Welche Rolle hat der Lehrer für den spirituellen Fortschritt?
* Näheres zum neu entdeckten Urvater des westlichen praktizierten Buddhismus,
U Dhammaloka, hier im Vorwort
* Tipp: Die Spiegelung meiner Facebook-Seite auf diesem Blog
Dieses Blogthema beginnt mit dem Kommentar einer Besucherin von „Sind die tiefen Konzentrationszustände Jhânas für die Befreiung notwendig?“.
Der Eintrag zeigt eine Haltung zum Lehrer, der ich häufig begegnet bin.
Die eigene Antwort folgt im Anschluss.
Das Thema „Lehrer/Lehrerin“ ist in vielen Traditionen besonders wichtig.
Hinweise:
Beachte bei Interesse bitte auch die Funktionen des Blogs für Dich als Besucher sowie das Vorwort zum Blog.
Hallo,
Ich interessiere mich seit vielen Jahren für spirituelle Lebensformen, besonders für Tantra, Energiezustände und meine Erfahrung ist, daß ohne einen erfahrenen, gut ausgebildeten und vor allem bodenständigen Lehrer, der zwar schon bestimmte Einsichten kennt, aber ein einfacher Mensch geblieben ist, geht es nicht, ja es ist sogar gefährlich, weil bei wirklichen Konzentrationsübungen/Zustände Dinge im Inneren ausgelöst werden mit denen man alleingelassen kaum umgehen kann und diese sich dann unbewußt gehalten verselbstständigen.
Wir können es ja in der heutigen Zeit überall im Alltag erleben wozu Menschen in unbewußten Zuständen fähig sind, Wahnzustände bleiben nie aus!
Also ich arbeite jetzt schon seit fast 7 Jahren an mir und erst jetzt glaube ich demütig genug zu sein mich auf den geistigen Weg machen zu dürfen und dafür bin ich sehr dankbar, vorallem meinem Lehrer und den Menschen die mich bis jetzt begleitet haben, egal ob sie heute noch mit mir im alltäglichen Kontakt stehen oder nicht, allein die Erfahrungen mit ihnen sind wichtig und werden mir weiterhin helfen mein Bewußtsein für das Leben zu entwickeln.
Ich möchte abschließend davor warnen zu glauben allein bestimmte Konzentrationszustände bringen die Einsichten, das ist einfach falsch und ich meine auch gefährlich. Einsicht ohne die menschlichen Erfahrung führt zu dem was wir heute krank macht und soziale Strukturen einfach sterben läßt.
Antwort von Hans Gruber:
Hallo Cornelia,
Du sprichst ein anderes Thema an: Welche Rolle hat der Lehrer bzw. die Lehrerin für den spirituellen Weg? Deshalb habe ich Deinen Eintrag unter „Sind die tiefen Konzentrationszustände ,Jhanas´ für die Befreiung notwendig?“ genommen, um hier ein neues Blogthema zu eröffnen.
Der Zweck dieses Blogs und der Website „Buddha Heute“ ist, die zentrale Funktion des eigenständigen Denkens für eine befreiende spirituelle Praxis zu betonen und Selbstdenker einzuladen, sich inspirieren zu lassen oder hier aktiv zu werden. Auf diese Funktion bin ich im „Vorwort zum Blog“ auch mit den Links zu entsprechenden alten Reden des Buddha näher eingegangen. Deshalb heißt es in der Überschrift des Blogs als Antwort auf die Leitfrage der ganzen Website „Was bedeutet Buddhismus im Westen für heute?“ einfach kurz „Selbstdenken und innere Praxis“.
Hier ein Kernzitat von Arthur Schopenhauer, der dem Buddhismus bekanntlich sehr nahe stand und einer der Wegbereiter ist, zum „Selbstdenken“ (einem von ihm geprägten Begriff):
„Wann wir lesen, denkt ein anderer für uns. Wir wiederholen bloß einen mentalen Prozess. Daher kommt es, dass wer viel liest, die Fähigkeit selbst zu denken, allmählich verliert.“
Das Zitat zeigt, um welche Art von wirklich eigenständigem Denken es hier geht. Jeder Mensch birgt ein befreiendes intuitives Wissen in sich, das durch achtsames Betrachten von Körper und Geist in den alltäglichen Erfahrungen zunehmend „hervorgebracht“ wird. Dies kann in formaler Weise in der Meditation, aber genauso überall sonst im Alltag geschehen. Das Denken auf Grundlage dieses intuitiven befreienden Wissens bedeutet „Selbstdenken“. Es ist aus frühbuddhistischer Sicht unentbehrlich für den spirituellen Weg und inneren Fortschritt.
