahren. Deshalb stark reformationsbedürftig.
Hallo miteinander,
Vielen Dank an alle Beteiligten für den bisherigen Austausch.
Mir scheint darin aber noch nicht der Unterschied zwischen „neuen“ und „alten“ „Schülern“ in den 10-Tage Kursen deutlich gemacht zu sein.
Die zweifelhafte, überfordernde Pädagogik, inklusive der fragwürdigen Vorträge betrifft nur die „neuen Schüler“. Die „alten Schüler“ bekommen am 1. Tag die Anweisung, 3,5 Tage Annapana auf dem verkleinerten Gebiet zu machen und alle Anweisungen für die „neuen Schüler“ zu ignorieren.
Am 5. Tag bekommen sie die Anweisung, die restlichen Tage Body Scan zu machen und alle Anweisungen für die „neuen Schüler“ zu ignorieren.
Mehr an Unterweisung, Unterstützung für ernsthaft Praktizierende gibt es nicht, ausser man will in der Hierarchie der Organisation aufsteigen.
Das war für mich der Grund, meinen Dhammaweg in Zukunft ohne S.N. Goenka
fortzusetzen.
Die von Hans angeführten Beobachtungen zu Konzentration versus Einsicht geben meiner Beobachtung der inhaltlichen Leere noch mehr Einsicht :-).
Mit besten Grüßen,
Daniel
Hi,
Vielleicht sollte man Goenka mehr als Geschätsmann sehen. Er hat primär am Anfang seine Kurse für Inder entwickelt. Deshalb ist eben diese Hinduismus-Synthese vielleicht sogar Absicht. Ich habe stark aufgepasst – es wird in seinen Vorträgen immer nur das BILD des Reinwaschens erzeugt, wie es die Hinduisten so gerne machen (selbst Nicht-Gläubige haben das drinnen. Den Reinheitsfimmel saugen die wohl mit der Muttermilch auf).
Wirklich SAGEN tut er es aber nicht. Analog sagt er immer, dass es nur eine Technik und keine Religion sei. Was sei an Ethik und Läuterung des Geistes schon auszusetzen?
Genau so wird Anatta nicht erwähnt. Warum wohl? Sicher, weil es Hinduisten sauer aufstoßen würde. Ansonsten stichelt er ganz bewusst gegen die Glaubensreligionen.
Wir haben es meiner Meinung bei Goenkas Kursen mit einer Art Buddhismus als trojanisches Pferd für Hinduisten zu tun.
Arm sind nur jetzt vor allem die Leute aus dem Westen, die den Dogmatismus lieben, und WIRKLICH denken, sie würden keinen Buddhismus praktizieren (oder müssten eine Reinheit der Lehre bewahren).
Ich erkläre mir das so, dass Goenka eben ein guter Geschäftsmann ist, und Buddhismus gut an Hindus verkaufen kann.
Hallo Martin und Sebastian,
Danke für Eure gute Frage zu jener Aussage aus meiner letzten langen Antwort weiter oben, die ich hier noch einmal wiederhole:
“Das Body Sweeping ist vor allem eine gute Konzentrationsmethode mit gewissen begrenzten Elementen von Einsicht; und nicht viel mehr. Die Konzentrationsfrüchte – wie geistige Ruhe oder auch Liebe und Mitgefühl – können leicht mit den Befreiungsfrüchten verwechselt werden, was für viele heute eher schwer verständlich sein dürfte.
Das ist jedoch ein großes Thema bereits in den alten Reden des historischem Buddhas. In einer besonders wichtigen Rede (Lange Sammlung 1) bezeichnet er diese Verwechslung als eine der kardinalen Fehlansichten, die einer zunehmenden Befreiung im Wege stehen.”
1) “ … vor allem eine gute Konzentrationsmethode mit gewissen begrenzten Elementen von Einsicht; und nicht viel mehr“:
Das „Body Sweeping“ bzw. das den Körper abtastende „Scannen“, bei dem die Aufmerksamkeit laut den Vorgaben strikt „fortwährend in Bewegung bleiben“ soll, ist eine reine Konzentrationsaufgabe. Das veranschaulicht ja auch bereits deutlich jene oben zitierten Aussagen von Goenka und sein illustrierendes Gleichnis aus dem alten Interview in der Inquiring Mind (bitte oben noch einmal nachlesen).
Vor Kurzem bekam ich einen persönlichen näheren Bericht, was auf einem 30-Tages-Kurs in dieser Tradition gelehrt wird (ich selbst habe in dieser Tradition sechs Zehntageskurse gemacht sowie zwei aufbauende Satipatthana-Sutta-Kurse und zwei Service-Kurse). Auf einem solchen langen Kurs geht es ausführlich um die „Vertiefungen“ oder starken Konzentrationszustädne der Jhanas! Das wusste ich bissher nicht. Es ist ein weiterer klarer Beleg für mein Resümee, dass es sich hier primär um eine Konzentrationsmethode handelt.
In der Vipassana-Tradition von Mahasi Sayadaw, die in Burma (dem Entstehungsland auch des Body Sweepings) mit Abstand die einflussreichste ist, wird vor den Jhanas sogar gewarnt. Hier wird die Konzentration „dynamisch“ durch Fokussierung auf die wechselnden Prozesse von Körper und Geist in ihrer natürlichen Gesamtheit entwickelt. Diese Art der Sammlung heißt „augenblickliche Konzentration“. Bhante Sujiva hat sie einmal mit der Nadel eine Nähmaschine verglichen, die fortwährend in den „Stoff“ eintaucht und daraus wieder auftaucht, was das zunehmend verstehende Eindringen in die natürlichen Prozesse von Körper und Geist repräsentiert. Aber dieser Vorgang läuft zugleich auch so „gleichmäßig“ ab, dass sich dadurch eine hohe Konzentration aufbaut, was die „augenblickliche Konzentration“ repräsentiert, die hier in einer engen Verbindung zur Einsicht steht.
Das Body Sweeping ist zwar auch „dynamisch“. Aber hier wird das fortwährende Eintauchen in die natürlichen Prozesse von Körper und Geist im Grunde dadurch verhindert, dass der Fokus nicht auf einem bestimmten Prozess wie einer bestimmten Empfindung „ruhen“ bzw. dort nicht stehen bleiben soll. Auch geht es hier in der Betrachtung alleine um den Körper; es werden ja nicht sukzessive die verschiedenen Vergegenwärtigungen der Achtsamkeit entwickelt (wie bei den anderen Vipassana-Methoden und im Satipatthana-Sutta).
Durch dieses systematische innere Abtasten des ganzen Körpergebildes wird im Grunde das „Bild vom ganzen Körper“ abgetastet, das von verschiedenen Empfindungen „unterlegt“ ist. Wenn die Konzentration auf ein inneres Bild anstatt auf die natürlichen Prozesse fokussiert ist, kann aus Theravada-Sicht immer bloß eine statische Konzentration im Sinne der Jhanas entstehen!
Außerdem soll der Fokus beim Body Sweeping ja auf der Durchführung der Aufgabe liegen, von oben nach unten und von unten nach oben durch den Körper ohne einen Stillstand zu wandern. Auch dieser Fokus auf eine „Aufgabe“ ist jedoch kein Fokus auf die natürlichen Prozesse selbst (wie oben im Gleichnis Goenkas von dem Flaschengeist, der fortwährend bloß den Baum hoch- und herunterklettern soll).
Auf einem Zehntageskurs in der ursprünglichen Tradition von U Ba Khin in der Tradition von Mother Sayama, an dem ich letztes Jahr in Großbritannien teilnahm, kam vom Lehrer (Roger Bishop, dem Nachfolger von Mother Sayama in der Leitung der Tradition) in der Anleitung des Body Sweepings immer wieder die folgende, äußerts aussagekräftige Aussage:
„Seeing how sensations arise and break up gives rise to the concept of impermanence (wenn wir sehen, wie die Empfindungen entstehen und sich auflösen, bringt dieses Sehen das Konzept der Vergänglichkeit zum Vorschein)“.
Das bringt genau auf den Punkt, was ich meine – es wird bei dieser Methode nicht wirklich die Vergänglichkeit selbst betrachtet, weil dafür ein wirkliches Eintauchen in die Prozesse und auch der verschiedenen Prozesse von Körper und Geist über längere Zeit durch „augenblickliche Konzentration“ erforderlich wäre. Es kommt beim Body Sweeping aus den vorher schon genannten Gründen vielmehr zu einer Fokussierung auf das „Konzept“ der Vergänglichkeit.
Aber ein Konzept dient grundsätzlich immer als Bezugspunkt für die Identifikation damit als „(das bin) Ich (wirklich)“ oder „mein“. In der zentralen Einleitungsrede der Mittleren Sammlung der Reden des Buddhas im Palikanon – betitelt Die Wurzel aller Dinge – wird dieser subtilen Zusammenhang im Einzelnen dargelegt. Jenes „Konzept“ von der Vergänglichkeit wird durch die „Ich“-Identifikation mit diesem Konzept zur Vorstellung von einem „vergänglichen Selbst“, das man selbst in Wahrheit sei!
Das wird auch voll bestätigt durch die Lehre von einem (wahren) „vergänglichen Selbst“, wie sie die Vordenker der Tradition wie Dr. Paul Fleischman vertreten, der z. B. als das „Nicht-Selbst“ Anatta lehrt: „The rock of self is revealed to be liquid, essenceless, anatta (der Felsen des Selbst offenbart sich als flüssig, essenzlos, anatta).“
Das hier allseits erstrebte „Wissen von der Auflösung“ (Bhanga-Nyana), das heißt der Schau des ganzen eigenen Körpers als einer einzigen Masse von fluktuierenden Empfindungen, ist nichts Anderes als die Realisierung, dass man selbst in Wahrheit jenes „vergängliche Selbst“ wäre.
Dieses Verständnis vom „Nicht-Selbst“ findet sich nicht in den Reden des Buddhas. Es gilt dort universell und schließt jede Vorstellung von einem „wahren Selbst“ als unserem Wesenskern aus.
Aber jene Lehre von einem „vergänglichen Selbst“ ist zentral für den Ansatz von S. N. Goenka – sicher auch deshalb, weil das umfassende Nicht-Selbst des historischen Buddhas in Indien mit seinen zahlreichen philosophischen Lehren von einem „wahren Selbst“ kaum zu vermitteln ist; und dem indischstämmigen Goenka ging es ursprünglich vor allem um eine Verankerung von Vipassana in Indien (in meinem Buchbeitrag zu dem Band zu der „Internationalen Achtsamkeitskonferenz“ von 2011 erscheint in einer Anmerkung auch ein näherer Vergleich jener ursprünglichen U Ba- Khin-Tradition mit der Tradition von S. N. Goenka).
Auch weltweit dürfte zum Erfolg dieser speziellen Vipassana-Methode der Umstand beitragen, dass der Großteil der Menscheit seit Jahrhunderten von den monotheistischen Religionen geprägt ist, die sozusagen von einem wahren Mega-Selbst als der vermeintlich „höchsten Realität“ ausgehen – nämlich einem „wahren, einzigen Schöpfergott“ -, ein Glaube, der psychologisch als eine Existenzrückversicherung für das eigene Selbst wirkt.
Trotzdem ist die ziemlich subtile „Selbst“-Lehre der Tradition von S. N. Goenka in Verbindung mit ihre machtvollen Konzentrationsmethode den eben genannten Lehren deutlich überlegen und durch ihre konsequente Praxisausrichtung ein klarer Fortschritt.
Außerdem fällt auf, dass die Tradition von S. N. Goenka in Europa vor allem in Deutschland, Frankreich und Großbritannien erfolgreich ist. Das sind genau die europäischen Länder, die in ihrer Geschichte von einem besonderen Überlegenheits- oder Reinheitsanspruch geprägt worden sind – Deutschland in der Romantik und vom Nationalsozialismus, „Grande Nation“ Frankreich lange Zeit als große Kolonialmacht und „Großbritannien“ lange Zeit als die größte Kolonialmacht, das „British Empire“.
Diese unbewusste Prägung „trifft sich“ mit der hinduistisch verankerten durchgehenden Betonung von „Reinheit“, der „reinen Vipassana-Technik“ oder „reinen Vibrationen“ in der Tradition von S. N. Goenka (siehe dazu Näheres oben), die für die Vipassana-Bewegung als Ganzes und die Lehre des historischen Buddhas nicht zutrifft.
2) „… Die Konzentrationsfrüchte – wie geistige Ruhe oder auch Liebe und Mitgefühl – können leicht mit den Befreiungsfrüchten verwechselt werden, was für viele heute eher schwer verständlich sein dürfte.“
In der zentralen Einleitungsrede der Langen Sammlung wird vom Buddha eingehend dargestellt (im Abschnitt zu den „Verfehlten Ansichten“ 59 bis 62), wie das „Selbst“ leicht die hohen Konzentrationszustände der Vier Vertiefungen als „Nirvana hier und jetzt“ missversteht und sich durch diese Identifikation mit einem solchen vermeintlichen Nirvana der Konzentration oder Ruhe für wahrhaft existent hält. Mit dieser Kernrede werden 62 zeitgenössische Formen des altindischen Glaubens an ein „wahres Selbst“ zurückgewiesen.
Mit den hohen Konzentrationszuständen der Vertiefungen „Jhanas“ kommt es sukzessive zu immer höheren Ruhezuständen, die mit dem zeitweisen Aufhören aller geistigen Hindernisse wie Gier oder Hass, dem Schwinden aller Gedanken, dem Schwinden aller innerer Aufregungen, selbst derjenigen durch ausgeprägte körperliche oder geistige Glücksgefühle, verschiedenen Einheitseindrücken (Raumunendlichkeit und Bewusstseinsunendlichkeit) oder Lichterfahrungen einhergehen.
Doch solche Zustände können eine wichtige stabilisierende und körperlich heilende Funktion erfüllen. Der Buddha hat sie jedoch immer nur als ein bloßes Durchgangsstadium zu den befreienden Einsichten gelehrt; und neben dem reinen Einsichtsweg, auf dem die Jhanas gar nicht erforderlich sind.
Durch den Kontrast zum gewöhnlichen Alltagsbewusstsein können jene hohen Konzentrationszustände leicht als Endziele erscheinen. Dann greift das „Selbst“ unbewusst auf sie zu und missversteht sie als sein eigenes wahres Wesen bzw. als das „wahre Selbst“ (vor allem, wenn unbewusste Vorprägungen wie die oben skizzierten wirksam sind). Aber es sind bedingt entstandene Zustände, die folglich vergänglich sind. Man kann sie zwar immer wieder herstellen, aber sie vergehen auch immer wieder. Sie sind nicht wirklich „Ich“ oder „mein“.
Aber sie befeuern das unbewusste Muster der Identifikation mit allen Dingen, dessen Maß immer das Maß der Nichteinsicht oder Nichtbefreiung darstellt.
Das ist in der Tradition von S. N. Goenka an vielen Merkmalen gut zu beobachten. Denn nirgendwo in der Vipassana-Welt gibt es eine so große Identifikation – mit jener vermeintlichen „wahren Technik“ des Buddhas, mit den durch die Methode erfahrenen Konzentrationszustände, mit der Organisation, mit deren ganze Hierarchie von Kursen mit dem Erfordernis, sich klar und alleine zu dieser Technik zu bekennen, wenn man an den aufbauenden Kursen teilnehmen will; usw. Das sind alles letztlich Kennzeichen von starker Identifikation bzw. Nichteinsicht.
Hinzu kommt eine deutliche „Einförmigkeit“ in den Reaktionen und Antworten von Assistenzlehrenden oder auch Schülern auf verschiedene Fragen oder Probleme (wie in den oben geschilderten Fällen von alten Schülern, die keine Kurse in dieser Tradition mehr besuchen durften). Es zeigt, dass hier einfach ohne Eigenreflexion Vorgaben übernommen werden. Damit haben die Übernehmenden generell kein Problem, weil sie ja davon ausgehen, dass die „reine Technik“ des Buddhas bloß durch bestimmte Vorgaben zu verwirklichen wäre. Selbstdenken, Nonkonformismus und die eigene sehende Achtsamkeit kommen hier also wenig vor. Aber sie spielen eine grundlegende Rolle für die Entwicklung auf dem universellen inneren Pfad, wie ihn der Budddha gewiesen hat.
Ein weiteres Beispiel:
Es gibt einen bekannten Reiseschrifsteller, Andreas Altmann. Er hat das vielleicht einflussreichste PR-Werk für diese Tradition geschrieben: Triffst Du Buddha, töte ihn. Ein Selbstversuch. Das ist eine mit flotter Schreibe verfasste, sozusagen „begeisterte“ Werbeschwarte für diese Tradition. Altmann meint etwa auf seiner Website, dass er zufällig zu dieser Methode gekommen sei. Dann war es jedoch die große Offenbarung für ihn. Alleine um die Darstellung dieser Offenbarung geht es in allen farbigen Variationen in seinem Buch. Nach Rückkehr nach Hause zerstörte er seine Buddhastatuen usw., weil er jetzt durch Goenka zur Erkenntnis der zeitlosen „Kunst des Lebens“ gekommen sei. Soweit das PR-Märchen.
Aber ich weiß aus sicherer Quelle (nämlich der Anweisung eines führenden Assistenzlehrers dieser Tradition, der Vorgaben an einige enge Goenka-Schüler hier in Hamburg zum rechten Verhalten bei öffentlichen Lesungen von Altmann aus seinem Buch zu Goenka gab – einer Mail des Assistenzlehrers, die ganz unten im Anhang versehentlich auch an mich gelangte) das Folgende:
Altmann ist vom Dumont-Verlag mit einem großen Vorschuss losgeschickt worden, um dieses Buch zu schreiben. Das widerspricht seiner eigenen gewissermaßen rührenden und zweifellos verkaufsfördernden PR-Mär von der überraschend losgebrochenen Faszination in ihm.
Aber wie kommt ein großer deutscher Verlag dazu, einen bekannten Reisebuchautor mit dem Schreiben eines solchen PR-Werkes zu beauftragen? Entweder ein Verlagseiter von Dumont ist selbst ein Schüler der Tradition von S. N. Goenka; oder es ist einiges Geld von Seiten der Tradition zu diesem Zweck geflossen.
Ich hatte einen Email-Austausch mit Altmann, weil ich ihn darauf hinwies, das „Vipassana“ ein Überbegriff über eine große Bewegung ist, mit vielen unterschiedlichen Methoden. Da meinte er, dass er im Buch sagen würde, dass es „Abweichungen“ von der Methode gebe. Aber „Abweichungen“ gibt es immer bloß von einer als Maßstab geltenden „reinen Technik“ …
Alles von ihm (Buch, diese Antwort) also reines PR-Gerede!
Liebe und Mitgefühl:
Die buddhistischen Herzqualitäten werden meistens über die innere Arbeit mit bestimmten aufeinander aufbauenden Vorstellungen entwickelt (in deren Zentrum etwa ein nahe stehender Menschen steht, dem man viel zu verdanken hat). Aber alle Vorstellungen (ob Bilder, Erinnerungen, Gedanken oder Laute) gelten im Theravada als Konzepte, die durch ihre geistige Reproduzierbarkeit immer bloß zu Konzentration oder Sammlung führen können. Und deshalb gehören hier Liebe und Mitgefühl zu den Konzentrationsfrüchten.
Dagegen kann sich Einsicht alleine durch die achtsame Betrachtung der natürlichen Gegebenheiten entwickeln, wie diese spontan im ganzen Bereich von Geist und Körper auftreten – durch zunehmendes Durchdringen ihres vergänglichen, den unbewusst verdinglichenden menschlichen Vorstellungen nicht entsprechenden Wesens des „Nicht-Selbst“ oder „Nicht-mein“. Damit schwindet die unbewusste Identifikation mit ihnen.
Einsicht erschaut auch die tatsächliche Qualität der eigenen Motive, indem verstanden bzw. intuitiv überblickt wird, wozu die eigenen Motive bei anderen und einem selbst führen. Diese auch im Satipatthana-Sutta dargestellte Form der Einsicht ist die „Wissensklarheit“.
Auch über die Wissensklarheit lassen sich Liebe und Mitgefühl entwickeln. Dann sind sie Produkt von Einsicht und tief authentisch.
Liebe und Mitgefühl jedoch, die durch jene konzeptbedingten Meditationen entwickelt werden, sind sozusagen „Labor“-Herzqualitäten, die in Wahrheit vor allem der eigenen Sammlung dienen. Es sind immer diese letzteren Formen von Liebe und Mitgefühl, die heute auch von Neurowissensschaftlern erforscht werden. Denn lediglich Konzentrationszustände lassen sich neurowissenschaftlich messen. Einsicht udn Weisheit – zumindest Einsicht und Weisheit, wie sie im frühen Buddhismus, der Ursprungstradition des westlichen Achtsamkeits-Booms, definiert werden – dagegen nicht.
Herzlich, Hans
Lieber Martin, lieber Hans Gruber,
Ich stelle mal hier meinen „intuitiven Buddhismus 2.0“ vor einem ausgewiesenen Schriftgelehrten auf die Probe … als kleines Plugin, das Herr Gruber auch gern wieder rauswerfen kann –
Hans Gruber: „Die Konzentrationsfrüchte – wie geistige Ruhe oder auch Liebe und Mitgefühl – können leicht mit den Befreiungsfrüchten verwechselt werden, was für viele heute eher schwer verständlich sein dürfte. [ … ] In einer besonders wichtigen Rede (Lange Sammlung 1) bezeichnet er [Buddha] diese Verwechslung als eine der kardinalen Fehlansichten, die einer zunehmenden Befreiung im Wege stehen. ”
Vielleicht ist das einfach zu beantworten (?) …:
In geistiger Ruhe, Liebe und (gerade) in Mitgefühl kann man sich suhlen, ohne es zu merken. Es gibt ja das bekannte Zen-Wort von „dem, der nach Erleuchtung stinkt“.
Aber auch von dem Gefühl, dass man ach so ruhig, liebend und mitfühlend ist, sollte man sich lösen können – selbst dann und vielleicht besonders dann, wenn man von seiner Umgebung (und sich selbst) darin bestärkt wird, diese Qualitäten zu haben.
Auf Wunsch des Kommentators habe ich am 22. Dezember 2012 diesen Kommentar um Aussagen ergänzt und in einem Absatz geändert:
Die zentrale Frage im Zusammenhang mit der ganzen Goenka-Kritik ist doch, ob diese Richtung ihre Alleinvertretungsansprüche der „Reinen Lehre“ lassen kann, ohne ihr Verdienst, „massenhaft ernsthafte Meditationspraxis an den Mann/die Frau zu bringen“ zu verlieren! Macht es Sinn innerhalb einer solchen Organisation zu revoltieren, in der sich wohl auch wie in jeder grossen Organisation, in der es um Macht, Ansehen, Einfluss geht, massenhaft persönliche Interessen, Eitelkeiten und anderes breit gemacht haben, wenn das „Gesamtergebnis“ doch, wie auch von Hans Gruber immer wieder angemerkt, durchaus positiv zu sehen ist?
Würde es diese Organisation überleben, wenn es gelänge, ihr die Eitelkeit des Alleinvertretungsanspruchs zu nehmen? – Ist genau diese Organisation überhaupt in dem Zustand vorstellbar, der sich ergäbe, wenn man ihr diese Stütze nimmt?
Schwebt Herrn Gruber hier nicht eine von allen anerkannte Insel der Seeligen vor, die als lebensfernes und lebensfremdes Leitbild als Wunschdenken vor unseren Augen gaukelnd letztlich erstmal müssige und praxisferne Diskussionsblüten treibt? ( … die aber nicht nur schön anzusehen sind, sondern durchaus in die Praxis der einzelnen Herzen wirken können, insofern also dann doch ihren speziellen Wert für die individuelle Praxis haben!)
Man stelle sich einmal vor, welche organisatorischen, verwalterischen, menschlichen Verwerfungen zu bewältigen wären, wenn – nur als Gedankenspiel – jenes „Bücherverbot“ fallen gelassen werden würde oder bestimmte Reinlichkeitsprozeduren, bei deren Wegfall mit wenig Phantasie vorgestellt werden kann, wie einzelne Menschen in der Organisation sich bedroht fühlen würden und wiederum eine Revolte gegen die Revolte anzetteln würden oder gleichsam m ü s s t e n.
Ich glaube- trotz der polemischen Fragen – fest an den Sinn der bewundernswert hartnäckigen Kritik von Hans Gruber. Die dadurch hergestellten Reibungsflächen an sich regen schon zu eigenem, ganz persönlichen Nachdenken an und – dessen bin ich mir sicher – wirken sich nicht nur für mich tatsächlich bewusstseinserweiternd aus.
Das Bestehen der Goenka-Organisation, so wie sie ist, kann aber doch mit Gelassenheit gesehen werden, solange es Aufpasser wie Herrn Gruber gibt. Für und um diese Aufpasser muss man sich sorgen, sie unterstützen, das ist klar. Ein Hoch auf die Schriftgelehrten, obwohl es auch den Weg ohne die Schriften gibt. Leute vom Schlage Hans Grubers können durch ihr Wirken gerade diejenigen Menschen bestärken, die die Finger lassen vom zu vielen Lesen.
Der für manche sicher ziemlich abstrakt erscheinende Gegensatz und Streit in diesem Blog, nämlich zwischen dem zur Schau getragenen Alleinvertretungsanspruch der Goenka-Tradition und einem zunächst einfach textkritischen Ansatz, der sich zu wiederum textkritisch und religionswissenschaftlich belegter inhaltlicher Kritik am Alleinvertretungsanspruch ausweitet, wurde im Blog an anderer Stelle als Spiel mit Förmchen ungerecht heruntergeredet.
Aus der Ferne betrachtet treten einem Streit und Gegensatz zwar als menschlich/allzumenschlich entgegen, was aber doch nicht heissen kann, dass man hier flapsig und teilweise giftig diese Diskussionen abtun muss. Die Goenka-Tradition betreibt eine agressiv zu nennende Praxis, welche zu Ängstlichkeiten vor einem allzu grossen Einfluss Anlass gibt. Ich möchte allerdings Herrn Gruber bitten, sein (vorgestelltes) Klärungsideal zu benennen und zu überprüfen. (Wo soll die Reise hingehn und mit welchen Mitteln?)
Der Rede und Gegenrede wert erscheint der Stellenwert dieser Diskussion im buddhistischen Zusammenhang, will heißen der Stellenwert der tatsächlichen Praxis, die eben hier im Blog geübt wird. Nur soviel: Das A n h a f t e n an die Sorge um den Umgang mit den buddhistischen Schriften, sowie an die Sorge um die Praxis, die sich aus diesem Umgang ergibt, geschieht in westlich-aufklärerischer Attitüde und meiner Meinung nach nicht ausreichend reflektiert.
Alles Popanzhafte, und sei es die Global Pagoda, wird nicht nur äusserlich irgendwann zerfallen. In den Herzen wird dies erkannt werden, sobald das Herz kapiert, dass es auch nur ein „Leichenteil“ ist. Ich stelle mir die – sicher irgendwie vorhandenen – Meditierenden in den 10-Tages-Kursen vor, die mit solchen oder ähnlichen kritischen Vorstellungen trotzdem die heilsame Kraft der dort gegebenen speziellen Konstellationen nutzen. Es braucht doch niemand anzunehmen, dass a l l e, die n i c h t aus einem 10-Tages-Kurs ausgeschlossen werden, deshalb schon brav in einer Herde „folgen“ und reinen Herzens im Sinne der Goenka-Vorschriften sind. Ich stelle mir vergnügt vor, wie viele von denen gleichsam die Assistenzlehrer hinters Licht führen.
Ursprünglich bedeutete diese Wendung, dass jemand dorthin geführt wird, wo das Licht einer Lampe abgeschirmt ist bzw. nicht hingelangt, und man deshalb nicht gut sehen kann, was dort vor sich geht; laut Klaus Müller (Hrsg.): Lexikon der Redensarten. Bassermann Verlag, München 2005.
Solange die Assistenzlehrer meinen, selbst das Licht zu sehen, indem sie ins Licht schauen, wird ihnen verborgen sein, was sich im Dunkeln „hinter dem Lampenschirm“ in der Meditiationhalle alles abspielt, und zwar schon allein deshalb, weil sie verblendet davon ausgehen, dass sie selbst aus dem Reiche des reinen Lichts in die Niederungen der Gefilde der Halle blicken, wo alle diejenigen versammelt sind, die noch nicht so weit wie sie selbst sind. ( … ein bisschen pauschal gesagt, aber die Rhethorik hier macht gerade ungemein Spass – Entschuldigung !!! 🙂
Diese Gedanken hier als Ermutigung für all diejenigen, die glauben könnten, die Assistenzlehrer könnten tatsächlich wahrnehmen, was sich da alles vermeintlich „Unreines“ in den Herzen der Schäfchen in der Halle abspielt. Man achte peinlich auf die Verhaltensfassade. Nur damit kann man es durchaus auch genau nehmen, nach dem Motto – störe die anderen nicht beim Meditieren und gehe stramm den eigenen Weg. 😉
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Hallo Hans,
Kannst Du folgenden Absatz Deiner Ausführungen bitte noch etwas erläutern?
„Das Body Sweeping ist vor allem eine gute Konzentrationsmethode mit gewissen begrenzten Elementen von Einsicht; und nicht viel mehr. Die Konzentrationsfrüchte – wie geistige Ruhe oder auch Liebe und Mitgefühl – können leicht mit den Befreiungsfrüchten verwechselt werden, was für viele heute eher schwer verständlich sein dürfte.
Das ist jedoch ein großes Thema bereits in den alten Reden des historischem Buddhas. In einer besonders wichtigen Rede (Lange Sammlung 1) bezeichnet er diese Verwechslung als eine der kardinalen Fehlansichten, die einer zunehmenden Befreiung im Wege stehen.“
Lieber Gruß,
Martin
Lieber Hans,
habe erst jetzt Deine neuen Blogbeiträge lesen können und möchte mich bedanken.Unser Austausch,den ich sehr befruchtend finde, hat mir ein neues Spektrum eröffnet und ich werde die nächste Gelegenheit nutzen, mich der Tradition Bantes zu widmen. Ausserdem habe ich Lust bekommen, mich mit dem Buddhismus zu beschäftigen,was ja zuvor gar nicht wirklich der Fall war. Der Konflikt und die Ablehnung vonseiten der Goenka Verpflichteten, hat mir den Weg zur weiteren persönlichen Entwicklung gewiesen.
Einen ganz herzlichen Gruss und Dank für Dein unermüdliches Engagement für die Befereiung,
Isabel
Hallo Hans,
Danke fuer die ausfuehrliche Antwort. Ich werde erst in einigen Tagen antworten, da ich noch im Urlaub bin.
Liebe Gruesse, Christian
Hinweis: Dieser Eintrag ist nach dem Zeitpunkt seiner Erstveröffentlichung noch verändert und um wichtige Teile ergänzt worden. Das kann auch weiterhin geschehen, bis eine nächste längere Antwort kommt (der kurze Hinweis von Christian unten zählt nicht dazu). Deshalb: Vor einer nochmaligen Lektüre bitte vorher den Browser aktualisieren (mit dem Pfeile-Button oben im Browser):
Hallo Christian,
Vorweg sind ein paar Richtigstellungen notwendig – Dir sowie allen anderen gegenüber, die sich hier äußern möchten. Bitte lest immer zuerst genau, was ich geschrieben habe. Ich überlege es mir ziemlich gut. Dann gebt Ihr mich auch nicht falsch wieder. Und ich muss nicht etwas korrigieren, was ich gar nicht gesagt habe, bevor man zu den interessanteren Punkten kommen kann.
1. Richtigstellung)
Es stimmt nicht, dass ich mit Blick auf das Body Sweeping von Goenka „eine ganze Methode als untauglich abstemple“. Wenn ich bestimmte Aspekte kritisch betrachte, heißt das keineswegs, dass ich die „ganze Methode als untauglich abstemple“. Die Welt ist nicht entweder schwarz oder weiß.
Wir müssen nicht darüber reden, dass die Methode in bestimmten Hinsichten effektiv ist, wie ich oben schon betont habe. Als Grundlage oder Ausgangspunkt würde ich sie empfehlen, aber nicht als Allheilmittel (genausowenig wie eine andere Methode); und genausowenig als jene „reine Technik“ des Buddhas.
Über mein früheres Kursbuch Vipassana sind viele zu der Tradition von Goenka gekommen. In dem Buch habe ich neutral das Body Sweeping neben anderen Hauptmethoden beschrieben, eben weil „Vipassana“ ein weiter Überbegriff über unterschiedliche Ansätze ist.
Trotzdem habe ich damals von einem führenden Assistenzlehrer einen Anruf bekommen (Leiter einer Rehabilitationseinrichtung für Drogensüchtige in der Schweiz), dem ich mich erklären sollte. Das muss man sich hier einmal klar vergegenwärtigen.
Offenbar ging er davon aus, dass ich nichts zu dieser Methode in die Öffentlichkeit bringen dürfe, weil ich von der Tradition nicht dazu autorisiert worden sei. Aber er wusste, dass ich Indologe bin, der sich mit der Materie eingehend befasst hat (und als Wissenschaftler bzw. Buddhismuskundler sicher in einer viel objektiveren Weise als jeder Assistenzlehrer der Tradition von S. N. Goenka). Aber anscheinend zählte diese wissenschaftliche Beschäftigung nicht. Dass ich mich als Praktizierender mit verschiedenen Vipassana-Methoden beschäftigt habe, war ihm sicher ohnehin tief suspekt. Das hat er wohl nicht als „praktische Erfahrung“ gelten lassen.
Die Haltung dieses Assistenzlehrers repräsentiert eindeutig ein vorwissenschaftliches Denken und einen extrem engen Begriff von „Praxis“, der leider typisch für diese ganze Tradition ist. Diese Haltung ist schlicht und einfach inadäquat für unsere Zeit. Wer das nicht verstehen will, der hat selbst ein großes Problem. Er oder sie sollte dann einmal ernsthaft über seinen Geisteszustand nachdenken und dabei Themen wie „Manipulation“ in tiefer Weise reflektieren.
2. Richtigstellung)
Du sagst: „Was ich nicht ganz verstehe, ist dass du aufgrund von einigen wenigen, die anscheinend nach div. Kursen keine positiven Veraenderungen in ihrem Leben gespuert haben, eine ganze Methode als untauglich abstempelst.“
Ich maße mir im Unterschied zu Dir nicht an, in Bezug auf andere zu behaupten, dass sie „anscheinend nach diversen Kursen keine positiven Veränderungen in ihrem Leben gespürt haben“. Außerdem war das Verhalten bzw. die Argumente der Tradition (!) gegenüber manchen, die nicht mehr zu Kursen zugelassen worden sind, nur einer von eine Reihe von oben genannten Gründen, warum ich Kritik geübt habe.
Wenn die zitierte Isabel, die sich oben kurz geäußert hat, oder jener Unternehmer und Leiter von Führungskräften gerne weiter Kurse in der Tradition von Goenka machen möchten, weil sie diesen Kursen und dem Body Sweeping etwas für ihre spirituelle Entwicklung abgewinnen, ist das vollkommen in Ordnung. Wenn es ihnen jedoch verweigert wird, weil sie nicht ausschließlich dafür entscheiden wollen, insofern sie für ihren eigenen Weg noch andere Elemente für hilfreich halten und diese integrieren – im Falle von Isabel Yoga-Methoden und im Falle des Unternehmers MBSR-Kurse – ist diese Verweigerung völlig inakzeptabel.
Denn was ist – wie gesagt – die Grundlage für diese Verweigerung von Seiten der Tradition bzw. ihrer Träger? Es ist ausschließlich der Glaube, dass es sich bei dieser Methode des Body Sweepings, die ursprünglich von U Ba Khin entwickelt und von S. N. Goenka noch ganz spezifisch abgewandelt worden ist (als einer von diversen großen unterschiedlichen heutigen Vipassana-Meditationsmethoden) um jene „reine Technik“ des historischen Buddhas handeln würde. Deshalb – so weiter nach diesem Glauben – müsse diese Methode den Praktizierenden vollends bzw. restlos genügen, wenn man sie doch bloß richtig und konsequent anwende.
Dieser Glaube ist eine jetzt tatsächlich „reine“ Legende, die durch die alten Quellen vollkommen unbelegt sowie unbelegbar ist.
Sie ist das schöne Märchen eines durch diese Methode von seiner Migräne geheilten, dankbaren Pragmatikers, der deshalb diese Methode dem historischen Buddha selbst zuschreibt (zumal er Inder ist; und indische spirituelle Lehrer greifen überaus gerne auf historische indische Gestalten zurück, um ihrem „Angebot“ eine höhere Weihe zu verleihen).
Im Rahmen dieses Märchens von der „reinen Technik“ heißt es in jedem Zehntageskurs zum Beispiel, dass der Buddha sie allen Suchern gegeben habe; aber dass sie in Indien leider verloren gegangen und auf verschlungenen Wegen nach Burma gelangt sei, wo sie überlebt habe.
Nun werde sie über IHN GOENKA SELBST wieder in die Welt gebracht. Wie war das nochmal mit dem „Nicht-Selbst“ (anattâ) in der Lehre des Buddhas?
Es folgt also: Wenn dieser ganze Glaube überhaupt nicht zutrifft, gibt es auch keine Grundlage mehr für jene Verweigerung gegenüber Menschen wie Isabel oder dem Unternehmer; bzw. keinerlei Grundlage mehr für die Forderung, man müsse sich spätestens nach einer gewissen „Ausprobierzeit“ ausschließlich für diese Methode entscheiden; ansonsten dürfe man hier keine Kurse mehr machen. Diese Haltung gibt es innerhalb der Vipassana-Bewegung lediglich hier.
Ich habe einmal in den USA an einem dreimonatiges Vipassana-Retreat in Barre, Massachusetts, teilgenommen, in der größten burmesischen Vipassana-Richtung, nämlich von Mahasi Sayadaw. Du musstest dafür bloß meditative Vorerfahrungen haben, aber nicht notwendig in dieser Methode. Und so ist es üblich.
In anderen Vipassana-Traditionen erfährt man gewöhnlich auch Einiges über die anderen Vipassana-Ansätze. Im Allgemeinen ist es dort kein Problem, wenn Menschen verschiedene Methoden ausprobieren und anwenden oder diese auch in gewissem Sinne mischen.
Von jenem nichtzutreffenden Glauben an die „reine Technik“ als Grundlage jener Verweigerung einmal abgesehen sollte der wechselseitige Umgang unter Erwachsenenen in jeder modernen und aufgeklärten Gesellschaft so beschaffen sein, dass man anderen nicht vorschreibt, was sie für ihre Entwicklung zu tun oder zu lassen hätten. Das können vielleicht noch Eltern gegenüber ihren Kindern; aber nicht Erwachsene gegenüber anderen Erwachsenen.
Die feudalen Zeiten sind auch vorbei. Schroffe Hierarchien mit Gehorsamsgebot, wie sie zum Teil heute noch in bestimmten religiösen Organisationen wie der katholischen Kirche vorherrschen, sind objektiv Fossile bzw. Relikte aus dem Hochmittelalter, gleichgültig wie die „dogmatischen“ innerkirchlichen Begründungen dafür lauten. Auch diese von kirchlichen Apologeten begrifflich konstruierten „Dogmengebäude“ oder „Dogmenwissenschaften“ sind letztlich bloß solche Fossile bzw. Relikte.
Für diese Achtung des Willens und der Entscheidungen des anderen gibt es noch einen tieferen Grund: Der spirituelle Weg, auf dem es um eine „Befreiung“ im frühbuddhistischen Sinne geht, ist dermaßen umfassend, dass er, je ernsthafter er wird, um so invidueller wird. Das wusste schon der historische Buddha selbst. So werden in den alten Quellen viele Methoden beschrieben, um Ruhe und Einsicht zu entwickeln – was weit entfernt von jenem Anspruch Goenkas ist, es gäbe das eine große, „reine“ Allheilmittel.
Wie gesagt – Goenka beruft sich ausschließlich auf diese Quellen. Folglich muss er sich diese Messlatte auch immer genau anlegen lassen!
Nun zu Deiner „Idee“ von Kritik:
Buddhas Aufforderung zur kritischen Prüfung gilt immer und allen gegenüber. Diese Prüfung sollte in keiner Form sanktioniert werden, auch dann nicht, wenn sie nicht zu dem von einer bestimmten Tradition gewünschten Ergebnis kommt. So kann einem persönlich die Methode Goenkas auf einer Ebene zwar wohl positive Früchte bringen. Trotzdem kann man Anderes daran als begrenzt empfinden und bestimmte sie begleitende Lehren ablehnen, wenn diese objektiv nicht haltbar sind. Infolgedessen kann man auch auf andere Mittel zurückgreifen, die einem persönlich als gut und nützlich für die individuelle Person, die man ist, erscheinen.
