Bhante Vimalaramsis sogenannte „wahre Lehre“ des Buddhas:
Die „Ruhige Weisheits-Meditation“
* Näheres zum neu entdeckten Urvater des westlichen praktizierten Buddhismus,
U Dhammaloka, hier im Vorwort
* Tipp: Die Spiegelung meiner Facebook-Seite auf diesem Blog
Bhante Vimalaramsi ist ein im deutschsprachigen Raum zunehmend aktiver amerikanischer Vipassana-Lehrer, der immer wieder behauptet, er vermittle ganz getreu die Lehre des Buddha, wie sie in den Redensammlungen des Pali-Kanon erscheine.
In diesem Kontext greift er andere Vipassana-Lehrende vor allem aus der Tradition von Mahasi Sayadaw an, die sich mit ihrem Ansatz nicht bloß auf die Reden des Buddha im Pali-Kanon, sondern auch auf die spätere Kommentarliteratur stützen.
Wie steht es also um diese Treue zu den Reden des Buddha im Pali-Kanon, die Bhante Vimalaramsi so sehr für sich beansprucht?
Im Folgenden kommt eine Kommunikation darüber zwischen einem guten Freund, der anonym bleiben will, und mir.
Hinweise:
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Der Freund:
Was hältst Du von den unten zitierten Ausführungen, die Bhante Vimalaramsi zu Konzentration und Vipassana macht? Entsprechen seine Aussagen tatsächlich den Reden des Buddha? Ist hier vielleicht eher Achtsamkeit als Konzentration gemeint?
Die Antwort:
Achtsamkeit ist im ersten Schritt notwendig für Konzentration und im zweiten Schritt – auf Basis von Konzentration – zu Einsicht. Aber es gibt unterschiedliche Ansichten darüber, welches Maß an Konzentration für die befreiende Einsicht erforderlich ist. In jedem Fall wird generell, das heißt in den Reden des Buddha im Pali-Kanon wie auch bei den heutigen Vipassana-Lehrenden, zwischen Konzentration und Einsicht getrennt. Bhante Vimalaramsi dagegen behauptet, dass der Buddha diese Trennung nicht gelehrt habe, in dessen Reden Meditation niemals alleine Konzentration bedeute, sondern immer auch Einsichtsentwicklung. Das stimmt nicht.
Natürlich gibt es in der Lehre des Buddha einen Zusammenhang zwischen Konzentration und Einsicht, wie oben kurz skizziert. Aber deshalb sind es hier trotzdem relativ getrennte Bereiche. Man kann in der Meditation mit bestimmten Methoden ohne Weiteres bloß alleine die Konzentration entwickeln. Auf diesem Wege kommt es zu keiner Einsicht, laut Buddha ein Irrweg. Die Art von Achtsamkeit, die lediglich zur Entwicklung von Konzentration eingesetzt wird, gilt ihm als „Verfehlte Achtsamkeit“.
Zu den Details des Verhältnisses von Konzentration oder Sammlung und Einsicht laut den Reden Suttas im Pali-Kanon lies bitte – neben meinen Antworten unten – hier im Blog auch die Kommunikation „Sind die tiefen Konzentrationszustände `Jhânas´ für die Befreiung notwendig?“ und danach „Was bedeuten die buddhistischen Sammlungszustände?“.
Die von dem Freund zitierten Ausführungen Bhante Vimalaramsis sind:
1. Zitat)
Der Buddha hat Meditation nicht in verschiedene Arten
unterteilt, wie es heute üblich ist. Meditation bedeutet nie tiefe
Konzentration irgendeiner Art, also Konzentration in Form von
Fixierung oder Absorption des Geistes (appana samadhi), angrenzende,
anfängliche oder Zugangs-Konzentration (upacara
samadhi) oder momentane Konzentration (khanika samadhi),
die den Geist anspannen und die Hindernisse unterdrücken.
Konzentrations-Meditation ist eine Art Unterdrückung, eine
Art Abschneiden der Erfahrung, was Widerstand im Geist erzeugt.
Folglich entsteht ein Konflikt mit der Wirklichkeit. Ruhige
Weisheits-Meditation, die nichts ausschließt oder zurückweist,
öffnet dagegen den Geist und erweitert ihn kontinuierlich. Ein
konzentrierter Geist meditiert nicht auf buddhistische Weise. Es
spielt keine Rolle, ob man von voller oder fixierter oder anfänglicher
Konzentration spricht, es bleibt dennoch dasselbe.