Es unterscheidet sich von anderen Denkformen dadurch, dass es konsequent Wahrheit sucht. Anderes Denken ist meist eine Reproduktion oder Rekombination des Wissens anderer, mit dem Zweck persönlicher Vorteile. Es ist – bewusst oder unbewusst – „angepasst“ bzw. opportunistisch in dem Sinne, dass es bezweckt, übergeordneten institutionellen Instanzen zu dienen, um persönliche Vorteile aus diesem Dienst zu ziehen. Es nimmt häufig auch subtile religiöse, politische oder wissenschaftliche Formen an. Es findet sich nicht bloß im gewöhnlichen Alltag.
Das buddhistische Erwachen ist im Grunde die höchste Form von Individualität, die auf dem inneren Entwicklungsweg bloß allmählich herausgeschält wird. Es ist mir immer wieder begegnet, dass Anhänger einer Tradition oder eines Meisters ihr Denken den ausgesprochenen oder auch unausgesprochenen Vorgaben ihrer jeweiligen Gruppe unterordnen, um dazu zu gehören und in der Hierarchie der Gruppe aufzusteigen. In den härteren Fällen sind sie dann nichts weiter als Sprachrohre und reagieren verunsichert bei jeder ungewohnten Frage.
Hier sollte man sich keinen Illusionen hingeben: Wie soll sich das innere Erwachen mit der Preisgabe von Selbstdenken und Individualität realisieren lassen, wenn es nichts anderes als die höchste Form von Selbstdenken und Individualität ist? Auf dem buddhistischen Befreiungsweg ist ohne ernsthafte Achtsamkeitspraxis, intuitives Wissen und Selbstdenken kein Blumentopf zu gewinnen, dass heißt die wirklich wichtigen Resultate sind dann unmöglich.
Diese Qualitäten stehen im Einklang mir den Grundprinzipien der Lehre des historischen Buddha, wie sie mit den alten Quellen des Pali-Kanons überliefert worden ist. In der modernen Tradition der Achtsamkeits- bzw. Einsichtspraxis Vipassanâ werden diese Grundprinzipien unmittelbar aufgegriffen.
Hier liegt wohl der Hauptgrund, warum die Bewegung des Vipassanâ (heute neben dem Zen und dem tibetischen Buddhismus die dritte Haupttradition des Buddhismus im Westen) trotz ihres starken Wachstums und Verbreitung wenig bekannt ist, von den Medien kaum behandelt wird und, wo es behandelt wird, generell eher „verstellt“ oder passend modifiziert von anderen Traditionen übernommen wird. Denn es ist die sehende Achtsamkeit, welche die Quelle von Fremdsteuerung oder -bestimmung im Menschen auflöst, indem sie befreiendes intuitives Wissen und Selbstdenken hervorbringt. Dies liegt nicht im Interesse von Machtinhabern aller Art.
In den späteren buddhistischen Traditionen, vor allem im tibetischen Buddhismus, hat der Lehrer eine andere Rolle. Hier gilt die „Hingabe an den Guru“ als zentral für Fortschritt auf dem spirituellen Weg. Dies gilt für die meisten Formen des tibetischen Buddhismus, vor allem den tantrischen Buddhismus, wo das Verhältnis der Hingabe etwa im Rahmen der tantrischen Gelübde durch Androhung drakonischer „karmischer“ Strafen „abgesichert“ wird.
Buddhismus ist also nicht Buddhismus. Die Quellen des tantrischen Buddhismus gelten vom Standpunkt des frühen Buddhismus nicht als Wort des Buddha.
