Schlaglichter

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Hier erscheinen eigene Kommentare zu aktuellen Geschehnissen, Sendungen oder Meinungen. Diese Kommentare sind „Schlaglichter“ auf Themenaspekte, die an anderen Stellen kaum behandelt werden.

 

Die Einleitung

1) Über den berühmten Soziologen Max Weber
und die christlichen Glaubenswurzeln des Kapitalismus (in zwei Teilen)
2) Unterschiedlich plausible Glaubenswelten
3) Ein gemeingefährlicher „allmächtiger“ Psychopath
4) Die buddhistischen Glaubensvorstellungen (in zwei Teilen)
5) Eine Diskussion mit dem Politologen Marcus von Schmude
über Karma, Schicksal und Glauben
6) Die beste Antwort auf die zunehmenden Konflikte:
Zu Konstantin Wecker, zum Thema „gut“ oder „böse“

Weitere Schlaglichter erscheinen weiter unten,
in den Kommentarfeldern.

 

 

Blaise Pascale, Philosoph, Physiker und Mathematiker (1623-1662):

„Alles Unheil der Menschen kommt von einer einzigen Ursache –
dass sie nicht in Ruhe verweilen können,
(etwa) in einem Zimmer.“

Pensées II, 139 (genau wörtlich übersetzt)

„Das Herz hat seine Gründe,
die der Verstand nicht kennt.“

Pensées IV, 277

 

 

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Die Einleitung:

 

Es ist eigentlich nicht mein Ansatz, die Glaubenslehren des Buddhismus näher zu betrachten, etwa die „Wiedergeburt“ in einem wörtlichen, daseinsübergreifenden Sinne (was nicht die primäre Bedeutung in den Reden des Buddhas ist) oder das Ursache-Wirkungs-Gesetz „Karma“ (wörtlich „Tat“) .

Denn in der stark praxisorientierten Vipassana-Bewegung, die auch innerhalb ihrer buddhistischen Muttertradition des Theravada eine Reformrolle spielt, wird den Glaubenslehren des Buddhismus kaum Beachtung gegeben. Auch im Theravada sind die Glaubenslehren bei Weitem nicht so wichtig wie etwa im Christentum.

Mit dem folgenden Beitrag werde ich jedoch diese buddhistischen Glaubenslehren näher betrachten, und zwar im Vergleich zu den christlichen Glaubenslehren, die im Christentum im Zentrum stehen, zum Beispiel die Vorstellungen von der Erlösung der Menschheit durch einen Kreuzestod, der Wiederkehr Christi oder dem Jüngsten Gericht.

Hier liegt schon der erste Unterschied: Bereits der deutsche Theravada-Pionier Dr. Paul Dahlke hat in den Zwanzigern des 20. Jahrhunderts trefflich zwischen der „Praxisrelegion“ des Buddhismus und der „Glaubensreligion“ des Christentums unterschieden.

Der Grund für den folgenden Vergleich:

Jeder religiöse Glaube, auch wenn er nicht wissenschaftlich nachweisbar oder empirisch verifzierbar ist, wirkt auf seine Anhänger stark motivierend bzw. „handlungsleitend“!

Davon legen die täglichen Nachrichten ein drastisches Zeugnis ab, wenn sich zum Beispiel islamistische Selbstmordattentäter viele andere ermordend in die Luft sprengen – im Glauben, sie kämen durch die Tötung von so genannten „Ungläubigen“ geradewegs in ihren vorgestellten Jungfrauen-Himmel.

Genauso sind Christen zu den irrwitzigsten und unmenschlichsten Taten aus ihrem Glauben heraus fähig:

In Uganda zum Beispiel wird mit Homosexuellen mörderisch verfahren, weil dort fundamentalistische christliche nordamerikanische Gruppen mit massiver finanzieller Unterstützung entsprechend zielgerichtet in der Bevölkerung und Politik agitieren. Oder in Nigeria hält die islamistische Terrorgruppe Boko Haram (wörtlich „Moderne Erziehung ist Sünde“) zum Beispiel gefilmte Killerpartys ab, auf denen Christen langsam abgeschlachtet werden.

Es gäbe unzählige weitere historische wie aktuelle Beispiele für beide Seiten, den Islam wie das Christentum.

 

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1.a) Über Max Weber:
Zu den christlichen „Glaubens-Wurzeln“ des Kapitalismus

 

Am Freitagsabend um 20.05 kommt im WDR5 die einstündige Sendung „Das philosophische Radio“.

Das jeweilige Thema wird eine Woche vorher bekanntgegeben. Die Sendung wird mit Hörerbeteilgung in Form von Anrufen oder vorgelesenen Mails ausgestrahlt. Ausgehend von den Grundgedanken des berühmten Soziologen Max Weber in seiner Schrift Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus ging es am 3. Februar 2012 um dieses Thema:

Über Max Weber, mit Dirk Käsler:

Ein Merkmal des Kapitalismus ist die absolute Hingabe an die Arbeit und damit verbunden eine positive Bewertung möglichst lukrativen Gewinns.

Dazu schickte ich einen Kommentar, der in der Sendung bloß teilweise vorgelesen wurde. Die vorgelesenen Teile waren ein aus dem Kontext entnommenes Zitat. Damit bin ich als ein Vertreter der Sicht erschienen, die ich mit der vollen Mail kritisiert habe.

Es ging mir vor allem um eine bestimmte Gegenüberstellung, die in der Sendung nicht zur Sprache gekommen ist. Hier veröffentliche ich die ganze Mail. Die für die Sendung ausgewählten bzw. dort vorgelesenen Teile erscheinen hier kursiviert. Alle nicht kursivierten Teile sind also in der Sendung ausgelassen worden:

Der vollständige Kommentar:

„Die Kernüberzeugung der protestantischen Arbeitsethik, dass Wohlstand ein Zeichen der Gottesauserwählung sei, ist in den postmodernen westlichen Gesellschaften zu einer zwar nicht mehr offen bekundeten, aber trotzdem weiterhin machtvollen Triebfeder der Gewinnmaximierungsmentalität der so genannten Eliten geworden.

Jeder Mensch muss als spirituell orientierungsbedürftiges Wesen aufgrund seines Wissens um die Vergänglichkeit – als „animal metaphysicus“, um es mit Arthur Schopenhauer zu sagen -, sein Verhalten vor sich selbst in religiös-metaphysischen Sinne positiv begründen. Dabei ist es gleich, wie andere dieses Verhalten einschätzen.

Denn im Streben nach dem Status des Bevorzugtseins durch eine transzendente Instanz erscheinen Selbstbereicherung und Profitorientierung als eine höchste Pflicht.