Der Freund dazu:
Wenn dies nicht so ist, woher stammen die Klassifizierungen? Aus den Kommentaren? Wenn ja, dann sind diese doch in gewisser Weise „menschgemacht“ und somit nicht unbedingt reiner Dhamma.
Die Antwort:
Meditation bedeutet für den Buddha wohl auch die Praxis von Konzentration verschiedener Art, nämlich als Vorbereitung zu der meditativen Entwicklung von Einsicht mittels einer weiter vertieften Achtsamkeit (vgl. näher unten).
Und sicher stammt die von Bhante Vimalaramsi zitierte spezifische Unterteilung von Konzentration aus der späteren Kommentarliteratur. Für diese Erkenntnis braucht es aber nicht ihn. Das hat etwa Nyanatiloka in seinem Buddhistischen Wörterbuch schon lange vor Bhante Vimalaramsi allgemein bekannt gemacht (vgl. hinten im Wörterbuch unter „Samâdhi“ und „Nimitta“).
Vimalaramsi einfacher (Verkaufs?-) Trick 17 ist:
Er betont immer wieder, was nicht in den Reden des Buddha Suttas stehe, und behauptet dann eine ganze Reihe von Dingen, die angeblich genau so in den Suttas stünden, aber dort in Wahrheit genauso wenig stehen; oder weniger, insofern manche spätere Klassifizierungen aus der Kommentarliteratur sich meist eng an das Original halten und deshalb durchaus sinnvoll sind.
So gibt es etwa im Abhidhamma die folgende gute Unterteilung: Die Konzentration gilt hier als ein neutraler Geistesfaktor, die Achtsamkeit dagegen (die ohne Attribut immer für die „treffliche Achtsamkeit“ steht) als ein heilsamer Geistesfaktor. Dies entspricht der Sicht, die in den Reden des Buddha zum Ausdruck kommt. Laut der zentralen Eröffnungsrede der Langen Sammlung (Abschnitt 3.21-3.24) zum Beispiel wird es vom Buddha viermal als eine „Verfehlte Sicht“ hinsichtlich der Konzentrationsmeditation der Vier Vertiefungen Jhânas bezeichnet, wenn die jeweiligen Früchte dieser Vier Jhânas als Befreiung angesehen werden. Konzentration alleine bedeutet demnach also nicht Befreiung. Sie alleine führt nicht dahin. Konzentration ist vielmehr neutral: Sie kann der Befreiung oder der Bindung dienen.
Bhante Vimalaramsi ist ein kreativer und für Diskussion offener Geist (ich hatte mit ihm einmal eine lange Diskussion) und hat eine für viele hilfreiche Vipassana-Methode entwickelt. Aber er überschreitet zwei Grenzen: 1) Er behauptet, mit seinen Deutungen die Lehre des Buddha laut den alten Reden genau wiederzugeben, was häufig nicht stimmt. 2) Er manipuliert die Originalbegriffe, um zentrale Konzepte seines Ansatzes dem Buddha zuschreiben zu können.
Ersteres machen ebenfalls manche andere Lehrende, was auch mit Flüchtigkeit im Umgang mit den Quellen zu tun haben kann. Aber Zweiteres macht meines Wissens bloß Bhante Vimalaramsi.
So gibt es zum Beispiel in den Suttas keinen Begriff, der sich mit „Ruhiger Weisheits-Meditation“ übersetzen ließe, die in Bhante Vimalaramsis Lehre das Hauptkonzept ist. Demnach muss er dieses Konzept in die Suttas hineinzwingen. Er behauptet in seinem Buch Anapanasati: Wegweiser zur Achtsamkeit auf den Atem und zur Ruhigen Weisheits-Meditation:
„Nach dem Pali-Englisch-Wörterbuch von Buddhadatta bedeutet die Vorsilbe sama Ruhe oder Gelassenheit und dhi Weisheit. Zusammengenommen kann samadhi also ruhige Weisheit bedeuten.“
Aber das kann Samâdhi nicht bedeuten. Keines der wichtigen Wörterbücher gibt Samâdhi so wieder (vgl. etwa hier). Denn der Originalbegriff lautet „Sam-aa-dhi“ (langes a in der Mitte und kurzes i am Ende) und ist männlichen Geschlechts. Der Originalbegriff lautet nicht „Sama-dhi“ (kurzes a in der Mitte, nämlich am Ende des Wortes sama für „Ruhe“), was auch weiblich ist.