Damit soll nicht die Wichtigkeit eines Lehrers bezweifelt werden. Ein Lehrer als „spiritueller Freund“, der kompetent berät, spirituell inspiriert und beispielhaft lebt, hat eine zentrale Funktion, ebenso eine Gemeinschaft von ähnlich Gesinnten und ernsthaft Strebenden. Aber die eigene Einordnung in eine bestimmte Gruppe darf nicht dazu führen, dass das eigene Denken dem Prinzip der Hingabe untergeordnet oder subtil abgewertet wird. Ein guter Lehrer befördert es. So sind ihm oder ihr gegenüber alle Fragen, Gedanken und gegebenenfalls auch begründete Kritik zulässig.
Im anderen Fall kommt es leicht zu Missbrauch, der einem auch nicht immer auffallen muss bzw. erst nach längerer Zeit und bestimmten Erfahrungen auffallen kann. Ein bekanntes Beispiel:
Die Religionswissenschaftlerin June Campbell war früher viele Jahre eine enge Schülerin eines tibetischen Lamas. In ihrem Buch Göttinnen, Dakinis und ganz normale Frauen: Weibliche Identität im tibetischen Tantra geht sie auf einen solchen Missbrauch ein. Sie schreibt, dass sie viele Jahre eine sexuelle Beziehung zu dem um vieles älteren und nach außen immer als Mönch auftretenden tibetischen Lama Kalu Rinpoche hatte. Er hatte eine sehr hohe Stellung im tibetischen Buddhismus.
Sie wurde gezwungen, diese Beziehung geheimzuhalten. Sie meint, dass dieses Verhältnis typisch für den patriarchalen tibetischen Buddhismus sei, das Geheimnis der buddhistischen Tantras nichts anderes als die mißbräuchliche Benutzung von Frauen zu „geheimen tantrischen Riten“ durch nur angeblich zölibatäre Mönche sei, und daß dieses Patriarchat durch das Tulku-System, der Machtübergabe von Männern an Männer, besonders stark ausgeprägt werde.
Tagged as: Guru, Hingabe, Lehre, spiritueller Fortschritt
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Hallo Thomas Teepe,
Zurück in Hamburg wie angekündigt hier nun genauer zu Deiner Kritik:
1) Das betreffende Zitat – “Wann wir lesen, denkt ein anderer für uns. Wir wiederholen bloß seinen mentalen Prozess. Daher kommt es, dass wer viel liest, die Fähigkeit, selbst zu denken, allmählich verliert.” – erscheint im unten vollständig gebrachten Originalkontext durchaus wörtlich so (Über Lesen und Bücher, Paragraphen 291, in Schopenhauers „Kleineren Schriften“ Parerga und Paralipomena II).
Es ist bloß so, dass dazwischen noch ein paar andere Aussagen stehen, die jedoch an jener Hauptaussage nichts ändern.
Deshalb habe ich korrekt zitiert, auch wenn ich ganz korrekt an den ausgelassenen Stellen Pünktchen hätte machen sollen; nämlich so:
“Wann wir lesen, denkt ein anderer für uns. Wir wiederholen bloß seinen mentalen Prozess. … Daher kommt es, dass wer viel liest …, die Fähigkeit, selbst zu denken, allmählich verliert.”
Im Folgenden zitiere ich wörtlich den originalen Paragraphen 291.
Dabei erscheinen alle Passagen gefettet, die klar machen, warum durch viel Lesen „die Fähigkeit, selbst zu denken“, verloren geht. Denn dort stehen noch deutlich mehr solche Stellen:
„Wann wir lesen, denkt ein Anderer für uns: wir wiederholen bloß seinen mentalen Prozeß. Es ist damit, wie wenn beim Schreibenlernen der Schüler die vom Lehrer mit Bleistift geschriebenen Züge mit der Feder nachzieht.
Demnach ist beim Lesen die Arbeit des Denkens uns zum größten Theile abgenommen. Daher die fühlbare Erleichterung, wenn wir von der Beschäftigung mit unsren eigenen Gedanken zum Lesen übergehn.