Deshalb sollte solchen „Schüler“ (wie jener Isabel oder jenem Unternehmer) der Zugang zu den Kursen dieser Tradition nicht verweigert werden.
Wenn man ihnen den Zugang trotzdem verweigert, ist das eindeutig unvereinbar mit der Lehre des Buddhas. In der Wissenschaft gibt es einen treffenden Namen für diese Lehre: „Befreiungspragmatismus“. In diesem Sinne hat der Buddha unterschiedliche Methoden für unterschiedliche Menschen gelehrt. Er wusste, dass eine Methode nicht für jeden funktionieren kann, aber wohl jeder Mensch mit unterschiedlichen Methoden, die auch kombiniert werden können, die tiefsten Befreiungszustände realisieren kann.
Von diesem Verständnis des historischen Buddhas sind Goenka und seine „Sprachrohre“ und „Vertreter“ leider weit entfernt.
Es gibt ein Grundproblem in dieser Art von Äußerung, wie Du und andere sie hier oben publiziert haben: Der Bericht über eigene Erfahrungen und innere Veränderungen mag interessant sein. Er belegt aber nicht wirklich etwas von dem, was Du mit diesem Bericht belegen willst.
Denn ich könnte jetzt auch begeistert Vieles schildern, was etwa auf meinem letzten dreiwöchigen Vipassana-Retreat im Juli (nicht in der Tradition von Goenka) innerlich für mich passiert ist und wie es in meinem Alltag fortwirkt; und als Nächstes daraus schließen, dass bloß diese von mir entwickelte Methode wirklich gut sei.
Aber das werde ich nicht tun. Denn jeder kann alles behaupten, aus den verschiedensten und nicht immer guten Gründen (etwa um Eindruck zu machen, Schüler zu gewinnen usw.).
Außerdem gibt es in diesem ganzen Bereich der menschlichen Suche nach tiefer Erfahrung und Lösung immer die große Gefahr der Autosuggestion. Anders gesagt: Man kann sich viel selbst einreden. Echte Erfahrungen oder Realisierungen zeigen sich immer bloß in der Art des eigenen Lebens, der Qualität der eigenen Motivation und der Qualität der eigenen Handlungen von Geist bzw. Gedanken, Rede und Körper; UND NICHT in begeisterten Verlautbarungen zu den eigenen Erfahrungen.
Die größte Gefahr ist immer die Verwechslung der Konzentrationsfrüchte mit den Einsichtsfrüchten. Diesbezüglich werden die meisten Schüler Goenkas jetzt nicht wissen, wovon ich rede, einfach weil sie sich mit dieser Materie theoretisch und praktisch zu wenig befasst haben. Die wenigsten in dieser Tradition werden sich zum Beispiel wirklich selbst einmal tiefer mit den alten Quellen (die es übrigens in guten englischen Neuübersetzungen gibt) befasst haben. Es genügt ihnen schlichtweg, was Goenka und seine Assistenzlehrenden immer wieder und immer wieder wiederholen.
Hier kurz gesagt: Alle Zustände im Rahmen von geistiger Ruhe wie die Abwesenheit von Störungen wie Gier oder Hass, Trägheit oder Aufgedrehtheit oder von allen selbstgängigen Gedanken – in Vebindung mit dem inneren Glück der Sammlung – sind reine Konzentrationszustände. Und diese können durchaus sehr weit gehen, mit gewissen Einheits-, Unbegrenztheits- oder Lichterfahrungen. Die größte Gefahr bei diesen Zuständen ist jedoch die ihnen immanente „Einladung“ zur Identifikation, manchmal verbunden mit dem Glauben, sie wären das eigene „wahre Ich“ oder „Selbst“. Auch Liebe und Mitgefühl gehören in diesen Bereich der Konzentration.
Alle Zustände, die eine wirklich unbegrenzt endgültige – nicht bloß eine gemeinte endgültige – Auswurzelung bestimmter negativer Eigenschaften bedeuten, sind Früchte der Einsicht. Sie kommen zustande durch ein immer tiefer gehendes, zunächst begrifflich rationales oder vergleichendes und dann zunehmend intuitives Sehen der wechselseitigen Abhängigkeit aller Dinge, das heißt des bedingten, fließenden, ungreifbaren „Nicht-Selbst“-Wesens aller jederzeit und überall erfahrbaren Phänomene.
Dazu gehört auch die Nichtidentifikation mit dem Körper als einer Masse von vergänglichen Empfindungen, das heißt der Nichtglaube daran, dass das eigene Selbst in Wahrheit diese Masse von vergänglichen Empfindungen sei. Denn das „Nicht-Selbst“ (anattâ) gilt auf alles bezogen; laut Buddha:
„Alle Dinge sind das Nicht-Selbst“ (sabbe dhammâ anattâ).
Mit dem in dieser Tradition allseits erstrebten „Bhanga-Nyana“ (Wissen von der Auflösung) ist die Schau gemeint, dass das eigene Selbst in Wahrheit eine Masse vergänglicher Empfindungen sei. Das ist im Grunde die Lehre von einem wahren „vegänglichen Selbst“, wie es auch aus mehreren Schriften von Vordenkern dieser Tradition hervorgeht.
Auch daran wird deutlich, dass das Body Sweeping von Goenka nicht primär eine „Einsichtsmeditation“ ist, sondern vielmehr eine Konzentrationsmethode.
Denn jede Vipassana-Methode, die wirklich auf den Reden des historischen Buddhas beruht, muss das wichtigste der „Drei Universellene Merkmale“ (ti-lakkhanâ) Vergänglichkeit, Nichthinreichen und universelles Nicht-Selbst beherzigen – nämlich das Nicht-Selbst, insofern die ersteren beiden dieses Merkmal immer bloß begründen. Das Hauptmerkmal ist nicht die Vergänglichkeit „anicca(tâ)“, wie in der Tradition von S. N. Goenka der Fall, der ständig „anicca“ betont, aber wenig über das Nicht-Selbst spricht.
Das universelle Nicht-Selbst des Buddha schließt ein wahres „vergängliches Selbst“ aus. Es bleibt hier kein „Anker“ für die „Ich und mein“-Identifikation mehr. Unter anderem in der Rede Mittlere Sammlung 11, „Löwengebrüll“, lehrt er explizit, dass alleine dieses umfassenden Verständnis befreien könne.
Grundlegend für die Entwicklung von intuitiver Einsicht oder Weisheit ist die Ausprägung von „Trefflicher Sicht“, was durch das Unterscheidenlernen derselben von „Verfehlter Sicht“ geschieht (vgl. etwa dazu die Mittlere Sammlung 117). Auf Grundlage solcher Sichtweisen bzw. der „Weisheit durch eigenes Nachdenken (cintâ-mayâ pannâ) kommt es zu den tieferen Formen von Weisheit – nämlich der „Weisheit durch Aufnehmen anderer Lehren“ (suta-mayâ pannâ), die durch das eigene Nachdenken daraufhin gesichtet werden müssen, was stimmig ist, bevor sie „praktiziert“ oder „umgesetzt“ werden. Auf dieser Basis entsteht die „Weisheit durch meditative Verinnerlichung“ (bhâvanâ-mayâ pannâ).
Das Hauptkennzeichen von wirklich tiefen, befreienden Einsichten ist immer die echte, weitgehende Nichtidentifikation!
Offen gesprochen erkenne ich davon nicht viel bei den Schülern der Tradition von S. N. Goenka, eher im Gegenteil.
Ein paar andere Kennzeichen, warum die Methode von Goenka in erster Linie eine Konzentrationsmethode ist (entgegen deren eigenem Anspruch und Selbstverständnis) habe ich oben schon genau ausgeführt. Dazu kommt noch das ganze äußere „Setting“:
Ausschließliche Sitzmeditation (in vielen anderen Vipassana-Traditionen ist es abwechselnd Sitz- und Gehmeditation); teilweise „Überwachung“ (was ich selbst schon erlebt habe), ob man zu den Zeiten, in denen man im Zimmer meditieren kann, tatsächlich dort in Meditationshaltung sitzt; keine Möglichkeit zu Notizen; oder die strenge Trennung der Geschlechter, bis in die Esssäle hinein. All das zielt auch darauf ab, in kurzer Zeit möglichst starke Konzentration aufzubauen.
Es gibt außer jenem Reinheitsglauben, dass das Body Sweeping die „reine Technik“ des Buddhas sei, noch einen anderen Grund, warum sich Interessierte spätestens nach ein paar Kursen oder Lehrer wie Isabel nach einem Kurs entscheiden müssen, ob sie weiter alleine diese Methode üben möchten. Nur dann dürften sie an weiteren oder aufbauenden Kursen dieser Tradition teilnehmen, was durch eingehende Fragebögen und andere Bewachungsformen auch genau geprüft wird.
Diese andere Grund ist auch ein weiterer Beleg für die Tatsache, dass das Body Sweeping vorrangig eine Konzentrationsmethode ist. Dieser weitere Grund ist, dass sichergestellt werden soll, dass ein hohes Level an Konzentration gewahrt und weiter erhöht wird, und zwar dadurch, dass an den aufbauenden Kursen bloß solche Personen teilnehmen können, die durch eine ausschließliche längere Praxis der Konzentrationsmethode des Body Sweepings dieses hohe Level an Konzentration haben.
Die in den Reden des Buddhas diskutierten Gefahren reiner oder vorrangiger Konzentration sind oben kurz beschrieben worden – vor allem die Verwechslung der Konzentrationsfrüchte mit den Einsichtsfrüchten, die Identifikation mit den hohen Konzentrationszuständen im Glauben „Das bin ich wirklich“, bzw. der Dünkel, die mit ihnen verbundene temporäre Geistesreinheit bedeute, dass man jetzt „reiner“ (als andere) wäre, was das „Ich und mein“-Gefühl – das Haupthindernis für Einsicht – boostet usw.
Ich werde hier ohne weitere Analyse ein Beispiel für einen vollkommen anderen Vipassana-Ansatz geben, der unmittelbar Einsicht bezweckt. Er geht auf eine ziemlich andere Weise vor als mit einem möglichst großen Konzentrationsaufbau.
Es handelt sich um den Ansatz von U Tejaniya aus Burma, der vor allem in den USA mittlerweile sehr bekannt ist.
Ich lege das hier verlinkte aufschlussreiche Interview mit U Tejaniya aus Tricycle, einem der beiden größten buddhistischen Magazine der USA, besonders jedem „alten“ Goenka-Schüler ans Herzen. Wenn Ihr es jetzt vermeidet, obwohl Ihr interessiert wäret, habt Ihr in diesem Moment einen klaren Beleg dafür, dass Manipulation stattgefunden hat. Denkt dann tief darüber nach!
Ich kenne U Tejaniya nicht persönlich; und habe bisher noch kein Retreat mit ihm gemacht. Aber ich kenne die frühbuddhistische Lehre gut, auf die sich Goenka ja alleine beruft. So kann ich sagen, dass das, was U Tejaniya in diesem Interview sagt, mit dieser Lehre tief vereinbar ist. Also sollte niemand Hemmungen haben …!
Welche Bedeutung U Tejaniya inzwischen in den USA hat, geht aus diesem Interview in der Inquiring Mind hervor. Es ist das andere große buddhistische Journal der USA, das ausschließlich der vielgestaltigen Vipassana-Bewegung gewidmet ist. Die Vipassana-Lehrer, die sich dort zu U Tejaniyas Lehre und Methode äußern, sind in den USA altetabliert.
Diese beiden Artikel sind hier im Original als PDFs verlinkt, das heißt genau in der bebilderten Form, wie sie in den Journalen erschienen sind.
Weiteres von U Tejaniya (Artikel, Bücher, Audios), etwa sein bekanntes Buch Don´t look down on the defilements: They will laugh at you (niedergeschriebene Aussagen von ihm von seinen Retreats), erscheint kostenlos hier auf seiner Website.
Wenn Ihr eine grundlegende Darstellung zur Vipassana-Meditation auf Basis des Pali-Kanons sucht, empfehle ich das neue Werk von Bhante Sujiva, das hier auf meiner Website kostenlos zum Download zur Verfügung steht.
Bhante Sujiva hat sich neben Jahrzehnten der Vipassana-Praxis auch sehr eingehend mit den Pali-Kanon befasst. Er lehrt verschiedene Methoden, weil er sich im Klaren darüber ist, dass der historische Buddha nicht bloß eine Methode gelehrt hat. Er unterstützt sogar auf seinen Retreats Menschen, wenn sie ihre ganz eigene Praxis machen wollen. Sein Retreatprogramm erscheint hier.
Ich bin mit ihm befreundet. Ich habe ihn in Deutschland an verschiedenen Zentren eingeführt und auch auf seinen ersten Retreats übersetzt (das allererste Retreat mit ihm in Deutschland hatte Thomas Zeh aus Berlin organisiert, wo ich Bhante kennen gelernt habe). Manchmal nehme ich an seinen Retreats teil, weil ich dort gut meine eigene Praxis machen kann, die ich für mich aus der Kenntnis verschiedener Ansätze entwickelt habe. Doch ich betrachte Bhante Sujiva nicht als „meinen Lehrer“, genausowenig wie andere Vipassana-Lehrer, sondern als einen guten „Spirituellen Freund“ (kalyâna-mitta).
Abschließend möchte ich Dir, Christian, und allen anderen Anhängern der Tradition von S. N. Goenka, die hier etwas schreiben wollen, Folgendes ans Herz legen:
Solche langen Antworten wie diese hier sind meine unbezahlte und freiwillige Zeit und Energie. Und ich mache es auch gerne, wenn ich das Gefühl habe, damit anderen Suchern eine verlässliche Orientierung zu bieten. Denn diese Diskussion ist die Hauptdiskussion zu Goenkas Organisation im deutschsprachigen Raum, wie zum Beispiel aus verschiedenen Suchanfragen bei Google und der Platzierung dieses Blogbeitrags unter den Ergebnissen hervorgeht.
Ich betrachte Dich mit Deiner Haltung für sehr repräsentativ für die meisten Schüler der Tradition von S. N. Goenka. Auch deshalb antworte ich Dir hier länger.
Außerdem halte ich die Methode von Goenka in bestimmten Hinsichten für gut und ziemlich effektiv. Und er bringt eine ersthafte, buddhistisch inspirierte Meditationsform in relativ großem Maßstab an die Menschen, was in unserer Zeit besonders wichtig ist. Deshalb möchte ich dazu beitragen, dass diese längerfristig zumindest im wissenschaftlich vorgeprägten Westen unhaltbaren und beschriebenen Charakteristiken dieser Tradition allmählich überwunden werden.
Das geht bloß durch sachliche, begründete und mutige Kritik sowie Engagement von außen wie innen.
Aber es gibt Regeln für eine wirklich gute Kommunikation. Dazu gehören etwa:
Bitte bringt Euch hier nicht in einer unbedachten Weise ein. Lest zuerst einmal genau, was ich wörtlich geschrieben habe. Geht möglichst gezielt darauf ein, am liebsten mit wörtlichen Zitaten anstatt mit subjektiven allgemeinen Eindrücken davon, was ich angeblich gesagt habe, aber genau betrachtet gar nicht gesagt habe. Fragt Euch auch und untersucht, ob ich einen Gegeneinwand von Euch nicht schon in einem vorherigen Statement beantwortet habe.
Lasst Eure Antwort zunächst einmal liegen. Prüft sie dann mit Abstand erneut sachlich und möglichst frei von Emotion hinsichtlich meiner und Eurer Aussagen, bevor Ihr sie hier publiziert. Ich prüfe sie nicht vorher, weil ich keine Zensur übe. Alle Kommentare erscheinen ohne Freischaltung durch mich.
Seid vor allem nicht einfach passionierte „Verteidiger“ aus Identifikation oder aus Opportunismus gegenüber „Eurer“ Tradition heraus.
Gemäß dem Motto dieses ganzen Blogs: Übernehmt nicht einfach, sondern „denkt“ wirklich für Euch selbst und „seht“ dann für Euch selbst! Damit habt Ihr dann schon zwei der oben genannten „Drei Weisheiten“ berücksichtigt.
In Bezug auf die „Weisheit durch Aufnehmen“ berücksichtigt nicht bloß die Lehren Goenkas oder seiner „intellektuellen“ Sprachrohre wie P. Fleischman oder M. Glickman, sondern vergleicht sie mit anderen Vipassana-Lehren (wie den oben verlinkten) und bildet Euch Eure eigene Ansicht von den Reden des Buddhas; etwa über die hervorragenden englischen Neuübersetzungen von Bhikkhu Bodhi (vgl. auf Amazon oder Wisdom Publications) oder von Bhikkhu Thanissaro, dessen Übersetzungen der Reden des Buddhas hier gegen Dana bestellt werden und teilweise auch als Ebooks kostenlos heruntergeladen werden können. Lasst dagegen die uralten und häufig falschen deutschen Übersetzungen von Karl Eugen Neumann unberücksichtigt.
Diese amerikanische Website bietet verschiedene verlässliche Übersetzungen von Buddhas Reden. In Deutschland birgt diese Präsenz viel tiefes Audio- und Video-Material aus dem Theravada; und diese Website viel gute Dhamma-Lektüre. Zahlreiche Audio-Vorträge von diversen Vipassana-Lehrenden erscheinen etwa auf Audio-Dharma oder Dharma-Seed.
Wenn ich nicht antworte, hat es entweder damit zu tun, dass ich Anderes zu tun habe (dann hat es nichts mit dem Beitrag zu tun); oder damit, dass mir ein Statement zu weit von diesen Regeln abweicht. Denn dann würde eine Gegenantwort nicht viel bringen. Sie könnte nicht durch jene Identifikation „durchdringen“.
Grundsätzlich gilt: Wenn Ihr die hier und anderswo angemerkten Schattenseiten dieser Tradition ebenfalls klar als solche verstehen könnt:
Sie werden sich alleine durch Euer Engagement verändern können!
Herzlich, Hans
PS: Ende Oktober kommt im Hans Huber Verlag der Sammelband zu der „Internationalen Achtsamkeitskonferenz“ vom letzten Jahr am „Zentrum für Buddhismusforschung“ der Universität Hamburg heraus, wo ich zum Thema der unterschiedlichen Vipasana-Ansätze einen Vortrag gegeben habe.
Der Sammelband hat den Titel: „Achtsamkeit: ein buddhistisches Konzept erobert die Wissenschaft“. Auf Amazon ist das Buch hier schon angekündigt. Es enthält die wissenschaftlich ausgearbeiteten Schriftfassungen aller Konferenzvorträge, mit einem ziemlich ausführlichen Beitrag von mir zum Thema Vipassana.
Damit gebe ich ein Resümee zur Vipassana-Bewegung als Ganzes mit ihren unterschiedlichen Ansätzen. Die Richtung von S. N. Goenka wird auch näher angesprochen (etwa mit einem Vergleich zur Vipassana-Tradition von U Ba Khin selbst). Der Beitrag enthält wichtige Erkenntnisse der entstehenden Dissertation.
Wem dieses Buch zu teuer ist oder wen die anderen Beiträge des Buches zum Thema Achtsamkeit zu wenig interessieren:
Ich werde im November (bis Ende Oktober bin ich anderweitig sehr beschäftigt) den Vipassana-Beitrag aus diesem Buch separat veröffentlichen, was allen Mitautoren des Buches vertraglich möglich ist. Die entsprechende Information gebe ich dann auf der Eröffnungsseite des Blogs.
Hallo Hans,
danke fuer die Antwort.
Da ich im Urlaub bin und nicht auf meine letzte Mail zugreifen kann, nochmal kurz die zentralen Punkte:
Also was die Dinge um die Meditation betrifft, kann ich deine Kritik gut verstehen und einige Dinge kann ich auch nicht ganz nachvollziehen. Allerdings denke ich schon, dass sich jemand etwas dabei gedacht hat.
Die Meditation selbst allerdings, und das weiss ich aus eigener Erfahrung, funktioniert genau so wie sie beschrieben wird – und das sehr gut. Ich habe teilweise ganze negativen Eigenschaften verloren, bin ruhiger, ausgeglichener und (das sagen andere) ein ganz anderer Mensch geworden. Und das ist definitiv nicht nur eine Folge von einer staerkeren Konzentration. Zudem kenne ich verschiedene andere Meditierende, denen es genauso geht. Es mag sein, das jeder hier andere Erfahrungen macht, vielleicht ist auch nicht jeder fuer diese Art der Meditation geeignet und braucht etwas anderes, ich weiss es nicht.
Was ich nicht ganz verstehe, ist dass du aufgrund von einigen wenigen, die anscheinend nach div. Kursen keine positiven Veraenderungen in ihrem Leben gespuert haben, eine ganze Methode als untauglich abstempelst. Dagegen sprechen viele andere, die jeden Tag die positiven Veraenderungen an sich erfahren und begeistert den Weg weiter gehen.
Abgesehen davon wird in den Kursen bei Goenka doch immer wieder betont, dass man kritisch pruefen sollte, ob die Methode einem positive Ergebnisse bringt oder nicht. Somit hat jeder die Moeglichkeit zu entscheiden, ob er weitermacht oder nicht. Anscheinend haben die meisten Meditierenden sehr viel davon, ansonsten wuerden sie diesen schweren Weg wohl nicht gehen.
Ich habe in den letzten Jahren einige Meditierende kennengelernt, welche viele Kurse besucht haben, daheim allerdings offensichtlich genauso weitergelebt haben wie vorher, dass sich da keine wirklichen Verbesserungen einstellen, liegt fuer mich auf der Hand. Man muss meiner Meinung nach schon an sich arbeiten, und zwar jeden Tag, um wirklich Fortschritte zu erzielen (man denke nur daran wie viele Jahre, ja viell. sogar Leben) man in Verlangen und Hass gelebt hat, also muss die Veraenderung schon konsequent sein. Und wenn jemand, wie du in einem Beispiel schreibst, ueber 60 Kurse besucht hat und dann feststellt, dass diese Methode nur die Konzentration staerkt, nicht aber zu erleuchtenden Einsichten fuehrt – dann frage ich mich ernsthaft, was diese Person waehrend den Kursen gemacht hat.
Liebe Gruesse Christian
Ein Schüler der Tradition von S. N. Goenka schrieb mich jüngst per Email mit den folgenden Fragen an, die ich mit seiner Erlaubnis hier wörtlich zitieren darf. Ich halte sie für ziemlich representativ. Er ist ab heute im Urlaub, wollte sich aber später hier noch selbst äußern. Ich konnte nicht mehr klären, ob ich seinen Namen nennen kann.
Ich zitiere ihn hier zuerst (ohne Namensnennung), bevor meine Antwort kommt:
Hallo Hans,
Ich bin durch Zufall auf deinen Blog gestoßen und habe mir Teile der Diskussion zu Vipassana nach S.N. Goenka durchgelesen. Leider habe ich mir nicht die Mühe gemacht, alle Beiträge zu lesen, da sie mir teilweise zu lang waren. Abgesehen von den Dingen außerhalb der Meditation, was ist für dich der zentrale Kritikpunkt an Vipassana nach S.N. Goenka? Also an der Meditation selbst? Denn letztendlich ist die Meditation, bzw. das Ergebnis ja der mit Abstand wichtigste Punkt.
Oder was meinst du? Mich würde deine Meinung interessieren, da du, wie ich annehme, auch andere Arten der Vipassana Meditation ausprobiert hast.
Was die strenge Abgeschottenheit und die Regeln während der Kurse betrifft, ich sehe das gar nicht so eng, denn wie soll man vernünftig meditieren wenn man ständig „zweifelt“, bzw. Diskussionen verfolgen muss, welche sich um irgendwelche Dinge drehen, die mit dem Kurs nichts zu tun haben?
Ich war und bin dankbar, dass während der Kurse ausschließlich die Meditaion im Vordergrund steht, um den maximalen Erfolg zu gewährleisten. Ohne wenn und aber. Danach steht es natürlich jedem frei, per Mail den Lehrer nach bestimmten Sachverhalten zu fragen.
Mir wurden bis jetzt alle Fragen beantwortet. Ich freue mich auf eine Antwort!
Meine Antwort:
Danke für Dein Feedback.
Ich habe die Meditationsmethode Goenkas nie abgelehnt, weder in meinem früheren Kursbuch Vipassana noch in anderen Beiträgen. Im Gegenteil dürften einige zu Goenkas Tradition durch meine Texte gekommen sein. Zu der Auffassung, dass ich diese Methode ablehne, kann bloß derjenige kommen, der dem Motto folgt: „Wer nicht alle meine Lehren und Ansprüche übernimmt, der ist gegen mich.“ Leider folgen in dieser Tradition offenbar einige just diesem Motto, das letztlich in dem reinen Glauben wurzelt, dass es bloß eine reine oder wahre Vipassana-Methode und bloß eine reine oder wahre Lehre gäbe.
Ich sage unter anderem bloß, dass das Body Sweeping nicht die „pure technique“ des Buddha ist – genausowenig wie es irgendeine andere moderne Vipassana-Methode ist. Aber es ist Goenka, der diesen wissenschaftlich betrachtet völlig unhaltbaren Anspruch erhebt, der in Wahrheit eine pure Legende ist.
Außerdem vereinnahmt Goenka den Begriff „Vipassana“ eindeutig. Die meisten Goenka-Schüler wissen dementsprechend überhaupt nicht, dass „Vipassana“ ein weiter Überbegriff ist. Sie halten vielmehr bloß das Body Sweeping von Goenka für „Vipassana“; und sonst nichts. Es ist jedoch der Name für viele unterschiedliche Ansätze der Achtsamkeits- bzw. Einsichtsentwicklung. Laut der Dissertation von Gustaaf Houtman (Traditions of Buddhist Practice in Burma) gibt es alleine in Burma mindestens 24 verschiedene Vipassana-Methoden. Die Tradition von U Ba Khin – Goenka ist bloß einer von mehreren autorisierten Schülern U Ba Khins – spielt in Burma selbst sogar eine eher untergeordnete Rolle.
Das sind lediglich zwei Beispiele für eine Verdrehung der Wahrheit durch Goenka; und es gäbe noch weitere.
Es ist Goenka, der selbst immer wieder betont, wie wichtig es sei, „to see things as they really are“. Das heißt also: Er löst seinen eigenen Hauptanspruch nicht ein. In dieser Tradition herrscht eine „Atmosphäre“ der relativ unreflektierten Übernahme der Lehren und Ansprüche von S. N. Goenka und seiner Sprachrohre.
Nun ist es aber so, dass sich Goenka mit seiner Lehre ausschließlich auf die Reden des Buddha im Palikanon bezieht. Also muss er sich auch an diesen Reden bzw. Lehren messen lassen. Ich lege bloß immer wieder diese „Messlatte“ an, wie es in jedem rationalen, modernen Diskurs üblich sein sollte:
Im Palikanon hat das kritische, unabhängige Denken eine ganz zentrale Rolle für die Weisheits- bzw. Einsichtsentwicklung spielt. Laut der klassischen palikanonischen Weisheitsabfolge ist die „Weisheit durch eigenes Nachdenken“ die Qulle, um die „Weisheit durch Aufnahme“ von fremden Lehren entwickeln zu können. Auf dieser ganzen Basis kommt die „Weisheit durch Meditation“ zustande. In anderen Worten: Ohne einen kritisch prüfenden Geist – und es gibt sogar Reden mit ausführlichen Anleitungen des Buddhas für diese kritische Prüfung – kann es nicht zu der tranformatorischen Weisheit durch Meditation kommen.
Gemäß bestimmter alter Reden des Buddhas (wie Mittlere Sammlung 117) ist das wichtigste Glied des „Achtfachen“ Befreiungspfades die „Treffiche Sicht“. Sie entwickelt sich mit der zunemenden Fähigkeit zur Unterscheidung der trefflichen von den weniger trefflichen oder den verfehlten Ansichten. Diese Entwicklung geschieht nun durch ein diskursives, vergleichendes oder kritisch prüfendes Denken, gekoppelt mit einer meditativen intuitiven Betrachtung.
Auch kann die ständige Wiederholung der immer gleichen Lehren über Videos und Kassetten – die letztlich durch die Vorstellung motiviert ist, dass es eben die einzig wahre Lehre oder Methode des historischen Buddhas sei – nicht zu einer echten Weisheit im Sinne der frühbuddhistischen Weisheit bzw. befreienden Einsichten führen; ebensowenig wie man auf den Gipfel eines Berges gelangt, wenn man beim Ansteigen immer bloß stur geradeaus geht. Denn es werden Hindernisse auf diesem Anstieg auftauchen, die man dann jeweils unterschiedlich „beantworten“ muss, indem man das eine Mal so und das andere Mal so weitergehen muss.
Es gibt etwa zwei Personen, die mich per Email angeschrieben haben (Isabel, vgl. oben, hat bloß wenig und die andere Person bisher nichts auf dem Blog gepostet):
Isabel hat mir geschrieben (vgl. auch oben ihren vorangegangenen Kommentar), dass sie schließlich nicht mehr zu Kursen in der Goenka-Tradition zugelassen worden sei, weil sie als spirituelle Lehrerin mit verschiedenen mehrjährigen Ausbildungen bestimmte Formen des Yogas zusammen mit meditativen Elementen lehren würde. Sie zitierte ein Ablehnungsschreiben der Goenka-Tradition an sie, dem zufolge die Lehrer anderer Meditationstechniken bloß für einen Probekurs zugelassen würden. Erneute Kurse in der Goenka-Tradition dürfte Isabel erst dann wieder machen, wenn sie ihren eigenen Meditationsunterricht vollständig aufgegeben habe.
Die andere Person hat mir in einem langen Schreiben berichtet, dass sie als Unternehmer und Leiter von Seminaren für Führungskräfte eine MBSR-Ausbildung machen wollte, was ein verbreitetes, teils auch von den Krankenkassen finanziertes Programm auf Basis der zwei größten Vipassana-Ansätze ist (es gibt dazu einen alten längeren Beitrag von mir aus Psychologe Heute, der hier im Original steht). Diese Person musste sich zwischen dieser Ausbildung und weiteren Kursen bei Goenka entscheiden. Sie wollte sich hier auf meinem Blog noch näher äußern, zögert aber offenbar bisher.
All diese Vorgaben der Tradition an Interessierte zeigen eine geistige Enge, die vollkommen untypisch für die Vipassana-Tradition als Ganzes ist. In anderen Vipassana-Richtungen gibt es auch keine Fragebögen, mit denen man bis ins Privateste durchleuchtet wird.
Außerdem hat niemand das Recht, sich in die persönlichen Entscheidungen von erwachsenen Menschen in dieser Weise einzumischen, zumal die Begründung dafür – nämlich dass es die wahre „pure technique“ des Buddha sei – objektiv und schlichtweg Unsinn ist.
Der „wahre Weg“ ist letztlich immer individuell.
Durch die ständige Wiederholung einer bestimmten Meditationsmethode und das ständige Vertreten von bestimmten übernommenen, dieser Methode zugrundeliegenden Lehren kann keine weitgehende innere Transformation stattfinden.
Wenn sich erwachsene Menschen auf ihrem individuellen Weg dafür entscheiden, mehrere Methoden oder Lehren anzuwenden oder allmählich gewissermaßen eine eigene Methode auszuprägen (so kam es ursprünglich auch zum Body Sweeping U Ba Khins und den anderen modernen Vipassana-Ansätzen bzw. den sie tragenden Lehren), muss das vollkommen akzeptiert und nicht sanktioniert (durch Ausschluss) werden.
In dieser Tradition wird eine eindeutige und zentrale Unwahrheit gelehrt – dass das Body Sweeping die „reine Technik“ des Buddhas sei. Dann wird vor dem Hintergrund dieses Glaubens den Schülern vermittelt, dass sie sich letztlich für diese Tradition entscheiden müssten, wenn sie dort weiterhin Kurse machen wollten. Diese Forderung wurzelt also in der Annahme, dass die dort gelehrte Meditation der einzig wahre Weg sei, in dem Sinne, dass es die angeblich „reine Technik des Buddhas“ sei.
Wenn jedoch dieser Anspruch nicht zutrifft, was er wissenschaftlich gesehen nicht tut, gibt es logischerweise auch keine Grundlage mehr für jene Forderung, dass man sich am Ende – nach ein paar den Praktizierenden zugestandenen Versuchen oder Vergleichen – auf diese Methode beschränken müsste.
Außerdem werden in den Reden des Palikanons, auf die sich Goenka alleine bezieht, viele verschiedene Methoden im Bereich der Ruhe- und Einsichtsentwicklung beschrieben, wenngleich es hinsichtlich der Lehren, wie die sprituelle Entwicklung verläuft, immer klare Konturen und Aussagen gibt.
Selbst die primären Achtsamkeitsreden des Buddhas sind so offen gehalten, dass sich alle großen heutigen frühbuddhistischen Vipassana-Ansätze darauf berufen können. Daraus folgt: Der Buddha selbst hat alles Andere als bloß eine Methode gelehrt. Er hat sich vielmehr seinem Gegenüber angepasst und deshalb diverse Methoden gelehrt. Folglich kann sich Goenka mit seiner Ausschließlichkeit nicht auf den Buddha selbst berufen, wie er es aber ständig tut.
Mit geistiger Enge lassen sich keine wirklich befreienden Einsichten realisieren. Ich teile hier die Meinung von Mary Thanissara, die früher rund 60 Kurse bei Goenka gemacht hat, sich dann abwandte und eine führende Nonne in der Tradition von Ajahn Chah wurde. Dann legte sie die Robe ab und ist heute eine Vipassana-Lehrerin. Sie meint, dass Goenkas Methode die beste zur Entwicklung von Konzentration sei, aber die dort realisierten Einsichten nicht tiefer befreien könnten.
In einem alten Interview mit S. N. Goenka persönlich in der führenden Vipassanā-Zeitschrift der USA (Inquiring Mind vom „Summer 1987“) beantwortet er die Aussage des Interviewers, dass das Auf- und Abbewegen des Geistes durch den Körper eine starke Konzentration hervorzubringen scheine, mit einem klaren: „That is true“. Er ergänzt diese Bekräftigung mit einem Gleichnis, das den Konzentrationscharakter dieser Praxis ganz deutlich macht, nämlich:
Ein Mann hatte eine Begegnung mit einem Flaschengeist, der sagte: „Ich werde Dir dienen und Dir auch alle Wünsch erfüllen, aber Du musst mich beschäftigt halten. Wenn nicht, würde ich Dich auffressen.“ Dann ließ sich der Mann alle möglichen Wünsche erfüllen. Danach zeigte der Mann auf einen Bambusbaum und sagte dem Flaschengeist: „Klettere dort hinauf und hinab, hinauf und hinab und fahre damit fort. Das ist meine Aufgabe: Du machst damit immer weiter!“
Goenka sagt dazu in dem Interview: „Und genauso verhält es sich mit dem verrückten Geist. Er will so viele Dinge machen. Also halten wir ihn einfach beschäftigt, indem wir ihn im Rahmen des Körpers auf- und abbewegen.“ In anderen Worten: Es geht vor allem um geistige Ruhe, durch das Beenden von Gedanken. Laut den Reden des Palikanons ist dieses Zuendekommen aller Gedanken das Kennzeichen der zweiten rein konzentrativen Vertiefung „Jhâna“.
Der Charakter einer Konzentrationsmethode wird auch daran klar, dass man nicht bei bestimmten Empfindungen stehen bleiben bzw. diese nicht näher untersuchen soll.
Dieser Charakter einer Konzentrationsmethode wird weiterhin daran deutlich, dass die Betrachtung der Körperempfindungen in keinem Fall direkt mit der Bewusstheit des Ein- und Ausatmens verbunden werden soll (dass man also die Körper- und Atemempfindungen zugleich betrachtet), wie es in manch anderen Vipassana-Ansätzen der Fall ist. Es geht bei Goenka vielmehr darum, den Körper auf- und abzuwandernd immer bloß die reinen Körperempfindungen abzuscannen.
Laut den Reden des Palikanons verbindet eine umfassende Atembewusstheit in besonderen Form das Außen und das Innen sowie den Geist und den Körper und führt durch das zunehmende Verstehen dieser wechselseitigen Verhältnisse direkt in die befreienden Einsichten. Das gilt aber nur dann, wenn die Atembewusstheit nicht methodisch auf eine Konzentrationsmethode reduziert wird, wie es in Goenkas Tradition der Fall ist, indem die ersten Kurstage der Ein- und Ausatem bloß eng konzentriert anhand der Empfindungen um die Nasenlöcher beobachtet wird. Interessanterweise behandelt ja auch Goenka das zentrale Anapanasati-Sutta des Palikanons nicht, wo diese Funktion der Atembewusstheit als eines „Dachgewahrsein“ für die gesamte Ruhe – und Einsichtsentfaltung beschrieben wird.
Wenn Du ununterbrochen und fokussiert Dasselbe wiederholst, kommt es zwangsläufig zu Konzentration und geistiger Ruhe.
Das BOdy Sweeping ist vor allem eine gute Konzentrationsmethode mit gewissen begrenzten Elementen von Einsicht; und nicht viel mehr. Die Konzentrationsfrüchte – wie geistige Ruhe oder auch Liebe und Mitgefühl – können leicht mit den Befreiungsfrüchten verwechselt werden, was für viele heute eher schwer verständlich sein dürfte.
Das ist jedoch ein großes Thema bereits in den alten Reden des historischem Buddhas. In einer besonders wichtigen Rede (Lange Sammlung 1) bezeichnet er diese Verwechslung als eine der kardinalen Fehlansichten, die einer zunehmenden Befreiung im Wege stehen.
Diese Verwechslungsgefahr besteht vor allem im Westen. Denn es gibt hier keine angestammte breite Meditationstradition. Diese kommt heute vor allem und zunehmend aus dem Buddhismus. Die Konzentrationszustände, die viele auf einem Zehntageskurs bei Goenka erreichen, bedeuten einen großen Unterschied zu ihrem Alltagsbewusstsein. Deshalb neigen sie dazu, alles dort für gut zu halten und die Lehren relativ kritiklos zu übernehmen. Auch möchten sich viele dieser „Familie“ zugehörig fühlen. Die Folge ist eine klare Anpassungsbereitschaft an die Lehren, die als Art „Eintrittskarte“ zu dieser Famile oder deren Bindeglied fungieren.
Ein Phänomen, dass manche alte Schüler Goenkas erfahren haben, ist, dass sich irgendwann die Konzentration „totläuft“. Dann verlassen sie die Tradition; und übrigens nicht selten erst nach Jahren, wenn sie bis dahin ihren kritischen Verstand nicht aufgegeben haben. Oder aber sie passen sich zunehmend an, so dass sie „Sprachrohre“ der Vorgaben werden. Diese Entwicklungen werden genau beobachtet. Im Fall guter Anpassung werden die Schüler zu Assistenzlehrenden autorisiert.
Es gibt etwa bestimmte Listen in der Goenka-Tradition, wie ich aus einer sicheren Quelle weiß, wie Assistenzlehrende auf bestimmte Fragen und Probleme zu reagieren haben. Die Assistenzlehrer dort sind zwar „Konzentrationsprofis“, aber eben mit großen Scheuklappen, die letztlich nur Vorgaben „umsetzen“.
Sie haben jene „Reinheitsideologie“ Goenkas vollkommen übernommen; und haben deshalb kein Problem damit, lediglich das wiederzugeben, was „von oben“ an Vorgaben kommt.
Das ist nicht der Typus des frühbuddhistischen „Befreiten“.
Herzlich, Hans
(Der folgende Kommentar ist vom Administrator aus dem Haupteintrag zur Atemmeditation hierher übertragen worden, weil er zu diesem Thema gehört. Die ursprüngliche Publikation durch Frau Dicker geschah am 8. April 2012:)
Vipassana-Retreat in Hausham nach Goenka:
Am 3. April 2012 hat das Retreat begonnen und ich war voller Freude.
Zunehmende Entmündigung und schließlich subtile Angstmacherei und Drohung vor Gefahren, wenn man andere Elemente in die Meditation einmische (Gebete, Visualisierung, Yoga, etc.) oder wenn man vorzeitig den Kurs verlassen würde, machten es mir unmöglich, die Meditation weiter zu führen.
Das sind Strukturen, wie sie in Sekten üblich sind und ich möchte davor warnen.
Vielen Dank für Ihre äußerst hilfreichen Seiten zur Vipassana.
Mit freundlichen Grüßen
Annelie Dicker
Ich bin sehr froh, dass es dieses Forum gibt.