Deshalb sind die seit Langem immer weiter wachsenden Klüfte zwischen Reich und Nichtreich im Westen sowie den westlich geprägten Gesellschaften für die meisten Reichen kein zu behebender Missstand. Deshalb gibt es auch vergleichsweise wenig Widerstand gegen diese Selbstbereicherung. Deshalb gibt es auch eine Art von fast schon manischem Kreisen um das Thema Wirtschaft, Finanzen und Börsen.

Diesem Komplex lässt sich langfristig wirksam alleine durch anders geartete religiös-metaphysische Vorstellungen von „höchster Pflicht“ begegnen.

Es wäre interessant zu erfahren, welche Werte in diesem Sinne einen Bill Gates und einen Warren Buffett als die mit reichsten Männer der Welt dazu bewegt haben, nahezu ihr gesamtes Vermögen in eine wohltätige Stiftung zu stecken.

Oder im buddhistischen, wirtschaftlich ebenfalls sehr erfolgreichen Japan ist es nicht üblich, dass die Chefs mehr als das Zwanzigfache der Arbeitnehmer verdienen, während sie im Westen vor allem im englischsprachigen Raum bis zum Mehrhundertfachen davon verdienen.

In Japan gilt Wohlstand in erster Linie als die Folge des eigenen „heilsamen“ Wirkens oder „Karmas“ irgendeiner Vergangenheit, das speziell im freien Geben bestand. Aus dieser religiös-metaphysischen Prespektive ist anstatt Selbstbereicherung also das freie Geben eine höchste Pflicht, weil sich lediglich dadurch auch zukünftiger Wohlstand sicherstellen lasse. Dabei wird nicht bloß im Rahmen eines einzigen Lebens gedacht.

Beweisen lässt sich freilich keine dieser unterschiedlichen Glaubensformen. Aber beweisen lassen sich die unterschiedlichen Früchte, was den gesellschaftlichen Zusammenhalt und das Glück der Vielen angeht.“

Ende des Kommentars

Ich rief etwa in der Mitte der Sendung nach dem Vorlesen des Zitates beim WDR5 an. Ich sagte der vorauswählenden Redakteurin, dass das vorgelesene Zitat aus dem Kontext herausgenommen worden sei, begründete auf Nachfrage, warum, und bat darum, dass die restliche Mail vorgelesen werden sollte; oder dass ich alternativ selbst in der Sendung sprechen könnte. Beides ist nicht geschehen, obwohl ausreichend Zeit war.

Das in jener Sendung und mit meinem Kommentar angesprochene große Thema will ich hier noch weiterführen:

 

1.b) Die calvinistische Prädestinationslehre als Kern
der kapitalistischen Mentalität

 

Vor den letzten Präsidentsschaftswahlen in den USA sagte in einem CNN-Interview der bekennende Christ und Multimillionär Mitt Romney, der damalige republikanische Präsidentschaftskandidat, dass er sich als Präsidenten auf Jobs und wirtschaftliche Möglichkeiten für die Mittelklasse Amerikas konzentrieren würde.

Er fügte noch hinzu: „Um die Armen mache ich mir keine Sorgen.“ Seine Begründung: „Die haben ein Sicherheitsnetz.“

Diese Aussage beleuchtet den Kern jener ursprünglich einmal calvinistischen, jedoch in die allgemeine kapitalistische Mentalität übergegangenen Überzeugung, dass materieller Gewinn und Wohlstand das Zeichen einer Gottesauserwählung sei.

Warum macht sich Mitt Romney zwar um die Mittelklasse Sorgen, aber nicht um die Armen, die in den USA in einer deutlich prekäreren Situation als in den europäischen Staaten sind?

Aus der Sicht seines spezifischen Glaubens kann sich die Mittelklasse mit ihrem gewissen Wohlstand als berets durch Gott sozusagen „beginnend auserwählt“ bzw. als Kandidat für den Status der vollen Gottesauserwählung der Oberschicht fühlen. Weil in den USA mit der dortigen zunehmenden Kluft zwischen Reich und Nichtreich besonders die Mittelklasse von Abstieg bedroht sei, müsse sie andererseits um diesen Status der Gottesauserwählung fürchten.

Aus der Perspektive Romneys ist das bei den Armen jedoch anders: Denn sie seien definitiv nicht auserwählt. Also müsse man sich um sie nicht mehr sorgen. Das ist die perfide Logik hinter jenem Zitat. Sie seien quasi „bereits verloren“. Diese Überzeugung steht in Wirklichkeit hinter seiner Aussage. Und ein Mitt Romney hat in den USA viele Anhänger!

Laut der calvinistischen Prädestinationslehre kann der Reiche seinen Wohlstand als Zeichen der Gottesauserwählung in dem Sinne verstehen, dass ihm nach dem irdischen Leben das „ewige Leben“ vorbestimmt bzw. prädestiniert sei.

Dahinter steckt das Bild von einem Gott, welcher die einen Menschen als Belohnung für wirtschaftlichen Erfolg und die Anhäufung von Reichtum „erwählt“, – und zwar gleichgültig, auf welche Weise Letzteres erreicht worden sei – und alle anderen Menschen zu verdammen.

Ein solcher Gott würde also von den Menschen wollen, dass sie gleichgültig wie – selbst auf Kosten anderer – möglichst großen wirtschaftlichen Erfolg erreichen sollten, weil sie damit im Leben wissen könnten, dass sie danach das ewigen Leben erwarte.

Das hört sich sehr nach einer menschengeschaffenen Rechtfertigung an.

 

 

 

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2) Unterschiedlich plausible Glaubenswelten

 

Wir sprechen hier über unterschiedliche Glaubensformen, die selbstverständlich allesamt nicht beweisbar sind.

Trotzdem wirkt religiöser Glaube ohne Zweifel häufig als die primäre handlungsmotivierend Kraft.

Deshalb macht es Sinn, sich zu überlegen, welche der beiden erwähnten Glaubensformen plausibler ist. Eine höhere Plausibilität ist zwar auch kein Beweis. Aber der plausiblere Glaube ist einfach mit höherer Wahrscheinlichkeit wahr.

A) Einerseits haben wir hier also einen unerschaffenen Schöpfergott, das heißt eine ursachelose Ursache. Dies bedeutet bereits einen kardinalen Widerspruch in sich selbst, weil sämtliche Ursachen auch selbst verursacht worden sind.

B) Dieser „Schöpfergott“ würde also die einen nach ihrem Leben als Belohnung für ein bestimmtes Streben – und zwar genauso in dem Falle, wenn es auf Kosten anderer geht – zum ewigen Leben und die anderen in die ewige Verdammnis befördern.

Dass sich ein höchster Gott genauso wie ein gewöhnlicher Mensch verhalten soll, indem er Gewinnstreben um jeden Preis gutheißt, ist äußerst unplausibel. Um so erstaunlicher ist es, welchen Einfluss solche Ideen bis heute direkt oder indirekt ausüben.