Eben daher kommt es auch, daß wer sehr viel und fast den ganzen Tag liest, dazwischen aber sich in gedankenlosem Zeitvertreibe erholt, die Fähigkeit, selbst zu denken, allmälig verliert, – wie Einer, der immer reitet, zuletzt das Gehn verlernt.
Solches aber ist der Fall sehr vieler Gelehrten: sie haben sich dumm gelesen.
Denn beständiges, in jedem freien Augenblicke sogleich wieder aufgenommenes Lesen ist noch geisteslähmender, als beständige Handarbeit; da man bei dieser doch den eigenen Gedanken nachhängen kann. Aber wie eine Springfeder durch den anhaltenden Druck eines fremden Körpers ihre Elasticität endlich einbüßt; so der Geist die seine, durch fortwährendes Aufdringen fremder Gedanken.
Und wie man durch zu viele Nahrung den Magen verdirbt und dadurch dem ganzen Leibe schadet; so kann man auch durch zu viele Geistesnahrung den Geist überfüllen und ersticken. Denn selbst das Gelesene eignet man sich erst durch späteres Nachdenken darüber an, durch Rumination. Liest man hingegen immerfort, ohne späterhin weiter daran zu denken; so faßt es nicht Wurzel und geht meistens verloren. Ueberhaupt aber geht es mit der geistigen Nahrung nicht anders, als mit der leiblichen: kaum der funfzigste Theil von dem, was man zu sich nimmt, wird assimilirt: das Uebrige geht durch Evaporation, Respiration, oder sonst ab.
Zu diesem Allen kommt, daß zu Papier gebrachte Gedanken überhaupt nichts weiter sind, als die Spur eines Fußgängers im Sande:
Man sieht wohl den Weg, welchen er genommen hat; aber um zu wissen, was er auf dem Wege gesehn, muß man seine eigenen Augen gebrauchen.„
2) Das ist alles sehr deutlich!
Aber geradezu radikal deutlich steht in Schopenhauers Schrift Selbstdenken in jenen „Kleineren Schriften“ Parerga und Paralipomena II zum Thema Lesen und Selbstdenken das Folgende (Paragraph 258):
„Die Verschiedenheit zwischen der Wirkung, welche das Selbstdenken, und der, welche das Lesen auf den Geist hat, ist unglaublich groß; daher sie die ursprüngliche Verschiedenheit der Köpfe, vermöge welcher man zum Einen, oder zum Andern getrieben wird, noch immerfort vergrößert.
Das Lesen nämlich zwingt dem Geiste Gedanken auf, die der Richtung und Stimmung, welche er für den Augenblick hat, so fremd und heterogen sind, wie das Petschaft dem Lack, welchem es sein Siegel aufdrückt. Der Geist erleidet dabei totalen Zwang von außen, jetzt Dies, oder Jenes zu denken, wozu er soeben gar keinen Trieb, noch Stimmung hat. –
Hingegen beim Selbstdenken folgt er seinem selbsteigenen Triebe, wie diesen für den Augenblick entweder die äußere Umgebung, oder irgend eine Erinnerung näher bestimmt hat.
Die anschauliche Umgebung nämlich dringt dem Geiste nicht einen bestimmten Gedanken auf, wie das Lesen; sondern giebt ihm bloß Stoff und Anlaß zu denken was seiner Natur und gegenwärtigen Stimmung gemäß ist. – Daher nun nimmt das viele Lesen dem Geiste alle Elasticität; wie ein fortdauernd drückendes Gewicht sie einer Springfeder nimmt.
Dies ist der Grund, warum die Gelehrsamkeit die meisten Menschen noch geistloser und einfältiger macht, als sie schon von Natur sind.“
3) Das stimmt nun auch alles haargenau mit der frühbuddhistischen Lehre überein, wonach „die Weisheit durch eigenes Nachdenken“ (cinta-maya-panna) die Grundlage bzw. die Quelle der weiteren beiden Weisheiten durch „Aufnehmen“ und „meditative Verinnerlichung“ bildet.
Das Aufgenommene muss durch das eigene Nachdenken bzw. „Selbstdenken“ kritisch gefiltert werden. Ansonsten bringt es gar nichts – zumindest nicht für den innere Befreiungsweg!