Mit großer Dankbarkeit vor allem für die freiwilligen Helfer habe ich Vipassana Kurse besucht, die mir den ungeheuren Luxus ermöglichen, in einen tiefen Prozess der Selbstreinigung und Befreiung zu gehen. Ohne mir bereits alle Eure Beiträge durchgelesen zu haben, kann ich ganz Vieles bestätigen. Ein gewisses Unbehagen keimt auch bei mir immer mal wieder auf, denn niemand, der authentisch und seriös ist, kann für sich den Anspruch erheben, die einzige Wahrheit z.B. bezüglich der Meditationspraxis/ Lehre Buddhas zu vermitteln. Angsichts mündlich überlieferter Traditionen über Zeit und Raum hinweg …
Die Welt ist groß, der Geist ist frei, Dinge entwickeln sich zeitgleich irgendwo weit entfernt etc. Klar kommt Grusel auf, wenn man sich, so wie auch ich, mit eindringlich geführten Gesprächen konfrontiert sieht, die „der Erhaltung der Reinheit der Lehre“ dienen.
Da ich seit 20 Jahren Yoga praktiziere und auch lehre und mich daher unabhängig von Vipassana schon mit Meditation beschäftigt hatte, wurde ich nun wiederholt in einem stundelangen Vorgespräch und von einer Lehrerin recht eindringlich angehalten, mich doch dann bitteschön nur auf Vipassana zu beschränken, was ich vor Ort auf einem Kurs unter Einhaltung aller Regeln auch tue! Ich beteuerte ihr, dass ich Vipassana weder vermittle noch vermarkte, es vielmehr nur persönlich wertschätze.
Dogma ist doch immer Hilflosigkeit, Begrenztheit und vieles Unschöne mehr … Ich halte es da eher mit Krishnamurti: „Man ist an Besitz gebunden, an eine Person gebunden, an einen Glauben gebunden, einem Dogma, Christus, Buddha verbunden. Ist das Liebe?“
Ich kenne Goenkaji persönlich und schon sehr lange. Ich empfinde grösste und grenzenlose Dankbarkeit dieser Seele, diesem Inbegriff von Lehrer gegenüber.
Es ist richtig, dass eine gewisse Färbung da ist, welche aber nicht von der Erreichung des Ziels abhält.
ULTRAPURE ist eine sehr schöne Umschreibung der Buddhaessenz.
Ich bin mir sicher, dass Goenkaji sich als DER Erneuerer hält, der er ist, ohne sich allerdings darauf etwas einzubilden. Er ist es. Er hat den Weg im Wesentlichen wieder freigelegt. –
Er ist berührt davon und bedauert, dass nicht alle seiner 6 Brüder den Weg zu dhamma fanden, einer ist langjähriger Förderer von Anand Marg (Altamont-St., Mumbay). Es ist ein grosser Wunsch von ihm, voller Mitleid, dass auch dieser den Weg zu dhamma noch findet.
Es gibt in der Tradition ein sektiererisches Schimmern, etwa in der Deutung seiner Lehrer puritanisch amerikanischer Färbung.
Goenka hat recht mit der engen und straffen Führung, sie entspricht der Übungspraxis des bhikkhu auf der Basis des bedingungslosen 5jährigen GEHORSAMS eines Neueintretenden gegenüber seinem acharya (Lehrer).
Wenn buddha zu seinem Diener Ananda auf die Frage, wovor er sich denn hüten solle, antwortet, vor den Frauen, kommt hier die gleiche Stringenz zum Ausdruck, die zu diesem buddha sasana gehört.
Es ist richtig, dass Goenkaji ein bisschen mogelt, z.B. wenn er im Satipatthâna-Kurs das ajjhata-bahidda (das innere, das äussere) so zurechtbiegt, dass dies dann mit seiner Anleitung, zuerst auf der Körperoberfläche, dann erst im Körperinnern zu beobachten, übereinstimmt…
ABER PRAXIS IST ALLES.
Ich rate dem Hans, alles Spekulative, Projektive zu lassen, und seinen Argumenten nicht anzuhangen, Erzeuger von Leiden und Mentalgeröll, das den blog verstopft.
Es lohnt sich, gegenüber Goenka unendlich dankbar zu sein!
Es ist in den Publikationen der Tradition ein Bild von U Thet im Umlauf. Darin wurde die mala in seinen Händen wegretouchiert. Diese ist auf der Originalfoto in seinem Haus im Iyawaddy-Delta bestens ersichtlich (habe Aufnahmen davon und Du kannst sie zur Ikone dieses blogs machen).
Es gibt also eine Tendenz zum Retouchieren.
Trotzdem ist tiefe Dankbarkeit gegenüber Goenka eine natürliche Folge von Fortschritt auf diesem Erleuchtungs-Pfad, sie stellt sich automatisch und von alleine ein.
Das Gleichnis vom Giftpfeil, den man aus dem eigenen Fleisch entfernt, ohne nach den Partikularitäten seines ‚Eintreffens‘ zu fragen, sei die alleinige Richtschnur hier! Das Geschenk des dhamma ist im Geben und Vergeben. Der Schlüssel liegt in der Hingabe (arab.:Islam). Als solcher Muslim wurde ich übrigens von der weiteren Teilnahme an Kursen ausgeschlossen.
Aber es ist eben nur die Hingabe, die zählt. Man nimmt dabei auch die Unreinheiten der andern wahr, es ist aber nicht nötig, lieber Hans, sie auszusondern. Das ist das wahre Geheimnis von ajjhata bahidda. Die Überwindung des Grenzhaften, die Auflösung des Meinenden. Da bleibt nichts hangen.
Individualistisch war und ist, lieber Hans, buddha’s Lehre nicht, keinerlei Beliebigkeit haftet ihr an, sondern fordert Unterwerfung (arab. Islam) in das dem Reinen Geist im Hier und Jetzt sich Offenbarende, weil Anderes gar nicht möglich ist. Anderes nicht ist. Die Erfahrung ist also für alle gleich: Sabbe dhammâ anatati. Esa dhamma sanantano. Suffused in compassion (arab.:rahmân), würde unser verehrter Lehrer Goenka sagen. Und das ist ein gutes Schlussergebnis einer Diskussion, die sich hoffe ich läutert…
Hallo,
hier schreibt ein alter Schüler der Goenka Tradition. Ich habe mir die hälfte aller Blogeinträge durch gelesen. Finde es sehr interressant diese Kritiken als Medtierender wahrzunehmen. Ich glaube allerdings, dass hier vieles sehr sehr kopfmässig und projeziert argumeniert wird und vieles in Goemkas orte interpretiert wird, was er weniger dramatisch meint, als es hier ausgelegt wird.
Vieles ist auch eher zum Schutz für die Schüler ausgelegt, als für den Schutz derechnik an sich. Ich bin seit 14 Jahren Vipassana Schüler. Sehe mich im Sinne der Vertretung des Dhamma, aber nicht wirklich als Kompatibel, da ich oft bewusst oder unbewusst Regeln gebrochen habe oder auch immer meine Kritik an den Dingen hatte.
Trotzdem denke ich, oder gerade deswegen, dass es Goenka ja hauptsächlich um die feinstofflichen Ebenen geht, wenn er sagt: Mischt nicht, bleibt bei einer Technik, buddelt nicht zehn Löcher, sonst werdet ihr nirgendwo Wasser finden.
Er tut dies allerdings etwas zu vehemmend.Fast fanatisch.Inder könen damit umgehen, der Westen nicht so gut (wir haben wahrscheinlich zuviel Fernsehwerbung gesehen).
Ich selbst habe die verschiedensten Meditationserfahrung. Einige sind sehr watteweich für den Geist. Alle wirken auf multidimensionalen Ebenen des Seins und aktivieren verschiedene Energien, wie auch Geister und Öffnungen in uns. Diese Geister leben oft im Zwiespalt miteinander, wenn man die Techniken mischt. Das weiss Goenka. Daher will er den Schüler schützen. Er sagt ja auch, man solle sich für ein Ding entscheiden. Er sagt ja nicht, macht unbedingt Vipassana. Aber Persil macht ja auch keine Werbung für Coral.
Hallo Martin,
Besten Dank für den sehr aufschlussreichen Kommentar.
Je mehr hier solche eingehenden Erfahrungsberichte und offenen Einschätzungen von Schülern der Tradition von S. N. Goenka erscheinen, desto stärker wird es in dieser Tradition, die äußerst bedacht auf ihre Außenwirkung ist, und unter deren Leitungspersonen zu Nachdenken führen.
Außerdem finden dort solche Diskussionen – trotz eines bestimmten Unbehagens, das mir immer wieder bei einigen alten Goenka-Schülern aufgefallen ist – praktisch nicht statt; und auch außerhalb von ihr praktisch nicht (von ganz externen Kritikern einmal abgesehen). Deshalb leisten Du und andereeinen wichtigen Beitrag zu notwendiger Änderung.
Ich möchte Folgendes zu Deinem Kommentar sagen, zuerst zu diesem Abschnitt:
„Zwei der anderen Neulinge wurden schon nach wenigen Tagen aufgefordert, den Kurs zu verlassen. Einer hatte den Lehrer und die Methode während der „kleinen Runde“, die ab und zu vorne im Raum mit dem Lehrer meditiert und von ihm angeleitet wird, wiederholt hinterfragt. Er erzählte uns noch, dass man ihm okkulte Praxis vorgeworfen hatte, und er musste das Haus noch in derselben Nacht verlassen. Ohne Auto stand er im dunklen und kalten Schnee vor der Tür, weit weg vom nächsten Bahnhof, es gab kein Entgegenkommen seitens des Hauses. Alle, die mit ihm Kontakt hatten, wurden nachher vom Lehrer einzeln befragt. Eine weitere Person musste daraufhin abreisen. Er wurde sofort „entfernt“, ohne dass weiterer Kontakt zu uns möglich gewesen wäre.“
Es kann schon sein, dass die kleine Runde vorne beim Assistenzlehrer während der Gruppen-Meditation in der Halle nicht unbedingt die richtige Situation ist, um in Diskussionen einzusteigen. Aber das ist noch lange kein Grund, die betreffende Person in 1) der folgenden Nacht, 2) im Winter und Schnee sowie 3) weit weg vom nächsten Bahnhof gleichsam „hinauszuschmeißen“.
Besonders interessant ist dabei, dass es dem Assistenzlehrer darum ging, ihn möglichst schnell aus dem Zentrum zu „entfernen“; ähnlich den anderen Schüler, von dem Du sprichst. Denn wahrscheinlich hat sich für den Assistenzlehrer durch die polizeimäßige „Durchleuchtung“ der anderen Schüler, „die mit ihm Kontakt hatten“, gezeigt, dass der eine von ihnen mit dem umgehend hinausgeworfenen Schüler sympathisiert hat.
Was folgt daraus?
Diese Begebenheit ist ein weiterer klarer Beleg für den oben thematisierten hinduistisch vorgeprägten Reinheitsbegriff der Tradition des Inders S. N. Goenka. Denn selbst bei Nichteinverständnis mit der Haltung bestimmter Teilnehmer gibt es noch lange keinen Grund, sie dann so schnell wie möglich zu „entfernen“, das heißt gleichgültig, was die Umstände sind („Nacht, Winter, ohne Auto, weit weg vom Bahnhof“), bzw. so schnell wie möglich.
Der einzige denkbare Grund, der den Lehrer zu einem solchen Vorgehen gebracht haben kann, ist folgende Ansicht:
Er glaubt, dass jene Teilnehmer aufgrund ihrer kritischer Haltung und des damit verbundenen Zweifels an der vermeintlich einzig „reinen Technik“ und dem vermeintlich einzig „reinen Dhamma“ des Buddha selbst „unrein“ sein müssten; und damit einen „verunreinigenden“ Effekt auf die gesamte Gruppe hätten; und zwar alleine schon durch ihre Anwesenheit, auch wenn sie überhaupt nicht mit den anderen sprechen.
Warum?
Laut Goenka sind es die oben erklärten feinstofflich verstandenen „Vibrations“, die eine solche Sicht des Lehrers erklären.
Dazu kommt:
Im indisch-hinduistischen Denken hat der Meister oder „Guru“ eine besonders hohe Stellung. Auch deshalb hat der ehemals orthodoxe Hindu Goenka versucht, seine Vipassanâ-Methode auf die Autorität des historischen Buddha zurückzuführen – durch nichts anderes als „reine Legenden“.
Auch Goenka selbst nimmt eine solche Stellung ein. Seine Lehren gelten in seiner Tradition als sakrosankt, gleichsamals der „reine Dhamma“ des Buddha. Deshalb begnügen sich die Assistenzlehrer selbst mit „Knopfdruckdiensten“ der Videorecorder und Kassettenplayer. Sie dürfen nicht eigenständig lehren, höchstens in Antwort auf Schülerfragen in Interviews oder Gesprächen; und selbst dann bloß auf „eng“ auf die Methode bezogene Fragen.
Auch aufgrund dieses ganzen Denkens wird Kritik oder Hinterfragen in dieser Tradition nicht akzeptiert und schroff sanktioniert..
Außerdem ist hier noch sehr aufschlussreich, dass die Tradition sich nicht um solche Schüler kümmert, die, wie die von Dir zitierte Frau, dort viele Kurse gemacht und viele Monate Langzeitservice gegeben hat, aber irgendwann psychische Probleme bekommen haben. Es wird sich dort also sogar um sehr alte und verdiente Schüler nicht gekümmert, wenn sie solche Probleme bekommen.
Warum nicht? Vieles spricht für die folgende Erklärung:
Aus Sicht dieser Tradition darf es angesichts der vermeintlich einzig „reinen Technik“ und des vermeintlich einzig „reinen Dhamma“ des Buddha eigentlich nicht dazu kommen, dass sie nicht eine entsprechend „reinigende“ Wirkung auf einen Praktizierenden hat. Aus deren Sicht kann der einzige mögliche Grund sein, dass es durch karmische „Unreinheiten“ verhindert wird. Aus deren Sicht ist deshalb Abstand von solchen vermeintlich „Unreinen“ zu halten – ganz wie im hinduistischen Kastensystem.
Die Frau hat es Dir „unter Tränen“ erzählt, weil sie unbewusst eben diese Sicht als den versteckten Grund für die Nichthilfe durch die Tradition gespürt hat; und vielleicht darüber hinaus noch deshalb, weil sie auch selbst diese Sicht zumindest ein Stückweit übernommen hat und sich damit auch selbst zumindest ein Stückweit in dieser Weise betrachtet hat
Dazu eine Anmerkung:
Ich hatte ein längeres Gespräch mit der mir gut bekannten Hamburger Vipassana-Lehrerin Dr. Sylvia Kolk über meine Sicht zum Reinheitsdenken in der Tradition von S. N. Goenka. Sie vermittelte mir dazu einen neuen Aspekt: Sie sagte, dass vor allem Frauen (die unter den Schülern der Goenka-Tradition die klare Mehrheit stellen) für ein gewisses Reinheitsdenken oder -streben anfällig sein könnten. Denn viele von ihnen hätten durch die Gesellschaft und Erziehung einen gewissen „Unreinheitskomplex“ wegen der monatlichen Menstruation verinnerlicht.
Das große Problem für die Tradition von S. N. Goenka:
Die eben beschriebenen Ansichten entsprechen nicht der Lehre des Buddha laut den Redensammlungen des Palikanons, auf die sich Goenka und seine Lehrer oder intellektuellen „Sprachrohre“ ständig berufen. Jene Ansichten zum Thema Reinheit und der Stellung des Meisters sind vom Buddha abgelehnt worden, wie das ganze indische Kastensystem (vgl. dazu etwa den 10. Kommentar in diesem Blogeintrag zur Haltung der katholischen Kirche zu den anderen Religionen). Es gibt diverse Reden im Palikanon, mit denen der Buddha zum kritischen Hinterfragen auffordert und sogar methodische Anweisungen dazu gibt (vgl. das Vorwort zum Blog).
Der Buddha hat schon sehr, sehr gute Gründe gehabt, die „Treffliche Sicht“ als das wichtigste Element des gesamten Befreiungsweges zu beschreiben. Denn es ist immer die Ansicht, die weitgehend das Fühlen, Denken, Sprechen und Verhalten von Menschen beeinflusst. Es sind immer die Ansichten, die Massenmörder wie Hitler, Stalin und Pol Pot nämlich unter dem Einfluss bestimmter Überzeugungen bzw. Ideologien (die nichts anderes als Komplexe bestimmter Ansichten sind) sozusagen mit „gutem Gewissen“ zu ihrem Tun bewegt haben. Es sind immer die (im folgenden Falle religiösen) Ansichten, die nahezu Tag für Tag islamistische Selbstmordattentäter zum Mord vieler Menschen bringen; und es sind auch immer die Ansichten, die unter dem Einfluss bestimmter höherer Einsichten wiederum andere und innerlich reife Menschen zu Bodhisattvas und Wohltätern machen.
Aufgrund dieser überragenden Bedeutung der Ansichten ist es übrigens auch höchst sinnvoll und auch tief buddhistisch, solche Diskussionen oder Kontroversen zu führen, wie es auf diesem Blog geschieht. Es ist für alle Beteiligten ein hervorragendes Mittel, eine treffliche von einer weniger trefflichen und einer verfehlten Sicht unterscheiden zu lernen.
Nein, alle neu am Vipassana Interessierte sollten sich von diesen Diskussionen von nichts abschrecken lassen. Wenn ich Kritik äußere, weil es „die Sache“ und (tief buddhistische) Treue zur Wahrheit erfordert, heißt das für mich noch lange nicht, dass ich nicht auch die positiven Seiten sehe. Über mein Kursbuch Vipassana etwa sind sicher einige zu dieser Vipassana-Tradition gekommen, wie auch zu anderen Vipassana-Traditionen.
Goenkas Vipassana-Ansatz ist einer neben diversen anderen, wenngleich mit den oben diskutierten „Besonderheiten“ – nicht machtvoller oder reiner als andere. That´s all!
Der Ansatz ist einfach in besonderem Maße darauf ausgerichtet, in kurzer Zeit starke Konzentration zu entwickeln (was auch „spektakuläre“ Erlebnisse mit sich bringen kann), etwa durch 1) die „eindeutige Aufgabe“ des „nicht stehen bleibenden“ und immer detaillierter werdenden Körperdurchkämmens, durch 2) die strikte Organisation der Kurse, die ganz darauf abzielt, gute Bedingungen für Sammlung zu schaffen, durch 3) das „Blockieren“ jeglicher Diskussionen und Fragen, die „nichts mit der (vermeintlich einzigen wirklich reinen) Methode“ zu tun haben (was nichts mit der Lehre des Buddha zu tun hat, wo das eigene Denken, Prüfen und Abwägen eine zentrale Rolle für die Entwicklung der befreienden Einsichten hat), und weitere Merkmale.
Diese starke Konzentration verfehlt auf viele Neulinge nicht ihren Eindruck – wie von der Tradition beabsichtigt. Diese starke Konzentration in Verbindung mit jener subtilen Reinheitsideologie führt bei vielen zu einem zu ausgeprägten und stückweit blinden „Gefolgschaftsgeist“ – wie von der Tradition beabsichtigt.
Ich teile in diesem Zusammenhang die Meinung der oben zitierten Vipassana-Lehrerin Mary Thanissara: Es ist eine begrenzte Einsicht ist, die dort vermittelt wird, die nicht wirklich befreien kann. Es scheint bloß so unter dem Eindruck der starken Konzentration, die auch das „Ich und mein“-Bewusstsein „boostet“.
Mein Rat an Leute, die dort Kurse machen oder auch an die alten Schüler:
Lasst Euch „um Buddhas willen“ nicht das (Selbst-)Denken abnehmen. So haben alle Katastrophen im Großen wie Kleinen angefangen. Bedenkt in diesem Zusammenhang tief das oben gebrachte Zitat des französischen Philosophen Bernard-Henri Lévi: „Der Wunsch nach Reinheit ist die Gebärmutter des Totalitarismus“ (was keineswegs bloß im Sinne eines bestimmten Staatssystems zu verstehen ist, sondern auch im Sinne eines bestimmten subtilen Denkens und Umgehens mit anderen und dem Thema „Freiheit“).
Bilder Euch unabhängig von den spezifischen Vereinnahmungsversuchen und „reinen Legenden“ dieser Tradition Eure eigene Meinung, vor allem anhand der guten (oben und im neuen Blogeintrag zum Katholizismus erwähnten englischen) Neuübersetzungen der Reden.
Vergleicht praktisch wie theoretisch mit anderen Vipassana-Ansätzen. Sie richten sich an unterschiedliche Persönlichkeitstypen. Findet den richtigen für Euch; oder auch die richtige Kombination von Elementen verschiedener Vipassana-Ansätze für Euch, ganz im Sinne der Selbstverantwortuzng, die für den frühbuddhistischen Weg zentral ist. Der Buddha hat nicht diesen oder jenen Ansatz „vorgeschrieben“ bzw. als eine Art Allheilmittel allen an die Hand gegeben, egal was Euch Goenka und seine „Assistenz“-Lehrer oder intellektuellen Verfeinerer und Dienstleister zu suggerieren versuchen.
Zu diesen Dienstleistern gehören verschiedene Vertreter, neuerdings auch ein bekannter deutscher Reisebuchautor,der ein reines und geschickt gemachtes PR-Buch zur Goenka-Tradition geschrieben hat, mit dem (in gewisser Hinsicht vielsagenden) Titel: „Triffst Du Buddha, töte ihn“ (denn anscheinend wollen sich Goenka bzw. seine PR-Leute doch nicht bloß vom „Buddhismus“ abgrenzen …). Lest bei Interesse die ausführlichen Leseproben auf seiner Website. Einen Kauf dieses Buches würde ich nicht empfehlen. Denn ich habe eindeutige Hinweise, dass es eine bezahlte Auftragsarbeit ist, entgegen Altmanns Aussagen auf seiner Website, dass er „zufällig“ zu dieser Tradition gekommen wäre. Aber dazu unter anderem im zu gegebener Zeit erscheinenden zweiten Teil meiner Kritik.
Entgegen der Märchen und Suggestionen Goenkas und seiner intellektuellen Diensleister: Der Buddha nach dem Zeugnis des Palikanons hatte einen sehr großen „Köcher“ an Methoden, und wusste genau, welche „Pfeile“ er – je nach der konkreten Situation – „abschießen“ musste, um bestimmte Leiden zu „töten“.
Lasst Euch die individuelle Wahl und Entscheidung zu keiner Zeit abnehmen oder verbieten, auch wenn Ihr in der Goenka-Tradition einen Kurs gemacht habt und dort wieder einen machen wollt. Lasst Euch von ihr nicht „durchleuchten“ (was es in keiner anderen buddhistischen Tradition gibt).
Hinterfragt in den passenden Situationen sachlich, was zu hinterfragen ist, vor allem jene religiös verpackte „Reinheitsideologie“, ob gegenüber einem Lehrer oder anderen Schülern dieser Tradition, und tragt auf diese Weise zu einer positiven Änderung bei.
Herzlich
Hans
PS: Noch ein Zusatz zu den oben genannten Begründungen, warum der ganze Ansatz in besonderem Maße darauf ausgerichtet ist, in kurzer Zeit starke Konzentration zu entwickeln:
Ich habe es in der Goenka-Tradition auf einem Kurs im Sommer erlebt, dass selbst zu dieser Zeit – und zu anderen Jahreszeiten ohnehin – während der Gruppenmeditation in der Halle die Fenster geschlossen bleiben mussten, obwohl es dort sehr warm war. Die gegebene Begründung lautete, dass so bei der Meditation eventuelle kleine Geräusche (wie von Vögeln) nicht mehr zu hören seien.
In keiner anderen mir bekannten Vipassana-Tradition wird ein so großer Wert auf eine absolut störungsfreie Umgebung gelegt (wobei es natürlich auch eine große Störung werden kann, wenn die Sauerstoffsituation in der Halle durch die geschlossenen Fenster schlecht ist, wie ich es selbst wiederholt in dem früheren Zentrum in Bad Herrenalb wegen dessen niederer Hallendecke empfunden habe).
Denn im Allgemeinen gelten für die Vipassana-Meditation gelegentliche Geräusche oder andere Störungen sogar als wünschenswert. Denn im Falle des „Vipassana“ (wörtlich „klarer Einsicht“) geht es um die befreiende Einsicht, die sich in Bezug auf alle Phänomene entwickeln soll. So wird es im Satipatthâna-Sutta (der zentralen Rede über die Vergegenwärtigungen der Achtsamkeit) auch klar beschrieben. Im vierten Hauptabschnitt dieses Hauptsuttas nämlich wird etwa gelehrt, wie sich die befreiende Einsicht in der Auseinandersetzung mit den gewöhnlichen Sinneseindrücken und den geistigen Hindernissen entwickelt.
Laut den Redensammlungen des Palikanons empfiehlt der Buddha zu den Umständen der Meditation, dass man sich einen geeigneten Platz etwa am Fuße eines Baumes oder in einer leeren Waldhütte suchen soll. Klar, in der damaligen Zeit im alten Indien waren die Umständ andere. Trotzdem geht daraus klar hervor, dass ein unmittelbarer Kontakt zur Natur und ein gewisses Maß an Naturgeräuschen keineswegs als Hindernis für die Meditation galt.
Anders in der Tradition von S. N. Goenka. Warum? Weil hier absolut im Vordergrund steht, in kurzer Zeit hohe Konzentration zu entwickeln.
Hallo Hans,
super, dass Du dieses Thema einmal öffentlich ansprichst! Ich habe mich schon oft gefragt, warum es so wenige Erfahrungsberichte zu den Goenka Kursen gibt…
Vieles was ihr schreibt deckt sich mit meinen Erlebnissen.
Mein erster Goenka-Kurs traf mich ziemlich unvorbereitet. Die sehr strengen Regeln dort empfand ich als erschreckend, insbesondere die Art, wie sie von den Lehrern und der Kursbetreuung verfolgt wurden. Sie wirkten sehr dogmatisch, und ich empfand unseren Kursbetreuer wie von Fäden gezogen, unfrei, kontrollierend.
Zwei der anderen Neulinge wurden schon nach wenigen Tagen aufgefordert, den Kurs zu verlassen. Einer hatte den Lehrer und die Methode während der „kleinen Runde“, die ab und zu vorne im Raum mit dem Lehrer meditiert und von ihm angeleitet wird, wiederholt hinterfragt. Nach dieser Stunde wurde er direkt vom Assistenzlehrer abgefangen. Er erzählte uns noch, dass man ihm okkulte Praxis vorgeworfen hatte, und er musste das Haus noch in derselben Nacht verlassen. Ohne Auto stand er im dunklen und kalten Schnee vor der Tür, weit weg vom nächsten Bahnhof, es gab kein Entgegenkommen seitens des Hauses. Alle, die mit ihm Kontakt hatten, wurden nachher vom Lehrer einzeln befragt. Eine weitere Person musste daraufhin abreisen. Er wurde sofort „entfernt“, ohne dass weiterer Kontakt zu uns möglich gewesen wäre. Ich wurde als zum Bleiben tauglich befunden und konnte weiter machen. Hätte ich von einem Bekannten nicht vor dem Kurs das Signal bekommen, dass die Methode o.k. ist, ich wäre wohl geflüchtet, aus Angst, in eine Sekte hineingeraten zu sein.
Da es mein erster Kurs dieser Intensität war, hatte ich große Probleme mit dem Rücken. Es wurde mir jedoch untersagt, mich zumindest während der abendlichen Vorträge auf einen Stuhl zu setzen oder mich anzulehnen. Ich habe viele andere Retreats bei unterschiedlichen Lehrern besucht, keines wurde vergleichbar verhalten/ dogmatisch geführt.
Gegen Ende dieses Kurses hatte ich in der Meditation ein sehr durchgreifendes Erlebnis, auf dass ich nicht vorbereitet war. Dieses Erkennen hat mein Leben verändert, es war ein großes Geschenk, doch zunächst hat es mich völlig überfordert. Vor Ort fand ich nicht die richtigen Ansprechpartner, und es gibt keine Betreuung, die über die Kurse hinausgeht. Die nächsten drei Monate galt es für mich, das Erlebte zu verdauen. Und ich war sehr froh, dass ich Kontakt zu anderen Meditierenden habe, an die ich mich wenden konnte. Ohne sie wäre ich ziemlich „aufgeschmissen“ gewesen.
Vor einem halben Jahr bin ich während eines anderen Retreats auf eine Frau getroffen, die auf viele Goenka-Kursen meditiert und auch im Betreuungsteam gearbeitet hat. Sie hat unter anderem viele Monate Langzeitservice gegeben.
Unter Tränen erzählte sie mir, dass sie nach dem letzten gesessenen Langzeitkurs psychotische Zustände bekommen hatte. Sie fand dabei keine Hilfe. Ihre Lösung bestand darin, sich von der Meditation für Jahre zurückzuziehen. Das Retreat, auf dem wir uns trafen, war ihr erstes nach langer Abstinenz; und sie war erleichtert darüber, wie unkonventionell und menschlich es dort zuging. Es tat ihr gut, dort einen Lehrer als Ansprechpartner zu haben, und kein Tonband.
Soviel zum schwierigen Teil.
Dennoch: die unterrichtete Methode hat mich überzeugt. Sie hat mir viel geschenkt und mir sehr gut getan! Nach einiger Zeit habe ich mich wieder zum Kurs angemeldet. Diesmal wusste ich, worauf ich mich einlasse, meine Einstellung war einen andere, ich hatte Vertrauen in die Technik, das „andere“ habe ich deshalb hinnehmen können, ohne es überzubewerten, ohne mich hineinzusteigern.
Bei diesen Kursen ist es „Glückssache“, auf welche Assistenzlehrer man trifft. Mein zweiter Kurs wurde von sehr vorbildlichen und liebenswerten Lehrern betreut, bei denen ich mich gut aufgehoben fühlte. Auch sie antworteten nach dem vorgegebenen Muster, aber sie taten es auf authentische und motivierende Art. Dieser zweite Kurs hat mich in der vorgegebenen Technik gefestigt, er hat mir viel gebracht, und ich werde weitere Kurse besuchen.
Doch ich bin auch sensibilisiert für die schwierigen Seiten der Goenka- Kurse. Ich verinnerliche nicht alles, was sie mir dort sagen. Ich lege großen Wert darauf, außerhalb der Kurse in eine Gemeinschaft von Buddhisten eingebunden zu sein, die liberal und offen mit den verschiedenen Traditionen Austausch pflegen. Und ich meditiere außerhalb der Kurse so, wie ich es für richtig halte. Die von Goenka gelehrte Methode spielt dabei für mich eine entscheidende Rolle, denn sie ist einfach und gut. Sie lässt sich auch im Alltag immer wieder zwischendurch aufnehmen. Sie führt zu einer sehr guten und kontinuierlichen Achtsamkeit.
Fazit: die Vipassana- Kurse von Goenka haben mein Leben ganz entscheidend zum Positiven gewendet. Ich empfinde eine tiefe Dankbarkeit für diese Methode und für das, was in ehrenamtlicher Arbeit dort für geleistet wird.
Aber ich nehme mit einer gewissen Vorsicht an den Kursen teil. Ich glaube nicht mehr, dass es sich um eine Sekte mit schlechten Absichten handelt. Vieles, was mir zu Anfang unverständlich war, kann ich heute einordnen. Die strikten Regeln ermöglichen mir heute eine ungestörte Meditation. Das „Rund um sorglos“-Paket, das die Helfer den Teilnehmern ermöglichen (keine Putz- oder Küchendienst, bis in die kleinsten Kleinigkeiten ist alles perfekt organisiert) weiß ich zu schätzen. Die Tatsache, dass ich Handy, Bücher, Wertsachen etc. abgeben muss und das Gelände nicht verlassen darf, bringt mir heute innerliche Ruhe, statt mich wie am Anfang zu beunruhigen.
Dennoch: Gesunder Menschenverstand ist gefragt, ein Umfeld, dass auch nach einem Kurs mit Ansprechpartnern zur Verfügung steht, ist hilfreich; und ja, auch ich brauche eine Menge Gleichmut, um zum x-ten Mal dieselben Anekdoten von Goenka zu hören, die mich mit ihrem alleinigen Gütigkeitsanspruch durchaus auf eine harte Probe stellen!
Danke für die Gelegenheit zum Austausch. Ich hoffe, dass mit dieser Seite auch interessierte Neulinge besser informiert sind. Lasst Euch nicht (nur) abschrecken von dem, was hier geschrieben wird, versucht nur, Euch darauf einzustellen, dass die Kurse, wie alles im Leben, Sonnen- und Schattenseiten haben können. Grundsätzlich gilt: ausprobieren, statt blind annehmen; und ausprobieren, statt zweifeln. Ich schätze, das führt dann auf den gesunden Mittelweg. Bleibt Euch selbst treu!
Lieben Gruß,
Martin
Hallo Miko,
Interessante Aspekte, die Du ansprichst.
Lustig finde ich es, dass Du offenbar davon ausgehst, dass viele ständig die grundlegenden Ethikregeln „Silas“ übertreten, so dass sie einen zehntägigen Kurs in der Goenka-Tradition geradezu als befreiend empfinden, insofern sie während des Kurses diese Ethikregeln streng einhalten müssen. Sind wir wirklich alle so übel drauf?
Ja, ich stimme Deiner nächsten Aussage zu: Ein zehntägiger Vipassana-Kurs (ob in der Tradition von S. N. Goenka oder anderswo) hinterlässt bei den meisten einen starken Eindruck, weil in kurzer Zeit ein hohes Maß von Achtsamkeit, Sammlung und Einsicht verwirklicht wird. Das wird als befreiend empfunden.
Allerdings scheint mir in der Goenka-Tradition der Schwerpunkt mehr auf der Konzentration und geistigen Ruhe zu liegen, wie oben im Einzelnen begründet. Neben der erstern dreieinhalb Tage der reinen Konzentrationsübung über die „eng eingegrenzte“ Atemachtsamkeit ist es schon alleine die Hauptaufgabe, ständig und immer detaillierter werdender Form das Körperdurchwandern auszuführen, ohne bei bestimmten Empfindungsgebieten „stehen zu bleiben“, was diese Einstufung als primäre Sammlungsübung begründet.
Aber hier liegt auch nicht das Problem.
Das Problem liegt darin, dass diese Tradition jenen „starken Eindruck“ auf die Teilnehmer benutzt, um diesen ein ganz bestimmtes, oben näher dargestelltes “ (geschlossenes) System“ als die vermeintlich „reine Lehre“ und die „reine Methode“ des Buddha zu vermitteln, obwohl sie es wie erklärt überhaupt nicht sind.
Außerdem wird durch die Monopolisierung bzw. Vereinnahmung des Begriffs „Vipassana“ durch diese Tradition, insofern dort suggeriert wird, das Body Sweeping sei das einzig wahre oder „reine“ Vipassana, eine große Unwahrheit verbreitet wird. Denn Vipassana ist der Überbegriff über eine große und vielgestaltige frühbuddhistische Tradition.
Das von Dir zitierte „Reinwaschen des Geistes jeden Morgen, jeden Abend“ ist ein weiterer Beleg für die besondere Stellung des hinduistisch vorgeprägten Reinheitsdenken in dieser Tradition. Oben sind diverse weitere Belege genannt worden, sowohl, was die Organisation, als auch, was die Lehre und Methode dieser Tradition angeht.
Ja, die Sankharas können als „Gewohnheitsmuster“ aufgefasst werden.
Aber sie werden in dieser Tradition vor allem als körperlich verankerte und manifeste Zusammenballung bzw. „heap“ (Haufen) oder „stock“ (Vorrat, Bestand) von „groben Empfindungen“ (gross sensations) „im“ Körper verstanden. In dieser Weise nimmt Goenka vielfach Bezug auf sie, auch wenn er gelegentlich andere Gleichnisse bringt.
Von diesen körperlichen Zusammenballungen oder „heaps“ oder „stocks“ gelte es sich durch das gleichmütige Betrachten („betrachte und reagiere nicht“) zu reinigen, ganz so, als handele es sich um einen subtilen unreinen Stoff im Körper. Diese substanzorientierte Sicht kommt dem gewöhnlichen Alltagsverständnis der Dinge voll entgegen, weshalb viele spontan zustimmen. Sie stimmt aber nicht.
Denn im Laufe der „anfangslosen Wiedergeburten“ (und Goenka geht explizit von der Wiedergeburt aus) hätte man einen endlos hohen Berg solcher Empfindungen angehäuft. so dass er niemals abgetragen werden könnte. Außerdem werden laut den Reden des Buddha die Sankhâras, wennngleich sie körperliche Begleiterscheinungen in Form bestimmter Empfindungen haben, nicht körperlich oder geistig festgelegt. Vor allem werden sie laut den Reden nicht substanzorientiert als eine Art „unreiner Stoff im Körper“ verstanden.
Die Lehre von einem wahren „Selbst“ in Gestalt des „vergänglichen Selbst“, das mit dem Zustand des Bhanga Nyana bzw. der „Erkenntnis der Auflösung“ des Körpers verwirklicht werde, kommt in dieser Tradition mit den Schriften bestimmter führender Vertreter wie Dr. Paul R. Fleischman zum Ausdruck (etwa „the rock of self is revealed to be liquid“).
Diese Lehre von einem „vergänglichen Selbst“ bietet einen Ankerpunkt für die „Ich und mein“-Identifikation mit den Dingen. Denn bei dieser „Selbst“-Lehre bleibt die Identifikation mit dem Körper als „Ich und mein“ bestehen. Bloß ist es nunmehr – aus der Sicht der Lehre von einem „vergänglichen Selbst“ – die Identifikation mit dem vergänglichen Körper als einem bloßen Konglomerat von ständig vergehenden Empfindungen im Zustand des Bhanga Nyâna als dem vermeintlichen wahren eigenen „Ich und mein“.
Laut den Reden des Buddha ist das Nichtselbst nicht so zu verstehen. Hier ist es das Mittel zur Auflösung jeder Identifikation mit dem vergänglichen Dingen, einschließlich dem vergänglichen Körper, weil JEDE Identifikation mit den Vergänglichen oder jedes Festhalten am Ende immer bloß zu Leiden führen kann.
Herzlich
Hans
Hallo Udo,
Was willst Du hier mit Deinem Hagel von Zitaten eigentlich zeigen?
(Eine Annmerkung für die Lesere: „A“ steht für die Angereihte Sammlung der Reden des Buddha, die in Auszügen in guter englischer Neuübersetzung von Bhikkhu Bodhi und Nyanaponika etwa hier erhältlich sind. Bhikkhu Bodhi arbeitet derzeit an einer vollständigen Neuübersetzung dieser Sammlung.)
Dass ein gewisses Maß an Sammlung Voraussetzung für die befreienden Erkenntnisse sind, ist klar.
Dass für dieses Maß an Sammlung auch eine gewisse Nichtanhaftung Voraussetzung ist, ist ebenfalls klar.
Welches Maß an Sammlung nun aber genau die Voraussetzung für die befreienden Erkenntnisse sind, darüber gibt es eine alte Diskussion: Es gibt laut unterschiedlichen Stellen des Palikanons sowohl den Weg über die Vertiefungszustände „Jhânas“ als auch unabhängig davon.
Dies ist an anderen Stellen dieses Blogs ausführlich diskutiert worden.
Vipassana kann natürlich hinsichtlich der verschiedenen Methoden und der sie stützenden Lehren gelehrt werden, wie es alle Vipassana-Lehrenden tun.
„Elend“ ist in Bezug auf die materiellen Dinge eine falsche Übersetzung von „dukkha“. Materielle Dinge können nicht leidvoll sein, weil sie keine Empfindungen haben (diese haben lediglich Lebewesen). Die materiellen Dinge sind „ungenügend“ oder „nichthinreichend“, weil sie die unbewussten Hoffnungen, dass sie beständiges Glück bringen, nicht erfüllen können. Das bedeutet „dukkha“ in Bezug auf die materiellen Dinge.
Weil Du Dich sehr gerne auf den Abhidhamma und den Visuddhi Magga beziehst, und mit Vorliebe die technischen Lehren dieser spät entstandenen Werke zitierst, wie Du es oben wieder mit deinen Anmerkungen 1 bis 4 gemacht hast, möchte ich dazu etwas Grundsätzliches sagen. Aber weil es ein ganz anderes, neues großes und wichtiges Thema ist, werde ich in der nächsten Zeit dazu ein neues Blogthema eröffnen; mit dem Titel:
„Die Lehre des Buddha laut den Redensammlungen des Palikanons:
Die Beschränkung auf das Wesentliche im Unterschied zu den geschlossenen Systemen des Abhidhamma und Visuddhi Magga“
So viel dazu bloß hier:
Diese von Dir zitierten Aussagen sind nicht die Lehren des historischen Buddha, wie sie mit den Redensammlungen im Palikanon überliefert sind.