Plausibel ist jedoch, dass solche Gottesvorstellungen die Funktion der Legitimation von Gewinn- und Profitstreben um jeden Preis gleichsam von „höchster Stelle“ haben und damit ein  „schlechten Gewissens“ überflüssig machen. Sie sind vielmehr zweckgerichtete menschliche Schöpfungen.

C) Außerdem sollen diese beiden eben genannten vermeintlichen postmortalen Seinszustände im Gegensatz zu allem, was auf der Welt als Leben erfahrbar ist, „ewig“ sein – was ein weiterer kardinaler innerer Widerspruch ist. Denn sämtliches Leben ist vergänglich.

D) Eine ähnliche Unplausibilität gilt für die Kernlehren des Christentum, nämlich für den Glauben an die Erlösung der gläubigen Menschheit durch den Kreuzestod eines vermeintlichen „Sohnes Gottes“ (wohinter ein völlig irrationaler Kausalitästbegriff steckt, der allen erfahrbaren Kausalitäten der Welt widerspricht) und an die künftige Wiederkehr eben jenes „Erlösers“, um nach einem „Jüngsten Gericht“ ein „Gottesreich auf Erden“ zu errichten (die Vervollständigung jenes Glaubens an eine quasi-magische Fremderlösung).

Nun kann man natürlich behaupten, dass die konkreten irdischen Gesetze nicht für jene „transzendenten Wahrheiten“ gelten. Aber behaupten lässt sich freilich sehr viel – unter anderem auch, dass aktuell eine chinesische Teekanne im Orbit der Sonne kreise (um ein Beispiel des atheistischen Nobelpreisträger Bertrand Russell zu zitieren). Aber dies ist nicht gerade wahrscheinlich; und es gibt keinen guten Grund für eine solche Annahme.

Das Gleiche gilt für die Idee eines unverursachten „Schöpfergottes“ oder die Idee eines „ewigen Lebens“.

Oder ich könnte behaupten, dass es irgendwo im Universum trockenes Wasser oder ein kaltes brennendes Feuer gäbe. Da würde dann jeder ungäubig den Kopf schütteln.Genauso ungläubig sollte aber auch die Idee einer unverursachten Ursache (eines „Schöpfergottes“) oder eines „ewigen Lebens“ aufgenommen werden!

Denn sie sind um keinen Deut wahrscheinlicher als trockenes Wasser oder ein kaltes brennendes Feuer.

In der Rede 22 der Mittleren Sammlung des Palikanons hat der historische Buddha alle Vorstellungen von einer ewigen Existenz nach diesem vergänglichen Leben als „eine vollkommene närrische Lehre“ zusammengefasst. Das kann religiöse Lehre auch sein! Ein klarer common sense!

E) Unbestreitbar ist, dass Menschen gewöhnlich an der Vergänglichkeit leiden, dass sie es gerne anders hätten, und dass aus diesem Grunde solche wunschgeleiteten „Projektionen“ eines „ewigen Lebens“ auf viele eine beträchtliche Anziehung ausüben.

Auch gibt es eine exakte Analogie zwischen dem Empfinden des eigenen „Ichs“ als eines beständigen eigenen Wesenskerns, der in dieser Beständigkeit „schon immer da“ gewesen ist, und der „Projektion“ eines unverursachten Schöpfergottes.

Folglich ist es also plausibel, dass ein solches Gottesbild die Wunschvorstellung des Menschen ist, was letztlich ja auch in der christlichen Lehre von der „Ebenbildlichkeit“ impliziert ist. Diese analoge Konstruktion von Gott und Mensch macht es psychologisch möglich, dass im Gläubigen der Glaube an Gott als die metaphysische Rückversicherung für den Glauben an die wahre Existenz des eigenen „Ich“ und „mein“ fungiert. Hier wird auch der eigentliche Grund für diese analoge „Konstruktion“ liegen!

 

 

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3) Ein gemeingefährlicher „allmächtiger“ Psychopath

 

Ein weiteres Gegenargument:

Ein höchster Gott, der mit den Gestorbenen unberechenbar launisch verfährt – indem er auf der Erde die einen in Ländern mit Krieg, Armut oder Dürre und die anderen in wohlhabenden Ländern geboren werden lässt, indem er die einen als Krüppel und die anderen körperlich unversehrt geboren werden lässt, indem er die einen mit unheilbaren Krankheiten oder schweren Unfällen im Leben bedenkt und die anderen gesund und ohne Unfall und Krankheit alt werden lässt usw. usf. – müsste umgehend in eine spezielle Nervenheilanstalt eingeliefert werden. Es wäre ein gemeingefährlicher Psychopath von unvorstellbarem Ausmaß, der in strengste Sicherheitsverwahrung gehörte.

Die theologische Apologetik sieht das freilich anders:

Diese Unterschiede seien auf einen „unerforschlichen Ratschluss Gottes“ zurückzuführen, heißt es. Ein typischer Augenwischerbegriff, der genau von jenem oben gezogenen Schluss ablenken soll. Denn „unerforschlich“ ist jenes vermeintliche Verhalten jenes vermeintlichen höchsten Gottes ja keineswegs. Es wäre nämlich ein psychopathisches Verhalten gigantischen Ausmaßes. Das ist keine Polemik, sondern eine unabweisbare Schlussfolgerung!

Der Ausdruck „unerforschlicher Ratschluss“ bedeutet die Verklärung und Kaschierung einer objektiv unmenschlichen bzw. von Menschen kreierten Gottesvorstellung, die zur Legitimation von Mitgefühllosigkeit, Untätigkeit und Gleichgültgkeit dient.

 

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4.a) Die buddhistischen Glaubensvorstellungen

 

Die buddhistischen Glaubensvorstellung vom intentionalen und damit über kurz oder lang immer „auswirkungsmächtigen“ Handelns „Karma“ (Tun, Wirken), dessen Auswirkungen nicht auf ein einziges Leben beschränkt sind, sondern sich im fortwährenden Zyklus von Tod und Wiedergeburt früher oder später manfestieren, kann im Vergleich zumindest eine deutlich höhere Plausibilität bzw. Existenzwahrscheinlichkeit für sich beanspruchen.

Die Gründe dafür sind:

* Tod und Wiedergeburt als „ewiger Zyklus“ widerspricht nicht den erfahrbaren „ewigen Zyklen“ von Natur und Kosmos:

Der Kosmos bewegt sich räumlich wie zeitlich in Zyklen, und auf der Erde bewegen sich die Jahreszeiten sowie alle Naturvorgänge in Zyklen. Selbst in der menschlichen Geschichte gibt es die Zyklen etwa von Krieg und Frieden oder im menschlichen Leben von Gesundheit und Krankheit, von Begegnung und Trennung, von Erhalten und Verlieren usw.