Deshalb gibt es in den alten Quellen des Palikanons viele Belege, gemäß denen Praktizierende durch relativ wenig „Input“, etwa bestimmte Aussagen zu einer bestimmten Zeit, befreiende Vipassana-Einsichten realisiert haben.
Auch im Zen gibt es viele entsprechende Berichte.
Danke für den Hinweis. Ich schaue mir den Gesamtkontext in meiner Schopenhauer-Ausgabe genau an, wenn ich zurück bin. Ich bin bis Ende der Woche unterwegs.
Der von Ihnen zitierte Satz ergibt keinen guten Sinn. Denn die Aussage würde bedeuten, dass wenn einer anstatt „fast den ganzen Tag“ tarsächlich „den ganzen Tag“ lesen würde (also ohne Zeitvertreib dazwischen), er die Fähigkeit des eigenen Denkens nicht verlieren würde.
Wo ist da die Logik?? Es wäre untypisch für Schopenhauer und sein klares Denken.
Natürlich kann Lesen sinnvoll sein, wenn wirklich eine innere, das heißt „selbst denkende“ Auseinandersetzung damit stattfindet – im Unterschied zu einer reinen „Übernahme“ oder „Anhäufung“.
Ich lasse von mir nächste Woche hören, nachden ich mir den Kontext genau angesehen habe.
Viele Grüße,
Hans Gruber
Im Text oben heißt es:
„Hier ein Kernzitat von Arthur Schopenhauer, der dem Buddhismus bekanntlich sehr nahe stand und einer der Wegbereiter ist, zum “Selbstdenken” (einem von ihm geprägten Begriff):
“Wann wir lesen, denkt ein anderer für uns. Wir wiederholen bloß einen mentalen Prozess. Daher kommt es, dass wer viel liest, die Fähigkeit selbst zu denken, allmählich verliert.”“
Ich bin diesem Kernzitat nachgegangen. Die Seite http://aboq.org/schopenhauer/parerga2/lesen.htm wartet mit dem Hinweis auf: „Text folgt wort- und zeichengetreu der autorisierten Ausgabe letzter Hand: Erstausgabe Berlin, A. W. Hayn 1851“
Dort lautet die entscheidende Passage:
„Eben daher kommt es auch, daß wer sehr viel und fast den ganzen Tag liest, dazwischen aber sich in gedankenlosem Zeitvertreibe erholt, die Fähigkeit, selbst zu denken, allmälig verliert, – wie Einer, der immer reitet, zuletzt das Gehn verlernt.“
Aha. So wird in diesem Blog also mit Kernzitaten umgegangen.
Man kann von Schopenhauer sicher noch mehr lernen als Einsichten in den Wert des Selbstdenkens – zum Beispiel Wut über den schlampigen Umgang mit seinen Texten. Wer an Details interessiert ist, möge einmal nach „Schopenhauers Fluch“ im Internet suchen.
Ich bin erst heute zufällig (durch Guidos Asso-Blog – danke an ihn) auf diesen Blog und die Website gestoßen und möchte hier anschließen, wo es für mich recht zentral wird.
Ich denke dass – einerseits – ohne Lehrer ein spiritueller Fortschritt nur schwer möglich ist, andererseits die Rolle des Lehrers oft maßlos überschätzt wird. Ich halte es da am ehesten mit dem alten Chao-chou – „Wenn ein fünfjähriges Kind mich im Dharma belehren kann, werde ich das demütig annehmen; und wenn ich einen neunzigjährigen Weisen im Dharma belehren kann, werde ich das demütig tun“ – der ‚Lehrer‘ ist hier nicht eine fixe Person, an die ich mich ‚anschließen‘ müsste, sondern eine fließende und wechselnde Funktion, die die eine oder andere Person, aber auch Lektüre oder Selbsterfahrung einnehmen kann.
Bei *Methoden* wie Tantra, Energiezuständen etc. ist ein persönlicher Lehrer sicherlich wichtiger als bei Traditionen wo es um im Prinzip mitteilbare Inhalte oder direkte persönliche Einsicht geht. Ob diese Methoden wirklich zentral für den Buddhismus sind, ist eine andere Frage. Dass Konzentrationszustände an sich schon Einsichten mit sich bringen würden, denke ich auch nicht – eine *Einsicht* hat irgendwelche Inhalte, Konzentration allein kann für Inhalte nur *öffnen*.