Im ursprünglichen Sanskrit ist bloß „Dhii“ (mit langem i) eine substantivische Ableitung aus dem Verb dhii (mit langem i) für „denken, verstehen“, die auch mit „Weisheit“ übersetzt werden kann. (Die substantivische Ableitung Dhii, ähnlich wie das Verb dhii, bedeutet vor allem „Gedanke, Reflexion, Intelligenz“.) Im Pali wird dann zwar dieses Sanskritwort Dhii zu Dhi (mit kurzem i am Ende), aber beide sind weiblichen Geschlechts. Der Palibegriff Sam-aa-dhi dagegen ist männlichen Geschlechts. Wenn das -dhi am Ende dieses Palibegriffs jenes weibliche Dhi für „Weisheit“ wäre, würde auch der ganze, zusammengesetzte Begriff weiblich. Und wenn der Anfang dieses Palibegriffs Sama für „Ruhe, Gelassenheit“ wäre, dürfte eben auch kein langes a in der Mitte des zusammengesetzten Begriffs stehen.
Im Pali-Originalbegriff Sam-aa-dhi steckt vielmehr die substantivische Ableitung männlich Dhi (auch mit kurzem i) aus dem Verb dhâ für „setzen, richten“ (vgl. wieder hier). Das erste Präfix sam bedeutet “zusammen”, das zweite Präfix â eine gezielte Ausrichtung (laut PTS-Dictionary “it denotes the aim of the action expressed in the verb”), und männlich -dhi ist eben jene andere Ableitung aus dem Verb dhâ für “tun, setzen, fügen, richten”. Wörtlich ist mit Sam-aa-dhi also ein geistiges Zusammen-Gefügtsein gemeint, das spezifisch auf etwas hin- oder ausgerichtet ist. Der genaueste westliche Begriff dafür lautet “Konzentration” oder “Sammlung”.
Außerdem wird Samâdhi in den Reden des Buddha ja eindeutig als Sammlung oder Konzentration näher beschrieben:
Mit der Rede 44 der Mittleren Sammlung zum Beispiel wird die in den Reden häufig erscheinende “Sammlung” Samâdhi in einem klaren Sinn von Konzentration als “Einsgerichtetheit des Herzgeistes” Cittekaggatâ definiert (von Dhammadinnâ, deren Antworten am Ende der Rede vom Buddha explizit bestätigt werden). So ist hier die konzentrative Einsgerichtetheit also ein Synonym für die Sammlung oder Konzentration Samâdhi. In den Reden des Buddha wird Samâdhi zudem wiederholt als die Entwicklung der Vier Konzentrativen Vertiefungen Jhânas erklärt. Die Vier Jhânas sind der Prozess der wachsenden Vertiefung von Samâdhi oder konzentrativer Einsgerichtetheit. Bei den Jhânas geht es um verschiedene hohe Stufen reiner Konzentration.
Damit widerspricht die Lehre von Konzentration, einem zunehmend punktförmig ausgerichteten Bewusstsein bzw. der konzentrativen Einsgerichtetheit nicht den Reden des Buddha im Pali-Kanon, wie Bhante Vimalaramsi suggeriert.
Außerdem sagt Vimalaramsi zum Beispiel irreführend zum Thema Jhâna:
„In Pali hat Jhana viele Bedeutungen und kann Meditationsstufe oder Einsicht heißen. Wenn es jedoch – wie oft üblich – mit Konzentration übersetzt wird, entstehen Missverständnisse.“
„Einsicht“ kann Jhâna schon einmal definitiv nicht heißen, sondern lediglich „Vertiefung“ oder „Meditation“. Für den Bereich der „Einsicht“ gibt es ganz andere Begriffe, zum Beispiel Nyânam für „Wissen“ (hoffentlich hat Vimalaramsi nicht Jhânam mit Nyânam verwechselt), Pannyâ für „Weisheit“ oder Vipassanâ für „Einsicht“.