* Mit der Lehre vom Karma eng verbunden ist die Vorstellung von einem nichtchaotischen, sondern einem geordneten Kosmos, einem daseinsübergreifenden Ursache-Wirkungs-Gesetz, das nicht der quasi menschlichen „Willkür“ eines menschengemachten bzw. -analogen Gottes unterliegt, wie etwa laut jenem „unerforschlichen Ratschluss Gottes“.

Obgleich dieses Ursache-Wirkungs-Gesetz nicht verifizierbar ist – auch der Buddha soll die volle Bandbreite des Karma-Gesetzes als „unergründlich“ beschrieben haben -, widerspricht es als ein solches Gesetz nicht den wissenschaftlichen Gesetzen von Kausalität. Das gilt nicht für den Glauben an eine göttliche Willkür.

* Im Kosmos herrscht ein Prinzip des Ausgleichs: Der Nacht muss der Tag folgen, dem Sommer der Herbst und Winter, der Arbeit die Erholung, dem Wachsein der Schlaf, der Anstrengung die Entspannung usw.

Das Karma bedeutet das Ausgleichsprinzip im Bereich der motivationalen „Qualität“ des Handelns: Wenn aus unheilsamer Motivation anderen Leid zugefügt wird, muss dieses Leid ausgeglichen werden, indem der handelnde „Ausgangspunkt“ des Leids in seinem diesseitigen und/oder jenseitigen „Lebenskontinuum“ selbst ein ähnliches Leid erfährt.

* Die Wissenschaften bestimmen heute weitgehend die moderne Welt. Sie haben „unpersönliche“ Gesetze bzw. Zusammenhänge für die unterschiedlichsten Phänomene aufgezeigt und nachgewiesen. Angesichts dessen soll gerade das Augenfälligste, nämlich die großen Schicksalsunterschiede zwischen den Lebewesen in Bezug auf ihre jeweilige Geburtssituation und die Geschicke in ihrem Leben, keiner Gesetzmäßigkeit unterliegen, sondern dem Zufall und Chaos? Das ist wenig plausibel, das heißt sehr unwahrscheinlich.

Laut dem Karma-Gesetz würden sich diese großen Schicksalsunterschiede durch ein jeweils unterschiedliches daseinsübergreifendes Karma erklären. Das wäre also auch ein unpersönliches Gesetz, wenngleich es in seinen Verästelungen rational nicht greifbar ist.

Jeder Mensch schaffe fortwährend neues Karma, solange er intentional heilsam oder unheilsam handele. Er sei durch seine geburtsbedingte Situation innerlich nicht determiniert, wenn er diese gewissermaßen als eine spirituelle „Aufgabe“ verstehe.

In diesem Sinne gibt es etwa das palikanonische Diktum von den vier Grundmöglichkeiten, was die karmischen Situationen und die Entwicklungen aller Lebewesen angeht – nämlich vom Ungünstigen ins Günstige, vom Ungünstigen ins Ungünstige, vom Günstigen ins Günstige und vom Günstigen ins Ungünstige.

 

4.b) Die vier karmischen Grundmöglichkeiten

 

1) Menschen, die auch auf Kosten anderer alles daran setzen, ihren Vorteil, Erfolg, Reichtum und Besitz zu mehren, oder die wegen ihres Erfolgs aus einer Art von Größenwahn anderen Lebewesen Leiden zufügen, oder das materiell abgesicherte syrische Assad-Regime mit seinen militärischen Ausführenden, die chemische Waffen auf Zivilsten abwerfen, oder Nazi-Täter gehen vom Standpunkt der buddhistischen Karmalehre „vom Günstigen ins Ungünstige“, wenngleich aus den genannten Gründen nicht unbedingt sofort.

Dabei ist es gleichgültig, mit welchen Glaubensvorstellungen – beispielsweise der calvinistischen Prädestinationslehre oder irgendeiner Ideologie, wie etwa dem Nationalsozialismus – sie ihr Verhalten rechtfertigen. Häufig wirke sich früher geschaffenes positives Karma so aus, dass es als Folge für den Betreffenden für längere Zeit relativ gute Situationen oder Umstände gäbe. Das ändere jedoch nichts daran, dass sich später das wiederum in diesen guten Situationen gewirkte negative Karma zwangsläufig rückwirkend negativ für sie auswirken müsse.

2) Die anfangs genannten Beispiel der islamistischen Selbstmordattentäter oder die Boko Haram-Leute mit ihren Killerpartys oder owären Beispiele für Fälle von Menschen, die „vom Ungünstigen ins noch Ungünstigere“ gehen.

Sie schaffen anderen „die Hölle auf Erden“. Deshalb erwarte sie laut dem Karma-Gesetz als die „unpersönliche“ kausale Folge ihres Tuns (aber nicht als „Strafe“ durch eine Art „Überperson“) – anstatt von 100 Jungfrauen in einem erträumten himmlischen Projektions-Macho-Harems-Bordell – auch eine ihrem Tun entsprechende „Hölle“, sofern sie nicht durch eine radikale und tief empfundenen Gesinnungsumkehr jenes Karma im selben Leben aussetzen und dafür ein anderes schaffen.

Es ist gewissermaßen ihre eigene „Entscheidung“, was ihnen später als Karmafolge zufällt, nicht diejenige irgendeines höchsten Gottes.

3) Ein Bill Gates etwa, der sein gewaltiges Vermögen einer von ihm gegründeten wohltätigen Stiftung zur Verfügung stellt, wäre ein Beispiel für „vom Günstigen ins noch Günstigere“.

4) Menschen in misslicher Lage, die trotzdem menschlich und integer bleiben, wären Beispiele für „vom Ungünstigen ins Günstige“.

Diese vier karmischen Möglichkeiten sind ein plausibles, wenngleich freilich wissenschaftlich auch nicht beweisbares Erklärungsmodell für all die gewaltigen Schicksalunterschiede auf der Welt – im Gegensatz etwa zu einem „unerforschlichen Ratschluss Gottes“ oder überhaupt der Idee eines „allmächtigen Schöpfergottes“.

Das Karma-Gesetz entspricht dem „gesunden Menschenverstand“ bzw. inneren Empfinden. So wird jeder zustimmen, wenn man sagt, dass es einen „Schwere“-Unterschied ausmacht, ob man bewusst einen Killer oder einen Gandhi oder ob man eine Ameise oder einen Elefanten tötet. Dasselbe lehrt auch das Karma-Gesetz!

In der traditionellen buddhistischen Weltsicht bedeuten die „sechs Daseinsbereiche“ Menschen und „höher stehend“ Titaten sowie Götter (als letztlich vergängliche, karmisch gebundene Wesen mit  enormer Glücksfülle); oder „tiefer stehend“ Tiere, hungrige Geister sowie Höllenwesen vor allem Bewusstseinszustände im Leben.