Dass „wer viel liest, die Fähigkeit selbst zu denken, allmählich verliert“ scheint mir nicht einsichtig – ich halte eher dafür, dass in der *Auseinandersetzung* mit dem Autor, der mir ‚vordenken‘ will, das eigene Denken erst entwickelt und geschärft wird. Hätte ich nichts vom Buddhismus gehört und gelesen, wäre mein Weg in dieser Richtung wohl *sehr* rudimentär geblieben. So aber habe ich in über 50 Jahren viel dazu gelesen, in 40 Jahren so einige Lehrer ‚verbraucht‘, und bin eben damit zu *eigenen* Meinungen gekommen, die mit irgendeinem Gruppenkonsens oft nicht konform gehen…
Ich halte viel von Hans Gruber, seinen vielen zur Verfügung gestellten Texten und seiner Bodenständigkeit …
Hier darf ich mich ihm anschliessen. Buddhismus bedeutet volle Selbstkontrolle und volle Eigenverantwortung wieder zu übernehmen. Aber davor haben viele Menschen Angst und sie wollen lieber von einer Vaterfigur (=Meister) an der Hand genommen werden. Das ist ja so leicht einem Meister Verantwortung und Entscheidungen zu übertragen – nur genau hier beginnt der Missbrauch und die (anhaftende) Abhängigkeit eines Schülers vom Meister.
Erleuchtung kann nur nach dem Loslassen von einem Meister erlangt werden – nicht vorher.
Im ZEN heist es: siehst Du Buddha, dann töte ihn – heute wäre die Forderung: siehst Du einen Meister, dann töte ihn.
Was natürlich nicht wortwörtlich zu verstehen wäre …
Warum gibt es in Deutschland so viele praktizierende Buddhisten (ca. 150.000) und kaum einer von denen wird „erleuchtet“. Man gibt die Verantwortung ab und hofft, dass es andere schon „für einen machen“, man kennt kaum den Weg und noch weniger das Ziel.
Auf der anderen Seite sind dann die anhaftenden Meister, welche jeden Schüler festhalten und nicht mehr wirklich freigeben möchten.
Da verwundert es einen auch nicht mehr, dass von denen keiner „zufällig“ ankommen wird.
Vielleicht noch mal ein paar westliche Zitate zu dem Lehrer-Schüler-Verhältnis:
„Man kann einen Menschen nichts lehren, man kann ihm nur helfen, es in sich selbst zu entdecken.“
Galileo Galilei
„Wenn die Meister aufhören zu lehren, werden die Schüler endlich lernen können.“<br />
Charles de Montesquieu<
Selbst Buddha hat nicht in der Abhängigkeit oder gar Anbetung einer seiner damaligen Meister Erleuchtung erlangt, sondern erst nach der Loslösung von allen seinen Meistern und nach der (Wieder-)Übernahme seiner vollen Selbstverantwortung. Erst in dieser neuen Freiheit, erreichte er dann seine Erweckung.
Für einen „Anfänger“ mag ein Lehrer hilfreich sein, bevor man selbst Buddhismus studieren muss. Aber man sollte auch schon das „Abnabeln“ von einem Lehrer einüben und im Blick behalten. Man kann einen Lehrer haben, man muss aber nicht – genau hier sollte man nicht an einer der beiden Seiten anhaften …
Grüsse
MICHAEL
Ein Zusatz des Administrators Hans Gruber: Der vorangehende Kommentator hat die Website http://www.zen.fuer-uns.de.
Es bleibt doch eines völlig klar:
Der Buddha hat gelehrt, alles selbst zu prüfen, das zu verwerfen, was wir als „falsch“ – als unrichtig – erkennen.
Das Selbst-Denken und Reflektieren ist doch ausdrücklich gefragt und nicht irgendein blinder Glaube.