Innerhalb der klassischen Formulierung der Vier Meditations- oder Versenkungsstufen “Jhânas” ist mehrmals explizit von “Sammlung” oder “Konzentration” Sam-â-dhi die Rede (und nicht von Vimalaramsis Sama-dhi).
Manchmal (vgl. etwa Mittlere Sammlung 141) heißt es bei dieser klassischen Formulierung schon bereits einleitend: “Was bedeutet Treffliche Konzentration (sammâ-samâdhi)?”, bevor dann die Vier Jhânas erläutert werden. Und abschließend heißt es dort noch einmal bekräftigend: “Und das bedeutet Treffliche Konzentration.”
Auch im Rahmen des zentralen Achtfachen Pfades wird die “Treffliche Konzentration” als die Entwicklung der Vier Jhânas erklärt.
Relativ häufig werden die Vier Jhânas mit vier bestimmten Gleichnissen illustriert, die noch zusätzlich ihren Sammlungs- oder Konzentrationscharakter betonen (vgl. etwa Mittlere Sammlung 39). Dabei ist aber niemals eine Rede von „Einsicht“.
2. Zitat Bhante Vimalaramsis)
Weder unterdrückt man den Geist
noch zwingt man ihn, auf das Meditationsobjekt fixiert zu bleiben.
Stattdessen ist sich der Geist stets bewusst, was er gerade
tut. Wenn Störungen auftreten, lässt man sie los, öffnet, erweitert
und entspannt die Verengung im Kopf und kehrt dann zur
Atembetrachtung und Beruhigung des Geistes zurück. Daher
führt Ruhige Weisheits-Meditation, wie im Sutta beschrieben,
zu Weisheit, zu vollem Gewahrsein, zu scharfer Achtsamkeit
und schließlich zum höchsten Ziel Nibbana.
Der Freund dazu:
Diese so genannte Entspannung im Kopf hilft mir gut, wenn Störungen auftreten.
Die Antwort:
Natürlich soll man sich der verschiedenen Geisteszustände in deren ständigem Wandel bewusst werden. Gut geeignet dafür ist die Atembetrachtung als Ankerobjekt. So steht es letztlich auch im Satipatthâna-Sutta, wo der erste Abschnitt aus der Rede zum vollbewussten Ein- und Ausatmen den Anfang bildet und später von der Bewusstwerdung der wechselnden Geisteszustände gesprochen wird. Diese Bewusstwerdung führt zur wachsenden Einsicht, wie mit dem Refrain des Satipatthâna-Sutta beschrieben, aber nicht das inexistente „sama-dhi“ (da in Wahrheit sam-aa-dhi) als „Ruhige Weisheits-Meditation“, wie es Vimalaramsi suggeriert.
3. Zitat Bhante Vimalaramsis)
In den Kommentaren werden Konzentration und Vipassana
als verschiedene Meditationsarten unterschieden. Diese Trennung
kommt in den Sutten jedoch nicht vor. Obwohl im Anguttara
Nikaya erwähnt wird, dass der erste Teil der Praxis samatha
und der zweite vipassana (Entwicklung von Weisheit) ist, spricht
es nicht von zwei verschiedenen Meditationsarten. Die Praxis ist
dieselbe! Es bedeutet nur, dass zu verschiedenen Zeiten verschiedene
Dinge erkannt werden, wie im Sutta 111, »Die Reihe«, im
Majjhima Nikaya beschrieben wird. Dieses Sutta erklärt, wie der
ehrwürdige Sariputta seine Meditation entwickelt und alle jhanas
(Meditationsstufen) erfahren hat, bevor er ein Arahat wurde.
Der Freund dazu:
Entspricht dies nicht der Anapanasati-Lehrmeinung von Ajahn Buddhadasa, der hier ja auch nicht zwischen Atembetrachtung und Vipassana unterscheidet?