Kurz zu Deiner Anm.1: Die „24 Abhängigkeits- oder Bedingtheitsformen“ des Abhidhamma sind eine Meinung bzw. ein Interpretations-Ergebnis, das genau betrachtet nicht in den Redensammlungen erscheint. Das Gleiche gilt für das „analytische Erkennen der körperlichen und geistigen Daseinsvorgänge“ (nama-rupa-pariccheda) als einer der diversen Hellblicksstufen des Visuddhi Magga und ebenfalls für diese diversen Hellblicksstufen, wie Du sie mit Deinen Anmerkungen 2 bis 4 zitierst.
In Deinen Worten: „Nur damit“ Du Dir „keine falsche Hoffnungen“ machst.
Deine Hoffnung war nämlich, dass man tatsächlich auf dem Vipassanaweg das erkennen müsse, was jene technischen Ausdrücke oder Meinungen der von Dir zitierten Spätwerke beschreiben.
Warum jedoch diese Spätwerke so vorgehen; und warum es einen großen Sinn macht, dass die Redensammlungen nicht so vorgehen, dazu in dem oben erwähnten geplanten separaten Blogbeitrag.
Herzlich
Hans
PS: Im Folgenden werde ich noch Mikos Aussage von oben beantworten, die eng zum Thema dieses Blogeintrags gehört.
hier noch ein Nachtrag zum vorherigen Kommentar.
Vipassana kann nicht gelehrt werden !
Vipassana entsteht durch Bhavana !
‚Hellblick‘, ist das aufblitzende intuitive Erkennen:
der Vergänglichkeit (anicca)
des Elends (dukkha) und
der Unpersönlichkeit (anattā)
Quellen Nachweis :
A.V.24 Eines aufs andere gestützt – 4. Dussīla Sutta
Im Sittenlosen, ihr Mönche, dem Sittlichkeit mangelt, ist die rechte Sammlung ohne Grundlage. (1)
Ist aber keine rechte Sammlung da, so ist in ihm, dem rechte Sammlung mangelt, der wirklichkeitsgemäße Erkenntnisblick (*2) ohne Grundlage.
Ist aber kein wirklichkeitsgemäßer Erkenntnisblick da, so sind in ihm, dem wirklichkeitsgemäßer Erkenntnisblick mangelt, Abwendung und Loslösung (*3) ohne Grundlage.
Ist aber keine Abwendung und Loslösung da, so ist in ihm, dem Abwendung und Loslösung mangeln, der Erkenntnisblick der Erlösung (*4) ohne Grundlage.
Gleichwie nämlich, ihr Mönche, an einem der Zweige und Blätter beraubten Baume auch Borke, Haut, Grünholz und Kernholz sich nicht vollkommen entwickeln können, ebenso, ihr Mönche, ist in einem Sittenlosen, dem Sittlichkeit mangelt, die rechte Sammlung ohne Grundlage . . . (wie oben) . . . so ist in ihm, dem Abwendung und Loslösung mangeln, der Erkenntnisblick der Erlösung ohne Grundlage.
Im Sittenreinen, ihr Mönche, von Sittlichkeit Erfüllten hat die rechte Sammlung eine Grundlage.
Ist aber rechte Sammlung da, so hat in ihm, der rechte Sammlung besitzt, der wirklichkeitsgemäße Erkenntnisblick eine Grundlage.
Ist aber wirklichkeitsgemäßer Erkenntnisblick da, so hat in ihm, der wirklichkeitsgemäßen Erkenntnisblick besitzt, die Abwendung und Loslösung eine Grundlage.
Sind aber Abwendung und Loslösung da, so hat in ihm, der Abwendung und Loslösung besitzt, der Erkenntnisblick der Erlösung eine Grundlage.
Gleichwie nämlich, ihr Mönche, an einem Zweige und Blätter besitzenden Baume auch Borke, Haut, Grünholz und Kernholz zur vollkommenen Entwicklung gelangen, ebenso, ihr Mönche, hat im Sittenreinen, von Sittlichkeit Erfüllten die rechte Sammlung eine Grundlage . . . (wie oben) . . . so hat in ihm, der Abwendung und Loslösung besitzt, der Erkenntnisblick der Erlösung eine Stütze.
(1) upanisā, Stütze; eine Parallelform von upanissaya, das als Abhidhamma-Begriff eine bestimmte unter den 24 Abhängigkeits- oder Bedingtheitsformen (paccaya) bezeichnet: die Grundlagen- oder Anlaßbedingung (Wtb: paccaya 9). –
Erweiterte Fassungen dieses Textes finden sich in A.VI.50; A.VII.61; A.VIII.81.
(*2) K: Dies ist der noch schwach entwickelte Hellblick (vipassanā), beginnend mit dem analytischen Erkennen der körperlichen und geistigen Daseinsvorgänge (nāma-rūpa-pariccheda; s. VisM 701).
(*3) Der erste Begriff (nibbidā, ‚Abscheu‘) bezeichnet das Stadium des intensiven Hellblicks (VisM 777), während sich der zweite Begriff (virāga) auf die Pfaderreichung (Stromeintritt usw). bezieht.
(*4) Dies bezeichnet das Pfadergebnis (oder den Fruchtzustand; phala) der Heiligkeit sowie das hierauf folgende Rückblickwissen (paccavekkhana-ñāna).
http://www.palikanon.com/angutt/a05_021-030.html#a_v24
Nur damit sich keiner falsche Hoffnungen macht.
Upasaka Udo Zajonc
Hallo Hans,
ich wollte damit nur sagen das im Visuddhi Magga
die komplette Hellblickentfaltung (Vippassana)
Hellblick‘, ist das aufblitzende intuitive Erkennen:
der Vergänglichkeit (anicca),
des Elends (dukkha) und
der Unpersönlichkeit (anattā)
beschrieben ist.
Freundliche Grüsse
Upasaka Udo
Hallo Uposaka Udo,
Den Teil Deines Kommentars zum Vatikanischen Konzil und dem Buddhismus habe ich mit einem neuen Haupteintrag auf diesem Blog beantwortet. Denn das Thema gehört nicht zu diesem Eintrag.
Deine Aussagen zum Visuddhi Magga werde ich bald näher beantworten.
Aber so viel schon jetzt: Es gibt diverse Vipassana-Lehrer, für deren Ansatz der Visuddhi Magga keine Rolle spielt. Es ist ein spätes scholastisches Werk, das mit einigen seiner Lehren von den Reden des Buddha im Palikanon abweicht.
Auch Deinen letzten Kommentar, Miko, werde ich noch beantworten.
Visuddhi Magga, Der Weg zur Reinheit
Die größte und älteste systematische Darstellung des Buddhismus von Buddhagosa aus Sri Lanka um das Jahr 500, übersetzt von Nyanatiloka
http://www.palikanon.com/visuddhi/vis_idx.html
Mit freundlichen Grüssen
Upasaka Udo
Hallo,
ich will hiermit auf eine falsche Darstellung bezüglich der Katholischen Kirche und Buddhismus hinweisen.
Du schreibst :
„So sind jene beiden Alleingeltungsansprüche moderat im Vergleich etwa zum Alleingeltungsanspruch des Katholizismus, der auf einer durch bestimmte Bibelstellen begründeten dogmatischen Glaubensüberzeugung beruht, die überlegene Kirche bzw. die einzige zum Heil führende Religion zu verkörpern und einen dementsprechenden globalen Missionsauftrag zu haben.
Diese Erklärung gibt es, um zur Kenntnis genommen zu werden.
(Zitat) „In den verschiedenen Formen des Buddhismus wird das radikale
Ungenügen der veränderlichen Welt anerkannt und ein Weg gelehrt, auf dem
die Menschen mit frommen und vertrauendem Sinn entweder den Zustand
vollkommener Befreiung zu erreichen oder – sei es durch eigene Bemühung, sei
es vermittels höherer Hilfe – zur höchsten Erleuchtung zu gelangen vermögen.
So sind auch die übrigen in der ganzen Welt verbreiteten Religionen bemüht,
der Unruhe des menschlichen Herzens auf verschiedene Weise zu begegnen,
indem sie Wege weisen: Lehren und Lebensregeln sowie auch heilige Riten. –
Die katholische Kirche lehnt nichts von alledem ab, was in diesen Religionen
wahr und heilig ist.“ (Zitat Ende)
1965 beim Zweiten Vatikanischen Konzil
unter Papst Johannes XXIII verfaßt.
Zu Vipassana Meditation möchte ich noch sagen , diese beruht auf der Anapanasatisutte
M. 118 und Sattipatthana M. 10 und D.22
und ist seit 2500 Jahren bekannt.
Ausführlich in dem 500 n. Chr. verfassten Kommentar von Buddhaghosa beschrieben.
Mit freundlichen Grüssen
Upasaka Udo
Danke für die Antwort, lieber Hans.
Geht es wirklich noch um die Forderung, Goenka möge nicht länger behaupten, er verbreite den Dharma, wie er von Gautama gelehrt wurde?
Dieser Blog erfüllt eine wichtige Funktion und ich freue mich, mich hier mit Menschen austauschen und einige Gedanken mitteilen zu können. Andererseits hat es einen gewissen Anstrich von Klügelei, das Ganze. Warum, das werde ich im Folgenden versuchen zu erklären:
Was die Goenkaji-Tradition meiner Ansicht nach so very powerful macht, das ist wohl die zehntägige Praxis bei recht straffer Organisation, sodass nach Aussage Goenkajis so gut wie keine Möglichkeit besteht, die silas zu übertreten und wie er wörtlich sagt, zumindest während dieser zehn Tage eine ‚reine/weiße Weste‘ zu haben, was tugendhaftes Leben betrifft. (Vermutlich für dich eine weitere Anspielung auf sein Konzept der ‚Reinigung‘) Für mich eine Form von Motivation, diese zehn Tage ernst zu nehmen und zu praktizieren.
Widmet sich ein Mensch dieser angeleiteten Praxis zum ersten Male zehn Tage derart intensiv – und für mich wie für viele andere ist ein Goenka-Retreat das erste ‚ernstzunehmende‘ im Sinne länger als ein Wochenende dauerndes Retreat -, dann liegt es doch für die meisten nahe, bei dieser Methode zu bleiben. Mit Hilfe dieser Technik, der wir uns so intensiv widmen, und sei es auch ’nur‘ für zehn Tage (denn sooo lang ist das auch wieder nicht, wenn ich an 3Jahres-Retreats in Nepal denke), werden Ich-Bestätigungen zerschmettert und viele Denkkonstrukte aufgelöst, VERÄNDERUNG findet statt… Und diese Technik wirkt wie eine Impfung, eine Imprägnierung, eine lt. Goenkaji ‚tief gehende Operation‘. Zuerst wird das Skalpell geschärft (Anapana-mode), danach wird geschnitten (Vipassana-mode), eventuell nachgeschärft, wenn der Geist zu unruhig wird.
Goenkaji verwendet viele Allegorien. Kann es nicht sein, dass auch das ‚Reinwaschen des Geistes jeden Morgen, jeden Abend‘, wie es am 1-Tages-Kurs auf der CD angesprochen wird, einfach eine bloße Analogie, Allegorie, Metapher, also bildhafte Sprache gemeint ist, wie sie auch Buddha hier oder da verwendet haben könnte, ohne dass das schriftlich festgehalten wurde? Eine bedenkens-werte Frage, finde ich.
Wie sollte er als Lehrer der Tradition je imstande sein, auf die individuelle Situation der einzelnen Praktizierenden einzugehen? Ja gut, da steckt die Antwort im Grunde bereits drin 🙂
Zu der Auflösung von sankharas: Sie sind im Sinne Goenkas – so habe ich ihn verstanden – nicht als etwas Substanzielles anzusehen. Sie tauchen eben auf, wenn wir stillhalten und den Prozess gleichmütig beobachten. Ständig wird ja darauf hingewiesen: anicca/upekkha, impermanence/equanimity… sankharas sind demnach als Gewohnheitsmuster aufzufassen, die uns bei unangenehmen Empfindungen mit Ablehnung und bei angenehmen mit Anhaftung reagieren lassen – beides Manifestationen von avidya – und auf die Weise unser Leiden perpetuieren. In einem Evening Talk spricht er, soweit ich mich erinnern kann, auch von Blasen, die an die Oberfläche des Wassers steigen (sprich ins Wachbewusstsein dringen) und dann von selbst platzen. Keine Rede von ‚Beseitigen‘. Und falls doch, dann nur als Folge der gleichmütigen Schau dessen, was ist. Goenka sagte eben: keep eradicating. Gut, so gesehen ist das durchaus auch so interpretierbar, als würde damit ein substanzorientierter Begriff des Selbst kolportiert, eines Selbst, das sich von diesen sankharas ‚befreien‘ muss. Wenn mensch in dieser Technik fortfährt, wird mensch hoffentlich (!) einsichtig, dass da kein Selbst ist, das es (durch wen schon?) zu befreien gilt. Sankharas lösen sich von selbst auf, wenn nicht auf Empfindungen blind reagiert wird. So habe ich gehört 😉
Ich finde, dass die Effektivität der Methode auf keine Weise durch die teilweise recht kühnen Äußerungen Goenkajis auf den Abendvorträgen beeinträchtigt wird. Die Gefahr besteht wohl eher darin, dass durch die gewohnten Projektionsmuster dieser alte Bestand an sankharas als ‚feindlich‘ statt als Inspiration verstanden wird (mithin als etwas aufgefasst wird, das es loszuwerden gilt, um endlich, ähem.. sauber, rein, oder eben wie Goenkaji oft auch sagt: ‚frei‘ sein zu können, oder so…). Er betont glaube ich auch, es sei durchaus gut, dass wir schmerzhafte Empfindungen haben, so können wir bei Nichtreagieren darauf unseren alten ’stock of sankharas of aversion‘ abtragen. Sehr anschaulich, wirklich, sehr anschaulich. Eine gute Motivation, wenn nicht wahr, und falls doch wahr, dann zeig mir mal ein sankhara, bitte. Es ist genau so unsichtbar wie der Gedanke an ein ebensolches (Un)Ding.
Über das Nicht-Selbst spricht er in seinen Dharma-Talks am Abend. Aber die sollten doch nicht die Suppe verderben, sie sollten die Praxis unterstützen und die Studenten motivieren, nicht in Gedankenspiele ausarten: meint Goenka jetzt anatta, lehrt Goenka wirklich den einen reinen Weg Buddhas wie er behauptet, glaubt Goenka jetzt an ein ewiges Selbst, das sich aufraffen muss, die aufgestauten sankharas loszuwerden? Ich finde, solche Fragen haben auch ein ungeheures Potential abzulenken.
Hallo Miko,
Besten Dank für den Kommentar.
Die Tatsache, dass die Teilnahme an einer Thich Nhat Hanh-Gruppe und Praxis von Atemmeditation nach dessen Anweisungen ein Hinderungsgrund ist, in der Goenka-Tradition an einem Servicekurs teilzunehmen, ist ein guter weiterer Beleg für das oben Gesagte.
Auch das mit Deinem Freund, der früher psychische Probleme hatte, und deshalb nicht teilnehmen durfte, schätzt Du sicher richtig ein.
Wenn einer dagegen den Yoga praktiziert, der in bestimmte Formen der altindischen brahmanisch-hinduistischen Philosophie eingebettet ist, gilt dieser Umstand in der Goenka-Tradition nicht als Hinderungsgrund zur Teilnahme an den dort angebotenen Kursen. Im internen Buchversand dieser Tradition wird sogar das von Goenkas „Vipassana Research Institute“ herausgegebene Buch A Reappraisal of Patanjalis Yoga-Sutras angeboten. Die Yoga-Sutras von Patanjali sind sicher das einflussreichste Yogawerk überhaupt.
Thich Nhat Hanh ist einer der angesehensten buddhistischen Meister, der seit Jahrzehnten im französischen Exil lebt. Denn er hat sich während des Vietnamkrieges konsequent unparteilich verhalten und sich mit dessen vietnamesischer Organisation für die Notleidenden auf beiden kriegführenden Seiten eingesetzt. Dies ist ihm vom kommunistischen Regime verübelt worden. Er ist auch ein maßgeblicher Vertreter des Engagierten Buddhismus.
Offenbar ist – aus Sicht der Goenka-Tradition – das Problem hier das folgende:
Thich Nhat Hanh ist Buddhist. Patanjali ist kein Buddhist gewesen. Aufgrund des oben näher Dargestellten sind Patanjalis Denken oder auch der Yoga generell mit der Methode und Lehre der Tradition von S. N. Goenka vereinbar, das heißt sie gelten dort nicht als „unrein“.
Ich lade zu weiteren Erfahrungsberichten von Praktizierenden der Methode von S. N. Goenka und Belegen auf diesem Blog ein.
Alleine auf solche Weise kann genügend Druck aufgebaut werden, dass es allmählich auch zu Veränderungen kommt. MK (Beiträge von ihm erscheinen weiter oben) ist ein altes, mit diversen Assistenzlehrenden bekanntes Mitglied der Organisation. Er hat die letzteren auf diesen Blogeintrag hingewiesen. Die Einträge hier werden von ihnen mit Sicherheit gelesen, auch wenn sie nichts dazu sagen (können?)
Denn die Tradition von S. N. Goenka legt größten Wert auf deren Außendarstellung, was ich breit belegen könnte. Dabei achtet sie immer penibel darauf, genau in dem von Goenka aufgebauten und intendierten Licht dazustehen.
(Nach dem Ersterscheinen meines Kursbuch Vipassana rief mich zum Beispiel ein bekannter Assistenzlehrer und Leiter einer Drogen-Rehabilitationsstätte in der Schweiz an; und monierte, dass ich in dem Buch U Ba Khin als Vater der Methode dieser Tradition beschrieben habe, was korrekt ist – U Ba Khin als Vater der Methode abzüglich der von Goenka hinzugefügten Elemente. Der besagte Assistent hat also die Entstehungslegende seiner Tradition einfach übernommen und zur Basis seiner Sichtweise gemacht.)
Den PR-Darstellungen dieser Tradition sollte mit geistig autonomen, objektiven und offenen Darstellungen begegnet werden.
Denn „Selbstdenken“ ist, was in seinen ganzen Implikationen vielen nicht klar zu sein scheint, ein Kernmerkmal der Lehre des Buddha gemäß dem Palikanon gewesen, auf die sich Goenka ja stets ausschließlich beruft …
Herzlich
Hans
Ich habe den Blog zugegebenermaßen nur beinahe durchgängig gelesen. Und ich möchte hier meiner Freude Ausdruck verleihen, dass sich hier ein Feld wertvoller Betrachtungen bietet. Kritischer Betrachtungen.
Anfangs dachte ich, das sei eine Form von cinta-maya-panna Diskurs, der vom praktischen Aspekt der Buddha-Lehre so wie sie von S.N. Goenka interpretiert wurde und heutzutage vielerorts per CD-Player verbreitet wird bloß ablenkt. Doch ich habe weiter gelesen und muss jetzt sagen, es hat sich gelohnt.
Danke für die zahlreichen Verweise auf Audios im Netz von Bhante Sujiva z.B., danke auch für die Bücherliste und den ausführlichen, nun nicht mehr Goenka-PR-lastigen Eintrag auf Wikipedia.
Der Monopol-Anspruch auf die reine Lehre, die einzig reine Technik ist wirklich problematisch. Bei mir entstand nur deshalb nicht der Eindruck, dass dies der einzig wahre Vipassana-Weg sei, weil ich schon vor meinem ersten Kurs einmal das Satipatthana-Sutta gelesen hatte.
Während meiner 10-Tages-Kurse habe ich weitgehend auf Interviews verzichtet, weil ich gesehen habe, wie sie aufgebaut sind. Eine Frage wird gestellt, und man/frau wird auf die Übung verwiesen. Wirklich oft dachte ich mir, den Assistenzlehrerjob könnte ich genau so gut übernehmen. Und tatsächlich wurde ich gebeten, einen 1-Tages-Kurs in Wien anzuleiten, nach nur einem 10-Tages-Kurs.
Dass Frauen und Männer getrennt werden während der Praxis finde ich ganz in Ordnung, weil es dann zu weniger Ablenkung kommt. Wenn ich aber bedenke, dass es stets auf die Intention ankommt – und diese bei der Goenkaji-Tradition auf den Konzepten von „reinen“ und „unreinen“ Vibrations beruht, diese wieder auf dem indischen Kastendenken und einer substanzorientierten Sicht – dann werde ich mehr als unrund, weil ich weiß, wozu das führen kann und in der menschlichen Geschichte bereits geführt hat.
Einerseits betont Goenka und seine Vordenker, – eigentlich handelt es sich ja vielmehr um Nach(her)denker – dass kein blinder Glaube an Dogmen, kein Vermischen stattfinden soll, und dann muss man/frau sich doch ansehen, wie Goenka sein indisch geprägtes Gedankengut mit dem von U Ba Khin gelehrten Lehrgebäude vermischt und dieses glänzend verpackte Produkt dann als allein gültiges – und das ist es, denke ich, worum es dir lieber Hans geht – als einzig wahres Dhamma preist. Das Problem ist also, dass er behauptet, NUR diese Technik führt euch sicher zum Erfolg (meine unbedarften Schafe), keine andere Technik führt zu Sicherheit vor Anhaftung, zu Aufmerksamkeit, zu tatsächlichem Verständnis der Wirklichkeit: wie es ist.
Unwissenheit spielt hier DIE große Rolle. Die Manager auf den Kursen, an denen ich teilnahm, sind ebenso unsicher wie manche Assistenzlehrer, wenn sie mit Fragen konfrontiert werden, die nicht easycheasy mit einem Verweis auf die Goenka-Lehre (scheinbar) beantwortet werden können.
Ich erinnere mich, ich durfte einmal kein Service geben, weil ich nebenbei auch bei einer Sangha dabei war, die Anapanasati mit Anleitungen von Thich Nhat Hanh praktizierte. Ich hatte dies bei der Anmeldung angegeben.
Ein Freund, der mit mir öfters meditiert, wurde abgelehnt, weil er früher einmal psychische Probleme hatte und dies bei der Anmeldung anführte. Ich dachte, das sei aufgrund der damit verbundenen organisatorischen und evtl. rechtlichen Schwierigkeiten geschehen, aber der Gedanke an „rein“ und „unrein“ zeigt nun eine weitere Perspektive auf.
Ich glaube nicht, dass Goenkaji sich als DER Wiederbeleber des reinen Erleuchtungsweges versteht. Er trennt jedoch die beiden Techniken und klärt die Neuankömmlinge und seinen bestehenden Fanklub darüber auf, dass Buddha himself das seinerzeit so gelehrt habe.
Die Maßnahmen, die zur Trennung der Geschlechter getroffen werden, sind m.E. aus obengenannten Gründen sinnvoll, sprich: weniger Ablenkung, da wir alle auch sexuelle Wesen sind. Dass ‚discrimination‘, also kritisches Urteilsvermögen bzw. der Geist der klaren Unterscheidung die ’separation‘, d.h. die Trennung zum Zwecke der Abgrenzung von sog. Anderem als nahen Feind hat, darüber bin ich mir im Klaren.
Hallo zusammen,
Auf diesem Blog geht es um sachliche Diskussionen über zentrale Fragen des Dhamma, ob nun in Form von klaren Kontroversen oder ehrlicher Übereinstimmung.
Der Erkenntnisgewinn aus sachlich geführten Kontroversen scheint mir besonders hoch, deutlich höher als aus Gesprächen, die unter unbewusstem oder propagiertem Harmoniezwang (falscher Übereinstimmung) stehen. Übrigens hat sich „Prügel“ offenbar bloß auf die bekannte Zen-Methode der „Stockschläge“ als Mittel zum Erwachen bezogen, was vielleicht missverstanden worden ist.
Viele heutige Buddhisten meinen, wenn man sich kritisch über Themen oder mit anderen auseinander setzt, sei es schlecht und unbuddhistisch.
Ein Trugschluss.
Der Buddha laut dem Zeugnis des Palikanons hat viele kritische Auseinandersetzungen mit zeitgenössischen Lehrmeinungen und Lehrenden (v. a. den Brahmanen und Waldasketen) geführt, wenn man nach dem Zeugnis des Palikanons geht.
Zur Zeit des Buddha musste sich eine gute Lehre in der sachlichen Auseinandersetzung bewähren können. Ansonsten galt sie nicht viel. Das hatte damit zu tun, dass der „Trefflichen Sicht“ die höchste Bedeutung für den frühbuddhistischen Befreiungsweg zukam (gleichsam als das „Führungsglied“). Um aber trefflich von weniger trefflich oder verfehlt unterscheiden zu lernen, muss man eben auch abwägen, vergleichen und sich kritisch mit anderen Sichtweisen auseinander setzen.
Und in der Lehre des Buddha laut Palikanon gilt die „Weisheit durch eigenes Nachdenken“ als die Grundvoraussetzung für die Höherentwicklung der Weisheit (über die „Weisheit durch Aufnehmen“ und die „Weisheit durch meditative Verinnerlichung“; vgl. auch das Blogvorwort).
Salopp gesagt: Ohne eigenen Kopf, kritische Analyse oder „Selbstdenken“ geht nicht viel auf dem frühbuddhistischen Befreiungsweg!
Zum Thema der „Liebenden Güte“ Metta hier noch ein sehr guter Tipp:
Unter diesem Link erscheinen die kostenlosen Audioaufnahmen eines vollständigen zehntägigen Kurses von Bhante Sujiva zum Thema Metta (Vorträge sowie geleitete Meditationen zu Liebe, Mitgefühl, Mitfreude und Gleichmut), in guter Audioqualität.
(Entgegen der früher nach diesem Eintrag erschienenen PS-Anmerkung werden die hier verlinkten Audio-Aufnahmen in originaler Qualität angeboten, ich habe sie mit den ursprünglichen noch einmal verglichen, sorry!)
Die Audios sind übersichtlich betitelt. Die Vorträge und geleiteten Meditationen sind von mir übersetzt worden.
Dieser Audiokurs ist jedem zu empfehlen, der sich vertieft mit diesem Thema in Theorie und Praxis befassen möchte; ein Thema, das in Ergänzung zur Achtsamkeits- bzw. Einsichtspraxis Vipassana notwendig ist.
Das geht hier weit hinaus über ein „Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst!“ (ohne irgendwelchen konkreten Methoden zur Entwicklung des Herzens im großen Umfeld dieser Aufforderung) oder ein „May all beings be happy!“
Herzlich
Hans
Nun, der Buddha hatte nur mit seiner Lehre zu tun. Die hatte er entwickelt, weil alles, was sonst zu seiner Zeit gelehrt wurde, ihn nicht befriedigen konnte. Die Befreiung ging ihm nicht weit genug. Er hat nicht Erleuchtung gelehrt, sondern den Befreiungsweg!
Warum verbreiten sich Goenkas Schulen so rapide? Jeder Alte Schüler hat Zugang zu der Buchhaltung. Es gibt kein Geheimnis, die Schüler sind begeistert.
Worüber? Frag sie! Wenn ich frage erfahre ich, daß ihr Leben leichter geworden ist. Sie agieren und vor allem sie reagieren nicht mehr so wie vorher. So habe ich es auch erfahren.
Anderswo nicht.
Im Pali Kanon steht nicht alles. Und der Buddha wollte keine Autorität sein für seine Schüler.
Und Prügelstrafe steht auch nicht drin!
Metta!
Ach ja. Dies ist mein Abschied aus dem Blog. Ich hab mal in die anderen Themen geschaut. Da wird mir auch zuviel geprügelt.
„Aber ich bin aus allem der Überzeugung, daß die von Goenka gelehrte Technik schneller weiter führt.“
Dreißig Stockschläge für Dich, Rupaloka! 🙂
Ich lese hier seit einer Weile mit, aber Aussagen wie diese bringen mich zum lächeln. Könntest du mir, Rupaloka, kurz einen Verweis auf den Pali-Kanon geben, wie Buddha Geschwindigkeit und zurückgelegte Strecke beim Achtsamsein gemessen hat?
Vielleicht lächelst du nun auch ein wenig.
Liebe Grüße
Oliver
Falls jemand eine andere Technik bevorzugt, so ist das nicht falsch!
„Natürlich liegt dieser “jemand anders” für Dich falsch, wenn er eine andere Technik bevorzugt.“
Jeden, auch Dich, Hans, lasse ich gerne recht haben.
Das ist euer eigenes Leiden.
Metta!
Natürlich liegt dieser „jemand anders“ für Dich falsch, wenn er eine andere Technik bevorzugt. Denn Du bist der hier erneut ausgedrückten Meinung, „dass die von Goenka gelehrte Technik schneller weiter führt“.
Für Dich oder bestimmte andere schneller weiter führt; aber für andere wiederum nicht; ebenso für einige wie gesagt alte Schüler der Goenka-Tradition, die sich anderen Vipassana-Methoden zugewandt haben, nicht mehr.
Letztlich sind es bloß die Früchte einer guten Konzentrationsmeditation, die eine solche Anhaftung begründen, wie Du sie ausdrückst. Und vielleicht auch alte christliche Prägungen, die zum einen, wahren Weg neigen lassen.
Angesichts der Tatsache, dass Du nach Deinen Angaben aus keinen guten Gründen ausgeschlossen worden bist, solltest Du einen kritischen Blick auf die Tradition werfen.
In der Lehre des Buddha, auf die sich Goenka fortwährend auf seine ganz spezifische, oben genau beschriebene Weise beruft, geht es v. a. um Einsicht. Konzentration ist hier bloß ein Mittel, bei dem man nicht stehen bleiben sollte.
Ja, Hans, ich wiederhole mich hier nur noch einmal kurz, weil ja doch alles wesentliche schon gesagt ist:
Falls jemand eine andere Technik bevorzugt, so ist das nicht falsch! Aber ich bin aus allem der Überzeugung, daß die von Goenka gelehrte Technik schneller weiter führt.
Ganz herzlich! Rolf
Hallo Rupaloka,
„Sandkasten“ und „Förmchen“ sind das nicht, sondern eine längst überfällige und vielsagende Diskussion zu zentralen Fragen.
Leider ist es Usus unter bestimmten Buddhisten, klares Denken abzuwerten, v. a. wenn sie inhaltlich nicht mehr weiterkommen. Damit sind sie auf dem Holzweg und machen sich bloß selbst etwas vor. Klares Denken hat laut Palikanon eine zentrale Funktion auf dem Befreiungsweg (wie auch mit dem angekündigten zweiten Teil dieser Kritik deutlich werden wird).
Du fragst:
„Was sollen denn die realen, objektiven Gegebenheiten sein, mit denen Du Goenkas Ansprüche und sein Selbstverständnis vergleichst? Außerdem zitierst Du mich: „Aus“ logisch „nachvollziehbaren“ ODER (!, bitte genau lesen, bevor Du zitierst) „von anderen berichteten Beobachtungen!“
Mit letzteren meine ich etwa die Berichte alter Schüler, die sie oben beschrieben haben, zu Sanktionen, die gegen sie ergriffen worden sind, weil sie Gehmeditation praktiziert haben; oder ein Theravada-Buch während eines Servicekurses lesen wollten; usw. Das sind objektive empirische Daten, aus denen sich bestimmte Schlüsse ziehen lassen (es sind weitere Belege für die spezifischen, mit der Lehre des Buddha laut Palikanon nicht vereinbaren Reinheitsauffassungen in der Tradition von S. N. Goenka).
Subjektive Meditationserfahrungen, auch wenn sie von anderen geteilt werden, gehören nicht dazu.
Denn es wird immer Anhänger von anderen Traditionen geben, die sie eben nicht teilen, und solchen Meditationserfahrungen unter Bezugnahme auf ihre eigenen Erfahrungen widersprechen. Dann haben wir jenes Kindergeplänkel (mit dem darüber hinaus deutlich zum Ausdruck gebracht wird, dass es mit der tieferen Einsicht nicht sonderlich weit her ist).
Hier liegt nach meiner Meinung auch ein wichtiger Grund, warum die buddhistischen Ordensregeln vorgeben, dass Ordinierte verwirklichte Befreiungsfrüchte nicht öffentlich kundgeben dürfen. Im Westen dagegen gehen einige fast schon „hausieren“ mit ihren tollen Meditationserfahrungen oder Einsichten; und merken gar nicht, wie sehr sie damit lediglich ihr Ego zum Ausdruck bringen.
Echte Früchte zeigen sich in der Wahl der Worte, der Praxis und dem gelebten Beispiel, nicht in Deklarationen und Inanspruchnahmen.
Es ist nicht so, dass die Atemachtsamkeit laut der „Rede zum bewussten Ein- und Ausatmen“ Anapanasati-Sutta zu den Vier Vergegenwärtigungen der Achtsamkeit „führt“, wie Du meinst. Laut dem Sutta „erfüllt“ sie diese vielmehr, bringt sie innerlich zustande bzw. ist das eigentliche Instrument, um sie zu verwirklichen. Die Vier Vergegenwärtigungen der Achtsamkeit „erfüllen“ dann die Sieben Glieder des Erwachens. Die letzteren „erfüllen“ dann das befreiende Wissen – immer durch die oder innerhalb der Atembewusstheit.
Mit diesem „Erfüllen“ oder „Zustandebringen“ ist gemeint, wie auch eindeutig aus der ganzen nachfolgenden konkreten Beschreibung der Methode hervorgeht, dass DURCH, WÄHREND oder INNERHALB der Übung des bewussten Ein- und Ausatmens (nicht „nach“, wie bei Goenka) sich selbsttätig die Vier Vergegenwärtigungen usw. entfalten, bis hin zum befreienden Wissen.
Bestimmte Vipassana-Methoden (etwa von Lee Dhammadaro oder Ajahn Buddhadasa) setzen diese Anweisungen z. B. konkret in der Weise um, dass sie sukzessive den ganzen Körper ALS VON Atem oder Sauerstoff erfüllt in eine systematisch entfaltete Bewusstheit einschließen (was durch den Sauerstofftransport über das Blut in alle Körperzellen real der Fall ist).
Diese Methoden sind vom technischen Ablauf ganz anders aufgebaut als das Body Sweeping von S. N. Goenka.
Den intellektuellen Vordenkern seines Systems geht es auch darum, eine klare Trennung zur Atembewusstheit vorzunehmen. So lautet das Buch von Marshall Glickman explizit „Beyond the Breath“. Und von Goenka gibt es kaum Aussagen zum Anapanasati-Sutta. Der tiefere Grund für jene Trennung liegt meines Erachtens darin, dass die Atembewusstheit in besonderer Weise das universelle Nicht-Selbst verdeutlicht; und letzteres durch Goenka „indisch“ umgedeutet wird (um nicht immer „hinduistisch zu sagen, weil „Hinduismus“ ein sehr breiter Überbegriff über verschiedene altindisch verwurzelte Religionen ist), wodurch es Raum für Lehren von einem wahren Selbst lässt (dazu siehe oben).
Achtsamkeit ist nicht dasselbe wie Konzentration. Studiere etwa einmal den Abhidhamma, der Konzentration als einen neutralen Faktor beschreibt, der heilsamen wie auch unheilsamen Zwecken dienen kann, Achtsamkeit dagegen als einen aufgrund des einhergehenden „Sehens“ heilsamen Faktor; oder lies sorgfältig die Reden (aber nicht in KE Neumanns uralten Übersetzungen).
Natürlich kann sich Konzentration lediglich über Achtsamkeit einstellen, weil Achtsamkeit erforderlich ist, um auf ein Objekt ausgerichtet zu bleiben. Aber laut frühbuddhistischer Definition „sieht“ Achtsamkeit darüber hinaus in das Wesen eines Objektes bzw. „versteht“ es immer tiefer, bis die Drei Merkmale (Vergänglichkeit; unzureichende, das heißt die unbewussten Hoffnungen auf Permanenz nicht erfüllende Bestehensweise und Nicht-Selbst) befreiend aufscheinen.
Weiter schreibst Du:
„Du ignorierst auch völlig das Sutra über die Körperachtsamkeit, welches ich weiter oben zitierte. Da hebt der Buddha im Text ausdrücklich hervor, daß die Körperachtsamkeit eine wesentliche Besonderheit hat: ,… who ever develops and cultivates mindfulness directed to the body includes thereby all the wholesome states that partake of supreme knowledge.´ Das behauptet der Buddha so ausdrücklich von der Atemachtsamkeit nirgendwo.“
In diesem Kayagatasati-Sutta (MN 118) steht in der Tat der von Dir zitierte Satz. Denn dieses Sutta beschreibt einen Weg zur Befreiung auf Grundlage der konzentrativen Vertiefungen Jhanas.
Demgemäß erscheinen in diesem Sutta die einzelnen Methoden der Körperachtsamkeit (nämlich Achtsamkeit für das Atmen, die Positionen, die täglichen Aktivitäten, die Körperteile, die natürlichen Elemente und die Verwesungsstadien), wie sie ebenfalls in der „Rede über die Vier Vergegenwärtigungen der Achtsamkeit“ Satipatthana-Sutta stehen, ABER OHNE den ausführlichen, nach jeder Methode wiederholten Zusatz zur Einsichtsentwicklung des Satipatthana-Sutta und anstattdessen jeweils mit der Beschreibung von Konzentration.
In anderen Worten: Im Kayagatasati-Sutta werden die einzelnen Methoden der Körperachtsamkeit lediglich dazu verwandt, die Konzentration immer höher zu entwickeln, bis hin zu den Jhanas. Sie werden dort im Anschluss an die Methoden der Körperachtsamkeit auch beschrieben. Auf Basis der Jhanas sind dann ebenfalls die befreienden Einsichten möglich.
Dagegen geht es im Satipatthana-Sutta (MN 10) und Anapanasati-Sutta (MN 118) um einen Weg zu den befreienden Einsichten unabhängig von den konzentrativen Vertiefungen Jhanas. Dieser „jhana-freie“ Weg wird dort ebenfalls hoch gepriesen – im Satipatthana-Sutta als der „Direkte Weg“ zur Befreiung; und im Anapanasati-Sutta als von „großer Frucht und großem Nutzen“, weil er in Form der Atembewusstheit als Dachbewusstheit bis hin zum befreienden Wissen führt. Das sind ähnlich ausdrückliche Betonungen der Befreiungswirkung wie der von Dir zitierte Satz des Kayagatasati-Sutta.
Es gibt diese beiden Wege, was übrigens auf diesem Blog mit anderen Einträgen und Kommentaren ausführlich diskutiert worden ist. Denn nach dem Zeugnis des Palikanons hat sich der Buddha an unterschiedliche Menschen gewandt, denen er entsprechend deren jeweiliger Veranlagung unterschiedliche Wege zur Befreiung gelehrt hat.
Das moderne, meines Erachtens letztlich christlich oder auch monotheistisch verwurzelte und begründete Denken, dass es lediglich den einen Weg zur Erlösung gäbe, ist kein Charakteristikum der Lehre des Buddha. Er hat nämlich kein „geschlossenes System“ vermittelt, sondern konkrete Praxislehren für naturgemäß unterschiedliche Menschen.
Das verstehen viele heutige Buddhisten oder die Goenka-Anhänger einfach nicht, wenn sie von einem einzig wahren Weg ausgehen.
Ohne wirkliches Verständnis (das auch von rein intuitiver Art sein kann) keine wirkliche Liebe, die sich still in der Praxis zeigt und sich nicht selbst wiederholt deklariert.
Herzlich
Hans
Lieber Hans,
So! Nun noch mal ausführlicher.
Du schreibst: ” hier geht es um eine Analyse der Tradition von S. N. Goenka und um einen Vergleich von deren spezifischen Ansprüchen und des spezifischen Selbstverständnisses mit den realen, objektiven Gegebenheiten.“
Was sollen denn die realen, objektiven Gegebenheiten sein, mit denen Du Goenkas Ansprüche und sein Selbstverständnis vergleichst?
Man kann es wohl schließen aus dem Maß, welches Du anlegst: „Dabei ziehe ich meine Schlüsse aus eindeutig nachvollziehbaren oder von anderen berichteten Beobachtungen oder aus Quellen des Palikanons, auf die sich die Tradition von S. N. Goenka selbst beruft.“
Aha!
Aus nachvollziehbaren und von anderen berichteten Beobachtungen! Das hab ich oben auch so getan, aber es scheint was anders zu sein, wenn ich es tue? Aus Quellen des Palikanons! Das tu ich auch, und wo ist der Unterschied?