So hat der thailändische Meditationsmeister Ajahn Chah schön gesagt:

„Wenn Dein Geist im Feuer des Hasses steht, bist Du vom menschlichen Zustand herabgefallen und in der Hölle wiedergeboren!“

Der menschliche Daseinsbereich sei der einzige, der innerlich offen in sämtliche Richtungen sei. Er sei also karmisch nicht festgelegt; und deshalb andererseits auch die günstigste Lebenssituation, um den ganzen (inneren) Daseinskreislauf zu beenden – durch den Befreiungsweg von Ethik, Ruhe und Einsicht.

Alleine durch die drei Qualitäten Ethik, Ruhe und Einsicht werde man „wirklich Mensch“ oder „wahrer Mensch“ (sappurisa).

Der höchste „wahre Mensch“ ist ein „Erwachter“ oder „Buddha“. Er ist frei von der (geistigen) „Verstrickung in den Daseinskreislauf“, obgleich er mitten im Leben wirke. Die befreienden Einsichten beenden die Möglichkeit, dass sich früheres Karma weiterhin innerlich hemmend auswirken könne, wenngleich es sich trotz dieser inneren Befreiung noch in gewissem Maße äußerlich manifestieren würde.

Je nach Vorrang der unterschiedlichen Bewusstseinszustände könne ein Mensch im menschlichen Leben jedoch auch nicht „Mensch“-gemäß wirken – nämlich als ein „Tier“ (im Bewusstsein der Instinkgebundenheit, Verwirrung oder Ignoranz), ein „hungriger Geist“ (im Bewusstsein von Unersättlichkeit, Nichtgenugbekommen und Gier), ein „Höllenwesen“ (im Bewusstsein von Hass, Unmenschlichkeit und Grausamkeit) oder als  ein „Titan“ (hohe Sammlung und Macht gepaart mit Neid, Argwohn bzw. Konkurrenzverhalten) oder ein „Gott“ (hohe Sammlung und Genussleben gepaart mit Ethik, aber auch mit Selbstdünkel).

Der Vorrang einer Bewusstseinszustandes im Leben bewirke eine nachfolgende Wiedergeburt in der analogen materiellen Sphäre (dem jeweiligen Daseinsbereich im engeren Sinne), außer es werden gegen Ende des Lebens starke andere karmische Ursachen gesetzt. In diesem Falle kämen die vorangegangenen Ursachen erst später zum Tragen.

Entscheidend für das Karma sei ausschließlich die innere „Qualität“ der konkreten Handlungsabsichten in jeder wechselnden, neuen Situation, ob sie „heilsam“ oder „unheilsam“ seien.

Wenn diese Handlungsabsichten heilsam seien, würden diese jetzt oder in der Zukunft – auch in einer lebensübergreifenden Hinsicht – zu Frieden und Glück führen. Im anderen Falle würden sie zu Leiden führen, und zwar ohne das Mitwirken irgendeines Gottes.

Dieses unpersönlich wirkende universelle „Karmagesetz“ gilt im Buddhismus gleichsam als „das“ Allmächtige bzw. „das“ Allschöpfende; und zugleich auch als das Instrument, das jedem Menschen unabhängig von seiner Situation selbstverantwortlich gestattet, im Leben die Befreiung zu verwirklichen.

Auch fällt auf: Es ist eine kleine Minderheit auf der Welt, die in wirklich guten Situationen geboren worden ist und lebt. Ähnlich ist es auf der Welt eine kleine Minderheit, die dem inneren Befreiungsweg folgt. Deutlich mehr Menschen verbringen einen Großteil ihrer Zeit auf jenen anderen „Bewusstseinsebenen“ in diesem Leben.

Wir haben es hier also realistisch betrachtet (ohne ein opportunes Übergehen der klaren Fakten) mit ziemlich unterschiedliche Glaubenswelten zu tun.

Diese ziemlich unterschiedlichen Glaubenswelten ziehen auch ziemlich unterschiedliche Haltungen zum Leben nach sich!

Wenn der Mensch also schon einen Glauben oder zumindest ein gewisses Maß an Glauben als eine Richtschnur für sein Handeln braucht, um mit dem Faktum „Tod“, und was danach kommt, umzugehen, sollte er sich doch für den deutlich plausibleren Glauben entscheiden!

 

 

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5) Eine Diskussion mit dem Politologen Marcus von Schmude
über Karma, Schicksal und Glauben

 

Der Politologe Marcus von Schmude hat auf seiner Facebookseite mit folgender Ausssage eine große dortige Diskussion „losgetreten“.

Mit seinem Einverständnis zitiere ich diese Aussage hier; aber nicht die vielen anderen Aussagen, weil es jeweils des Einverständnisses der Betreffenden bedürfte. Aber die Diskussion ist „öffentlich“, das heißt für jeden einsehbar. Dazu hier einfach auf die Seite von Marcus gehen, dort wieter unten der Beitrag vom 30. Juli.

Nun jene Eingangssaussage von Marcus, bevor ich meine verschiedenen Antworten auf ihn und andere bringe:

„Ich weiß, man soll die Menschen lieben. Ich versuche es auch, ich schwör’s. Aber immer, wenn jemand zu mir sagt: „Alles, was Dir passiert, hast Du Dir selbst kreiert!“, und wenn ich dann frage: „Würdest Du diese großartige Weisheit bitte einmal einem siebenjährigen Kindersoldaten in Uganda mitteilen oder der einzigen Überlebenden einer Familie in Pakistan, die gerade von einer amerikanischen Kampdrohne irrtümlich ausgelöscht wurde, oder … ?“ … und dann ist das Gespräch vorbei und mein Gegenüber schwer gekränkt, dann fällt mir das echt schwer. Weiß jemand, wie mir zu helfen ist?“

Meine erste Antwort:

Marcus, aber was macht man mit diesen wahnsinnigen Schicksalunterschieden auf der Welt, die Du mit Deiner Antwort oben als Beispiele anführst?

„Unerforschlicher Ratschluss Gottes“? Das erklärt gar nichts, außer die Unfähigkeit von christlichen Theologen, auch bloß einigermaßen vernünftige Antworten aus ihrer Religion abzuleiten. Augenwischerbegriffe, um zu vernebeln. Ein solcher „Ratschluss“ wäre in Wahrheit auch überhaupt nicht „unerforschlich“. Er würde schlicht und einfach bedeuten, dass ein solcher Gott ein Mega-Psychopath von unvorstellbarem Ausmaße wäre – wenn es ihm gefiele, die einen in Hunger- und Kriegsländern und die anderen in Villen geboren werden zu lassen. Aber jenen Mega-Psychopathen gibt es selbstverständlich nicht. Es gibt bloß psychopathische Religionen.

Wir leben in einem gesetzmäßigen Universum. Karma bedeutet – laut Buddha in den ältesten Quellen (Pali-Kanon) – die Qualität der „Absicht“. Nichts weiter als nur das. Wenn einer also das fatale Schicksal anderer so kommentiert, dass er meint: „Alles, was Dir passiert, hast Du Dir selbst kreiert!“ hat er Karma nicht verstanden.