Die eigene Antwort:
In der „Rede zum vollbewussten Ein- und Ausatmen“ Ânâpânasatisutta wird die zunehmende Atembewusstheit als Mittel zur vollen Einsicht beschrieben, wie es auch Ajahn Buddhadâsa in seinem Kommentar klar macht. Die von Vimalaramsi erwähnte Rede MN 111 beschreibt lediglich, wie auf Basis der Jhânas auch die Einsicht entwickelt werden kann, nämlich dann, wenn man sich der einzelnen Faktoren innerhalb der Jhânas bewusst wird, anstatt identifiziert gleichsam mitten in ihnen zu verharren. Man muss also wechselweise in die Jhânas eintreten und wieder aus ihnen heraustreten, um anhand der Jhânas die Einsicht zu entwickeln; oder später auf Basis der durch die Jhânas erlangten Sammlung. Das ist der eine Weg zur befreienden Einsicht: über die Jhânas. Dann gibt es noch den anderen Weg zur befreienden Einsicht: unabhängig von den Jhânas (vgl. dazu näher den Blogeintrag „Sind die tiefen Konzentrationszustände „Jhânas“ für die Befreiung notwendig?).
Zu Bhante Vimalaramsis Aussage zu Konzentration und Vipassana:
Wenn jene Trennung zwischen Konzentrations- und Einsichtsmeditation in den Suttas nicht vorkomme, wie Bhante Vimalaramsi meint, warum ist es zum Beispiel dann vom Buddha mehrmals als „Verfehlte Sicht“ bezeichnet worden, wenn ein Praktizierender die höchsten Ergebnisse der Konzentrations- bzw. Jhâna-Meditation mit den Befreiungsfrüchten verwechselt (vgl. den Kommentar oben zu der besonders zentralen Erföffnungsrede der Langen Sammlung)?
Auch in den Kommentaren wird zu den Konzentrationsmethoden nicht gesagt, dass sie genügen würden, um die Befreiung zu verwirklichen. Wie in den Reden des Buddha gilt dort Konzentration lediglich als Basis. Es gibt laut den Reden des Buddha und den Kommentaren immer nur diese beiden Wege zur Befreiung – über die konzentrativen Vertiefungen Jhânas oder unabhängig von ihnen (auf Basis bloß einer gewissen, aber nicht zu starken Konzentration). Zu diesen beiden grundlegenden Wegen steht Näheres in „Sind die tiefen Konzentrationszustände Jhânas für die Befreiung notwendig?“.
4. Zitat Bhante Vimalaramsis)
Das Visuddhi-Magga spricht zum Beispiel von einem Zeichen
(nimitta in Pali, wie Licht oder andere vom Geist erzeugte
Bilder), das zu bestimmten Zeiten im Geist auftritt, wenn man
jhana-Meditation übt (fixierte Konzentration [appana samadhi],
anfängliche Konzentration [upacara samadhi] oder momentane
Konzentration [khanika samadhi]). Bei jeder Art der
Konzentration erscheint ein nimitta. Wenn das geschieht, übt
man Konzentrations-Meditation, die der Bodhisatta abgelehnt
hat, weil sie nicht zu Nibbana führt. In den Sutten findet man
keine Beschreibung von nimitta. Wenn nimitta wichtig wäre,
wäre es vielfach erwähnt. Der Buddha hat nie Konzentrationsmethoden,
Hervorbringen von nimitta (Zeichen) oder Rezitieren
von Mantras gelehrt. Das sind Hindu-Übungen, die sich für
einige Hundert Jahre in den Buddhismus eingeschlichen haben.
Ihr Einfluss kann in den verschiedenen Konzentrationsmethoden,
in den tibetischen Meditationsweisen und in populären
Kommentaren wie dem Visuddhi-Magga gesehen werden. Die
gegenwärtig gelehrten Konzentrationsmethoden entsprechen
also nicht den Beschreibungen in den Sutten.
Der Freund dazu:
Ich kann mich an Vorträge erinnern, im Moment weiss ich leider nicht, wer sie gehalten hat, in welchen die Nimittas eine grosse Rolle spielten. Laut Bhante Vimalaramsi dann wohl eher der falsche Weg!?!?
Die Antwort:
Vorschnelle und falsche Schlüsse von Bhante Vimalaramsi.
Ja, in den Suttas werden die Nimittas nicht beschrieben. Aber Konzentrationsmethoden werden dort wohl beschrieben, nämlich, wie oben erklärt, im Rahmen der Aussagen zu Samâdhi und Jhâna, wenngleich ohne Erwähnung von Nimittas.