Das Anapanasati Sutra scheint meiner Auffassung gar nicht zu widersprechen: Erst führt die Atemachtsamkeit zu den Vier Pfeilern der Achtsamkeit. Dann „ aber werden, ihr Mönche, die vier Pfeiler der Achtsamkeit geübt, sowie gepflegt, auf daß sie die sieben Erweckungen (bojjhanga) zustande bringen.“ Und da ist der Mönch dann aufgefordert, beim Körper über den Körper zu wachen …usw.
Wie oft im folgenden das Wort „Achtsamkeit“ auftaucht, muss ich Dir nicht vor zählen. Aber was soll Achtsamkeit denn anders sein als Konzentration, die weiter fokussiert, also höher noch sein muss als bei der Fixierung auf nur ein Objekt? Und Du ignorierst völlig, daß nicht ich die Konzentration in den Vordergrund stelle. Sondern in dem Sutra, das ich oben schon zitiert habe, der Buddha das sagt, als wesentliche Voraussetzung zur Erreichung der letzten Befreiung.
Du ignorierst auch völlig das Sutra über die Körperachtsamkeit, welches ich weiter oben zitierte. Da hebt der Buddha im Text ausdrücklich hervor, daß die Körperachtsamkeit eine wesentliche Besonderheit hat: „… who ever develops and cultivates mindfulness directed to the body includes thereby all the wholesome states that partake of supreme knowledge.”
Das behauptet der Buddha so ausdrücklich von der Atemachtsamkeit nirgendwo.
Mein Vorwurf an Goenka ist, daß er die Technik nicht kennt, die Körperachtsamkeit hoch genug zu entwickeln. Darum kommen seine Schüler nicht bis zum Ende. Das Problem haben andre Lehrer auch. Aber das ist ein anders Thema.
Ohne Liebe ist alles nichts.
Ja, Hans, den Sandkasten hast Du dir hier aufgemacht. Und die Förmchen, mit denen Du hier spielst, scheinen mir, auch wenn ich gründlich lese, von meinen nicht so verschieden.
Hatte nicht der Buddha so was gesagt von: Dann geht mal ein Stück des Weges und entscheidet, was es Euch bringt.
Und so seh‘ ich das auch!
Noch mehr Liebe!
Hallo Rupaloka,
Danke für Deine Liebesbekundung an das Universum generell oder mich speziell, trotzdem muss ich Dir sagen: Du wiederholst Dich!
Das habe ich mit Deiner ersten Antwort schon verstanden, dass Du diese Methode ganz toll und noch toller als alle anderen findest (etwa mit Deiner letzten Aussage: „… dass die von Goenka gelehrte Technik schneller weiter führt“).
Offenbar geht es Dir entgegen Deiner eigenen Einleitung doch um den „“Wahrheitsgehalt der Lehre Goenkas“. Ansonsten würdest Du nicht sagen: „Also spricht meines Erachtens schon der Anschein dafür, daß die Technik richtig ist … schneller weiter führt.“
Hier sagst Du nicht, dass sie für Dich persönlich richtig ist und schneller weiter führt. Du meinst, dass sie generell schneller weiter führt als andere Methoden. Grundlage für diese Aussage sind lediglich Deine subjektiven Meditationserfahrungen und Eindrücke oder die anderer. Dass man aber solche eigenen oder fremden inneren Erfahrungen nicht zur Grundlage allgemeiner Wahrheitsaussagen machen kann, habe ich oben sorgfältig näher begründet; und will es deshalb hier nicht wiederholen.
Ich werde auch nicht in eine Art Konkurrenzgerede über persönliche Erfahrungen oder Eindrücke einsteigen, indem ich hier eigene Erfahrungen zur Grundlage von Wahrheitsbehauptungen in Bezug auf eine andere Methode mache. Das wäre im Grunde ja nichts anderes als das Kindergeplänkel im Stile von: „Aber MEINS ist noch besser und MEINE Erfahrung zählt noch mehr!“. Wie wir wissen, hauen sich am Ende solche Kinder. Leider findet sich dieser Kindergeplänkel in der Religionsgeschichte massenhaft, dort aber mit höchst grausamen Ausgängen.
Wenn es bloß um einen inspirierenden Erfahrungsaustausch ohne jene Wahrheitsbehauptungen geht, kann man es natürlich machen.
Aber hier geht es um eine Analyse der Tradition von S. N. Goenka und um einen Vergleich von deren spezifischen Ansprüchen und spezifischen Selbstverständnisses mit den realen, objektiven Gegebenheiten. Dabei ziehe ich meine Schlüsse aus eindeutig nachvollziehbaren oder von anderen berichteten Beobachtungen oder aus Quellen des Palikanons, auf die sich die Tradition von S. N. Goenka selbst beruft.
Ich kenne persönlich einige Beispiele von sehr alten Schülern der Goenka-Tradition, die aus einem gewachsenen Unbehagen später andere Vipassana-Methoden aufgenommen und praktiziert haben, etwa diejenige von Bhante Sujiva aus der Mahasi-Sayadaw-Tradition. Es war für sie eine regelrechte Offenbarung zu sehen, wie viel weiter Vipassana sein und wie viel tiefer es gehen kann, als sie vorher geglaubt hatten.
Anmerkung: Wer sich für Zentren mit Lehrenden mit einem Hintergrund in der Mahasi-Vipassana-Richtung in Europa interessiert, und die keine ethnischen Tempel für Auslandsasiaten sind, empfehle ich besonders das italienische Zentrum Piandeiciliegi nahe Mailand, das tschechische Zentrum Dibbavana bei Marienbach an der Grenze nahe Hof – bei näheren Infos schreibe direkt an die dort am Ende genannte Adresse – oder die Orte bzw. Zentren in verschiedenen Ländern, wo Bhante Sujiva seine Kurse gibt, Website- und Kontakt-Adressen dort. Wer sich für eine Übersicht über Praxisorte in Asien interessiert, sei der regelmäßig aktualisierte Retreatführer von Dieter Baltruschat empfohlen.
Du schreibst: „Dass Körperachtsamkeit schon vom Begriff her mehr umfasst als Atemachtsamkeit muss ich doch nicht weiter begründen.“ Diese persönliche und subjektive Meinung bleibt Dir unbenommen, aber Du kannst sie nicht mit den Quellen des Palikanons begründen.
Lies einmal genau zum Beispiel das Anapanasati-Sutta (Mittlere Sammlung 118). Mit einem ungefilterten, klaren Blick wirst Du feststellen, dass demnach die Atemachtsamkeit das Dach bzw. die übergeordnete und durchgehende Bewusstheit ist, unter der sich sowohl die Körperachtsamkeit als auch die Empfindungsachtsamkeit als auch die Achtsamkeit für die geistigen Vorgänge als auch die Achtsamkeit für die Natürlichen Wahrheiten entfaltet; und zwar bis hin zum befreienden Wissens. Oder lies das oben zitierte Werk von Bhikkhu Nyanamoli, mit dem er die vielen kanonischen Lobpreisungen der Atemachtsamkeit zusammengestellt hat.
Aber Du machst mit Deinem Zitat (das ja in keiner Weise begründet, dass Körperachtsamkeit mehr umfasst als Atemachtsamkeit) indirekt einen anderen wichtigen Punkt deutlich:
Dass für Dich die Goenka-Methode primär eine Konzentrationsmethode ist. Ich habe weiter oben Mary Thanissara zitiert, die nach rund 60 (!) Kursen in der Goenka-Tradition und 12 Jahren als führende Nonne in der Ajahn Chah-Tradition just diese Feststellung gemacht hat: Dass die Goenka-Methode eine hervorragende Konzentrationsmethode ist, aber nicht zu wirklich tiefen Einsichten führen kann. Alle alten Schüler der Goenka-Tradition, die ich kenne, und die später andere Vipassana-Methoden geübt haben, bestätigen dies.
Verständnis 🙂
Hans
PS: Ich habe übrigens keine schlechten Erfahrungen mit der Goenka-Tradition von der Art gemacht, dass sie mich jemals ausgeschlossen hätten. Allerdings war mein letzter Kurs der Jahresendkurs 2008 in der Tschechei, also einige Zeit vor dieser Diskussion. Es wird spannend, wenn ich mich einmal wieder zu einem Kurs anmelden möchte.
Der Grund für die Diskussion, die ich hier angestoßen habe, ist lediglich ein bestimmtes Unbehagen, das ich oben näher begründet habe.
Ich verdeutliche einen (!) Hauptaspekt mit einem amüsanten Gleichnis:
Stell Dir vor – eine Ausstellung reinrassiger Hunde (= Vipassana-Methoden, die auf der Lehre des Buddha wie überliefert mit den Quellen des Palikanons beruhen). Nun kommt ein sehr zufrieden lächelnder indischer Herr mit einem Pinscher, dem er wunderbar das Fell zurecht geschnitten und eine dicke Sonnenbrille aufgesetzt hat (= Methode und Lehre als eine Mischung aus frühbuddhistischen, sehr spätbuddhistischen und hinduistischen Reinheits- und Selbst-Lehren, deklariert von Goenka als die „reine Technik“ und der „reine Dhamma“ des Buddha).
Auf der Ausstellung präsentiert er den Pinscher mit größtem Selbstbewusstsein und redegewandt als den einzig wirklich reinrassigen unter allen dort präsentierten Hunden (= die einzige wahre oder „reine Technik“ des Buddha).
Der Herr weiß, wie er Menschen überzeugen und für seine Vorhaben gewinnen kann. Denn er war früher ein sehr erfolgreicher, weltweit tätiger Geschäftsmann, bevor er sich voll seinem „buntem Hund“ gewidmet hat.
Unter dem Eindruck des so selbstbewussten Inders und des bunten Hundes mit dem wunderbar zurecht geschnittenen Fell sind die meisten Zuhörer begeistert. Die Begeisterung greift um sich, und es bilden sich Fanklubs an verschiedenen Orten (= Zentren und Kurse dieser Tradition, Stadtgruppen). Dort werden die Meinungen des indischen Herrn mit Kassetten abgespielt und auf Videos gezeigt.
Es ist kein Problem, sie einfach auf diese Weise technisch zu vervielfältigen, weil in den Fanclubs letztlich bloß die Meinungen des indischen Herrn zählen. Die Leiter der Fanklubs (= die Assistenzlehrenden) haben auch keine Schwierigkeiten damit, immer wieder die gleichen Kassetten und Videos abzuspielen, weil sie selbst überzeugt sind, dass letztlich bloß die Worte des Herrn zählen.
Das macht Gespräche mit ihnen in den so genannten „Interviews“ für offene, das heißt in mehrere Richtungen (darunter auch diejenige von Goenka) gleichermaßen interessierte Nichtfans, vor allem wenn sie über die Materie Bescheid wissen, eher langweilig. Denn die Gedanken der Leiter bewegen sich in jene engen vorgegebenen Spuren und gehen selten über deren Rand hinaus. Aber viele Fans merken es gar nicht wirklich, weil sie selbst die kaum hinterfragten, oben genannten Grundansichten teilen. Die anderen werden durch bestimmte Maßnahmen und Sanktionen auf Linie gebracht oder verlassen die Fanklubs.
Voraussetzung für eine Mitgliedschaft in den Fanclubs ist, dass ausschließlich dem bunten Hund gehuldigt wird, weil er ja nach der Meinung des indischen Herrn der einzig wirklich reinrassige Hund wäre. Daran darf nicht gezweifelt werden (= kritische Analysen oder Diskussionen sind nicht erwünscht, und andere Methoden dürfen nicht praktiziert werden).
Andernfalls droht der Ausschluss. Die Begründung dafür lautet so: Wenn man auch an anderen Hunden interessiert sei, würde man kein alleiniger Fan von dem Hund von Goenka mehr sein. Aber man müsse unbedingt alleiniger Fan von diesem Hund sein, weil er der einzig wirklich reinrassige unter allen Hunden sei. Wenn man kein alleiniger Fan von ihm mehr sei, dürfe man auch nicht mehr an den Fanklubs teilnehmen.
Die Fans beginnen gezielt bei vielen sich bietenden Gelegenheiten (über die PR-Maßnahmen der „Outreach Commitees“, die legitimatorischen Schriften der intellektuellen Vordenker der Tradition, andere eingespannte Autoren – dazu im Teil 2 der Kritik -, oder die einfachen Anhänger selbst) von diesem tollsten unter allen Hunden zu erzählen (z. B. wie Du hier).
Aber all dies ändert nichts daran:
Der Hund ist ein Pinscher. Das kann ein guter Hund sein. Ich habe nichts gegen Pinscher. Aber man sollte den Leuten nichts vormachen, um seine eigenen und nicht bloß selbstlosen Zwecke umzusetzen.
Der Wahrheitsgehalt der Lehre Goenkas. Geht es darum? Mir ging es um in erster Linie um den Erfolg der Praxis. Leistet sie das, was der Buddha versprochen hat, was die von ihm gelehrte Praxis leisten soll? Befreiung von allem Leiden auf einem systematischen Weg, der allen Menschen zugänglich ist.
Und ich habe dabei mich nur beispielhaft zum Zeugen benannt. Und dazu alle, die ich persönlich kenne und alle, die immer wieder die Kurse besuchen. Weil sie es erleben, daß das Leben danach anders wird. Leichter. Und die Einsicht in den Zusammenhang von Denken, Fühlen, Reden, Handeln und dem eigenen Leid und dem der Anderen wird klarer.
Also spricht meines Erachtens schon der Anschein dafür, daß die Technik richtig ist.
Sie steht auch nicht im Gegensatz zu Buddhas Reden, soweit sie uns bekannt sind.
Daß Körperachtsamkeit schon vom Begriff her mehr umfasst als Atemachtsamkeit muss ich doch nicht weiter begründen.
Daß eine Achtsamkeit die den ganzen Körper erfasst quantitativ mehr Konzentration erfordert als wenn man nur auf den Atem achtet, scheint mir ebenfalls logisch.
Wenn nun die Erfahrung des 8. Jahnas eine Frage der Konzentration ist, wie ich dem Sutra X,6 des schon oben zitierten Buches entnehme: „ Once, the Venerable Ananda aproached the Blessed One and asked: Can it be … Yes Ananda, there can be such a concentration of mind that in earth a monk is not percipient of earth … nor ist he percipient of this world nor a world beyond – but yet he is percipient. „ ,dann bietet jedenfalls die Körperachtsamkeit das geeignetere Feld, eine hohe Konzentration auszubilden.
Daß ich auch dies aus eigener Erfahrung bestätigen kann, schmälert den logischen Zusammenhang meiner Darstellung in keiner Weise.
Von der Technik, die Goenka verbreitet, erwarte ich nicht mehr als das, was sie in meiner und der Erfahrung tausender auch leistet.
Falls jemand eine andere Technik bevorzugt, so ist das nicht falsch! Aber ich bin aus allem der Überzeugung, daß die von Goenka gelehrte Technik schneller weiter führt.
Alles, was Du kritisierst, steht dem m. E. nicht prinzipiell entgegen.
Daß diese Dinge jedoch manchem das Leben schwer machen, ist klar und das habe ich ja nicht zuletzt auch selber erfahren.
Liebe!
Hallo Rupaloka,
Zu Deiner ausführlichen Lobschrift im Hinblick auf die Technik von S. N. Goenka, bzw. dass Du sie als „wirklich sehr rein“ einschätzt, vorweg zuerst etwas Grundsätzliches:
Die subjektiven Erfahrungen, die jemand bei der Praxis irgendeiner Methode macht, und die daraus gewonnnenen persönlichen Eindrücke von dieser Methode sind keine gültige Grundlage für Aussagen zum Wahrheitsgehalt der Lehren, die dieser Methode zugrunde liegen.
Denn jede Person (egal in welcher spirituellen oder religiösen Tradition sie steht) könnte mit dem gleichen Recht wie Du ihre jeweils eigenen Erfahrungen, die sie mit einer anderen Methode macht, zur Grundlage für Aussagen zum Wahrheitsgehalt „ihrer“ Lehren machen.
Wenn sich diese unterschiedlichen, jeweils als wahr behaupteten Lehren widersprechen, gibt es – sofern die subjektiven Erfahrungen als gültige Grundlage für Wahrheitsaussagen akzeptiert werden – keine Möglichkeit zu entscheiden, wer Recht hat.
Wenn ich z. B. ausgehend von meinen Mediationserfahrungen eine ausführliche Lobschrift über eine anders geartete Vipassana-Methode schreiben würde und dann aufgrund meiner Erfahrungen sagen würde, dass diese andere Vipassana-Methode aber noch reiner sei; oder wenn ich sagen würde, dass wegen der problematischen Seiten der Goenka-Tradition, die oben von mir und anderen beschrieben worden sind, diese Tradition weniger rein sei, hätte ich das gleiche Recht wie Du, für diese Aussage Wahrheit zu beanspruchen.
Kurz gesagt: Solche Diskussionen führen zu nichts!
Ein Erfahrungsaustausch ist natürlich legitim und kann sehr anregend sein, falls er nicht zu einem Streit über Wahrheit wird. Die gemachten inneren Erfahrungen können und sollen dazu dienen, die eigene Praxis in der jeweiligen Tradition anzuspornen und weiterzuentwickeln. Aber sie dürfen nicht dazu dienen, Wahrheitsbehauptungen zu den dahinter stehenden Lehren aufzustellen. Die generelle Tendenz, dies zu tun, ist freilich groß; aber aus den oben genannten Gründen ist es nicht zulässig oder akzeptabel.
Weil Menschen ihren subjektiven religiösen Glauben zur generellen, allgemein gültigen Wahrheit erklärt haben, ist es zu den großen Kriegen in der Religionsgeschichte gekommen, v. a. in der Geschichte der monotheistischen Weltreligionen. Für die einen Gläubigen ist z. B. Allah der einzig wahre Gott, der als ein absolut jenseitiger Gott keinen Sohn haben könne, sondern bloß Propheten gesandt habe (mit Mohammed als „King“ unter ihnen), und für die anderen Gläubigen ist es der christliche Gott, der einen eingeborenen Sohn gehabt habe, und beide haben sich für diese und andere gleichermaßen irrationalen bzw. abwegigen Glaubensvorstellungen massenhaft den Kopf eingeschlagen.
(Anmerkung zu diesem Beispiel: Natürlich ist die eigentlich interessante Frage, warum diese Glaubensvorstellungen solche Macht über das Bewusstsein haben können. Lies dazu gelegentlich meinem Blogeintrag „Des Kaisers neue Kleider„. Jene Macht kommt immer dann zustande, wenn das aus buddhistischer Sicht fehlgehende „Ich und Mein“-Bewusstsein durch die psychologische Struktur eines bestimmten Glaubens eine metaphysische „Rückversicherung“ bekommt, wie zum Beispiel bei den drei großen Monotheismen der Fall.)
Ich kann auch sagen, dass der Ausschluss von Teilnehmern wegen bestimmter Erfahrungen, die sie machen, wie es in deinem Fall geschehen ist, kein Zeichen von Läuterung ist, sondern vielmehr von Dogmatismus und dem Bestreben, das Individuum zu kontrollieren und „auf Linie“ zu bringen.
Für diese Aussage kann ich klare empirische Daten anführen, weil dort Ausschlüsse öfter stattfinden (z. B. ist es für Praktizierende dieser Tradition aus irgendeinem Grund nicht zulässig, Reiki zu praktizieren). Somit habe ich ein Recht, Wahrheit für diese Aussage zu beanspruchen. Dieses Recht haben aber nicht Vertreter eines Reinheitsanspruches, die keine objektiven empirischen Daten für ihren Anspruch anführen können, sondern bloß subjektive Eindrücke; oder Manipulationsversuche der Reden des Buddha im Palikanon (dazu in meinem angekündigten zweiten Teil der Kritik).
Du schreibst: „… dass die Technik der Meditation, die unter Goenkas Regie angeboten wird, wirklich sehr rein ist … Dies ist der Schluss aus meiner Erfahrung mit dieser Technik, aus den Einsichten, die ich gewonnen habe, und den Schlüssen, die ich aus Buddhas Schriften ziehe.“
Ausgehend vom oben Gesagten sind folglich Deine Erfahrung mit dieser Technik oder die Einsichten, die Du daraus gewonnen hast, als Gründe für Deine Einschätzung der Technik von S. N. Goenka als „wirklich sehr rein“ – das heißt als Gründe für Deine Behauptung, dass es doch wahr sei, dass diese Technik besonders rein sei – nicht zulässig oder akzeptabel.
So bleibt noch der von Dir angeführte Grund der Schlüsse, die Du aus Buddhas Schriften ziehst. Dazu Folgendes:
Natürlich gibt es Aussagen in der Reden des Palikanons zu den Vorzügen der Körperachtsamkeit. Das habe ich niemals bezweifelt. Du hast selbst manche dieser Aussagen zitiert. Der frühe Buddhismus ist sehr „körperfreundlich“ (was viele heute auch gerne anders hätten).
Bloß wird im Rahmen dieser von Dir zitierten oder irgendwelcher anderer kanonischen Aussagen nirgendwo die technische Methode zur Entwicklung von Körperachtsamkeit beschrieben, die S. N. Goenka und dessen Vordenker lehren. Es gibt vom methodischen Ablauf unterschiedliche Vipassana-Methoden, welche „die auf den Körper gerichtete Achtsamkeit“ (kâya-gatâ-sati) oder die Bewusstheit des Ein- und Ausatmens (als eines zentralen Teiles der Körperachtsamkeit) oder diese beiden Ansätze in Verschränkung lehren und entwicklen. Aber auch diese Vipassana-Methoden finden sich von ihrem Ablauf nicht in den Reden des Palikanons beschrieben. Deshalb kann von keiner dieser Methoden gesagt werden, es sei genau die Technik gewesen, die der Buddha gelehrt habe, wie es aber Goenka entgegen den klaren Tatsachen tut.
Was übrigens im Palikanon am meisten gepriesen wird, ist „die Bewusstheit des Ein- und Ausatmens“; und zwar als ein vollständiger Befreiungsweg, als eine Art Dachbewusstheit, unter welcher sich alle Formen der Achtsamkeit – für Körper, Gefühle, Geisteszustände und Natürliche Wahrheiten – über Konzentration und Einsicht immer höher entwickeln. Die Goenka-Tradition dagegen lehrt die Atembewusstheit bloß als ein reines Konzentrationsmittel, die der Praxis ihrer spezifischen Vipassana-Methode des Body Sweepings lediglich vorausgeht.
Herzlich
Hans
Es mag zunächst mißverständlich sein wenn ich hier behaupte, daß die Technik der Meditation, die unter Goenkas Regie angeboten wird, wirklich sehr rein ist. Mein Urteil richtet sich aber zunächst nur auf die Technik der Meditation, die in seinen Schulen gelehrt wird.
Dies ist der Schluß aus meiner Erfahrung mit dieser Technik, aus den Einsichten die ich gewonnen habe und den Schlüssen, die ich aus Buddhas Schriften ziehe.
Ich bin der Überzeugung, daß der ungewöhnliche Erfolg von Goenkas Schulen nicht auf den Formen oder Inhalten des Vortrags, der Selbstdarstellung oder der Regeln beruhen, sondern einzig auf dem unschätzbaren Nutzen, die diese Praxis den Schülern bringt, weil sie so rein ist.
Ich will meine Überzeugung begründen:
Der Buddha hat immer betont, daß es ihm um die Aufhebung des Leides gehe. Genau dies leistet die von Goenka angebotene Technik.
Jeder, der dort praktiziert hat weiß, daß im Ergebnis seine Gefühle gleichmütiger und sein Geist ruhiger geworden sind. Daß diese Resultate anhaltend sind, nicht nur während der Praxis sondern weit in den Alltag hinein, das macht den wesentlichen Erfolg dieser Schulung aus!
Man geht wieder hin, um noch ruhiger zu werden, die Freunde bemerken es und versuchen es ebenfalls. Ich habe schon viele Menschen um mich herum initiiert, und die allermeisten sind mir zutiefst dankbar.
Von mir kann ich sagen, daß mir bei der Praxis die Jahnas begegneten und ich daraus schließe, daß diese Technik auch zur vollständigen Befreiung führen kann.
Tatsächlich sind die Angaben in den Schriften zur richtigen Technik sehr vage. Allerdings kenne ich aus den Numerischen Texten ein Sutra, in dem der Buddha ausführt, daß die Körperachtsamkeit zu vergleichen sei mit einem Geist, der den ganzen Ozean umfasst: er schließt darin auch das Wasser aller Nebenflüsse ein, welche in den Ozean münden! Also ein klarer Weg zur Befreiung.( Even as one who encompasses with his mind the mighty ocean includes thereby all the rivulets that ru into the ocean; just so, O monks, who ever develops and cultivates mindfulness directed to the body includes thereby all the wholesome states that partake of supreme knowledge. Anguttara Nikaya, I, xxi; “Mindfulness directed to the Body”, zitiert nach Nyanaponika Thera u. Bikkhu Bodhi, Numerical Discourses of the Buddha; 1999 BPS, Kandy)
Und das Sutra geht weiter indem der Buddha „mindfulness directed to the body“ als „the one thing“ hervorhebt welches grosse Sicherheit gegen Anhaftung, zur Aufmerksamkeit, zu klarem Verständnis, zur Realisierung der Früchte von Weisheit und Befreiung, zur Ruhe des Körpers und des Geistes, etc., etc., letztlich als „das“ Mittel zu vollständiger Befreiung hervorhebt!
Bleibe ich bei diesem Beispiel, so scheint mir das achtsame Sweeping des Körpers wie Goenka es lehrt am ehesten dem Text des Sutras entsprechend. Schaue ich weiter auf die Resultate der Praxis, so bin ich überzeugt, daß diese Technik alleine den ganzen Weg eröffnen kann.
Tatsächlich begegnet einem bei der Körperachtsamkeit, je feiner sie wird, alles was man wissen muß: man fühlt den Zusammenhang zwischen Gedanke und Schmerz unmittelbar! Man fühlt die Unbeständigkeit von allem unmittelbar! Man fühlt den unbedingten Zusammenhang von bestimmter Ursache und folgender Wirkung (Karma) unmittelbar!
Ziehe ich Schlüsse aus diesen Erfahrungen, wird dies zu einem systematischen und erfolgreichen Weg.
Weiterhin habe ich erfahren, daß ich weitaus erfolgreicher meditiere, wenn ich die höchstmögliche Körper-Achtsamkeit auch während der Pausen, des Essens, des Ruhens, kurzum fortwährend aufrechterhalte.
Es gibt also gute Argumente dafür, sich während eines Kurses nicht abzulenken!
Wenn allerdings die guten Gründe zu Dogmen werden, wenn die Begründungen nicht sachlicher, sondern ideologischer Art sind, dann geht tatsächlich etwas schief. Und das passiert in großen Teilen der Organisation.
Ich bin übrigens auch von der weiteren Teilnahme an Kursen ausgeschlossen. Man will mich vor mir selber schützen, weil ich eindrucksvolle Kundalini-Erfahrungen gemacht habe, welche nach Ansicht der Lehrer auf einer Abweichung von der vorgeschriebenen Technik beruhen müssen. Dumm gelaufen …
Hallo mk/Martin,
Wie oben eingehend dargestellt, dient das Reinheitsverständnis in der Lehre und Methode von S. N. Goenka keineswegs der Absicht, die Du mit Deinem letzten Kommentar suggerierst: nämlich eine Vereinnahmung der Lehre des Buddha durch den Hinduismus zu verhindern, indem keine Vermischungen der Lehre des Buddha mit dem Hinduismus zugelassen werden.
Vielmehr wird mit jenem Reinheitsverständnis in der Lehre und Methode von S. N. Goenka ein bewusst hergestelltes Mischprodukt aus Hinduismus und Buddhismus (frühem und etwa mit der Lehre von den Kalâpas auch sehr spätem Buddhismus) vor Enttarnung oder Aufdeckung geschützt.
Dies geschieht dadurch, dass jene goldene Verpackung der „reinen Technik“ und des „reinen Dhamma“ des Buddha von dem ganz anders gearteten, das heißt sehr gemischten Inhalt jenes golden verpackten Pakets ablenken soll.
Das ist doch nun wirklich hinlänglich klar geworden, oder?
Ich glaube übrigens, dass es auch Dir klar geworden ist. Aber Du versuchst halt – als ein sehr alter Schüler, der in wichtigen Treffen der Tradition mitmischt – Dein geschickt Bestes, um Deine Tradition vor den hier vorgebrachten Analysen zu schützen. Das ist nachvollziehbar; aber nicht beeindruckend.
Vertreter eines derart klaren Mischproduktes, mit dem – ganz entgegen jenem Reinheitsanspruch bzw. jener goldenen Verpackung – Grundaussagen der ältesten vollständig überlieferten Redensammlungen des Buddha im Palikanon verwässert werden, sollten solche Forderungen nicht aufstellen, wie Du sie mit Deinem Kommentar aufstellst; nämlich:
„Diese Abgrenzung zu anderen Traditionen schützt auch vor Verwässerungen mit allen möglichen New Age Bewegungen und indivduellen Glaubensdogmen im Westen und hat somit meiner Meinung nach auch im Westen eine Existenzberechtigung.“
Aber hier schimmert durch, worum es eigentlich geht:
Die Individualität soll eingeschnürt werden, damit die Vertreter zu nahtlosen und in gewissem Sinne nicht mehr nachdenkenden „Verteidigern“ werden. Eben deshalb scheint mir jenes hinduistisch vorgeprägte, dem indischen Kastensystem entlehnte und dann buddhistisch modifizierte Reinheitsverständnis im Westen wenig Existenzberechtigung zu haben. Denn hier haben Aufklärung, die Menschenrechte, Respekt vor dem Individuum, Demokratie und wissenschaftlich-kritisches Denken die Menschen geprägt.
Noch einmal: Jenes Reinheitsverständnis gilt im buddhistischen Vergleich lediglich in dieser Tradition. In anderen, rein buddhistisch vorgeprägten Vipassana-Traditionen gibt es dazu keine Parallele. Also vergiss es, das Reinheitsverständnis Deiner Tradition sogar auch noch auf die anderen Vipassana-Traditionen „anwenden“ zu wollen.
Denn Du schreibst in diesem Sinne ja:
„Inwiefern das Reinheitsverständnis dieser Tradition in Zukunft im Allgemeinen und im Westen im Speziellen zweckmässig ist und auf andere Vipassana-Traditionen anwendbar ist, soll natürlich kritisch in Frage gestellt werden …“.
Bemühe Dich vielmehr darum, sofern es die Anteile an Integrität und klarer Einsicht in oder hinter Deinem Vertretergeist zulassen, jenes Reinheitsverständnis als ein führendes Mitglied in Deiner eigenen Tradition zu hinterfragen.
Dazu fordere ich auch jeden anderen alten Schüler der Tradition von S. N. Goenka auf, gerade wenn es ihm oder ihr um die dort ja so viel beschworene „Lehre des Buddha“ geht.
Der große Test:
Wenn für aufbauende Kurse in dieser Tradition nicht mehr zur Voraussetzung gemacht wird, vorher ausschließlich jene vermeintlich „reine Technik des Buddha“ praktiziert zu haben – damit also die individuelle Entscheidung des Einzelnen auf dem spirituellen Weg und damit das Individuum selbst respektiert wird – seid Ihr auf dem richtigen Weg (wie ihn die anderen Vipassana-Traditionen gehen)!
Bald werde ich hier die Kritik einen Gang höher schalten, durch einen neuen Blogeintrag, sozusagen Teil 2 der Kritik an der Tradition von S. N. Goenka. Dabei werde ich die Vorgehensweise und Argumente eines Vordenkers der Tradition von S. N. Goenka analysieren und mit den Reden des Palikanosn vergleichen.
Der Eintrag wird heißen: „Die Haltung der Tradition zur Funktion des Denkens und der Konzepte.“
Vielleicht geht Dir ja dann ein Licht auf.
Herzlich, Hans
Mich hat eigentlich auch schon immer interessiert, ob sich Goenka seinem „alten Glauben“ noch verbunden fühlt und in diesem noch so aktiv ist wie früher. Er sagt ja, daß er früher Vorsitzender und Sprecher der hinduistischen Gemeinde in Burma war und aus diesem Grund große Berührungsängste mit dem Buddhismus hatte.
Das sich in seinem Verständnis von Buddhismus Elemente seiner alten Religion finde könnten ist ja eigentlich nur menschlich. Psychologisch ist das ja vollkommen nachvollziehbar, daß man seine ganzen alten Glaubensvorstellungen, mit denen man so sehr indentifiziert war nicht einfach so loslassen kann.
Ein Grund des hier kritisierten Reinheitsverständis könnte auch – wie Hans Gruber oben schreibt – darin gesehen werden: „In Indien ist vielmehr auf die konkurrierende Religion generell immer so reagiert worden, dass man sich deren attraktive Bestandteile unter dem eigenen Etikett “einverleibt” hat, um sie auf diese Weise zu unterminieren.“
Was macht man also dagegen, wenn man will, dass die Lehre des Buddha nicht vom Hinduismus vereinnahmt wird? Ist historisch gesehen ja schon einmal passiert. Man lässt keine Vermischungen zu, was in der Konsequenz insbesondere zu dem hier beschriebenen Reinheitsverständnis führt. Für mich zumindest ist dies der plausibelste und naheliegendste Grund. Diese Abgrenzung zu anderen Traditionen schützt auch vor Verwässerungen mit allen möglichen New Age Bewegungen und indivduellen Glaubensdogmen im Westen und hat somit meiner Meinung nach auch im Westen eine Existenzberechtigung. Inwiefern das Reinheitsversändnis dieser Tradition in Zukunft im Allgemeinen und im Westen im Speziellen zweckmässig ist und auf andere Vipassana-Traditionen anwendbar ist soll natürlich kritisch in Frage gestellt werden, was dieser Blog auch auführlich macht. Sehe hier wie ihr auch Veränderungsbedarf in manchen Punkten.
Hallo zusammen,
Danke für die weiteren aufschlussreichen Kommentare. Manche Eurer bisherigen Kommentare haben mir Neues eröffnet oder mich auf „Denkbahnen“ gebracht, die mir bestimmte Aspekte noch klarer gemacht haben.
Zunächst zu Euren Fragen und dann weitere Aspekte, die ich hier erörtern will:
KM hat oben gefragt:
„Bin ich ,abgezockt´ sei, wenn ich das große Angebot an Kursen wahrnehme, obwohl ich schon ganz genau weiß, dass ich mich auf das “Verbot”, andere Techniken zu praktizieren, nicht einlassen werde?“
Nein, da bist Du nicht „abgebrüht“, sondern bleibst Dir bloß selbst treu.
Denn erstens gibt es ein solches „Verbot“ in keiner der anderen Vipassana-Traditionen, die sich ja allesamt auf den historischen Buddha (im Sinne der ältesten vollständig überlieferten Redensammlungen des Buddha im Palikanon) berufen. Das sollte bereits jedem klar zeigen, dass jenes Verbot mit diesen Redensammlungen nicht vereinbar ist. Dass Interessierte für aufbauende Kurse genug Meditationserfahrung in generellem Sinne mitbringen sollten, gilt in jeder Vipassana-Richtung. Aber in welchen Traditionen diese Erfahrungen gesammelt worden sind, ist die individuelle Entscheidung jedes Einzelnen. Niemand sollte sich eine bestimmte Richtung vorschreiben lassen.
Zweitens ist die Unterscheidung zwischen der reinen Technik des Buddha und den anderen, vermeintlich weniger reinen oder unreinen Techniken des Vipassana, mit der jenes „Verbot“ begründet wird, ohne Grundlage.
Diese Unterscheidung ist letztlich das Produkt der hinduistischen Kasten- bzw. „Reinheits“-Konditionierung S. N. Goenkas (ob diese nun unbewusst wirkt oder bewusst umgesetzt wird). Damit fällt die Begründung für jenes Verbot bzw. des Sich-Daran-Gebunden-Fühlen-Sollens weg.
Drittens fungiert jenes Verbot in Verbindung mit dem starken Eindruck, den jede ernsthafte Achtsamkeitsschulung hinterlässt, für diese Tradition auch als ein Instrument, eine ausschließliche Hingabe und eine Art „Kadergehorsam“ herbeizuführen. Damit einhergehend ist das zunehmende Aufhören des eigenen Nachdenkens, das heißt das wachsende Denken auf der „Schiene“ alleine dieser Tradition.
Niemand hat das Recht, das herbeizuführen, und auch niemand sollte das mit sich machen lassen – nämlich sich zu einer Art von „Meditationssoldaten“ zur wehrhaften, quasi-ideologischen Verteidigung der Tradition von S. S. Goenka „ausbilden“ zu lassen.
Ich kenne etwa den Fall eines sehr alten Schülers, der hier in Hamburg seine Wohnung für die regelmäßige Gruppe zur Verfügung stellt (was bloß sehr alte Schüler unter bestimmten Voraussetzungen machen dürfen). Er ist ein offener Typ und hat sich immer wieder überlegt, mit dem bekannten Vipassana-Lehrer Bhante Sujiva einen Kurs zu machen. Dann nicht mehr, mit der Begründung, dass Assistenzlehrende seine Zweifel ausgeräumt hätten. Er will auch einen sehr langen Kurs in der Tradition von Goenka machen und weiß, dass er diesen Kurs wohl nicht mehr machen könnte, wenn er mit Bhante Sujiva einen Kurs gemacht hat. Außerdem könnte es ihm untersagt werden, dass er danach weiterhin seine Wohnung für die regelmäßige Gruppe zur Verfügung stellt. Denn aus Sicht der entscheidenen Instanzen dieser Tradition kämen bei der regelmäßigen Gruppe dann andere, weniger reine bzw. unreine „vibrations“ mit ins Spiel.
Diese Probleme will er wohl vermeiden und „verbiegt sich“ dafür. So geht es dann langsam in Richtung jener bescheuklappten „Meditationssoldaten“.
Es gibt zweifellos viele gute Leute in dieser Tradition, wie ich sie getroffen habe und kenne. Und die Servicekurse sind eine gewinnbringende Erfahrungen, nach den beiden Servicekursen zu urteilen, die ich gemacht habe.
Trotzdem gibt es auch jene Punkte, an die sich aufmerksame und kritische Geister wie ich stoßen (werden). Da bin ich nicht der einzige (gerade auf dem letzten Servicekurs hatte ich gute Gespräche über jene Punkte mit einem ähnlich gesinnten „Server“).
Ein Beispiel, woran ich mich beim letzten Mal (dem Jahresendkurs 2008 in der Tschechei) gestoßen habe:
Gegen Ende des Kurses gab es ein Treffen aller Server mit den beiden Assistenzlehrenden. Es wurde klar, dass die Spenden auf jenem großen Kurs mit über 100 Teilnehmenden nicht genügten, um die Unkosten zu decken. Ich fragte, warum am Ende eines Kurses die Assistenzlehrenden nicht verbal auf den Hintergrund und Zweck des Spendenprinzips hinweisen (wie ich es von anderen Vipassana-Kursen kenne). Denn es sei doch ein Prinzip, das vielen nicht wirklich vertraut sei, weshalb mir eine mündliche Erklärung und „Erinnerung“ daran sinnvoll erscheine. (Die Unkosten für eine Person auf einem Zehntageskurs sind rund 200 €. Das beinhaltet alles: Kurslehren, gute Unterkunft, gute Verpflegung, und ist nicht viel. Man könnte „orientierend“ darauf im Rahmen jener Erklärungen hinweisen. Genauso sollte natürlich auch gesagt werden, dass wer es nicht aufbringen kann, natürlich auch weniger geben kann. Wenn die Spenden anonym erfolgen, müsste kein „Geringspender“ ein schlechtes Gewissen haben.)
Die Reaktion war ein betretenes Schweigen; und dann eine ausweichende kurze Antwort, dass es nicht üblich sei.
Weil es keinen wirklich guten Grund gegen eine solche mündliche Erklärung und gewissermaßen „Vergegenwärtigung“ des Spendenprinzips am Ende eines Kurses gibt, die sicher mehr Spenden brächte, entstand für mich der folgende Eindruck:
Es geschieht nicht, weil die Vorgabe „von oben“ lautet, dass alles getan werden soll, um möglichst viele zu beeindrucken, so dass möglichst viele wieder kommen und die Tradition möglichst schnell wächst.
Wenn auf einem einführenden Zehntageskurs durch die Spenden nicht genügend Geld zusammenkommt, um die Unkosten zu decken, kommt es aus anderen Quellen – eventuell anderen Zentren (wobei ich auf eine frühere Frage hin gehört habe, dass dies nicht der Fall sei) oder dem eigentlichen Mutterland dieser Tradition des Vipassana „wie gelehrt von“ dem Inder S. N. Goenka, Indien.