Und wer dazu stehen und auch die sich daraus ergebenden Konsequenzen tragen mag und kann, der ist wohl auf dem richtigen Weg.
In der Regel ist es doch so: Das Abbild gilt oft sehr viel mehr als das Original.
Wie sagt Goehte: Drum prüfe, wer sich – ewig – bindet…
Das zum Thema: Lehrer…
Ups, da hat er was mit den klammern beim zitat nicht hinbekommen:
zur Richtigstellung:
DN 16.6.1 Die Lehre sei euer Meister
Da hat nun der Erhabene sich an den ehrwürdigen Anando gewandt:
„Es mag wohl sein, Anando, daß ihr etwa gedächtet: „Dahin ist die Unterweisung des Meisters, wir haben keinen Meister mehr.“ Doch man darf das, Anando nicht also ansehen. Was ich euch, Anando, als Lehre und als Zucht aufgewiesen und angegeben habe, das ist nach meinem Verscheiden euer Meister.
Ein Zusatz des Administrators Hans Gruber: Der vorangehende Kommentator betreibt den Blog http://www.Blattweiss.blogspot.com
DN 16.6.1 „Die Lehre sei euer Meister“
Da hat nun der Erhabene sich an den ehrwürdigen Anando gewandt: Einem Menschen zu folgen, der auf eigene Weise die Lehrreden weiterträgt, ist mit dem Trinken aus einem Flussbett zu vergleichen: An der Quelle entspringend, ist das Wasser klar und rein. So wie es durch Gräser, Erde, Schlamm, Stein, Wurzeln und Gestrüpp fortfließt, so verändert sich auch das Wasser.
Es mag an vielen Flussbetten und Stellen so sein, dass das Wasser recht sauber aussieht und bekömmlich ist. Es mag an vielen Flussbetten und Stellen so sein, dass das Wasser recht unsauber aussieht und unbekömmlich ist. Es mag an vielen Flussen und Stellen so sein, dass das Wasser recht sauber aussieht und doch unbekömmlich ist. Es gibt aber eine Stelle, einen Platz, an der das Wasser immer klar, rein und bekömmlich ist: Die Quelle.
So sehe ich es. Es spricht nichts dagegen von Gleichgesinnten („edlen Freunden“) zu lernen – meiner Erfahrung nach hilft ja der Umgang mit Gleichgesinnten etwa, am Ball zu bleiben und Zuversicht in Buddha, Dhamma und Sangha zu entwickeln.
Der Buddha sagte meiner Meinung nach eben aus dem Grunde, dass die Lehrreden nach seinem Erlöschen zum Lehrer genommen werden sein soll, weil auch scheinbar der größte Lehrer seit dem Buddha verblendet sein mag und noch den Daseinsfesseln unterliegt. Man kann soviel falsches gelehrt bekommen, dass es nicht nur zum Rückschritt des Schülers sondern auch zum Unheil des Lehrenden beitragen würde.
Auch ist es schnell mit Anhaften verbunden, einen Lehrer als Waagschale und Gradmesser für den eigenen Fortschritt zu nehmen. Wer den edlen Achtfachen Weg geht, muss den Weg nach innen gehen und alles sorgfältig prüfen und hinterfragen: Für einen Lehrer, der dogmatisch diktiert, was richtig und falsch ist, ist in dem Sinne kein Platz. So hat es auch der Buddha nie gehalten.
Also: Ist ein Lehrer kein vorgebender Lehrer sondern wie ein guter Freund, mit dem man auf gleicher Stufe steht, mit dem gemeinsam lernt (statt nur von ihm zu lernen), dessen Worte man auch hinterfragen und für sich prüfen darf, ja der einen sogar ermutigt seine Worte zu prüfen und zu hinterfragen – von solch einem Gleichgesinnten würde ich sagen, dass er für den eigenen Fortschritt eine Hilfe sein kann.
Doch: Der Weg muss allein gegangen werden. Neben den Lehrreden des Erhabenen braucht es darum keinen „Lehrer“, um Nibbana zu erreichen.
Ein Zusatz des Administrators Hans Gruber: Der vorangehende Kommentator betreibt den Blog http://www.Blattweiss.blogspot.com