Im Visuddhi-Magga ist meines Wissens auch nicht von Mantren die Rede. Die Nimittas und die Unterteilung der Konzentration in volle, angrenzende und momentane Konzentration kommen dort vor. In dieser unterschiedlichen Beschreibung von Konzentration besteht auch der Unterschied zwischen dem Visuddhi Magga und den Reden (und wie sinnvoll diese unterschiedliche Beschreibung ist, darüber lässt sich streiten), aber nicht im Lehren von Konzentrationsmethoden an sich, wie es Vimalaramsi immer wieder suggeriert.
5. Zitat Bhante Vimalaramsis)
Im Parinibbana Sutta ist der Rat des Buddha an die Mönche
sehr einfach und deutlich: Man sollte den Schriften getreu
üben und darauf achten, genau zu sein. Nur nach gründlicher
Prüfung, Übung und mit Erfahrung kann man sicher sein, dass
die Schriften korrekt sind. Der Rat des Buddha an die Mönche
besteht also nicht einfach darin, die Sutten zu lesen, sondern
auch zu prüfen, ob sie in Bezug auf die Lehre und die Praxis
korrekt sind.
Der Freund dazu:
Auf welche Schriften verweist der Buddha vor seinem Tode? Der Palikanon hatte bis dato ja noch gar nicht existiert.
Die Antwort:
Was Bhante Vimalaramsi suggeriert, steht im Parinibbânasutta nicht. Der Buddha weist laut dem Parinibbânasutta die Bhikkhus an, dass nach seinem Tode alleine die von ihm, also dem Buddha gewiesene Lehre ihr Lehrer und ihre Zuflucht sein sein soll. Sie wird dann als die Praxis der Achtsamkeit näher bestimmt.
Wie gesagt, der Umgang von Vimalaramsi mit den Suttas ist lax. So beruht seine ganze detaillierte Methode der Entspannung bloß auf dem einen vierten Satz der ersten Tetrade der beiden grundlegenden Achtsamkeitsreden des Satipatthânasutta und des Ânâpânasatisutta, der lautet:
„Den ganzen Körper beruhigend werde ich einatmen, den ganze Körper beruhigend werde ich ausatmen“.
Aber vom „Lächeln“ etwa steht da nichts, von dem er immer wieder betont, dass es zu üben sei – was er wohl von Thich Nhat Tanh hat. Das Lächeln kann aber sicher nicht schaden.
Der laxe Umgang mit den Suttas dient seinem Anliegen, seine spezifische und de facto immer wieder von den Aussagen in den Suttas abweichende Lehre besser zu verkaufen; mit Hilfe des Anspruchs, dass er im Unterschied zu vielen anderen Lehrenden die Achtsamkeitsmethoden lehre, die genau mit den Suttas übereinstimmen. Trick 17 eben.
Trotzdem: Bhante Vimalaramsi hat eine kreative und hilfreiche Vipassana-Methode entwickelt, die zweifellos ihren Sinn und ihre Berechtigung hat und für bestimmte Presönlichkeitstypen gut geeignet ist. Aber sie steht keineswegs mehr oder klarer in Übereinstimmung mit den Reden des Buddha als die anderen Vipassana-Methoden.
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Dem Verfasser des Artikels vielen Dank!
Ich war vor einiger Zeit über Bhante Vimalaramsi gestoßen und war zuerst auch sehr angetan davon, dass er meinte, die Sutten genau auszulegen.
Als ich angeregt durch ihn die Sutten dann aber selbst genauer studierte, ist mir auch die ein oder andere Ungereimtheit aufgefallen.
Metta!
Hallo,
Da sich hier nun drei Schüler Bhante Vimalaramsis geäußert haben, die alle den Angriff auf Theorie und Gelehrtentum gemein haben, ein paar Worte dazu:
In meinem Eintrag erscheint in der Tat auch eine nähere philologische Analyse von Bhante Vimalaramsis Erklärung von „Samadhi“, die ja einen wichtigen Platz innerhalb der Begründungen seines Ansatzes einnimmt. Es ist aber vollkommen legitim, seine näher betrachtet eindeutig falsche Erklärung als solche nachzuweisen. Um diesen Nachweis leisten zu können, wird es zwangsläufig „gelehrt“, wir wir uns damit auf dem Gebiet der Philologie bewegen.