Dass Indien das Mutterland der speziellen Abwandlung des Vipassana-Ansatzes des burmesischen Buddhisten U Ba Khin durch S. N. Goenka ist, dafür spricht auch folgende Tatsache: In Burma selbst hat der Ansatz Goenkas geringen Einfluss; in Indien dagegen ist er mit vielen großen Zentren und zahlreichen Unterstützern im weltweiten internen Vergleich dieser Tradition mit großem Abstand am einflussreichsten: Die Hälfte der weltweiten Neuschüler sind Inder; und mit 55 fast die Hälfte der 122 Zentren der Tradition stehen in Indien (darunter die größten).
Die 122 Zentren der Tradition sind zumeist große Zentren mit praktisch fortlaufendem Kursbetrieb (was aufgrund der Kasstten- und Video-Übermittlung der Lehren von Goenka möglich ist). Regelmäßige Kurse werden in 92 Ländern gegeben, und wo es bisher keine Zentren gibt, an angemieteten Plätzen. Assistenzlehrende gibt es über 800. An den Zehntageskursen nahmen 2007 insgesamt rund 90.000 Menschen teil.
In Burma wird Goenkas Ansatz von den maßgeblichen und besonders kundigen Autoritäten der Lehre des Buddha laut Palikanon wenig anerkannt. Dort sind andere Vipassana-Ansätze deutlich einflussreicher, vor allem der Ansatz Mahasi Sayadaws (der auch weltweit große Bedeutung hat). Die burmesische Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi zum Beispiel, die seit Jahrzehnten von den Militärdiktatoren Burmas wegen ihrer enormen Popularität im Volk unter Hausarrest gehalten wird, bezeichnet diese Methode als ihre eigentliche Kraftquelle. Sie hat bei den freien Wahlen Ende der Achtziger einen Erdrutschsieg errungen, der danach von den Militärs einfach annulliert wurde. Sie regieren gegen das ganze Volk.
Absolut im Vordergrund steht in der weltweiten Tradition S. N. Goenkas in jedem Fall das schnelle Wachstum und die starke Verbreitung, sprichwörtlich „koste es, was es wolle“.
Zu den möglichen Motiven habe ich oben Näheres gesagt. Stichwort: möglichst vielen jenes mit dem Anspruch der „reinen Technik und dem reinen Dhamma des Buddha“ glänzend verpackte Paket, das einen wie beschrieben sehr durchmischten Inhalt hat, zu vermitteln – um auf eine solche „geschickte Weise“ auch nichtbuddhistische Reinheits- und „(wahres) Selbst“-Lehren an die Frau oder den Mann zu bringen. Dafür scheinen einige Förderer in einer gewissen „Missionstätigkeit“ bereit zu sein, viel Geld auszugeben.
In diesem Zusammenhang klar zu sehen ist auch, dass es ein primäres historisches Merkmal des Wechselverhältnisses der „indischen“ Religionen (wie des Hinduismus, Jainismus und des in Indien entstandenen Buddhismus) zueinander ist, dass sie sich nicht gewaltsam bekriegen, wie es stark ausgeprägt für die Geschichte der monotheistischen bzw. abrahamitischen Religionen gilt.
In Indien ist vielmehr auf die konkurrierende Religion generell immer so reagiert worden, dass man sich deren attraktive Bestandteile unter dem eigenen Etikett „einverleibt“ hat, um sie auf diese Weise zu unterminieren. Oder aber man vermittelt unter dem Etikett der konkurrierenden Religion – wenn diese wie heute der Buddhismus weltweit deutlich einflussreicher ist -, Kernbestandteile der eigenen Religion. Dies ist der Fall bei der buddho-hinduistischen Vipassana-Tradition von S. N. Goenka und dessen Förderer.
Trotz dieser weiteren Kritik stimme ich XY voll zu, der gesagt hat:
„Hoffentlich ändert sich etwas an dem Verein, denn ich denke, daß er sehr viel Potential hat, wenn diese eklatanten Mängel beseitigt sind und zu einem Segen für die Gesellschaft werden kann. Selbst wenn das nicht der Fall ist, ist schon viel gewonnen, wenn die Teilnehmenden über die geschilderten ,Besonderheiten´ Bescheid wissen und nicht mehr für dumm verkauft werden können.“
Angesichts der wachsenden Probleme in ökologischer, wirtschaftlicher und politischer Hinsicht, die alle durch einen Mangel an Achtsamkeit bzw. Einsicht in die tieferen Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge begründet sind, bedarf es der groß angelegten Vermittlung ernsthafter Achtsamkeitsmeditation. Das gilt um so mehr, als von Seiten der weltweit besonders einflussreichen monotheistischen Glaubensreligionen im Hinblick auf ernsthafte Achtsamkeitspraxis wenig kommt (und aufgrund der Struktur einer „Glaubensreligion“ im Unterschied zu einer „Praxisreligion“ auch wenig kommen kann). Die Tradition von S. N. Goenka vermittelt eine solche Praxis breit angelegt; selbst wenn diese Tradition zugleich in missionarischer Weise zwecks Verbreitung bestimmter indisch-hinduistischer Werte aktiv ist, die ziemlich problematisch sind.
Aber notwendige Änderungen innerhalb dieser Tradition werden aus den genannten Gründen wohl bloß von der „Basis“ dieser Tradition kommen können. Dazu sollte sich jeder aufgefordert fühlen, vor allem dann, wenn es ihr oder ihm um die Lehre des Buddha geht, wie sie durch die ältesten vollständig überlieferten Redensammlung des Buddha im Palikanon überliefert ist.
PS: Bis 24. Juno kann ich wegen baldiger Abwesenheit nicht antworten, freue mich aber über das gute Gespräch und auf den weiteren Fortgang dieser wichtigen Diskussion (gerne auch „ohne mich“ bis Ende Juno).
Beim nächsten Mal werde ich einen besonders aussagekräftigen aktuellen Beleg für jene gewissen Expansionsbestrebungen „um jeden Preis“ in Form eines bestimmten aktuellen „PR-Coups“ der Tradition liefern.
Wichtig finde ich außerdem diese Frage:
Warum spricht die oben beschriebene spezielle Reinheitsbetonung dieser Tradition offenbar viele Menschen auch außerhalb des hinduistischen Indiens an? Denn diese Art der Reinheitsbetonung hat auch jene verschiedenen Schattenseiten.
Herzliche Grüße, Hans
P.S.: Wer sich einen ersten unabhängigen Überblick über die Vipassana-Bewegung als Ganzes verschaffen möchte, sei auf den Wikipedia-Eintrag zu Vipassana verwiesen. Er stammt überweigend von mir (manche Aussagen nicht; so würde ich etwa die Übersetzungen der Reden des Buddha durch Karl Eugen Neumanns nicht empfehlen, sondern ich rate stark von ihnen ab; vgl. zu den von mir empfohlenen Übersetzungen hier weiter oben; mein Wikipedianame ist Pramanam und die Erstellung liegt ein paar Monate zurück; übrigens hat ein Sichter mein Buch dort an die erste Stelle unter die Buchempfehlungen gesetzt).
Früher war dieser Wikipedia-Eintrag ein von Goenka-Schülern verfasster, einseitiger PR-Eintrag, weshalb ich dort aktiv geworden bin.
Auf meiner Website gibt es viel weiteres Material zu Vipassana (vgl. dort etwa diese Sammlung von Texten im herunterladbaren Dokument, Sammlung von Audios oder Sammlung von Links). Wenn mein Kursbuch Vipassana: Wege und Lehrer der Einsichtsmeditation in Neuausgabe erscheint, werde ich es hier bekannt geben.
Mir geht es ähnlich wie Dir KM. Anfangs war ich sehr begeistert von der Tradition, wegen den von Dir genannten Gründen, wegen der freiwilligen Hilfe, der Spendenbasis, weil es keine Rituale und Zeremonien gab und vielem mehr. Ich hatte sogar mit dem Gedanken gespielt als Langzeithelfer für ein halbes Jahr dort zu arbeiten. Die Tradition hatte auf mich einen liberalen und sehr sozialen Eindruck gemacht.
Ich hatte schon anfangs bei einigen Äußerungen Goenkas ein seltsames Gefühl, daß da was nicht ganz koscha ist. Ich habe mir aber gesagt, daß Goenka halt etwas übertreibt und beschönigt, um die Leute zu motivieren. Das ungute Gefühl hat sich dann besonders im Satipatana-Kurs verstärkt. Gerade von diesem hatte ich mir erhofft, daß er meine Zweifel aus dem Weg räumt. Eine Assistenzlehrerin hatte mir nämlich geraten weiter dranzubleiben bis zum Satipatanakurs als ich ihr meine Zweifel bezüglich der „Originalität“ geäußert habe und mir gesagt, daß bei diesem alle Unklarheiten beseitigt werden. Als dann schließlich mir auch noch verboten wurde ein Buch über den Buddhismus auf das Gelände zu bringen (wohlgemerkt außerhalb des Kursbetriebes, bei anstehenden Renovierungsarbeiten!) war es mit meiner Begeisterung für Gonkas „nicht-sektierische“ Sekte eigentlich vorbei.
Service werde ich wohl nicht mehr geben, doch ich nehme dennoch an Kursen teil zum Meditieren. Das ist natürlich mit meinen ganzen Vorbehalten schon eine Herausforderung, denn man muß ja die ganzen Abendvorträge mithören und es verlangt schon eine Extraportion Gleichmut wenn man einige von Goenkas legendären Märchen zum zehntenmal aufgetischt bekommt. Diese werden ja gegen Kursende immer waghalsiger. Beim letzten Kurs kam da schon einiges an Aggresion hoch, aber ich denke, das ist für mich auch eine gute Übung in Gleichmut. Und alles in allem betrifft das ja nicht alles was Goenka von sich gibt, das Meiste von dem was er sagt ist ja vernünftig.
Hoffentlich ändert sich etwas an dem Verein, denn ich denke, daß er sehr viel Potential hat, wenn diese eklatanten Mängel beseitigt sind und zu einem Segen für die Gesellschaft werden kann. Selbst wenn das nicht der Fall ist, ist schon viel gewonnen wenn die Teilnehmen über die geschilderten „Besonderheiten“ bescheitwissen und nicht mehr für dumm verkauft werden können.
Was die Goenka-Tradition und ihre Kurse angeht, bin ich in einem Zwiespalt:
Einerseits stößt mir der Alleinvertretungsanspruch gegenüber anderen Vipassana-Richtungen und die eindeutige Empfehlung, keine anderen Techniken zu praktizieren ziemlich unschön auf. Ich finde das in diesem Punkt (aber nur in diesem Punkt, nicht in anderen Aspekten) durchaus sektenhaft. Dass alle Anweisungen vom Band kommen, finde ich auch seltsam.
Andererseits finde ich den durchorganisierten Tagesablauf, die Dauer von 10 Tagen und die aufeinander aufbauenden Anleitungen (auch wenn sie vom Band kommen) sehr hilfreich und für ein Erlernen der Meditation sehr förderlich. Dass alles auf Spendenbasis ist, bewundere ich ebenfalls sehr. Und dass so dermaßen viele 10-Tageskurse angeboten werden, ist für mich einfach praktisch, weil ich aus beruflichen Gründen eingeschränkt bin, wann ich Urlaub nehmen kann. (Habe z. B. neulich mal nach 10-Tageskursen aus anderen Traditionen Ausschau gehalten und bei Weitem nicht so ein „Angebot“ gefunden; mir scheint, dass in anderen Traditionen häufiger kürzere Kurse als 10 Tage angeboten werden).
Vielleicht bin ich nicht der einzige mit diesem Zwiespalt.
Wie geht Ihr denn damit um? Hattet Ihr Eure kritische Einstellung gegenüber der Tradition schon zu einem Zeitpunkt als Ihr dort Kurse belegt und Service gegeben habt oder kam das erst später?
Bin ich „abgezockt“, wenn ich das große Angebot an Kursen wahrnehme, obwohl ich schon ganz genau weiß, dass ich mich auf das „Verbot“, andere Techniken zu praktizieren nicht einlassen werde?
Ist das für Euch gut möglich gewesen, dort Service zu geben, wenn Ihr innerlich an vielen Punkten der Tradition Kritik hattet?
Würde mich mal interessieren, wie Ihr dazu steht.
Ich möchte einen weiteren Punkt betonen, den ich an der Goenka-Tradition für sehr problematisch halte:
Als neuer Teilnehmer, der noch nichts von der Tradition weiß und nur die Werbetexte auf der Homepage und in den Auslagen kennt, ist es sehr schwer ersichtlich, dass die Assistenzlehrer keine neutralen, aufgeschlossenen Ansprechpartner sind. Durch die für einen Einsteiger ersichtliche PR ist nämlich nicht zu erkennen, welche Alleingeltungsansprüche die Tradition erhebt.
Und so wird ein Anfänger, der sich vertrauensvoll an einen Assistenzlehrer wendet, um etwas zu fragen, oft in die Irre geführt. Das habe ich mehrmals erlebt, als ich Kursbetreuer war und so häufig die Gespräche mithören konnte. Bei Fragen zum Vergleich zu anderen Techniken, wie z. B. zur Erlangung der Vertiefungen Jhanas, gab der Lehrer schlicht falsche Informationen weiter. Ich hatte mich in den ersten Kursen auch selbst bei Fragen an die Lehrer gewandt.
Aber welche Objektivität kann man von einem Assistenzlehrer erwarten, der durch die ganzen Kontrollmechanismen der Tradition auf die interne Linie gebracht wurde?
Hallo XY und MK,
Hinter der von S. N. Goenka und der von ihm autorisierten Führer seiner Tradition betriebenen „Monopolisierung“ des Begriffs „Vipassana“ (in Form des Anspruchs, dass die dort gelehrte Vipassana-Methode die „reine Technik“ des historischen Buddha sei) steht noch etwas Anderes:
Wie Du richtig bemerkst, XY, entwickeln sich auf den Zehntageskursen der Goenka-Tradition für viele Teilnehmer bestimmte Versenkungszustände, wie auch auf den Kursen der anderen Vipassana-Traditionen. Denn diese Vertiefungszustände sind eine wichtige Stufe auf dem Weg der systematischen Schulung der Achtsamkeit, die – mit unterschiedlichen Methoden – ja das Kernmerkmal aller Richtungen des Vipassana ist.
Von solchen Versenkungszuständen beeindruckt, sind viele Teilnehmer der Zehntageskurse bereit, den von Goenka am Ende der Kurse stark formulierten Reinheits- bzw. Alleingeltungsanspruch (in dem Sinne, dass die von ihm gelehrte Methode des Vipassana die Methode des Buddha gewesen sei und folglich das reine Vipassana wäre) relativ kritiklos zu übernehmen. Infolge dessen werden sie anderen Vipassana-Richtungen keine nähere Aufmerksamkeit mehr widmen.
Dieses Desinteresse wird noch durch jene andere irreführende Behauptung Goenkas und der von ihm autorisierten Führer seiner Tradition gleichsam abgesichert, nämlich die Behauptung, dass diese reine Technik des Buddha und die sie begleitende Lehre nichts mit den Religionen des Buddhismus oder des Hinduismus zu tun habe, sondern die reine „Kunst des Lebens“ wäre (wie Goenka die frühbuddhistische Bezeichnung „Dhamma“ modern übersetzt).
Das wirkt ziemlich attraktiv, und außerdem sind viele heutige Menschen skeptisch gegenüber „Religion“ generell. Infolge dessen betrachten viele Anhänger der Goenka-Tradition, wenn sie von anderen Methoden des „Vipassana“ hören, diese dann als Formen des Buddhismus, die sie nicht weiter interessieren.
Wie oben im Einzelnen aufgezeigt und näher begründet, sind beide Behauptungen bzw. Ansprüche falsch und irreführend.
Aber diese doppelte Beeinflussung bewirkt, dass die Schüler der Goenka-Tradition die hier vertretene Methode und Lehre kaum noch mit anderen Vipassana-Methoden und -Lehren vergleichen – eben im Glauben, dass diese anderen Methoden nicht „rein“ seien, sowie in einem buddhistischen Sinne „religiös“, und damit keine reine „Kunst des Lebens“ mehr.
Außerdem müssen die Anhänger geradezu fürchten, wenn sie sich näher mit anderen Vipassana-Methoden und -Lehren befassen, dass sie nicht mehr zu den aufbauenden Kursen der Goenka-Tradition „zugelassen“ werden. In jener Frage der Praxis anderer Methoden werden sie vor den aufbauenden Kursen ja zunehmend strikt kontrolliert.
Mit dieser typischen geistigen Ausrichtung der Anhänger (wie ich sie aus einigen persönlichen Begegnungen bestätigen kann) ist der Boden bereitet, dass die Goenka-Tradition ihre tatsächliche „Mischform“ aus hinduististischen und buddhistischen Elementen, was ihre Methode wie Lehre angeht, wirksam bzw. langfristig an die Frau oder den Mann bringen kann – das heißt geschützt vor Hinterfragtwerden. Damit wird auch effektiv jenes spezifische, oben näher thematisierte hinduistische Reinheitsverständnis vermittelt. Daran besteht großes Interesse, vor allem von Seiten der hinduistisch vorgeprägten indischen Unterstützer der Tradition; und aus Indien kommt hier die größte Unterstützung (vgl. dazu meinen obigen Kommentar).
In anderen Worten:
Durch jene doppelte Beeinflussung wird effektiv ein „Paket“ vergeben, dessen glänzende Verpackung die „reine Methode“ oder der „reine Dhamma“ (als „die Kunst des Lebens“) des Buddha ist, dessen wirklicher Inhalt jedoch eine Mischung aus frühbuddhistischen und hinduistischen Elementen ist. Dieses Paket in Händen haltend, sind die Rezipienten an den anderen Formen des Achtsamkeitspraxis Vipassana nicht mehr interessiert. Denn jetzt betrachten sie diese anderen Formen – im Vergleich zu ihrem Paket der vermeintlich reinen Methode und Lehre des Buddha – als Pakete von minderer „religiös-buddhistischer“ Qualität.
Auf diese Weise ist also jenes von S. N. Goenka und seinen Unterstützern vielfach vergebene „glänzende“ Paket auch ein starkes Mittel der Abwehr oder gar Unterminierung der anderen „buddhistischen“ Formen der Achtsamkeitspraxis Vipassana (welche der Lehre des historischen Buddha laut Palikanon objektiv eher näher stehen als das Paket von S. N. Goenka, das bloß mit glänzendem Material schön verpackt worden ist). Bestimmte Vergeber jenes Pakets freuen sich sehr über diese Wirkung.
Eine Änderung der hier und oben beschriebenen „Schattenseiten“ der Tradition erscheint mir bloß durch ein Aufbrechen jener doppelten unbewussten Beeinflussung möglich.
Die Schüler sollten ein vorhandenes Unbehagen klar zum Ausdruck bringen und damit weiter gehende Diskussionsprozesse innerhalb dieser Tradition anstoßen. Es müsste also immer mehr ein positiver „Druck“ von der „Basis“ der Teilnehmer her ausgeübt werden; sowie durch eine öffentliche Diskussion wie diese hier (eine Teilnahme daran ist ja ohne Namensnennung auch anonym möglich). Zudem kann sie mit den neuen Blogfunktionen etwa via Facebook oder Email leicht eventuell interessierten Freunden und Bekannten mitgeteilt werden (mit dem Facebook-Button nach einem Eintrag kann gezielt dieser jeweilige Eintrag via Facebook mitgeteilt werden; oder mit dem Email-Button nach einem Eintrag öffnet sich sendefertig eine leere Email Deines Emailprogramms mit dem Link zu diesem Eintrag und dem enstprechenden Betreff).
Eine Änderung wird voraussichtlich kaum von den Führern der Tradition selbst ausgehen (was aber – hoffentlich – täuschen kann). Der Grund für diese letztere Vermutung:
Durch das in seinen Hauptaspekten oben beschriebene System der Sicherstellung von Gefolgschaft von Anfang an und vor allem der „Aussiebung“, je stärker ein Anhänger in diese Tradition über die aufeinander aufbauenden Kurse eintaucht, sind schließlich die Assistenzlehrenden und die intellektuellen Verfechter dieser Tradition an der Spitze ihrer Hierarchie durch eine gewisse „Uniformität“ in der Wiedergabe der Lehren von S. N. Goenka charakterisiert. Ich habe selbst einmal erlebt, wie eine ausführliche, sehr gut begründete und sachliche schriftliche Kritik eines alten Schülers mit für mich inhaltlich klar vorhersehbaren Argumenten von Assistenzlehrenden schnell abgeblockt worden ist.
Außerdem kommt es in dieser Tradition nicht selten vor, dass sich sehr alte Schüler plötzlich von ihr abwenden (was mir auch etwa Christopher Titmuss, der Mitbegründer des altetablierten und großen englischen Gaia-House, wo verschiedene Vipassana-Lehrende lehren, bestätigt hat). Das heißt, sie sehen keine Möglichkeit, ihre Unzufriedenheit in der Tradition adäquat zum Ausdruck zu bringen. Die anderen, die bleiben und schließlich zu Lehrenden werden, sind weitgehend überzeugte „Vertreter“.
S. N. Goenka ist in hohem Alter. Wenn er nicht mehr ist, gibt es eine besondere Möglichkeit zu Änderungen.
Sie müssen aber nicht bloß in einer wahrheitsgetreuen Selbstdarstellung der Tradition zum Ausdruck kommen (das heißt einer Aufgabe des Anspruchs, die „reine Technik des Buddha“ zu lehren), sondern ebenfalls in einer Modifikation bestimmter, mit jenem alten Alleingeltungs- bzw. Reinheitsanspruch verbundener Merkmale. So dürfte es zum Beispiel keine Voraussetzung für die aufbauenden Kurse mehr sein, dass die Teilnehmer längere Zeit vorher ausschließlich die von Goenka gelehrte Vipassana-Methode praktiziert haben. Sie sollten natürlich als Voraussetzung für die aufbauenden Kurse eine größere Vorerfahrung in Achtsamkeitsmeditation generell haben, aber diese Vorerfahrung bräuchte sich nicht auf eine bestimmte Methode zu beschränken (wie es in allen mir bekannten Vipassana-Traditionen üblich ist).
An einer solchen Änderung ließe sich leicht erkennen, dass die Tradition ihren wissenschaftlich unhaltbaren Reinheitsanspruch in Bezug auf ihre spezifische Methode aufgegeben hat.
Es ist nicht richtig, dass auch andere Vipassana-Traditionen einen vergleichbaren Reinheitsanspruch vertreten. Er ist in seinen oben beschriebenen Ausdrucksformen, was bestimmte Elemente der Methode wie der sie stützenden Lehre angeht, charakteristisch für die Tradition von S. N. Goenka.
Keiner der Begründer der großen Vipassana-Richtungen oder modernen Vipassana-Lehrer (von einem hier im Blog ebenfalls thematisierten Bhante Vimalaramsi einmal abgesehen) erhebt den Anspruch, dass seine Methode diejenige des historischen Buddha wäre, weil dieser Anspruch ganz offensichtlich im Widerspruch zu den Quellen des Palikanons stünde. Noch einmal – dort findet sich keine der heutigen Vipassana-Ansätze in deren verschiedenen methodischen Abläufen beschrieben.
Davon zu unterscheiden ist ein positives Sendungsbewusstsein ohne unhaltbaren Reinheits- bzw. Alleingeltungsanspruch, sondern aus der Überzeugung heraus, dass eine umfassende Praxis und Lehre der Achtsamkeit für die heutige Zeit besonders wichtig sei. Dies ist ja kein unhaltbarer Anspruch oder reiner Glaube, sondern ein klar nachweisbares Faktum.
Laut dem Zeugnis des Palikanons, auf den sich S. N. Goenka ausschließlich bezieht, hat der historische Buddha eine ganze Reihe von Methoden zur Ausbildung von Ethik, Ruhe und Einsicht gelehrt; und dabei alleine unter den Einsichtsmethoden keine der heutigen Vipassana-Techniken.
Er hat vielmehr offene methodische Anweisungen zur Entwicklung des Herzens und der befreienden Einsichten gegeben. Das Individuum war hier also aufgefordert, seinen eigenen Weg zu finden. Ähnliches gilt für heute. Deshalb sind Kontrollmechanismen wie in der Tradition von S. N. Goenka nicht gerechtfertigt, zumindest solange nicht, wie von ihr der Anspruch erhoben wird, die Praxis und Lehre des Buddha wiederzugeben.
Trotz dieser hier und oben vorgebrachten Kritiken ist festzuhalten, dass diese Tradition durch eine effiziente Organisation und ein ausgereiftes System des freiwilligen Dienstes ernsthafte Achtsamkeitsmeditation in breitem Maßstab vermittelt. Das erscheint mir für die heutige Zeit mit ihren gewaltigen Problemen ein großer Vorzug.
Denn in keiner anderen religiösen Tradition nimmt das Thema Achtsamkeit in methodischer und theoretischer Hinsicht, die Analyse des Geistes wie Körpers sowie das Thema des konkreten Leidens, dessen konkreter Ursachen, deren konkreten Endes und des konkreten Weges dahin einen ähnlich breiten Raum wie in der Praxisreligion des frühen Buddhismus laut Palikanon ein.
Hier liegt der große Schlüssel zur Bewältigung der heutigen Herausforderungen.
Der Schlüssel kann nicht von den Glaubensreligionen kommen, die sich Lösungen von unverifizierbaren Glaubensüberzeugungen erhoffen (etwa der Idee, dass die Menschheit wegen eines Kreuzestodes erlöst worden sei, obwohl alle empirischen Daten dagegen sprechen), von vorgestellten Göttern oder dem vermeintlich „einzigen Gott“ bzw. dessen Propheten oder „Sohn“ , jedoch die genaue Wirkungsweise des Geistes, die konkreten Manifestationen und Ursachen des menschengemachten Leidens, die Wege zu dessen Überwindung durch die höchste Entwicklung des menschlichen Potenzials und vor allem das Thema der sehenden Achtsamkeit weitgehend außer Acht lassen.
Also, dass irgend eine buddhistische Tradition für sich beansprucht, als einzige die wahre Lehre und Technik des historischen Buddha zu vermitteln und dass die ganzen anderen Schulen diese verunreinigt und verfälscht haben, (genau das behauptet er fast wortwörtlich) ist glaube ich einmalig. Solches Gedankengut findet man sonst doch sonst nur in Sekten oder in fundamentalistischen Religionen.
PS zu XY: Der Gedanke, dass heute das reine Dhamma ausgehend von Osten in die Welt getragen wird, findet sich nicht nur bei Goenka. Das hatte auch schon U Ba Khin und überhaupt ist dieser Gedanke bei unterschiedlichen traditionellen Burmesischen Vipassana Richtungen stark verbreitet. Vielleicht kann Hans dazu was schreiben.
Hallo Allerseits,
interessante Diskussion. Ich fände es auch angemessener wenn es in etwa so heissen und gelehrt werden würde wie Hans schreibt: “Wir vermitteln einen von U Ba Khin begründeten, besonders körperorientierten Vipassana-Ansatz. Er ist von S. N. Goenka so abgewandelt worden, wie er es für die heutige Zeit für notwendig hält“
Mal schauen was die Zeit bringt. Möchte dies jedoch als meine persönliche Meinung verstehen wissen, und nicht als Vertreter dieser Tradition.
Ein Gedanke, der bislang nicht aufgegriffen wurde, aber zumindest aus meinem Verständnis ein Hauptgrund für die Verbreitung und das Wachstum dieser Tradition ist. Es ist das selbstlose Service, dass dieser Tradition eine besondere Qualität verleiht. Dieses Service ist oft nicht nur Selbstlos sonder auch mit viel Wohlwollen, Mitgefühl und Freude aufgeladen, dass Menschen in besonders Weise hilft diese Qualitäten wachsen zu lassen und faszinierende Persönlichkeiten entstehen lässt.
Bspw. 75 jährige die mit ein Stoffsack ausgerüstet von Kurs zu Kurs ziehen um diesen zu leiten, dabei stetig eine grosse Klarheit, Frische und Liebe ausstrahlen, dass andere ganz einfach auch inspiriert werden ein wenig ihr Leben in diese Richtung auszurichten um selbst solche Qualitäten zu entwickeln. Ist doch wunderbar gibt es so etwas.
liebe Grüsse, mk
In den Gesprächen, die ich mit den Leuten nach Kursende hatte, ist mir kaum jemand begegnet, der bedenkenlos das akzeptiert hat, was Goenka während des Kurses so von sich gibt. Deswegen hoffe und glaube ich es auch nicht, dass Goenkas Tradition sich in der bisherigen Form in Europa stark verbreiten wird.
Für sehr Viele, die einen Goenka-Kurs besuchen, ist das der erste Kontakt mit ernster Meditation und ich hoffe sehr, dass jeder der Gefallen daran findet, sich auch außerhalb der Goenka-Tradition informiert und so ein objektiveres Bild von dem bekommt.
Selbst unter den Helfern sind die, die Goenka wie ein Papagei nachplappern in der Minderheit. Ich kann nicht glauben dass viele Menschen bereit sind als Langzeithelfer für etliche Monate oder Jahre hinweg nur in der Mauern der Tradition zu Leben und nur Goenkaliteratur zu lesen und die gleichen Goenkavorträge Tag für Tag zu hören. So jemand wird sich doch hoffentlich eines Tages fragen, ob er nicht doch in einer Sekte gelandet ist.
Ich finde es sehr traurig und schade, dass die Goenkatradition diese krassen Mankos hat. Eigentlich ist es super, dass in so großem Maßstab ernsthafte Meditation auf spendenbasis angeboten wird. Auch dass alle Kurse nur mit Hilfe von freiwilligen Helfern durchgeführt wurden hatte eine so starke positive Wirkung auf mich.
Man wird als neuer Schüler aber auch zu Anfang sehr im Unklaren darüber gelassen, welchen ungeheuren Alleingeltungsanspruch diese Tradition erhebt! Die ganzen Tage hört man die Worte „nicht-sektierrisch“ und „universal“ so häufig wiederholt und nur ganz langsam gegen Kursende offenbart sich das Ungeheuerliche. Wenn man dann, durch die tiefen Versenkungszustände verzückt (die man als Anfänger ja in der Regel nicht gewohnt ist) dann schließlich am 10. Tag Goenkas unglaubliche Behauptung hört, dass nach dem Tode Buddhas seine Lehre und seine „Reine Technik“ auf der ganzen Welt verloren gegangen ist und nur von einer Minderheit in Burma in ihrer ursprünglichen Reinheit bewahrt werden konnte und von Lehrer zu Schüler bis zu Goenka gerettet werden konnte, dann bricht man nicht etwa in lautes Gelächter aus, sondern hält das durchaus für plausibel.
Wieso behauptet er sowas? Ich verstehe das nicht. Ich denke es würde der ganzen Tradition nur gut tun, von solchen sehr gewagten Behauptungen sich loszusagen und sich auf die Meditation zu konzentrieren.
Aber egal, obwohl ich diese ganzen Mankos kenne, werde ich wohl noch einige Kurse dort sitzen und mich in völligem Gleichmut zu üben versuchen, wenn sich Goenka mit seinen legendenhaften Thesen überschlägt. Doch meiner Bereitschaft die Tradition weiter tatkräftig zu unterstützen, haben diese ganzen negativen Seiten schon sehr schwer zugesetzt.
Hallo KM,
Danke für das schöne Feedback.
Durch das Kursbuch Vipassana und andere eigene Texte (vgl. etwa auf der Eröffnungsseite meiner Website unten im Vorwort den ersten Link) sind mit Sicherheit schon einige Leute zu dieser Tradition gekommen. Es geht mir ja nicht darum, die Tradition abzuwerten. Denn sie vermittelt in großem Maßstab eine sehr gute Grundlagenpraxis.
Es geht mir darum, einen Geist der klaren Unterscheidung, der geistigen Eigenständigkeit und der Wahrheitsliebe zu fördern, der aus meiner Sicht in JEDER religiösen Tradition notwendig ist. (Das gilt besonders für die monotheistischen Religionen, wo unverifizierbare Dogmen oder „Glaubenswahrheiten“, wie diese Dogmen geschickt beschönigend heißen, eine viel stärkere Rolle spielen als in der rationalen, generell in ihren Grundlehren verifizierbaren buddhistischen Lehre.)
Ohne jenen Geist sind auf dem inneren Entwicklungsweg, wie er mit den alten buddhistischen Quellen überliefert ist, lediglich Trostpreise zu gewinnen. Wer will ernsthaft glauben, dass das gewaltige Ziel der inneren Befreiung, wie es der Archetypus des Buddha verkörpert, und wie es letztlich aus jedem Buddha-Antlitz hervorscheint, durch Ausschalten oder Einschränken des klaren Verstandes und der Wahrheitsliebe zu verwirklichen ist? Modern interpretiert ist ein Buddha ein Mensch, der seine Individualität in höchstmöglichem Maße realisiert hat, was zugleich bedeutet (im Unterschied zur generellen abendländischen Sicht von Individualität), dass er Selbstbezogenheit in höchstmöglichem Maße aufgelöst hat.
Eine alte Aussage lautet: „Es gibt eine Eigenschaft, die dem universellen spirituellen Entwicklungsweg in besonderem Maße förderlich ist – die Liebe zur Wahrheit.“ Es käme von mir hier kein Wort der Kritik, wenn die Tradition von S. N. Goenka der Wahrheit gemäß sagen würde:
„Wir vermitteln einen von U Ba Khin begründeten, besonders körperorientierten Vipassana-Ansatz. Er ist von S. N. Goenka so abgewandelt worden, wie er es für die heutige Zeit für notwendig hält (so wird es mit der Newsletter-Überschrift der Tradition ja auch indirekt angedeutet: „Informationen zur Vipassana-Meditation in der Tradition von Sayagyi U Ba Khin, wie gelehrt von S. N. Goenka“). Neben unserem Ansatz gibt es noch diverse weitere Vipassana-Ansätze. Die unterschiedlichen Vipassana-Ansätze richten sich an unterschiedliche Persönlichkeitstypen.“
Einen Überblick über die Kurse in der Tradition von Mother Sayama (es gibt diese Kurse auch in Deutschland) findest Du hier.
Ich habe auch vor, dort einmal einen Kurs zu machen. Mother Sayama hat das burmesische Hauptzentrum der Tradition von U Ba Khin geleitet. Da sie burmesische Buddhistin ist (wie U Ba Khin selbst burmesischer Buddhist gewesen ist), nehme ich an, dass dort die spezifisch indischen Elemente des Ansatzes „wie gelehrt von S. N. Goenka“ eher fehlen. In dieser Tradition leiten die anwesenden Lehrenden die Kurse (also nicht per Videos und Kassetten wie in der Tradition von S. N. Goenka).
Goenka ist nicht der Hauptschüler von U Ba Khin gewesen. Seine Lehrautorisierung steht nicht höher als die Autorisierungen der anderen Lehrenden der U Ba Khin-Tradition.
Hier ist die Website des amerikanischen Zentrums von Ruth Denison (sie ist Deutsche).
Ein Interview mit ihr erscheint hier.
Der Eintrag zu ihr und ihrem Zentrum auf Dhamma-Wiki.
Ich habe einmal einen Zehntageskurs mit ihr gemacht. Ihr Ansatz, der nicht bloß das Body Sweeping vermittelt, unterscheidet sich stark von der Methode von S. N. Goenka. In einem Gespräch, das ich während des Kurses mit ihr hatte, porträtierte sie U Ba Khin als einen sehr offenen Lehrer. (Über ihr Zentrum kannst Du Kontakt aufnehmen und fragen, wer ihren Ansatz im deutschsprachigen Raum lehrt. Sie selbst kommt, soweit ich weiß, altersbedingt nicht mehr nach Europa.)
Informationen zu John Coleman, einem weiteren von U Ba Khin autorisierten Lehrer, der auch noch selbst lehrt, findest Du über verschiedene Seiten dieses Google-Überblicks.
Die Website seines italienisches Zentrums erscheint hier.
Er hat den Klassiker The Quiet Mind geschrieben (Infos dazu etwa hier).
Hallo Hans,
Deine Ausführungen über den Vipassana-Ansatz von Goenka und die Diskussion habe ich mit sehr großem Interesse gelesen.
Selber habe ich jahrelang Zen praktiziert, habe seit gut einem halben Jahr sehr viele Bücher zu Vipassana verschlungen (übrigens nach einer Initialzündung durch Dein Kursbuch) und dann vor einigen Wochen einen 10-Tages-Kurs in der Goenka-Tradition mitgemacht.
Die sehr strikten Regeln in Bezug auf andere Methoden und die detaillierten Fragen dazu bei der Anmeldung haben mich sofort sehr stutzig gemacht und ich hatte über Wochen die dumpfe Befürchtung, dass es sich um eine dubiose sektenartige Gruppierung handeln könnte. Ausgerechnet Dein Kursbuch Vipassanahat mich immer wieder im Vorfeld beruhigt.
Den 10-Tages-Kurs fand ich insgesamt gut, er hat mir persönlich auch wirklich neue Anstöße vermittelt. Auch, dass er eben 10 Tage dauerte und nicht nur 7 Tage oder noch kürzer, fand ich letztlich gut. Insbesondere, dass alle Kurse strikt auf Spendenbasis laufen und man alles (sein Essen, die Unterkunft usw.) quasi als Spende von anderen entgegennimmt, hat mich sehr beeindruckt.
Doch die deutliche Abgrenzung gegenüber anderen Vipassana-Ansätzen (und anderen buddhistischen Richtungen, vermutlich ja wohl auch gegenüber diversen westlich-therapeutischen Ansätzen, die ich häufig auch sehr schätze) verursacht mir ein unwohles Gefühl und das ist in der Tat etwas, was ich aus dem Zen und aus den vielen Vipassana-Büchern, die ich gelesen habe, überhaupt nicht kenne. Ganz im Gegenteil, in meiner Zen-Richtung wurden wir explizit ermuntert, die Vielfalt der buddhistischen Richtungen im Westen als gute Gelegenheit zu sehen und auch bei Bedarf therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Da ich aber nun mit diesem sehr nüchternen und körperbetonten Ansatz nach U Ba Khin weiter experimentieren möchte:
Was weiß man denn eigentlich über die anderen Vertreter dieser Tradition? Es gibt ja wohl in Österreich und England Zentren, die von Mother Sayama geleitet werden. Gibt es dort ähnliche „Probleme“ wie in der Goenka-Tradition? Kennst Du irgendjemanden, der dort mal Kurse besucht hat?
Und gibt es denn in Deutschland LehrerInnen, die von Ruth Denison „autorisiert“ sind?
Herzlichen Gruß!
Hallo FY,
Das Merkmal der Tradition, mit dem Du vor allem nicht klarkommst – dass sie die so genannte „nicht-sektiereische“ Technik zu einem Götzen erhoben haben, der mit sektiereischem Eifer angeboten wird -, hat aber nur diesen einen Grund: Jene besondere, bloß für diese Vipassana-Richtung typische Reinheitsauffassung hinduistischen Ursprungs.
Eben weil in dieser Tradition das Body Sweeping als die „reine Technik“ gilt, die nach deren Glauben bereits der Buddha als das große Instrument zur Befreiung gelehrt habe (wofür es keinen einzigen wissenschaftlichen Beleg gibt), wird sie dort „mit sektiererischem Eifer angebetet“, wie Du es beschrieben hast.
Diese Sicht auf die Methode als die „reine Technik des Buddha“ ist die Quelle der anderen Besonderheiten, die Dich stören. Denn wer diese Sicht übernimmt (wie die von Dir zitierte Assistenzlehrerin und alle Führungspersonen dieser Tradition), wird zwangsläufig andere Vipassana-Methoden als weniger rein, um nicht zu sagen als unrein betrachten.
Weil Du im Fragebogen die Gehmeditation erwähnt hast, wusste die Assistenzlehrerin, dass Du eine andere und damit aus ihrer Sicht bzw. der von ihr vertretenen Tradition unreine Methode praktiziert hast. Und deshalb hättest Du als eine Art von Reingungsmaßnahme zunächst einen Zehntageskurs vor dem Servicekurs machen sollen. (Dass Du es letztlich nicht musstest, zeigt, dass sich manche Assistenzlehrende in einem Dilemma zwischen ihrem kritischen westlichen Verstand und ihrer Pflichten als Vertreter der Tradition befinden, was ich selbst auch bestätigen kann.)