Denn in dem Moment ist seine Absicht nicht gut – entweder er rechtfertigt damit seine eigene Untätigkeit oder Gefühllosigkeit; oder er spricht aus Stolz auf seine bessere Lage heraus. „Karma“ als Erklärung der Schicksalsunterschiede – wenigstens eine plausible Erklärung im Vergleich zu den theologischen Konstrukten – sollte deshalb nur zu einer Haltung führen: tätiges Mitgefühl. Dann hat man Karma verstanden!

Außerdem gibt es niemals wirklich Grund zu jenem „Stolz“ auf die eigene bessere Lage.

Denn das Karma-Gesetz impliziert, dass jeder mit der endlosen Kette der Wiedergeburten ein quasi unerschöpfliches Reservoir an „auswirkungsmächtigen“ Karma-Ursachen aus der Vergangenheit in sich schlummern habe. Demnach kann selbst die beste Situation jederzeit wieder enden. Wie viele Menschen in glücklichen Situationen sind bereits plötzlich etwa von einem sie danach zeitlebens behindernden Unfall, einer Naturkatastrophe oder einer unheilbaren Krankheit getroffen worden?

Eine meiner älteren Schwestern war sicher die lebensfrohste von uns vier Geschwistern. Sie hat vor einigen Jahren plötzlich Knochenkrebs bekommen. Trotz sehr vieler Maßnahmen dagegen schritt der Krebs weiter voran; und 2008 ist sie verstorben. Unzählige ähnliche Fälle gäbe es!

Doch der Buddhismus lehrt, dass trotz jenes unerschöpflichen Karma-Reservoirs in jedem Menschen die karmische „Kette“ von Ursachen und Auswirkungen – das heißt der Daseinskreislauf „Samsara“ – durch den inneren Befreiungsweg von Ethik, Ruhe und befreienden Einsichten im menschlichen Leben (!) beendet werden könne.

Zweite Antwort weiter unten
(zum Thema „Mitgefühl“ an eine Frau, die mitdiskutiert hat):

Das oben erwähnte „tätige Mitgefühl“ als Resultat des echt verstandenen „Karma“-Prinzips bedeutet für mich aber auch, dass man gegen die Verursacher unnötigen Leides möglichst machtvoll, klar und selbstlos vorgeht. Denn diese schaffen für sich selbst ein höchst abträgliches Karma (wenn wir hier schon in der Kategorie von „Karma“ denken wollen, was ich ungerne tue, weil die Intuition es ohnehin alles weiß). Deshalb sind für mich die Snowdens und Mannings und andere kritische Geister auch die wahren „Buddhisten“, selbst wenn sie vielleicht selbst damit gar nichts am Hut haben.

Dritte Antwort
(auf die Frage, wo der Unterschied zwischen nötigem und unnötgem Leid liege)

Ich meinte, von Leid, das unnötig ist – alles Leid; wenn die Reife so weit gediehen ist, dass man es nicht mehr „schafft“. Deshalb gibt es kein „nötiges Leid“; höchstens in dem Sinne, dass man es als „Lehre“ begreifen kann, um durch ein adäquates Umgehen damit daraus hervorzuwachsen. Diese Sicht ist in jedem Falle immer besser, als sich gegen ein erfahrenes Leid „nicht wahrhaben wollend“ zu wehren; und damit dieses Leiden letztlich nur zu verstärken.

Vierte Antwort
(auf die Frage, was der Mensch bräuchte, um zum Glück hin zu reifen):

Er braucht Bewusstheit über die eigenen Absichten in den wechselnden Situationen, über die Wirkungen der Absichten bzw. Taten auf andere und sich selbst, über das, was generell WIRKLICH in einem selbst und um einen herum passiert: Eine der wesentlichen Formen der viel beschworenen (buddhistisch verankerten) „Achtsamkeit“, die im Westen meistens verflacht dargestellt wird und anderen Zwecken dient.

Fünfte Antwort
(auf eine Bemerkung zu Marcus Eingangssaussage, dass ein Buddhist sich in Empathie für jemanden üben würde, dem es anscheinend an Empathie mangelt)

„Der (echte) Buddhist“ kann es nur so sehen (um mit Dir das leidige Wort „Buddhismus“ zu verwenden, weil es hier nicht um eine spezifische Religion geht und schon gar nicht um einen „Ismus“, sondern um ein „spirituelles Gesetz“, Dharma):

Mitgefühl ist eine innere Angelegenheit. Sie kann durchaus mit Schärfe einhergehen, wenn diese geboten ist. Die klare Antwort von Marcus wird jene Person zum Nachdenken bringen, wo sie da etwas nicht verstanden hat (nämlich die „unheilsame“ Absicht dahinter, wenn sie so spricht). Das ist ein guter Effekt.

Marcus hat aus Betroffenheit gesprochen. Und Betroffenheit und Mitgefühl sind eng miteinander verwandt. Nur sollte diese Betroffenheit nicht in Ärger übergehen. Denn der würde weder der einen noch der anderen Seite etwas bringen.

Sechste Antwort
(auf die Aussage, dass es wahr sei, was ich sage, aber man nur selten dahin käme, sich nicht zu ärgern)

Das ist nicht leicht. Mir gelingt es auch immer wieder nicht, aber deutlich besser als früher. Der Unterschied macht mir klar, dass diese „Dharma“-Aussage stimmt. Der Dharma („das, was trägt“) stellt in der Tat Anforderungen. Hier geht es um echte Arbeit an sich selbst bzw. zunehmende Befreiung von sich selbst und anderen im Leben, nicht um ein tröstliches „ewiges“ Wolkenkuckucksheim nach dem Leben. Es hat nichts mit der Realität zu tun, in der nichts „Ewiges“ vorkommt.

Der Buddha hat in einer Rede des alten Palikanons zum Beispiel alle Vorstellungen von einer „ewigen“ Weiterexistenz nach dem Leben als „vollkommen närrische Lehre“ bezeichnet. Ein „ewiges Leben“ ist ein Widerspruch in sich. Es ist bloß ein weiteres jener theologischen oder auch biblischen Augenwischerkonzepte, die den Sinn vernebeln sollen.

Soviel hier auch kurz zu der obigen Behauptung, dass „der Ursprung aller Religionen eins“ sei. Das ist er eindeutig nicht. Es gibt klare und erhebliche Unterschiede. Und gibt es Alternativen zu dieser zunehmenden Befreiung im Leben durch wachsende Bewusstheit? In Wirklichkeit nicht.