Dieser ganze Blog dient der Lehre des Buddha im und für den Westen. Dazu gehört unter anderem, dass Aussagen VORBEHALTLOS untersucht werden. Dabei ist es unerheblich, WER etwas sagt, sondern zählt lediglich, WAS jemand sagt. Und was Bhante Vimalaramsi zu dem Begriff „Samadhi“ sagt, ist objektiv gesehen Unsinn.
Wenn sich dadurch gläubige Schüler auf den Schlips getreten fühlen, sollten sie einmal näher über das Thema der unkritischen Gläubigkeit nachdenken, die zahlreiche „(blind) Gläubige“ unterschiedlicher Herkunft teilen. Außer ein paar polemischen Einwürfen und den von Bhante Vimalaramsi übernommenen Behauptungen durch Khajjopanaka ist nämlich hier bisher nichts von den Schülern Bhante Vimalaramsis gekommen.
Merkt Ihr nicht, dass Ihr damit Eurer Richtung eher ein Armutszeugnis ausstellt als sie zu „verteidigen“? Achtsamkeit äußert sich nicht bloß auf dem Sitzkissen.
Ich hatte übrigens durchaus positive Eindrücke von Bhante Vimalaramsi, als ich einmal traf, und bezweifle nicht, dass seine Methode für einige hilfreich ist. Aber nicht mehr oder weniger, als es verschiedene andere Vipassana-Methoden auch sind.
Vipassana ist eine vielgestaltige Tradition mit unterschiedlichen Ansätzen für unterschiedliche Persönlichkeitstypen. Wo eine Richtung mit einem Alleingeltungsanspruch daherkommt, ist Wachsamkeit geboten. Denn es widerspricht klar dem offenen, zur persönlichen Ausgestaltung „auffordernden“ Charakter der Achtsamkeitslehren des historischen Buddha laut dem Palikanon sowie der von ihm gelehrten Methodenfülle, um Ethik, Ruhe und höhere Einsicht hervorzubringen.
Mit vielen Grüßen
Hans Gruber
Hi. Danke für die Auseinandersetzung. Hier sehe ich allerdings viel Gelehrtentun, viel Wortknauserei und wenig Praxisorientierung. Bhante Vimalas Lehrte stimmt tatsächlich nicht 100% mit der des Buddha überein. Es ist nunmal ein weiterer Kommentar. Dennoch hat Bhante Vimala auf einige sehr wichtige Abweichungen in den modernen „Vipassana“ Methoden aufgezeigt von der Meditation, die Buddha favorisierte. Die Kommentartradition versucht nämlich seit Buddhagosa die Frucht (phala) Samatha & Vipassana in den Pfad (magga) zu pressen. In der Praxis ist das, als würde man ein Pferd von hinten aufzäumen. Auch das mit den Jhanas ist nicht nur ein weiterer „Verkaufstrick“, der an den Haaren herbeigezogen ist. Vor 200 Jahren hatte die (vormals von Buddha abgelehnte) Hindu-Meditation in der Tat sehr großen Einfluss auf die wiederauflebende „Vipassana“-Bewegung in der Theravada-Tradition – mangels erfahrener buddhistischer Meditationslehrer. Wie dem auch sei, danke nochmals. Studieren ist gut, selber denken & meditieren ist besser. Lest die Worte des Buddha in der Majjhima Nikaya und findet es heraus, Freunde. Nur meine Meinung. Mit Metta.
Na, da scheint aber jemand Bhante Vimala’s Methoden rein aus dem theoretischen zu verurteilen. Hätte der Autor es gewagt sich wenigstens drei Wochen täglich auf seine Vorgehensweise einzulassen, wäre dieser Artikel so wahrscheinlich so entstanden. Aber so ist das mit den Gelehrten, grau ist alle Theorie…
Dhamma Grüße Autor,
neben gewissenhaft-ausführlich und neutral unternommener Anregung zu Bhante Vimalaramsi’s Methode verspüre ich beim Lesen doch auch Formulierungen, die eher einem ängstlichen oder neidhaften Geist entschlüpft sein könnten.
Hilfreich in diesem Zusammenhang wäre es sicherlich, Bhante Sayadaw Gyi U Vimalaramsi Mahatera die Möglichkeit zu geben, sich zu diesem Beitrag zu seiner Methode in diesem Blog zu äußern.
Mögen Alle Wesen Glücklich Sein