Alle Besonderheiten dieser Tradition, um die es zum Teil oben bereits ging, resultieren aus der spezifischen, hinduistisch vorgeprägten Reinheitssicht (mit bestimmten Anklängen an das indische Kastensystem, wie sie im Einleitungsbeitrag kurz beschrieben worden sind und unten noch ergänzt bzw. näher ausgeführt werden).
Im Folgenden nenne ich die wichtigsten Beispiele aus dem Bereich der organisatorischen Maßnahmen, um eine wachsende und schließlich vollständige Hingabe an die vermeintlich „reine Technik“ sicherzustellen:
* Das Untersagen einer anderen Methode als Voraussetzung für längere Kurse (bzw. das ausschließliche Praktizieren des Body Sweepings über geraume Zeit vor einem längeren Kurs).
* Zunehmend detaillierte Fragebögen bis tief hinein in den persönlichen Bereich (als Mittel der Überprüfung, ob der Kandidat den wachsenden Reinheitsanforderungen bzw- -kriterien entspricht).
* Eine gewisse Abwehr von Diskussion oder sachlicher Kritik (denn über eine „reine Technik“ gibt es nicht viel zu diskutieren; Hinterfragen oder Zweifel haben ja bereits etwas von häretischem „Abfallen“ davon).
* Die weltweite Verbreitung der genau gleichen Kursreden und Anweisungen Goenkas per Video und Tape (auf diese Weise stellt Goenka sicher, dass durch ausführliche persönliche Deutungen bzw. Vorträge von Assistenz-Lehrenden, welche die „reine Technik“ vielleicht noch nicht ganz verstanden haben, etwas „Unreines“ an die Leute vermittelt wird).
* Die Tatsache, dass lediglich sehr wenige, von Goenka für geeignet befundene Lehrende an der Spitze der Hierarchie selbst mündliche Unterweisungen durch Vorträge geben dürfen.
Die spezifische, hinduistisch vorgeprägte Reinheitssicht zeigt sich auch in bestimmten Merkmalen der erklärenden Lehren und der Methode (wie im Einleitungsbeitrag kurz dargestellt). Wichtige Beispiele:
* Die substanzialistische Auffassung von dem „old stock of sankhâras“ als einer Art von unreiner, im Körper sitzender subtiler Materie, die sich in den „groben Empfindungen“ manifestiere und durch gleichmütiges Betrachten „abgetragen“ werden könne. Der Buddha hat keinen solchen Begriff von den Sankhâras vertreten. (Goenka vertritt die Wiedergeburt in einem wörtlichen Sinne: Demnach wäre jener „old stock of sankhâras“ so unendlich groß, weil von einer anfangslosen Wiedergeburt ausgegangen wird, dass er nicht abgetragen werden könnte. Diese Idee kommt bloß der substanzorientierten Alltagssicht entgegen.)
* Die indirekten Lehren von einem reinen „wahren Selbst“, wie dem von Dr. Paul R. Fleischman vertretenen „vergänglichen Selbst“. Was aus Sicht dieser Tradition im Zustand des dort besonders betonten „Bhanga Nyâna“, des „Wissens von der Auflösung“, erkannt werde, ist eben jenes „vergängliche Selbst“ oder „ungetrennte Selbst“. Solche Lehren widersprechen dem universellen „Nicht-Selbst“ Anattâ(tâ), wie es mit den alten Quellen des Palikanons überliefert ist. Folglich wird von Fleischman das „Nicht-Selbst“ als ein Synonym für die Vergänglichkeit gedeutet, indem er es mit „Nichtsubstanzialität“ wiedergibt.
* Besonders aussagekräftig: Die Lehre von den reinen oder unreinen „Vibrations“, von denen Goenka häufig spricht, die aber in den Reden des Buddha im Palikanons nicht vorkommen.
Goenka versteht diese Vibrations letztlich als feinstoffliche Ausstrahlungen, die sowohl von Personen, Gedanken oder von letzteren beeinflussten Objekten „ausgehen“ als auch Personen und Objekte affizieren oder „belegen“ können. Je nach dem Reinheitsniveau eines Menschen haben diese Ausstrahlungen unterschiedliche Qualitäten.
Dadurch erklären sich all die besonderen Maßnahmen dieser Tradition, sich vor bestimmten Vibrations zu „schützen“, oder, falls Kontakt mit ihnen stattgefunden hat, sich von ihnen zuerst wieder zu „reinigen“.
Dadurch erklären sich die von Dir kurz beschriebenen Begebenheiten, dass Du eigentlich zuerst einen Zehntageskurs machen solltest, bevor Du den Servicekurs machen könntest. Die versteckte Sicht dahinter: Auf einem Servicekurs seist Du in Kontakt mit dem Essen der Teilnehmer und würdest besonders die Atmosphäre prägen. Deshalb würde es hier besonders zählen, „rein“ zu sein.
Dadurch erklärt sich ebenfalls, dass Du während eines Servicekurses lediglich Bücher aus der zentrumseigenen Bibliothek lesen durftest, nicht das von Dir mitgebrachte über den Theravâda. Denn die Vibrations der Gedanken in dem letzteren Buch, in dem es nicht um die „reine Technik“ gehe, seien von niederer Qualität. Davor gelte es sich also zu schützen. Das war der wahre Grund, warum Du es dort nicht lesen durftest. Das unter anderem wirkt bei Dir bis jetzt (zu Recht) ungut nach.
Genau diese Idee von den Vibrations ist die wesentliche metaphysische Basis des indischen Kastensystems (selbst wenn dort die Vibrations sozusagen per Geburt bzw. Kaste zeitlebens festgelegt sind, während sie in Goenkas Tradition durch die Praxis jener „reinen Technik“ veränderbar oder „anhebbar“ sind). Der Buddha war ein expliziter Gegner des indischen Kastensystems.
Letzteres ist bis heute in Indien dafür verantwortllich, dass dort über 200 Millionen Menschen (also ungefähr die Bevölkerungzahlen Deutschland, Großbritanniens und Frankreichs zusammen) als Kastenlose, das heißt noch unter den Kasten Stehende, Diskriminierung und Ausbeutung erfahren (mit den niedrigsten Kasten noch viel mehr).
Hauptelemente des Kastensystems sollten deshalb nicht mit buddhistischen Lehren verbunden werden. Solche Verbindungen erscheinen mir nicht unerheblich, zumal sie das Etikett der „reinen Technik“ oder „reinen Lehre“ des Buddha tragen.
Der bekannte und vieldiskutierte zeitgenössische französische Philosoph Bernard-Henri Lévi hat die Problematik von „Reinheit“ als geistigem Ziel gut resümiert: „Der Wunsch nach Reinheit … ist die Gebärmutter des Totalitarismus.“ Der Nationalsozialismus, dessen Rassensystem analog zum indischen Kastensystem konstruiert war, lieferte ein gutes Beispiel.
Lévi sagt auch (Interview in Der Spiegel, 3.4.2010): „Die Wahrheit erreicht man nicht, indem man zwei unterschiedliche Lehren zusammenmischt.“ Ich stimme dieser Aussage zu (aber den Grund dafür anzusprechen, würde hier zu weit weg vom Thema führen).
Alle oben genannten Merkmale der Organisation und Lehre S. N. Goenkas haben keine Parallelen in anderen (buddhistischen) Vipassana-Traditionen; auch nicht in denen, wo sehr lange Kurse angeboten werden.
Diese verstehen sich übrigens häufig ebenfalls nicht als „Buddhismus“. Denn die Praxislehre des Buddha laut den ältesten Quellen, die der Vipassana-Bewegung zugrunde liegt, ist in ihrer methodischen Vielfalt und inhaltlichen Anpassung an das konkrete menschliche Gegenüber kein „Ismus“ im westlich-modernen Sinne (eines geschlossenen Systems der Welterklärung).
Auf diesen „Nichtbuddhismus“ hat Goenka also keineswegs ein Monopol.
Hinter seiner klaren Abgrenzung vom „Buddhismus“ dürfte außerdem stehen, dass er weiß, dass die von ihm gegebenen Lehren neben dem buddhistischen einen hinduistischen Hintergrund haben. Durch seine Abgrenzung von Buddhismus und Hinduismus kann er eine Mischung aus den beiden lehren. Durch die Deklaration dieser Mischung als die „reine Technik des Buddha“ bleibt sie unter denjenigen, die diesen Anspruch übernehmen, vor Hinterfragen oder Erkennen geschützt.
Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang noch, dass der mit Abstand größte Einfluss der Tradition in Indien selbst zu beobachten ist; und von dort zudem besondere materielle Unterstützung kommt (zu Goenkas Förderern gehören viele Mitglieder der indischen Mittel- und Oberschicht, auch einige Prominente). In Burma jedoch, dem Heimatland U Ba Khins, also des Lehrers von Goenka (der selbst aus der indischen Minderheit Burmas stammt), spielt dieser Ansatz eine untergeordnete Rolle. Andere Vipassana-Ansätze sind dort wesentlich einflussreicher, vor allem derjenige von Mahasi Sayadaw.
Diese ganz besondere Affinität der Inder für den Ansatz S. N. Goenkas dürfte etwas damit zu tun haben, dass er ihnen aufgrund der in dieser Tradition verankerten besonderen Reinheitsauffassungen hinduistischen Ursprungs vertraut vorkommt.
Außerdem ist das primäre geistige „indische“ Exportgut (von allen in Indien entstandenen Religionen) der Buddhismus, nicht der Hinduismus. Das wissen auch die gebildeten indischen Förderer Goenkas. Dessen Ansatz ist ein „Mischprodukt“ aus frühem Buddhismus und Hinduismus (mit hinduistischen Kernlehren, wie den oben thematisierten indirekten Lehren von einem „wahren Selbst“), aber eines mit einem rein buddhistischen Etikett – jener „reinen Technik“ und jenes „reinen Dhamma“ des Buddha, die getrennt von der Religion des Buddhismus wären. Damit wird dieses Produkt für die traditionellen Inder besonders attraktiv.
Die andere große Frage ist natürlich, warum es auch weltweit relativ attraktiv ist. Aber ich ende jetzt erst einmal hier.
Herzliche Grüße
Hans Gruber
Ich möchte noch Folgendes ergänzen:
Es spielt für mich persönlich eigentlich keine Rolle, ob Goenka in seiner Lehre hinduistische Elemente bringt oder nicht. Und ich sehe auch keinen Bedarf, diesen Punkt genau zu erörtern. Ich bin kein Buddhist, und es ist mir auch nicht wichtig, dass eine Lehre genau mit dem Palikanon übereinstimmt.
Wenn man wollte, könnte man auch sicher gerade im Theravada Prozeduren finden, die man als Reinigungsrituale deuten könnte. Aber das hat für mich persönlich keine Relevanz.
Doch solange sich an der Sturheit der Goenka-Tradition nichts ändert, und diese nicht etwas offener und liberaler wird, werde ich dort keinen Service mehr geben. Die haben die so genannte „nicht-sektierische“ Technik zu einem Götzen erhoben, der mit sektierischem Eifer angebetet wird. Das ist es, womit ich nicht klarkomme.
Ich bin mir jetzt echt nicht ganz sicher, ob ich da nichts reinprojiziere. Aber ich denke, man kann, wenn man mit dem hinduistischen Reinheitsgedanken im Hinterkopf, manche Äußerungen von Goenka revue passieren lässt, Deine Vermutung bestätigt finden.
Wie ist das z. B. mit Goenkas Rat, vor dem Schlafen und nach dem Aufstehen zu meditieren. Ich weiß jetzt nicht mehr, ob das Goenka gesagt hat oder ein Assistenzlehrer, aber der Grund ist wohl der, dass der Geist im unachtsamen Schlaf verunreinigt werde, und daher die Meditation gleich danach nötig sei.
Was mir übrigens noch einfällt: Als die Lehrerin meinte, daß ich eigentlich nicht Service geben darf, weil ich Gehmeditation praktiziert habe, sagte sie außerdem, daß ich eigentlich wegen der Praxis der Gehmeditation vor dem Service zuerst einen Zehntageskurs sitzen müsse. Sie begründete das zwar damit, daß ich als Helfer ja ein Repräsentant der Tradition sei, aber man könnte es auch so sehen, daß der Extra-Kurs vor dem Service mich reinigen soll.
Ich muss sagen, daß ich wegen der Geschichte mit dem Buch immer noch etwas aufgebracht bin. Ich denke, das Ganze muß sich bei mir erst einmal setzen.
Mir sind einige Sachen speziell im Alltag als „Dhamma-Helfer“ aufgefallen, die mir doch sehr zu denken geben. Als ich meinen ersten Service gegeben habe, musste ich zu einem Gespräch, indem mir vorgehalten wurde, daß ich ja eigentlich gar nicht hätte Service geben dürfen, weil ich in dem Formular angegeben habe, daß ich neben Goenka-Vipassana auch Gehmeditation praktiziere (ich hatte das Formular verspätet abgegeben, daher durfte ich erst einmal bleiben). Die Lehrerin meinte, daß man als Helfer ja ein Repräsentant der Organisation sei und deshalb keine anderen „Techniken“, auch keine Gehmeditation, betreiben dürfe.
Mir war bis zu meinem letzten Kurs auch gar nicht bewußt, daß es ja nicht einmal erlaubt ist, auf das Gelände Bücher mitzubringen, die nicht von Goenka oder nicht zumindest von ihm „autorisiert“ worden sind. Nichts Böses ahnend, hatte ich ein einführendes Werk zum Theravada-Buddhismus mitgebracht, das ich wie üblich vor einem Kurs abgegeben hatte. Nun wollte ich nach dem Kurs gleich noch an einer Seviceperiode teilnehmen. Als ich das Buch zurück haben wollte, um abends während der Serviceperiode darin zu lesen, hieß es, das Buch könnte ich nicht hier auf dem Gelände lesen, weil es ja nicht aus der Tradition komme.
Als ich mich beim Lehrer dazu beschwert habe, fragte er mich, wieso ich denn das Buch lesen will und nicht eines aus der (Goenka-konformen) Bibliothek des Zentrums. Wenn ich ein anderes Buch lesen würde, meinte er, könnten die anderen das sehen und es auch lesen oder mich dazu etwas fragen. Das würde bloß zu unnötiger Verwirrung führen. Diese Vorschrift wäre ja nur zu meinem Nutzen, damit ich auch auf dem Pfad bleibe. Dass es ein Buch über Buddhismus war, ließ er nicht gelten.
Hallo FY,
Das besondere Reinheitsverständnis in der Tradition von S. N. Goenka, das ich oben in gewissen seiner Ausdrucksformen kurz beschrieben habe, hat eindeutig hinduistische Wurzeln. Der Grundgedanke der Trennung und gegebenenfalls der gezielten Reinigung, falls die vorgeschriebene Trennung nicht gewahrt worden ist, ist zum Beispiel ein klares Element des hinduistischen Kastensystems. Nach dem Zeugnis des Palikanons war der Buddha ein ausgesprochener Gegner einer solchen Trennung und des Kastensystems.
In KEINER ANDEREN Richtung des Vipassana gibt es vergleichbarte „Kontrollinstanzen“ wie in der Tradition von S. N. Goenka. Bereits vor den Zehntageskursen und noch deutlicher vor den aufbauenden längeren Kursen dieser Tradition werden die Kursinteressenten mit detaillierten Fragebögen gründlich bis tief ins persönliche Leben hinein „durchleuchtet“, ob sie jenen gewissen Reinheitskriterien entsprechen. Der erste längerer Kurs (20 Tage) kann nicht gemacht werden, wenn nicht mindestens zwei Jahre vorher ausschließlich diese Methode praktiziert worden ist.
Ein Kursinteressent wird außerdem kaum eine „Zulassung“ zu einem längeren Kurs bekommen, wenn er in den zwei Jahren vorher regelmäßigen Kontakt zu einem Lehrer einer anderer Tradition gehabt hat. Dahinter steckt wieder der unbelegte und wissenschaftlich ganz unbelegbare Glaube, dass die Methode des Body Sweeping die „eine, reine Technik“ des Buddha gewesen sei. Wer dies glaubt, fühlt sich natürlich zu jener „Reinhaltung“ der Tradition geradezu aufgefordert,
In der Tradition von Mahasi Sayadaw zum Beispiel werden in Asien und im Westen diverse lange Kurse angeboten (in den USA in der „Insight Meditation Society“ IMS etwa der alljährliche Dreimonatskurs). Dort werden die Kursinteressenten vorher nicht „durchleuchtet“ (ich habe selbst einmal einen Dreimonatskursin der IMS gemacht). Im Gegenteil kenne ich es BLOß SO, dass buddhistische Vipassana-Lehrer kein Problem damit haben, wenn Kursteilnehmer Kontakt zu anderen Methoden und / oder Lehrern gehabt haben oder weiterhin haben; sie raten sogar häufig ausdrücklich dazu, um den Geist offen zu halten.
Der frühe Buddhismus auf Grundlage der alten Quellen des Palikanons ist meines Erachtens der Paradebeispiel für eine Religion des „spirituellen Individualismus“. Eigenes Nachdenken, das genaue Prüfen unterschiedlicher Argumente und Lehren, das Testen verschiedener Methoden, schließlich die Entwicklung eines eigenen Weges, der für einen selbst wirklich passt, sind für den frühen Buddhismus tief charakteristisch. Eben deshalb erscheinen im Palikanon im Rahmen der Anweisungen des Buddha zur Entwicklung von befreiender Einsicht durch Achtsamkeit keine „technischen“ Festlegungen. Das Individuum ist hier gefordert, die Anweisungen selbst konkret „auszugestalten“. Dies ist auch der Grund, warum sich in späterer Zeit eine solche breite Palette verschiedener Vipassana-Ansätze hat entwickeln können.
Der „Archetypus“ des historischen Buddha steht ja überdeutlich für einen solchen individuellen Weg: Er führte ein erfolg- und lustreiches Leben in der Welt, das ihn nicht befriedigte, er begab sich auf die eigene Suche, er schloss sich unterschiedlichen Lehrern an, er übte diverse Methoden, er fand seinen Weg. In seiner eigenen Lehre WAHRTE er den gleichen Ansatz. Denn der Buddha hat DIVERSE Methoden gelehrt, mit klarem Gespür, was seine Zuhörer oder Zuhörerinnen brauchten.
Meine primäre Kritik noch einmal wissenschaftlich zusammengefasst (weiter unten dann ganz konkret und praktisch gemacht):
1) Goenka lehrt entgegen seinem Anspruch eine Mischung aus frühem Buddhismus, bestimmten Lehren aus der späten Zeit des frühen Buddhismus (etwa die Empfindungskonglomerate „Kalapas“, die im ganzen Palikanon nicht vorkommen, sondern erst in neuzeitlichen Kommentaren) sowie des Hinduismus (außerdem vielleicht noch des indischen Jainismus, weil der substanzorientierte Karmabegriff von den gleichsam masseartigen „heaps“ von Sankharas „im Körper“, die durch gleichmütiges Betrachten sozusagen „abzutragen“ seien, an den jainistischen Reinigungsbegriff des „Ausbrennens“ von schlechtem Karma erinnert).
2) Goenka deklariert jedoch diese Mischung als die reine Lehre des Buddha, den Dhamma des Buddha, die „Kunst des Lebens“ sowie die Meditationsmethode seiner Tradition als die „reine Technik“ („pure technique of Vipassana“), wodurch er also seine Wahrheitsansprüche bereits selbst widerlegt.
3) Der burmesische Buddhist U Ba Khin hat verschiedene Persönlichkeiten zum Lehren autorisiert. Einer von ihnen war Goenka. Die Unterschiede in den Ansätzen dieser von U Ba Khin autorisierten Lehrenden zeigen klar, dass U Ba Khin selbst unmöglich jene (hinduistischen) Reinheitslehren des Inders S. N. Goenka vertreten haben kann. Denn in diesem Falle müssten alle diese autorisierten Lehrenden dieselbe Methode lehren und eine ähnliche Kontrolle ausüben. Die Deutschamerikanerin Ruth Dension zum Beispiel lehrt ganz andere Methoden als S. N. Goenka und integriert dabei das Body Sweeping in viel lockerer Weise.
4) Goenka und seine intellektuellen Helfer deklarieren ihre spezifische Mischung gezielt als die reine Lehre und Technik des Buddha, um sie „besser an den Mann“ bringen zu können. Denn die meisten Interessenten und Praktizierenden dieser Tradition werden deren Reinheits- bzw. Überlegenheitsanspruch nicht näher untersuchen, das heißt ihn einfach übernehmen. Aber damit werden nun auch eine Reihe von Lehren bzw. Elementen an den Mann gebracht, gegen die sich der Buddha AUS GUTEN GRÜNDEN gewandt hat; zum Beispiel:
* jene Trennung und gezielte Reinigung; * bestimmte, die Methode der Tradition fundierende Lehren, die im Einleitungaufsatz besprochen worden sind; * jene weitgehenden Kontrollinstanzen mit dem Zweck der persönlichen „Durchleuchtung“; * die damit einhergehende Einschnürung des Individuums; * den aus der Esoterik stammenden Begriff der „Vibrations“ (im Palikanon gibt es dafür keine Belegstelle); * für den philosophischen Hinduismus zentrale Lehren von einem „wahren Selbst“ (vgl. oben beim Abschnitt zu den „Drei Universellen Merkmalen“); * eine gewisse Sicht zu Konzepten und Gedanken generell, die deren Abwertung bzw. systematische Ausschließung bedeuten (mit ganz bestimmten Missdeutungen kanonischer Stellen als den angeblichen Beleg).
Änderungen in dieser Tradition werden bloß in dem Maße stattfinden, wie sich Schüler und vielleicht auch manche Führungsmitglieder gegen die problematischen Seiten wenden. Die Grundvoraussetzung ist Diskussionsbereitschaft und unabhängiges Betrachten. Wenn ich einen Beitrag dazu leisten kann, freut es mich. Dann können die Vorzüge der Tradition und Methode erst wirklich zum Vorschein kommen.
Ich möchte diese Beobachtungen jetzt noch ganz konkret machen. Die folgenden drei „zusammenpassenden“ Tatsache summieren sich zu einem bestimmten Eindruck:
1) In dieser Tradition wird auch die Herzlehre des Buddha von den Drei Universellen Merkmalen inkorrekt wiedergegeben, indem das „Nicht-Selbst“ Anatta(ta) lediglich als Synonym für die „Vergänglichkeit“ Anicca(ta) verstanden wird, nämlich als „Nichtsubsanzialität“. In diesem Zusammenhang erscheinen dann auch indirekt verschiedene Lehren von einem „wahren Selbst“ (vgl. weiter oben).
2) Die von Goenka und seinen Helfern explizit vorgetragene Lehre von der „reinen Technik des Buddha“, deren Praktizierung demzufolge zu zunehmender „Reinheit“ des eigenen „Selbst“ führe.
3) Der Anspruch, heute die reine Lehre und Methode des historischen Buddha (nach angeblicher Tradierung bloß in Burma) wieder breit in die Welt zu tragen. Das bedingt ein bestimmtes stolzes Selbstgefühl der Anhänger.
Der oben angesprochene Eindruck: Die Tatsachen 2) und 3) dienen dazu, jene indirekte (hinduistische, nicht buddhistische) Lehre von einem „wahren Selbst“ in dieser Tradition praktisch im konkreten Selbstgefühl der Anhänger zu verankern. Das Gefühl, die „reine Technik“ des Buddha zu praktizieren bzw. dadurch das eigene „Selbst“ zunehmend zu „reinigen“, sowie das Gefühl, daran beteilgt zu sein, heute die reine Lehre und Methode des Buddha wieder in die Welt zu tragen, addieren sich – vor dem Hintergrund jener indirekten theoretischen Lehre von einem „wahren Selbst“ – zu einer Konsolidierung des eigenen Bewusstseins von „Ich und mein“.
Die buddhistische Antwort auf dieses „Selbst“-Gefühl lautet (mit den Worten des berühmten thailändischen Meisters Ajahn Chah, aus dessen Tradition viele heutige Vipassana-Lehrende hervorgegangen sind):
„Alles, was Du damit letztlich erkennen wirst, ist das Selbst, Ich, mein! Die Wahrheit des Buddha heißt Loslassen des Selbst, Leerheit, Nirvana!“
Vielleicht liegt hier ja der tiefere Grund, warum sich Goenka so stark vom „Buddhismus“ abgrenzt, indem er sich direkt auf die Lehre und Praxis den historischen Buddha beruft.
Verschiedene Vipassana-Lehrer bezeichnen sich übrigens auch nicht als „Buddhisten“, nicht bloß Goenka. Denn „Buddhismus“ ist in der Tat ein problematischer Begriff, der erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts in der westlichen Buddhismuskunde entstanden ist. Die wie oben beschriebene offene und immer konkret auf die Zuhörer zugeschnittene Lehre des Buddha laut Palikanon ist kein „Ismus“. Andererseits, weil der Begriff eingeführt ist, kann man durchaus alle heutigen Methoden und Lehren, die sich auf den historischen Buddha berufen, der Einfachheit halber unter „Buddhismus“ zusammenfassen.
Dazu gehört eindeutig auch Goenkas Tradition aufgrund ihres Anspruches und ihrer Bezugnahmen. Aber das werden Goenka und seine Helfer selbst anders sehen, wohl in Wahrheit aus den vorher genannten Gründen.
Herzlich
Hans Gruber
Hallo Hans!
Ich kann Deinen meisten Kritikpunkten absolut zustimmen (auch wenn ich nicht mit Sicherheit sagen kann, inwieweit die Reinheitsbesessenheit von Goenka mit seinen hinduistischen Wurzeln zu tun hat). Ich möchte aber gleichzeitig auch jedem Interessierten raten sich davon nicht abschrecken zu lassen und einen Goenka-Vipsassana-Kurs zu besuchen. Von allen Traditionen die ich bisher kennengelernt habe, sagt mir diese am meisten zu. Es gibt kaum Rituale, Zeremonien und den ganzen (für mein Empfinden) unnötigen religösen Ballast und man findet ein hervorragendes Umfeld um sich in die Meditation zu vertiefen.
Viele Grüße
FY
Hallo Christian,
Da stimme ich zu – dass man “jetzt” für hier und heute etwas aus den alten Quellen des Palikanons machen muss, die aus meiner Sicht zeitlos relevant sind.
Auch wenn die Vipassana-Ansätze unmittelbar auf diesen ältesten buddhistischen Quellen beruhen, sind sie doch ALLE erst in späterer Zeit entstanden. Die “Methoden”, die der Buddha laut Palikanon im Rahmen der Entwicklung der höheren Einsicht “Vipassana” genannt hat, sind nicht im Sinne jener späteren Vipassana-Ansätze “technisch” festgelegt. Alleine in Burma gibt es laut der Dissertation von G. Houtman “The Tradition of Practice among Burmese Buddhists” mindestens 24 verschiedene Vipassana-Ansätze. Außerhalb Burmas haben sich eine Reihe von weiteren Vipassana-Ansätzen entwickelt.
Nun gibt es ein paar wenige Methoden, deren Vertreter behaupten, dass sie bereits vom Buddha selbst genau so gelehrt worden seien, wie sie mit ihrem technischen Aufbau heute existieren. S. N. Goenka und Bhante Vimalaramsi, zu denen ich im Blog geschrieben habe, sind Beispiele. Mit meinen oben angeführten Argumenten wollte ich den entsprechenden Anspruch S. N. Goenkas bzw. seiner intellektuellen “Sprachrohre” Dr. Paul R. Fleischman und Marshall Glickman widerlegen. Die Argumente im Rahmen dieser Widerlegung sind wie gesagt für Textkundige unabweisbar.
Der Palikanon als Ganzes ist enorm vielschichtig. Es werden darin neben tiefgründigen Lehren zur Fundierung des Befreiungsweges auch diverse praktische Instruktionen gegeben, um Ethik, Ruhe und Einsicht (die drei Bereiche des Befreiungsweges) zu entwickeln. Der Buddha war berühmt für seine Fähigkeit, sich auf seine konkreten Zuhörer einzustellen, um ihnen weiterzuhelfen. Das spiegeln die alten Quellen auch eindeutig wider. Demgemäß hat der Buddha je nach seinen spezifischen Zuhörern unterschiedliche Methoden gelehrt und diesbezügliche Erklärungen gegeben.
Doch es wäre ihm niemals eingefallen, allen zu verkünden, dass sie genau diese Methode praktizieren müssten, um zum Ziel zu kommen. Goenka suggeriert aber genau dies in Bezug auf die Methode des Body Sweepings seiner Tradition. Relativ schwerwiegend wird dieser eigentlich bloß kindlich anmutende Anspruch dadurch, dass die von Goenka aufgebauten Instanzen (”Vipassana Research Institute”) und die von ihm autorisierten Intellektuellen (wie Fleischman und Glickman) ein höchst selektives Herangehen an die alten Quellen verfolgen. Dabei scheuen sie auch vor eindeutigen Manipulationen derselben nicht zurück, um jenen Reinheitsanspruch zu begründen (vgl. das Beispiel oben zur Deutung der “Drei Universellen Merkmale” durch Fleischman, um ein wahres “Selbst” verkünden zu können). Es gäbe noch diverse weitere Beispiele für solche Manipulationen, die ich hier nicht genannt habe, um das Thema nicht zu breit zu behandeln..
Darauf bezieht sich meine Kritik. Denn Wahrheitstreue muss auf einem inneren Entwicklungsweg gewahrt werden, auf dem es so sehr um das zunehmende Erkennen von Wahrheit geht wie im Falle des Vipassana-Weges generell. Das lässt sich nicht trennen. “Die Dinge sehen, wie sie wirklich sind, nicht, wie wir sie gerne hätten” (Goenkas Resümee des Vipassana) ist generell zu beherzigen, wenn es einem wirklich um innere Befreiung geht.
Dennoch empfehlen viele (auch führende Mönche wie Bhikkhu Bodhi) die Methode des Body Sweepings als sehr nützliche Grundlagenpraxis. Das sehe ich ähnlich. Ich teile die oben zitierte Meinung von Mary Thanissara, heute eine bekannte Vipassana-Lehrerin. Sie hatte früher rund 60 längere Kurse unter Goenka gemacht, bevor sie sich abwandte, dann über zehn Jahre in einer anderen Tradition ordiniert war, dort zu einer führenden Nonne wurde und schließlich die Roben ablegte:
“Die Methode des Body Sweeping ist die beste, die es gibt, um Konzentration zu erlangen. Aber die damit erlangte Einsichte ist nicht die höchste, die zum Ziel führen kann.”
Hier liegt auch das Erfolgsgeheimnis der Tradition von S. N. Goenka: Die Menschen bekommen auf den perfekt organisierten Kursen in kurzer Zeit die Früchte hoher Konzentration zu spüren. Damit eröffen sich ihnen plötzlich Dimensionen des Inneren, die ihnen vorher verschlossen waren. So werden sie schnell zu getreuen Gefolgsleuten. Die Tradition trägt Sorge, dass es so bleibt, indem systematisch jenes ganze Anspruchsgebäude von der “reinen Technik” des Buddha vermittelt wird und von den Assistenzlehrenden weitergehende Fragen als Ablenkung von dieser reinen Technik des Buddha bzw. der Praxis derselben möglichst klein gehalten werden.
Also mein Tipp:
Mache unbedingt dort einen Kurs, aber lass Dir das Denken nicht abnehmen! Und bewahre Dir im Sinn, dass die Lehre und Praxis des Buddha viel weiter sind.
Herzlich, Hans
PS: Übrigens empfehle ich allen Lesern des Blogs, sich ein eigenes Urteil anhand der zitierten Reden des Buddha im Palikanon zu machen. Nähere Infos zu guten Übersetzungen findet Ihr auf meiner Website http://www.buddha-heute.de unter dem Link “Service”. Zentral ist die “Mittlere Sammlung”; und die beste verfügbare Übersetzung stammt von Bhikkhu Bodhi, etwa hier mit näheren Infos:
http://www.amazon.de/Middle-Length-Discourses-Buddha-Translation/dp/086171072X/ref=sr_1_1?ie=UTF8&s=books-intl-de&qid=1271006918&sr=8-1
Das Werk ist durch diverse Anhänge auch gut zum Eigenstudium geeignet. Bhikkhu Bodhi promovierte in Philosophie in den USA. Nach seinem Studium ordinierte er und widmet sich seit Jahrzehnten der Aufgabe, die Redensammlungen des Palikanons neu zu übersetzen und modern zu kommentieren. Er vereint Wissenschaft und Praxis. Diverse Links zu relevanten Webseiten mit kostenlosen Online-Vorträgen, auch derjenigen von Bhikkhu Bodhi, stehen auf meiner Website hier:
http://www.buddha-heute.de/service/autor-aktiv-8.htm
In keinem Fall zu empfehlen sind die sehr alten deutschen Übersetzungen von Karl Eugen Neumann (vom Anfang des 20. jh.), weil es sich dabei philologisch betrachtet um gefärbte Kommentare im Gewande von Übersetzungen handelt. Im “Verlag der Weltreligionen” gibt es moderne deutsche Übersetzungen.
hallo,
bin auf den artikel gestossen, weil ich mit dem gedanken gespielt habe, einen goenka kurs zu besuchen…
was mich im rahmen vieler diskussionen rund um vipassana-meditation immer wieder wundert, ist, dass es an ganz vielen stellen so einen starken kampf um die angeblich reine ur-lehre gibt.
ich bin totaler laie, was die kenntnis des pali-kanons angeht, aber in meinem laienhaften verständnis, kann man doch nicht die wahrheit hauptsächlich dort, in der möglichst originalgetreuesten übersetzung und auslegung des buddha-wortes suchen sondern muss da ‚jetzt‘ was draus machen. sonst ist man doch schnell in so einem schulen-streit drinnen, das nur eine sitz-, atem- sweeping- und sonstwas- technik gelten lässt.
anyhow, danke für den interessanten artikel, hat mein bauchgefühl zu goenka eher bestätigt…
gruss
christian
Hallo jk,
Im Rahmen dieser Diskussion spielt es keine Rolle, wie ich genau meditiere.
Das hier und anderswo Gesagte legt nahe, dass ich keiner bestimmten Tradition folge. Traditionen haben grundsätzlich immer zwei Seiten. Vertreter sehen aber bloß die eine Seite. Denn wenn sie zu sehr die beiden Seiten sehen, sind sie keine Vertreter mehr bzw. werden Probleme mit den meisten Anhängern und vor allem den Lehrern ihrer Tradition bekommen. Auch mit dem “Aufstieg” in ihrer Tradition oder auch Institution wird es dann meist problematisch.
Das wollen die meisten Anhänger vermeiden, weshalb sie ihren Sinn beschränken und ihr Denken bewusst oder unbewusst “anpassen”. Aus meiner Sicht kommt man aber mit diesem inneren Zustand auf dem buddhistischen Weg nicht weit, zumindest wie ich diesen Weg ausgehend von den alten Quellen verstehe.
Trotzdem haben Traditionen natürlich auch Ihr Gutes. Denn wenn sie mit effizienten, großen Organisationen wie bei S. N. Goenka einhergehen, bringen sie ernsthafte Meditation in relativ breitem Maßstab an die Bevölkerung. Das erscheint mir für hier und heute sehr wichtig.
Ich plädiere lediglich für einen stärkeren kritischen, diskussionsbereiten und unabhängigen Geist in den Traditionen, als es dort aus den oben genannten Gründen meist der Fall ist. Denn lediglich auf diese Weise lassen sich Schwachstellen erkennen und beseitigen, was der jeweiligen Tradition bloß dient, auch wenn die Status-Quo-Bewahrer das nicht wahrhaben wollen.
Ich persönlich habe Wegbegleiter, denen ich vertraue. Das sind “spirituelle Individualisten” wie ich. Dazu gehören Freunde mit einem Reifevorsprung in der einen oder anderen Hinsicht, den ich anerkenne, in diesem Sinne also Lehrer für mich (wie ich es für sie vielleicht in anderer Hinsicht bin).
Offene Vipassana Lehrer, die sowohl eine profunde Kenntnis des Palkanons besitzen als auch über Meditation tief Bescheid wissen, finde ich besonders wichtig. Denn meist liegt der Schwerpunkt im Bereich des Theravâda-Buddhismus und Vipassana entweder bloß auf dem Palikanon bzw. dessen Studium oder der Meditationspraxis bzw. -lehre, mit entsprechendem jeweiligen Defizit.
Ein gutes Beispiel für einen solchen Lehrer, der Beides vereint, ist Bhante Sujiva (vgl. seine umfassende Darstellung des Vipassana für den Westen als kostenloses Ebook auf meiner Website, das dort exklusiv heruntergeladen werden kann).
Zu meinen Erfahrungen in der Tradition von S. N. Goenka habe ich mich oben geäußert (neben sechs Zehntageskursen und zwei Satipatthana-Sutta-Kursen noch zwei Service-Kurse). Damit weiß ich, worüber ich hier rede (und wegen meiner theoretischen Beschäftigung mit den Schriften dieser Tradition).
Herzlich, Hans
Hallo Hans,
wie genau meditierst Du eigentlich? Welcher Tradition folgst Du?
Wirklich toller und ausführlicher Artikel, regt mich zum Nachdenken an. Ich verschlinge momentan alles zu dem Thema.
Hallo Martin,
Für einen „intuitiven Menschen“ hast Du aber eine Menge Versuche unternommen, die von mir vorgebrachten Positionen hier oder anderswo inhaltlich anzugehen. Außerdem bist Du ein Gründungsmitglied der österreichischen Vipassana-Vereinigung, forschst als promovierter Mann auch zum Thema Meditation und nimmst an dievrsen Kerntreffen der Goenka-Tradition teil. Du hast also offenbar schon noch weitergehende Interessen.
Das Thema Wikipedia hier so kurz einzuwerfen, ist nicht integer. Interessenten mögen bitte den ganzen Hergang dort unter den Archiveinträgen zu „Vipassana“ nachlesen. Mein Wikipedianame ist Pramanam, ich war aber bloß bei dem Eintrag zu „Vipassana“ (sehr) aktiv. Denn es war ursprünglich ein reiner PR-Eintrag der Goenka-Tradition, die dieses Forum also missbraucht haben, um indirekt Werbung für ihre Tradition zu machen.
Ich hatte am Ende dort sehr gute Gründe, mich zurückzuziehen (nicht, weil ich einen Konflikt mit Leuten der Goenka-Tradition hatte, sondern mit einem Sichter von Wikipedia, der seine Stellung als Sichter klar missbraucht hat).
Aber der Vipassana-Eintrag, wie er jetzt ist, bildet keinen PR-Eintrag der Goenka-Tradition mehr. Er ist zum größten Teil von mir und gibt einen guten objektiven Überblick für Außenstehende. So hat sich die Arbeit wenigstens gelohnt.
Auf diesem Blog geht es jetzt inhaltlich bei Dir nicht mehr weiter. So schaltest Du auf eine ganz andere Ebene, und durchaus auch wieder, um mich polemisch anzugehen. Ich verdiene mit Vipassana auch nicht mein Brot und argumentiere nicht deshalb für dieses Thema.
Letzteres liegt mir schlicht und einfach am Herzen, ich schätze die praxisorientierte frühbuddhistische Vipassana-Bewegung als Ganzes und habe etwas gegen das Vorgehen, wie es in der Goenka-Tradition praktiziert wird; warum, habe ich hier, wie ich meine, wirklich hinreichend klar gemacht.
Aber vielleicht beirrt Dich ja auch bloß, dass ich kein „Vertreter“ bin.
Darum geht es aber nun einmal auf diesem Blog – zu Selbstdenken und eigenständiger Praxis beizutragen, weil es ohne diese für mein Dafürhalten auf einem authentischen buddhistischen Weg hin zu tieferen Einsichten nicht geht. Auf diesem Weg habe ich genug Wegbegleiter, die mir wichtig sind.
Wenn Du aus diesem Ansatz nichts ziehen kannst, gibt es andere Webseiten und Blogs.
Alles Gute, Hans
Hallo Hans,
ich fühle mich als Lernender und grundsätzlich machen mir diskursive Diskussionen Spass und ich finde es gut wenn man Selbstkritisch ist. Insofern finde ich es auch gut, und habe dich teilweise ja auch schon darin unterstützt, dass Selbstkritik in die Goenka-Tradition getragen wird.
Merke nun aber, dass du ohnehin das letzte Wort behälst, der Ton agressiver wird und dekonstruktiv und ich keine Freude mehr habe, da du dich auf deine Schriftgelehrtheit berufst, die zumindest für mich als intuitiven Menschen keinen Raum zum diskutieren lässt.