Siebte Antwort
(auf die Frage, welche Unterschiede es denn im Ursprung der Religionen gäbe)

Zuerst: Was ist denn Dein „Ursprung“ der Religionen (außer der vergänglichen Lage des Menschen, dass er im Unterschied zu den Tieren darum weiß und daher ein Befreiungsbedürfnis hat)?

Die Rückantwort (anonymisiert):

„Gottesbewusstsein- dass es was Höheres gibt, wie auch immer man es nennen will und die Annäherung an dieses. ich weiß nicht, ob es ein Befreiungsbedürfnis ist, danach zu suchen . Ich persönlich würde sagen, Suche nach dem Göttlichen in mir und in allem. …“

Achte Antwort (auf diese Rückantwort):

Sinnsuche ist sicher der Ursprung. Aber wenn der Ursprung gleich ist, müssen noch lange nicht die Folgen des Ursprungs gleich sein (die verschiedenen Religionen). Die Sinnsuche lässt sich abstrakt beantworten – durch nicht überprüfbare Glaubensvorstellungen, wie es die Glaubensreligionen tun; oder aber konkret – durch Praxisanweisungen sowie überwiegend Erklärungen nur soweit, wie es für die Praxis hilfreich ist.

Hier iegt der Hauptunterschied zwischen Christentum und Buddhismus. „Achtsamkeit“ etwa ist ein Hauptthema in den buddhistischen Quellen, während es für dieses zentrale Thema oder für verwandte Begriffe (Wachsamkeit, Wissensklarheit, Gleichmut, Sammlung usw.) keine Belegstellen in der Bibel gibt. Oder: Die buddhistischen Quellen sind voll von Beschreibungen von Methoden, um Ethik, Sammlung und Weisheit zu entwickeln. Solche Beschreibungen wirst Du in der Bibel kaum finden.

Die Religionen sind also keineswegs eins.

Die Rückantwort (anonymisiert):

„Möchtest du sagen , dass es in der Bibel keine Stelle gibt für Achtsamkeit? Im Alten Testament ,Aug um Aug , Zahn um Zahn´ – ja da ist Vergeltung das Motto. Aber das Neue Testament hat eine ganz andere Botschaft ,Liebe deine Feinde´ , ,Liebe deinen Nächsten wie dich selbst´ – für mich hat das sehr viel mit Achtsamkeit zu tun. Statt ,Draufhauen´ das Gegenüber ,wahrnehmen´ und auch sich. Und Jesus war ja auch alles andere als ein ,Rambo´.“

Neunte Antwort (auf diese Rückantwort):

Du musst unterscheiden zwischen dem, was aus „Achtsamkeit“ heute im Westen gemacht wird, und was sie in den buddhistischen Quellen bedeutet, wo das Thema herkommt (auch der westliche Achtsamkeitsboom, was sich historisch klar zeigen lässt).

Das kann ich hier nicht ausführen, weil es zu groß werden würde. Auf meinem Blog findest Du bei Interesse Einiges dazu.

In diesen Quellen ist es ein Fachbegriff, der dort breit thematisiert wird – als die Quelle von Ethik, innerer Ruhe und befreiender Einsicht (den drei Bereichen des Befreiungspfades), die sich gegenseitig „hochschaukeln“ – aus Achtsamkeit heraus! Und mit methodischen Erklärungen, wie Achtsamkeit zu entwickeln ist. Als dieser Fachbegriff bzw. als diese Quelle bzw. mit diesen methodischen Erklärungen kommt das Thema in den alten christlichen Quellen nicht vor. Das ist Fakt.

Aufforderungen zu Liebe (aber ohne Erklärungen, wie sie genau zu entwickeln ist, was bloß geht, wenn die entsprechenden geistigen „Hindernisse“ überwunden werden); sowie die Beschreibung von liebevollen Handlungen (wenngleich aber auch von ganz anderen Handlungen: So hat der Bibel nach Jesus zum Beispiel die Sklaverei niemals kritisiert, die es zu seiner Zeit gegeben hat) mag es in der Bibel schon geben!

Und bei Liebe wird Achtsamkeit mit im Spiel sein. Sie ist ja eine menschliche Grundeigenschaft. Deshalb wird sie aber dort noch lange nicht „thematisiert“, wie es in den buddhistischen Quellen der Fall ist.

Wer ändert sich denn schon großartig durch schöne Aufforderungen?

Es braucht dafür immer praktische Mittel und ein tiefes Verständnis des Geistes. Die Bibel ist in diesen Hinsichten eine ziemlich schlechte Quelle.

Mein Rat: Denke einmal tiefer über Dein Hängen an „Jesus“ nach und was Dich ängstlich macht, dieses Thema nüchtern sachlich und ggf. kritisch zu betrachten! In der Bibel wird ganz massiv gedroht (auch im Neuen Testament), wenn man dem angeblich einzigen Gott und seinem angeblich einzigen Sohn nicht folge.

Ist das etwa sonderlich spirituell?

Viele im Westen haben solche Drohungen verinnerlicht; und deshalb Angst. Das waren gewiefte, kluge Leute, die diese Texte verfasst haben; sie wussten genau, wie Macht über das (Unter)Bewusstsein zu erlangen ist.

Auch das ist eine Aufgabe von echter, „sehender“ Achtsamkeit, das zu durchschauen; und sich davon zu befreien!

Marcus von Schmude:

… aber ich hab (auch) den Eindruck: „Das Christentum“ braucht sehr stark die Vorstellung, dass niemand soo nah dem Vater war wie Jesus. Das geht aber nur, wenn man „Gott“ wirklich als Person mit Vorlieben denkt. Wenn Gott „alles“ ist, ist ihm niemand besonders nah oder gar nicht nah.

Zehnte Antwort:

Marcus – Deiner letzten Aussage (Wenn Gott „alles“ ist, ist ihm niemand besonders nah oder gar nicht nah) würde ich nicht zustimmen. Ein „unpersönlicher Gott“ (Gott als alles) ist im Grunde bloß die Vorstellung vergleichsweise „intelligenter Gläubiger“ von einem persönlichen Gott, den man einfach gerne überall spüren und sehen können möchte!

Diese ganze Lehre ist aufgekommen, weil die Widersprüche der persönlichen Gottesvorstellung nur allzu offensichtlich sind (wenngleich die große Mehrheit der Gläubigen dieser Vorstellung anhängt, was Viel aussagt). Bei der unpersönlichen Gottesvorstellung sind die Widersprüche bloß weniger offensichtlich. Wie es Arthur Schopenhauer einmal gesagt hat: „Ein unpersönlicher Gott ist ein Widerspruch in sich“ – ebenso, wie man Wasser nicht als trocken „erklären“ kann.

Denn alle Begriffe haben eine Begriffsgeschichte, die sie mit einer bestimmten Bedeutung untrennbar verbindet:

Der Begriff „Gott“ stammt von gemanisch „Guda“ für „Anrufung“ von Gottheiten. Nach der „Christianisierung“ (oft aus Machtinteressen Zwangsmissionierung) ist Guda auf den monotheistischen Schöpfer- und sogar Vatergott noch stärker „persönlich“ eingeengt worden.