Du gehst ja nicht nur Goenka-Tradition scharf an, sondern alles mögliche. Wenn man jedoch scharf zurück gibt, verhärten sich die Fronten auch wenn man das gar nicht möchte. Du kritisierst zum Beispiel den Überlegenheitsanspruch der Goenka-Tradition, wirkst zumindest für mich jedoch in deinen Aussagen ebenso Überheblich, da du so tust, als ob du alles weisst, und keinen Zentimeter nachgibst, sondern im Gegenteil, verstärkst.
Und wie ich gesehen habe passiert dies nicht nur bei mir sondern auch bei vielen anderen (Bsp. Wikipedia) die mit dir diskutieren. Das finde ich schade. Aber möchte dir keinen Vorwurf machen, vielleicht liegt es ja auch nur an mir, dass ich jetzt so ein Gefühl habe, und ich tue dir Unrecht. Werde dies reflektieren, und vielleicht passt es ja ein andermal wieder. Würde mich freuen, zumal du spannender Typ bist, spannende Gedanken hast und eigenständige Wege gehst. Wünsche dir viel Erfolg darin.
Es sei mir noch erlaubt, darauf hinzuweisen, dass ich kein führendes Mitglied der Goenka-Tradition bin. Wäre ich dies, würde ich meine Aussagen wahrscheinlich mehr reflektieren, und nicht so offen schreiben, wie ich gerade denke. Für mich sind solche Diskussionen spannende Lernanstösse und ich habe keine Lust zwischen ernsthaften Grabenkämpfen zwischen unterschiedlichen Traditionen, wo jedes Wort gegen das andere auf die Waagschale gelegt wird, auch wenn es jetzt wieder in diese Richtung ausgeartet ist …
Für mich ist Vipassana und Dhamma-Service mein Lieblingshobby in der ich viel Essenz und Ausrichtung finde. Mir wird dies jetzt hier jedoch zu politisch und bin froh dass ich nicht mit Vipassana mein Brot verdienen muss, sonst hätte ich vielleicht das Gefühl, dass ich mich hier verteidigen müsste, ….
Na dann liebe Grüsse und viel Spass an jenen die hier noch weiter diskutieren möchten.
Und nochmals sorry, falls ich dir Unrecht tue. Du kannst mir gerne auf emotionaler Ebene zurückschreiben und bin dir auch nicht böse wenn du diesen Eintrag löscht.
liebe Grüsse, martin
Anmerkung: Die hier und oben zitierten Reden des Palikanons können in guten modernen Übersetzungen auf http://www.accesstoinsight.org nachgelesen werden.
Hallo mk,
Du sagst: „… damit wir nicht aneinander vorbei reden“. Ich bin auf die bisherigen Kommentare in deren Einzelaussagen genau eingegangen (auch wenn ich nicht zugestimmt habe), und werde es bei Deinem jetzigen Kommentar wieder tun. Du jedoch gehst genau betrachtet mit Deinem jetzigen Kommentar inhaltlich kaum auf meine Argumente ein.
Deshalb vorweg etwas Grundsätzliches zu Diskussionen auf diesem Blog: Ich wünsche mir ein möglichst gezieltes Aufeinander-Eingehen, auch wenn es sich um Kontroversen handelt (mit denen ich kein Problem habe; denn eine positiv verstandene Streitkultur scheint mir einen besonders hohen Lehrwert zu haben). Diese Kontroversen sollten sachlich verlaufen. Polemik, die etwas Anderes als inhaltliche Schärfe ist, sollte ausbleiben. Dass Goenka viel bekannter ist als ich, tut nichts zur Sache. Es ist von der Intention eine polemische Aussage. Außerdem unterstellst Du im gleichen Zusammenhang, dass meine Schriften von begrenzter Qualität seien.
Nun zu Deinem Kommentar:
Damit breitest Du bloß den in der Tradition von S. N. Goenka regelmäßig kommenden Gedanken aus, dass es letztlich alleine auf die Praxis oder Meditationsübung des Buddha, der „Kunst des Lebens“, ankomme, und diese von Religion, Theorie, Gelehrtentum, Buddhismus, Hinduismus usw. klar zu trennen sei. Dazu nimmst Du Bezug auf die Lehre von den „Drei Weisheiten“. Korrekt bedeuten diese (vgl. Vorwort zu diesem Blog):
1) „Weisheit durch eigenes Nachdenken“ Cinta-maya-panna,
2) „Weisheit durch Aufnehmen“ (von Lehre, Vortrag oder auch Schrift) Suta-maya-panna (Suta heißt „Gehörtes“) sowie
3) „Weisheit durch meditative Verinnerlichung“ Bhavana-maya-panna.
Schon alleine durch diese Lehre ist der in der Tradition von S. N. Goenka regelmäßig geäußerte und von Dir hier noch einmal ausgebreitete Gedanke widerlegt. Denn die dritte Weisheit der meditativen Verinnerlichung hat die anderen beiden Weisheiten zur Voraussetzung (ausgehend von der Lehre des Buddha im Palikanon, auf die sich Goenka alleine bezieht). Die Drei Weisheiten stehen in einer kausalen Abfolge: Grundvoraussetzung ist die 1) Weisheit durch eigenes Nachdenken, die sich in Bezug auf die 2) Weisheit durch Aufnehmen etwa so äußert, dass das Aufgenommene kritisch gesichtet und außerdem genau geprüft wird, von welchen Quellen etwas aufgenommen wird.
In diesem Sinne hat der Buddha zum Beispiel ausführliche Anweisungen gegeben, wie ein Meister kritisch zu hinterfragen sei (vgl. etwa das „Vimamsaka-Sutta“, Mittlere Sammlung Rede 47), bevor ein näheres Verhältnis zu ihm oder ihr eingegangen wird. Im berühmten „Kalama-Sutta“ der Angereihten Sammlung, einer sehr starken Aufforderung zum eigenen Nachdenken, hinterfragt er eine Reihe von bis heute gängigen Orientierungsinstanzen. Nicht diese sollen uns Orientierung sein, sondern was von uns selbst als zum Heile führend erkannt werde. Es gibt eine große Zahl von Reden im Palikanon, die sachliche, friedliche Auseinandersetzungen mit zeitgenössischen Lehrmeinungen oder Lehrenden zum Thema haben. Aber solche Auseinandersetzungen sind ohne tiefes und kritisches Denken nicht möglich.
Warum ist dieses Denken in der Lehre des Buddha so wichtig? Weil bloß durch einen Prozess des vergleichenden, hinterfragenden und prüfenden Denkens das Herausschälen einer „Trefflichen“, die Wahrheit treffenden „Sicht“(samma sati) möglich ist. Sie gilt hier als das Element, das DEN GANZEN BEFREIUNGSWEG leitet und „anführt“. Der Buddha hat die Treffliche Sicht das wichtigste Glied des Befreiungsweges genannt (vgl. „Die Großen Vierzig“, Mittlere Sammlung Rede 117).
Ausgehend von diesen Klärungen zu den Drei Weisheiten jetzt konkret zur Tradition von S. N. Goenka:
Jede Praxisform ist in ein theoretisches Fundament eingebettet, ob man dieses Fundament nun näher reflektieren möchte oder nicht. Dies gilt sogar in einem besonderen Maße für die Meditationsmethodik von S. N. Goenka. So gibt es hier etwa ein eigenes „Vipassana Research Institute“, das nicht frei in einem westlich-wissenschaftlichem Sinne forscht, sondern gezielt S. N. Goenka und dessen Tradition „zuarbeitet“. Zu jenem theoretischen Fundament der Praxisform der Tradition von S. N. Goenka gehören eindeutige religiöse Lehren, wie diesbezüglich bereits weiter oben aufgezeigt worden ist. Es handelt sich dabei tatsächlich um eine Mischform von Hinduismus und frühem Buddhismus, die bloß als die reine Lehre des Buddha deklariert wird. Bestimmte frühbuddhistische Lehren in dieser Mischform, vor allem die von den Empfindungskonglomeraten „Kalapas“, sind sehr spät entstanden. Sie erscheinen nicht in den Reden des Buddha im Palikanon (nicht einmal im schon relativ späten Abhidhamma).
Die von der Tradition propagierte Trennung von „Meditationsmethode“ und „Praxis“ einerseits und „Religion“ und „Philosophie“ andererseits entspricht also keineswegs der dort so viel beschworenen „Realität“. Möglicherweise soll diese künstliche Trennung dazu dienen, von einer näheren Reflexion des theoretischen Fundaments hinter der Praxis bzw. einem prüfenden, kritischen Denken generell abzuhalten.
Das funktioniert auch. Denn die oben zitierte Sichtweise der Tradition, die letztlich einer Abwertung des Denkens generell gleichkommt, wird dort sehr häufig geäußert. Sie ist der Grund, warum dort tiefere Diskussionen schnell abgeblockt werden, von Assistenzlehrenden kritische Fragen kaum zugelassen werden, und viele Schüler dieser Tradition Erörterungen, wie zum Beispiel diese hier, ignorieren oder schnell „abtun“. Es sollte sich jeder Schüler sein eigenes Urteil bilden, etwa ausgehend von den auf diesem Blog vorgebrachten Argumenten. Dies nicht zu tun öffnet Tür und Tor für geistige Lenkung. Das sollte jedem klar sein.
Du schreibst auch: „Goenka liefert jede Menge Argumente, wieso Vedana-Anupassana als Ausgangspunkt geeignet ist. Was ist daran nicht legitim?“
Ich habe nirgends gesagt, dass es nicht legitim sei. Ich habe gesagt, dass es eine Vipassana-Methode neben anderen ist, mit nicht mehr oder weniger Anspruch auf „Nähe“ zum historischen Buddha. Und dieser Punkt ist es doch in Wahrheit, womit Du und andere so große Probleme haben, weil damit die wesentliche Falschdarstellung angegangen wird, mit der die anderen tief greifenden Missdeutungen von Lehren des Palikanons gleichsam geschützt werden. (Übrigens sind die mit den anderen Einträgen oben besprochenen Missdeutungen, zum Beispiel der Drei Universellen Merkmale „anicca, dukka und anatta“, oder das Nichterscheinen des anderen zentralen Meditationssutta, der „Rede zum Bewussten Ein- und Ausatmen“ Anapanasati-Sutta, in Goenkas Lehre eindeutig. Meine Richtigstellungen sind für jeden Textkundigen offensichtlich richtig.)
Vedana-Anupassana, die Betrachtung der Empfindungen, ist keineswegs der große Schlüssel. In dem von Goenka so betonten Satipatthana-Sutta steht nichts von einer solchen Schlüsselfunktion dieser Betrachtung. Die mit diesem Sutta behandelten „Vier Vergegenwärtigungen der Achtsamkeit“ Satipatthana (des Körperlichen, der Empfindungen, der Geisteszustände und der Natürlichen Wahrheiten) stehen dort gleichberechtigt nebeneinander (eventuell auch mit einer gewissen „Steigerung“). Denn der Refrain, mit dem der Erkenntnisfortschritt bei den jeweiligen Übungen beschrieben wird, erscheint im exakt gleichen Wortlaut nach jeder einzelnen dieser Übungen.
Wenn die Betrachtung der Empfindungen jene Schlüsselfunktion hätte, wäre diese Funktion im Sutta zweifellos betont worden. Es gibt diverse Reden des Buddha, nach denen Bewusstmachung über ganz andere Kanäle laufen kann (vgl. etwa „Die Beseitigung der störenden Gedanken“, Mittlere Sammlung Rede 20).
Du nimmst es schon sehr auf die leichte Schulter (wie es von einem Vertreter dieser Tradition kaum anders zu erwarten ist), dass diese Tradition nicht klar „zwischen Technik und Legende“ trennt. Legenden mögen in der Tat ihre Bedeutung haben, zum Beispiel in erbaulichen Märchenerzählungen; aber nicht, wenn damit der Zweck verfolgt wird, einen expliziten Reinheits- bzw. Überlegenheitsanspruch einer ganzen Tradition zu begründen, obwohl es sich bei der Methode dieser Tradition in Wahrheit um eine neben anderen heutigen Vipassana-Methoden handelt, die objektiv nicht mehr Anspruch auf Nähe zur Lehre und Praxis des Buddha laut Palikanon wie die anderen erheben kann (angesichts der tatsächlichen Mischform von Hinduismus und frühem Buddhismus ihres theoretischen Fundaments sogar weniger Anspruch erheben kann).
Das ist eine Falschdarstellung, die angesichts der theoretischen wie methodischen Fülle und besonders wertvollen, zeitlos aktuellen Grundbotschaften des Palikanons relativ schwer wiegt; und auch mit Blick auf eine Tradition, die sich so stark die Wahrheitstreue auf ihre Fahnen schreibt, wie es die Tradition von S. N. Goenka tut, mit ihrem großen und häufig betonten Motto: „Die Dinge sehen, wie sie wirklich sind, nicht, wie wir sie gerne hätten!“
Na denn … Das findet nämlich nicht bloß auf dem Meditationskissen statt!
Ohne Mut zur Diskussion und zu Widerspruch von Führungsmitgliedern der Tradition und ohne Diskussionsbereitschaft der Schüler wird diese nötige Berichtigung nicht stattfinden. Ohne sie hat diese Tradition, zumindest im Westen, keine Zukunft, zumindest keine gute.
Folgende Tatsache sollten Vertreter wie Dich (wir kennen uns aus einem anderen Kontext, wie ich aus Deiner bloß mir zugänglichen Email-Adresse ersehen kann, weshalb ich weiß, dass Du ein sehr aktives und führendes Mitglied dieser Tradition bist) vielleicht einmal zum vertieften Nachdenken bringen:
Große Vipassana-Meister wie Mahasi Sayadaw, der anerkanntermaßen einer der gelehrtesten Meister in der Geschichte Burmas war und den Palikanon deutlich besser als S. N. Goenka und seine „Vordenker“ gekannt hat, oder auch gegenwärtige Vipassana-Lehrer wie Bhante Sujiva, die für ihre besonders breiten Kenntnisse des Palikanons bekannt sind, haben den Anspruch auf die einzige, reine Methode des Buddha niemals erhoben; und zwar alleine bloß deshalb nicht, WEIL sie den Palikanon sehr gut kennen und RESPEKTIEREN.
Viele Grüße,
Hans Gruber
Gelehrte versus Praktiker
Hallo Hans Gruber,vielleicht hilft es mehr wenn wir die Inhalte definieren, damit wir nicht aneinander vorbei reden. Die Lehre des Buddha kennt bekanntlich verschiedene Fromen von Weisheiten. Wäre Goenke ein Vertetter der suta-maya panna (Weisheit aus den Schriften) wäre er wahrscheinlich nicht Bekannter als Hans Gruber, und sein Schriften wären wohl nur von begrenzter Qualität, da sie ihren Blick nur auf einen sehr kleinen Teilaspekt der Schriften werfen.
Goenka ist doch vielmehr und primär ein Vertretter des bhavana-maya panna, dass heisst nicht auf der Ebene der Schriften, sondern auf der Lehre der direkten Erfahrung. Hier liegt doch sein besonderer Verdienst. Bist du hier wirklich anderer Meinung? In den Meditationszentrum und den Meditationskursen dieser Tradition ist zumindest alles ganz klar auf den erfahrungmässigen Inhalt der Lehre aufgebaut. Sutta-maya panna maximal nur soviel wie es dem bhavana-maya panna förderlich ist.
Und innerhalb der Vertretter des bhavana-maya panna liegt sein Schwerpunkt ganz klar auf vedenanupassana. Du hast ihn ja selbst in deinem Kursbuch richtigerweise dort verortet, und Goenka selbst ortet sich auch ganz klar dort, in diesem engen Bereich der Lehre des Buddha. Er sagt auch ganz klar, dass es viele Wege gibt, um die zentralen Inhalte (anicca, dhukka und anatta) der Lehre des Buddhas zugänglich zu machen. In dieser Tradition ist vedenanupassana der Ausgangspunkt und Goenka liefert jede Menge Argumente wieso vedenanupassana als Ausgangspunkt geeignet ist. Was ist daran nicht legitim?
Infolgedessen fände ich es angemessener, wenn diese Tradition auf der Ebene des (1) vedenanupassana kritisiert wird, und (2) ihrer Eignung zur Zugänglichmachung der zentralen Inahlte der (anicca, dhukka und anatta) der Lehre des Buddhas, da sie auch nur über diese zwei Teilaspekte primär Aussagen macht.
Gebe dir jedoch darin recht, dass die Tradition im kritisch wissenschaftlichen Sinn klarer trennen sollte, zwischen Technik und Legende. Vieles was über das historische Gewordensein gesagt wird, ist mehr Legende, als wissenschaftlich rational. Du kritisierst dies ja auch.
Dennoch aus pädagogischer Sicht -, und damit auch aus Sicht des Praktikers – haben auch Legenden ihre Bedeutung. Sie sind motivational und emotional Begründbar, und gerade für Menschen aus östlichen Traditionen sehr wichtig.
Sofern sie dazu dienen, dass sie die Erfahrung von bhavana-maya panna verstärken ohne dabei andere Traditionen deswegen Herabwürdigen, oder alleiniger Wahrheitsanspruch haben, meiner Meinung nach durchaus Legitim. Inwiefern man an Legenden glauben kann oder nicht, muss jeder selber beurteilen. Insofern Vipassana eine neutrale und wohlwollende Sichtweise schult ist die Gefahr daraus Fundamentalismus zu machen zumindest für Meditierende kaum gegeben.
Zum reinheitsverständnis Goenkas:
ich weiss nicht wie gut du die Geschichte dieser Tradition kennst, aber als Goenka begann Kurse zu geben, gab es noch kaum Regeln. Bspw. gab es nur am Tag 7 schweigen, sonst durfte geredet werden. Auch Männer und Frauen. Und alles mögliche passierte und durfte während der Kurse gemacht werden. Mit der zunehmenden Wachstum, gab es zunehmend neue Regeln. Schweigen wärend 9 Tage oder auch die Empfehlung für Server (nicht in Stein gemeisselt!) nicht über andere Techniken während des Kurses zu reden. Sämtliche Regeln können hinterfragt werden, und es gibt praktikable Begründungen hierzu, da sie aus der Praxis entstanden. Manches ändert sich auch wieder. Zum Beipsiel ist das Server-Mette oder das sich verbeugen der Schüler heute ein grundsätzlich anderes als vor 3 Jahren. Nicht weil es in den Schriften steht, sonder weil es anders als praktikabler erscheint!
Inwiefern diesen Regeln ein systematischer von Goenka geprägter Reinheitsverständnis zugrunde liegt wurde von dir aufgezeigt. Aber es liesse sich ebenso aufzeigen, wie sich diese mit dem Argument der Praktikabilität (im Sinn von bhavana-maya panna über den Zugang von vedenanupassana) begründen lassen.
Soweit meine Gedanken.
Besten Dank für Eure interessanten Kommentare.
Gestattet mir eine nähere Antwort, zuerst zu mk:
Ich stimme nicht zu, dass Goenkas Hauptaugenmerk auf die Praxis gerichtet ist. Mit all seinen Vorträgen kommentiert Goenka ja bloß die Reden des Buddha im Palikanon oder bezieht sich immer wieder auf diese Reden, um damit die Meditationsmethode seiner Tradition auf den historischen Buddha selbst zurückzuführen. Du (der Kommentator mk) siehst es letztlich selbst ja genauso, weil Du zwar zuerst noch sagst, Goenka gehe es nicht um die Schriften, aber unmittelbar danach mit dem nächsten Satz betonst, dass es Goenka sehr gut verstehe, „in kurzer Zeit ein tiefes Verständnis der zentralen Einsichten des historischen Buddha zu vermitteln“. Damit beziehst Du also selbst Goenkas Lehre auf die alten Schriften (unsere einzige Quelle zur Lehre bzw. den Einsichten des Buddha), so wie es eben auch Goenka tut.
Ja, einem guten buddhistischen Lehrer sollte es darum gehen, Vertrauen in seine Lehre zu erzeugen, indem er stichhaltige Deutungen der Lehre des Buddha vornimmt. Aber er sollte im Rahmen dieser Deutungen nicht Dinge behaupten, die nicht zu belegen sind. Selbst höchst gelehrte Lehrer wie Mahasi Sayadaw oder andere bekannte Vipassana-Lehrer behaupten nicht, dass ihre jeweilige Methode genau die Methode des historischen Buddha gewesen sei (weil etwa ein Mahasi Sayadaw viel zu gut über den Palikanon Bescheid wusste, um nicht genau gewusst zu haben, dass der Buddha nicht diese oder jene heutige Vipassana-Technik gelehrt hat).
Ich würde kein Wort der Kritik äußern, wenn nicht Goenka und übrigens auch die von ihm autorisierten „Vordenker“ wie Dr. Paul R. Fleichman oder Marshall Glickman (mit dessen Werk „Beyond the Breath“) in verschiedenen Hinsichten den sytematischen Versuch unternehmen würden, das Body Sweeping als die Methode zu Buddha zu deklarieren, ohne dass sie, wenn man deren Argumente mit gewissem Wissenshintergrund näher betrachtet, stichhaltige Gründe dafür anführen können. Lehrer müssen sich grundsätzlich an ihren eigenen Ansprüchen messen lassen. An diesem Messen ist nichts Verwerfliches; es ist vielmehr in einer wissenschaftlich vorgeprägten und aufgeklärten modernen Kultur geboten.
Das Reinheitssicht Goenkas lässt sich nicht mit dem umfassenden Regelwerk der buddhistischen Ordensdisziplin vergleichen. Wie oben umrissen, handelt es sich bei Goenkas Reinheitslehren weniger um bestimmte Regeln, die im Laufe der Zeit entstanden sind, sondern um in verschiedene Seiten seiner Lehre eingebettete Charakteristiken, die von Anfang an gegeben waren. Entsprechend dem von Goenka erhobenen Anspruch stellen sich diese Charakteristiken den Menschen, welche die mit dem Palikanon überlieferte Lehre des Buddha nicht oder kaum kennen, irrigerweise als integrale Bestandteile der Lehre des historischen Buddha dar.
Ich habe nicht bezweifelt, dass die von Goenka gelehrte Praxis gute Früchte trägt (so wie es bestimmte andere Vipassana-Methoden auch für bestimmte andere Persönlichkeitstypen tun). Ich richte mich lediglich gegen den von Goenka und von ihm autorisierten Vordenkern seiner Tradition erhobenen unhaltbaren Anspruch, dass sie die „reine Technik“ des Buddha lehren, das heißt genau diejenige Methode, die der historische Buddha selbst gelehrt habe.
Zum Kommentator jk:
Gemäß Goenkas Lehren auf dem Zehntages- und Satipatthana-Sutta-Kurs ist es so, dass die Atembeobachtung „Anapanasati“ als ein reines Konzentrationsmittel eingesetzt wird. Dabei geht es um die Beobachtung der von der Ein- und Ausatmung verursachten oder mit ihr einhergehenden Empfindungen in dem eingegrenzten, kleinen Gebiet zwischen den Nasenlöchern und der Oberlippe. Dieses Gebiet wird im Verlauf der Anapanaphase noch weiter verengt, um dadurch die Konzentration oder Sammlung noch weiter zu steigern. Wenn dann eine genügende Konzentration aufgebaut worden ist, wird gleichsam auf die ausschließliche Übung der systematischen Beobachtung der Empfindungen im ganzen Körper umgeschaltet, wobei die in der vorherigen Phase aufgebaute Konzentration nun als Mittel für eine konzentrierte Empfindungsbeobachtung eingesetzt wird.
Aber von einer Verbindung der Beobachtung der Empfindungen an verschiedenen Stellen des Körpers mit einer Betrachtung der Empfindungsmanifestationen des Ein- und Ausatmens irgendwo im Körper wird stark abgeraten (so etwa die frühere Antwort eines Assistenzlehrers auf meine diesbezügliche explizite Frage). Das Ein- und Ausatmen manifestiert sich über den Sauerstoff, der durch den Blutkreislauf in alle Körperzellen transportiert wird, ebenfalls in Form bestimmter Körperempfindungen. Außerdem kann die Bewusstheit des Ein- und Ausatmens auch dazu verwandt werden, um gleichsam in bestimmte körperliche Empfindungsgebiete „hineinzuatmen“ bzw. etwaige verhärtete Empfindungen „abzuatmen“. Das wären beispielsweise Formen, wie die Bewusstheit des Ein- und Ausatmens gemäß dem Anapanasati-Sutta des Palikanons als eine Dach- bzw. Schlüsselbewusstheit für die Entfaltung der Vier „Vergegenwärtigungen der Achtsamkeit“ Satipatthanas benutzt werden kann (und in bestimmten Vipassana-Methoden benutzt wird).
Genau betrachtet gibt es mehr Belege für diese Verbindung von Atem- und Körperbewusstheit als für eine reine Beobachtung der Körperempfindungen unabhängig von der Atembewusstheit. Denn das von Goenka nicht berücksichtigte Anapanasati-Sutta ist dazu eindeutig. Das von Goenka berücksichtigte Satipatthana-Sutta ist nicht eindeutig, was die von ihm gelehrte ausschließliche Beobachtung der Körperempfindungen angeht.
Der entscheidende Punkt ist: Die Bewusstheit des Ein- und Ausatmens kann – je nach dem methodischem Aufbau im meditativen Vorgehen – sowohl als Konzentrations- als auch Einsichtsmeditation verwandt werden. Deshalb wird diese Übung im Palikanon vom Buddha häufiger und höher als irgendeine andere gepriesen.
Die große Frage ist, warum in der Tradition von Goenka so viel Wert darauf gelegt wird, diese beiden Übungen voneinander zu trennen. Die gelegentliche und von Goenka bzw. den von ihm autorisierten Vordenkern seiner Tradition empfohlene Beobachtung der Empfindungen beim Ein- und Ausatmen in der Gegend unterhalb der Nasenlöcher, um nach einem Verlust der Konzentration diese wieder zu etablieren, bevor wieder rein die Körperempfindungen beobachtet werden, bewegt sich ganz im Rahmen der hier gemeinten Trennung der beiden Übungen.
Meine Vermutung zu der genannten großen Frage:
Die Bewusstheit des Ein- und Ausatmens ist eine vom Buddha besonders empfohlene Methode, um das Wesen aller Dinge als das „Nicht-Selbst“ Anattâ zu durchdringen: „das ist nicht mein, das bin ich nicht, das ist nicht mein (wahres) Selbst“. Klar deutlich wird das etwa an der Rede 62 der Mittleren Sammlung, „Die größere Rede über den Rat an Rahula“. Denn das Atmen verbindet das Bewusste und das Unbewusste; es verläuft gewöhnlich unbewusst, kann aber bewusst gemacht werden. Dann wird es zum Spiegel der ständig wechselnden Geisteszustände. Gemäß der frühbuddhistischen Lehre von den Elementen offenbart das Atmen die äußere und innere Natur (Welt und Körper) als das Nicht-Selbst. Der Atem repräsentiert im Rahmen der Elementemeditation auch alle Bewegungsempfindungen.
Nun herrscht in der Tradition von S. N. Goenka eine ganz bestimmte, gleichsam „eingeschränkte“ Deutung des „Nicht-Selbst“ Anattâ. Letztlich gilt es hier nämlich bloß als ein Synonym für die „Vergänglichkeit“ Anicca.
So übersetzt zum Beispiel Dr. Paul R. Fleischman in „The Experience of Impermanence“ die besonders zentrale kanonische Aussage „sabbe dhamm anattâ“ (wörtlich „alle Dinge sind das Nicht-Selbst“) folgendermaßen: „All phenomena are insubstantial“ (alle Erscheinungen sind substanzlos). Der Begriff „Substanz“ bedeutet immer irgendeinen bleibenden Kern. Die Verneinung von Substanz bedeutet also lediglich die Bekräftigung der Vergänglichkeit, nicht mehr.
Warum aber wird hier das Nicht-Selbst in solcher Weise reduziert? Fleischman beantwortet diese Frage indirekt selbst: „The rock of the self is revealed to be liquid, essenceless, anattâ“ (der Fels des Selbst wird als flüssig, ohne Essenz, Nicht-Selbst offenbart). Ihm geht es also um die Lehre von einem vergänglichen Selbst bzw. substanzlosen Selbst als dem vermeintlich wahren eigenen Selbst. An anderer Stelle spricht Fleischman von „the illusion of separate Self“ (der Illusion eines getrennten Selbst). Dies ist also die Lehre von einem allverbundenen, nichtgetrennten Selbst als dem vermeintlich wahren eigenen Selbst.
Laut den Lehren des Buddha im Palikanon wird ist das universelle „Nicht-Selbst“ Anattâ jedoch deutlich weiter gefasst. Damit wird nämlich verneint, dass alle bedingten „Erscheinungen“ und ebenfalls das Unbedingte „Nibbâna“ (beides liegt im Ausdruck „alle Dinge“ sabbe dhammâ) im höchsten Sinne ein Selbst seien, das heißt „Eigenwesen“ hätten. Wir bewegen uns hier im Herzbereich des frühen Buddhismus. „Die Lehre des Buddha steht und fällt mit der Lehre vom Nicht-Selbst“, hat etwa der berühmte Theravada-Mönch Nyanatiloka gesagt. Wir haben es hier also mit einem weiteren Kernthema zu tun, bei dem Goenka im Gegensatz zu seinem Anspruch von der Lehre des Buddha im Palikanon abweicht.
Mit der oben zitierten Standardaussage zum Nicht-Selbst Anattâ im Palikanon, nämlich „das ist nicht mein, das bin ich nicht, das ist nicht mein (wahres) Selbst“, wird Folgendes ausgedrückt: Alles, was vergänglich ist und damit nicht wirklich befriedigend kann, ist deshalb auch nicht qualifiziert, „mein“ oder „Ich“ oder irgendein theoretisch gedachtes wahres „mein Selbst“ zu sein.
Unter das letztere fällt nun auch Fleischmans bzw. Glickmans bzw. Goenkas vergängliches, substanzloses oder allverbundenes Selbst.
Warum wird es hier trotzdem gelehrt? Meine Vermutung:
Es ist wieder Goenkas hinduistischer Hintergrund (der schon im Einleitungsaufsatz beschrieben worden ist), der ihn dazu führt, solche Lehren von einem (wahren) Selbst – vielleicht unbewusst – als Lehren des historischen Buddha zu präsentieren, obwohl laut Palikanon der Buddha alle Lehren von einem höchsten oder wahren Selbst zurückgewiesen hat. Bereits zur Zeit des historischen Buddha lag hier der Hauptunterschied zu den zeitgenössischen hinduistisch-brahmanischen philosophischen Systemen, was zu entsprechenden friedlichen, rednerischen Auseinandersetzungen zwischen dem Buddha und Brahmanen geführt hat, wie viele Reden belegen.
Warum war der Buddha in dieser Hinsicht so klar?
Weil psychologisch betrachtet jede Lehre von einem wahren Selbst gleichsam als eine metaphysische Rückversicherung für das gewöhnliche Berwusstsein von „Ich und mein“ wirkt und damit als die Quelle für das unbewusste, leidverursachende Festhalten an den vergänglichen Dingen (vgl. etwa Rede 11 der Mittleren Sammlung, „Die kürzere Rede über das Löwengebrüll“).
Hans Gruber
Ich meditiere schon sehr lange in der Tradtion nach Goenka und trotz der vermeintlichen „Trennung“ der Samadhi und Panna-Einübung, ist es nach ausreichendem Trainung so, dass ich bei der Beobachtung des Atems immer gleichzeitig Empfindungen beobachte bzw. ihre veränderlich Natur. und bei sehr guter Konzentration kommt man in den Zustand ständig überall alle Empfindungen zu spüren und gleichzeitig den Atem zu spüren. Dann sind es kaum noch Gedanken, die ablenken, da man voll in die Beobachtung von Atem und Empfindungen eintaucht.
Auch gibt Goenka in seinen 10 tages kursen immer wieder den Hinweis Anapana zu praktizieren, wenn die Konzentration schlechter wird. Es soll also im Bedarfsfall beides praktizier werden und das muss auch sein, denn wie soll sonst der herumscheifenden Geist eingefangen werden? Das geht nur wirklich gut mit der Atembeobachtung.
ich denke mir wir sind uns darin einig, dass man eine tradition und deren lehrer besser nach deren wirksamkeit beurteilt, als nach deren annäherung an eine 2500 jährige „wahrheit“. hans gruber geht hier einen anderen weg. inwiefern dies sinnvoll ist sei dahin gestellt, zumal hans gruber wahrscheinlich – so wie wir auch – nicht die weisheit in person ist.
ich stufe goenke als pragmatiker ein, der eine höchst wirksame methode lehrt, die ganz viel potential entfaltet hat. sein hauptaugenmerk war zeitlebens auf die praxis gerichtet und nicht auf die schriften. ich denke er versteht es sehr gut, die menschen in kurzer zeit ein tiefes verständnis der zentralen einsichten des historischen buddhas zu vermitteln.
es stimmt, und es ist durchaus legitim ihn hier zu kritisieren, dass er die schriften verwendet um die wirksamkeit seiner praxis zu argumentieren, wobei seine praxis nur ein winziger teil dessen ist, was alles in den schriften geschrieben steht.
aber aus pragmatischer sicht ist es ebenso legitim und verständlich, wenn er die schriften verwendet um vertrauen in die praxis die er lehrt zu erzeugen. was wäre er für ein lehrer, wenn er nicht vertrauen in die praxis erzeugen würde die er lehrt.
menschen sind unterschiedlich und so sprechen eben unterschiedliche lehrer unterscheidliche menschen an. zum glück gibt es unterschiedliche traditionen, lehrer, wege, …
es stimmt, und es ist durchaus legitim, sein reinheitsgebot in frage zu stellen. aber auch hier, aus sicht des pragmatikers, für mich voll nachvollziehbar. als goenka begann kurse zu geben, gab es noch kaum regeln. inzwischen gibt es sehr viele regeln, da es durch das schnelle wachstum auch viele regelverstösse gab, die regeln sinnvoll werden liessen, da regelverstösse dem wachstum von dhamma schaden zufügten. zur zeit des historischen buddhas war es meines wissens auch nicht anders. als buddha sich verabschiedete hinterliess er ein buch voll mit regeln und reinheitsgeboten. dass diese reinheitsgebote und regeln heute zum teil andere sind als zur zeit des buddhas sollte wohl fast jedem einleuchten, da wir uns auch in einem anderen historischen kontext befinden. goenke ist für mich auch hier der weg des pragmatikers gegangen. er übernimmt lediglich verantwortung für das was er lehrt. aber auch hier: wem dies zuviel ist, der kann sich ja andere wege suchen.
goenka ist kein buddha, was er auch sagt. er lehrt lediglich das was er versteht und ich finde er versteht seine sache sehr gut. zumindest profitieren viele davon und die früchte die es gibt, sind von guter qualität.
Hallo FY
Danke für den Kommentar. Du sprichst weitere wichtige Punkte an. Besonders wichtig erscheint mir der Punkt mit S. N. Goenkas Deutung des zentralen „Satipatthana-Sutta“ (von den Vier Grundlagen der Achtsamkeit). Ich habe einige Zehntageskurse und zwei Satipatthana-Sutta-Kurse in Goenkas Tradition gemacht. Seine Deutung dieser zentralen Rede ist lediglich eine neben verschiedenen anderen, die genauso möglich oder sogar plausibler sind.
Denn es wird mit dem „Satipatthana-Sutta“ keine bestimmte, methodisch klar umrissene „Technik“ beschrieben, wie sie etwas das Body Sweeping von U Ba Khin bzw. Goenka oder auch das Benennen von Mahasi Sayadaws ist (aber Mahasi Sayadaw behauptet auch nicht, dass seine Methode im „Satipatthana-Sutta“ beschrieben werde)). Der Buddha gibt mit seinen Meditationsreden grundsätzlich „offene“ Methoden vor, ohne sie vom technischen Ablauf her im Einzelnen festzulegen.
Es gibt im Palikanon keinen einzigen Beleg für diese oder jene moderne „Technik“ des Vipassana. Goenka nennt immer wieder als vermeintlichen Beleg für die Technik des Body Sweepings eine bestimmte Stelle aus dem Abschnitt zum bewussten Ein- und Ausatmen im „Satipatthana-Sutta“, wo es unter anderem heißt:
„Den ganzen Körper empfindend, werde ich einatmen,
den ganzen Körper empfindend, werde ich ausatmen!“
Er deutet diese Stelle im Sinne des Body Sweepings so:
Der Praktizierende soll dahin kommen, während der Länge einer Einatmung oder der Länge einer Ausatmung den ganzen Körper bzw. alle Empfindungen im Körper spüren zu können. Er versteht also die in jener zitierten Stelle genannte Ein- oder Ausatmung als ein bloßes Zeitmaß, während dessen die Empfindung des ganzen Körpers geschehen soll.
Das ist eine falsche Deutung. Die zitierte Stelle gehört zu einem Abschnitt, der zwar die Eröffnung des „Satipatthana-Sutta“ bildet, aber wortwörtlich aus der Rede zum bewussten Ein- und Ausatmen „Anapanasati-Sutta“ stammt. Interessanterweise gibt es kaum Aussagen Goenkas zu dieser anderen, genauso zentralen Meditationsrede des Buddha.
Mit dieser Rede wird das bewusste Ein- und Ausatmen eindeutig als eine Dachbewusstheit beschrieben, INNERHALB DERER sich die Achtsamkeit für die Vier Vergegenwärtigungen bzw. die Vier Grundlagen der Achtsamkeit (das heißt die Vier Satipatthanas des „Satipatthana-Sutta“) VON ALLEINE mit wachsender Ruhe und Einsicht entfalten.
Das bewusste Ein- und Ausatmen ist hier kein Zeitmaß (wie es Goenka interpretiert), sondern eine Dach- oder Schlüsselbewusstheit zur vollen Entfaltung der befreienden Achtsamkeit. So heißt es einleitend in dieser Rede, dass das bewusste Ein- und Ausatmen „von großer Frucht und großem Nutzen“ sei und zum befreienden Wissen führe. Das bewusste Ein- und Ausatmen ist hier also nicht bloß Konzentrationsmittel (wie auf den Zehntageskursen in der Tradition von S. N. Goenka in den ersten drei Tagen), sondern vor allem Einsichtsmittel.
In der Tradition von S. N. Goenka wird eine Trennung zwischen Atembewusstheit einerseits und Körper- bzw. Empfindungsbewusstheit andererseits gelehrt. Diese Trennung wird auf den Zehntageskursen auch praktisch umgesetzt, indem nach den drei Tagen der Konzentrationsaufbauphase – durch Atembewusstheit in Form der Beobachtung der Ein- und Ausatmung im Gebiet zwischen den Nasenlöchern und der Oberlippe – gleichsam auf die Einsichtsphase des eigentlichen Vipassana in Form des Body Sweepings umgeschaltet wird.
Aber diese Trennung gilt eindeutig nicht für die Atembewusstheit, wie sie der Buddha mit dem „Anapanasatisutta“ des Palikanons gelehrt hat. Demnach soll das Betrachten des Körpers bzw. der Körperempfindungen mit der Betrachtung des Atmens eng verwoben werden, oder noch genauer gesagt: Gemäß dem Anapanasatisutta soll das Betrachten des ganzen Körpers bzw. aller Körperempfindungen INNERHALB der Bewusstheit des Atmens geschehen (wodurch das bewusste Ein- und Ausatmen sowohl zum Konzentrations- als auch zum Einsichtsinstrument wird), und nicht zeitlich nach der Atemkonzentration wie in der Tradition von S. N. Goenka.
Danke für den Artikel.
Ich finde auch, daß diese Problematik bei Goenkas Vipassana zur Spreche kommen sollte. Ich habe schon mehrere Kurse gesessen und Service gegeben und bin eigentlich von der Technik angetan.
Doch die von Dir angesprochenen Punkte fand ich auch sehr störend und irritierend.
In den Vorträgen heißt es zwar meist, daß die anderen „Techniken“ ja nicht schlecht gemacht werden sollen, aber genau das wird da meist getan.
An mehreren Stellen werden andere bekannte Techniken, wie die des „Benennens“ erst von Goenka falsch erläutert und dann kritisiert.
Bei dem „Satipatana“ Kurs hat mich auch ganz besonders gestört, daß er darin genau seine Methode erklärt sieht, wobei man damit doch fast jede Methode beweisen könnte, da die Anweisungen doch recht wage sind.
Auch daß der Buddha seine Erleuchtung mit genau dieser Methode erreicht haben soll ist doch äußerst spekulativ und läßt sich garnicht mit Sicherheit rekonstruieren.
Die Diskussion und der Vergleich mit anderen Meditationsformen wird strikt vermieden, einen der krassesten Auswüchse dessen finde ich den Verbot während man als Kurshelfer tätig ist über andere Meditationsarten zu sprechen.