Außerdem – wenn es einem tatsächlich um ein „unpersönliches“ Verständnis der höchsten Realität ginge – stünden heute widerspruchsfreie Alternativen mit den universalistischen Religionen zur Verfügung, die nicht auf einen „Gott“ zurückgreifen (Buddhismus, Taoismus)!

Daran erkennt man schon das „Hängen“ an der persönlichen Gottesvorstellung, die man letztlich nicht loslassen kann, vor allem aus biblisch und theologisch indoktrinierter Angst! Außerdem ist die Vorstellung von einer ewigen Seele und einem ewigen Gott das menschliche „Ich und mein“-Bewusstsein in seiner metaphysischen überhöhten Form, das historisch machtvollste psychologische Rückversicherungsprojekt des „Selbst“-Glaubens in der Geschichte –

und damit buddhistisch betrachtet leidschaffendes „Nichtsehen“ (avijja)!

Handlogo weiß

 

 

6) Die beste Antwort auf die zunehmenden Konflikte –

zu Konstantin Wecker, zum Thema

„gut“ oder „böse“ …

 

Auf der Facebookseite von Konstantin Wecker habe ich einen Beitrag von ihm näher kommentiert.

1) Zuerst sein Beitrag (vom 15. August 2014). Er ist öffentlich, das heißt für jeden sichtbar, der auf Facebook eingeloggt ist:

Liebe Freunde,

Jan Fleischhauer, der SPIEGEL-Kolumnist, beschimpft Margot Käßmann, ihr als Theologin gehe das Verständnis für das „Böse“ ab. Cem Özdemir sagt in der ARD, die kurdischen Peschmerga-Kämpfer hätten bereits Tausenden von Jesiden das Leben gerettet:

„Das haben sie nicht mit der Yogamatte unterm Arm gemacht, sondern mit Waffen.“

Fleischhauer trägt seinen Namen zu Recht, das weiß man. Er haut rein, wo er kann und er weiß natürlich, was böse ist und was gut, und fordert gern zum Kämpfen auf, solange er bequem von seinem Schreibtisch aus Gift versprühen kann. Sollen doch andere für ihn sterben, er selbst muss ja nicht zum Mörder werden wie die Soldaten, die er für den Erhalt seines bequemen Kriegsreporterpostens abschlachten lässt. Herr Fleischhauer, schauen Sie doch mal kurz über den Rand ihres stets prall gefüllten Tellers: Nur wenige Flugstunden entfernt ist das, was ihnen so gut erscheint, absolut böse. Haben Sie jemals in einem Geschichtsbuch geblättert?

Ich habe schon vor fast vierzig Jahren in meinem Lied „Hexeneinmaleins“ geschrieben:

„Immer noch werden Hexen verbrannt
auf den Scheiten der Ideologien.
Irgendwer ist immer der Böse im Land
und dann kann man als Guter
und die Augen voll Sand
in die heiligen Kriege ziehen.“

Frau Käßmann sagt völlig zu Recht – wie auch Eugen Drewermann es ähnlich ausdrückt:

„Es ist interessant, dass Sie immer vom Ende her denken, wenn es keine gewaltfreie Lösung mehr zu geben scheint. Heute existieren viele Friedensforschungsinstitute, die Strategien entwickelt haben, um Konflikte zu vermeiden oder zu schlichten. Aber am Willen hapert es.“

Man muss eben einmal beginnen, den Frieden zu schaffen, auch wenn es bisher versäumt wurde. Deutschland gibt pro Jahr über 30 Milliarden Euro für Militär aus, aber nur 29 Millionen für den Friedensdienst. Das sagt meines Erachtens alles aus. Eine friedliche Welt ist dem freien Markt und seinen Kriegsgewinnlern immer schon ein Dorn im Auge gewesen.

Und der Spott des Herrn Özdemir – auch ein sicherer Kandidat für ein sicheres Leben in Kriegszeiten – dieser Spott ist angesichts der Tatsache, dass es zur Zeit mehr bewaffnete Konflikte gibt als je zuvor, geradezu unerträglich und – eitel. Aber er ist eben auch nur ein Erfüllungsgehilfe einer neuen „Kultur des Krieges“, wie es Jakob Augstein in seinem hervorragenden neuen Kommentar so richtig benennt.

Aus allen Ecken wird nun wieder auf den Pazifismus eingeprügelt, damit lässt sich eben kein Geld verdienen und irgendwie muss es den Herrschenden doch gelingen, diesem störrischen Volk, das immer noch mehrheitlich bewaffnete Einsätze ablehnt, kriegerisches und männliches Denken einzupauken.

Anstatt sich ehrlich Gedanken zu machen, wie man Frieden vorbereitet, denkt man in best dotierten Think Tanks exklusiv darüber nach, wie man neue Märkte erschließen kann. Mit Waffen, mit Gewalt, mit dem immer gleichen Recht, auf der Seite des „Guten“ zu sein. Und jeder weiß, was Gott will und dieser arme Gott muss wieder die Waffen segnen und er segnet und segnet, die Waffen der Guten und der Bösen, bis in alle Ewigkeit, Amen.

Und der Gott der Liebe und des Verzeihens? Der Gott der Güte und des Erbarmens? Vergessen, verjagt, ausgeklammert aus den Hirnen eitler Besserwisser und Geschäftemacher, Kriegstreiber und Angeber, Fanatiker und Dummköpfe.

Kurt Tucholsky schreibt 1931 in „Der bewachte Kriegsschauplatz“:

„Da gab es vier Jahre lang ganze Quadratkilometer Landes, auf denen war der Mord obligatorisch, während er eine halbe Stunde entfernt ebenso streng verboten war.

Sagte ich Mord? Natürlich: Mord. Soldaten sind Mörder.“

Ich jedenfalls halte mich weiter an Tucholsky und nicht an die Özdemirs, Fleischhauers und Gaucks und all die anderen, die ihre Hände in Unschuld waschen werden, wenn „unsere Jungs“ zum Morden geschickt werden und „unsere Waffen“ den Frieden herbei schießen.

Im Bundestag gab es eine Debatte um den Antrag der LINKEN mit der Forderung, eine Gedenktafel für Karl Liebknechts Verweigerung der Kriegskredite im Jahr 1914 anzubringen. Er blieb als einziger sitzen, als es zur Abstimmung kam und hatte in seiner persönlichen Erklärung auf die Schuld des deutschen Kapitals und der deutschen und österreichischen Kriegspartei hingewiesen.

„Dieser Krieg, den keines der beteiligten Völker selbst gewollt hat, ist nicht für die Wohlfahrt des deutschen oder eines anderen Volkes entbrannt. Es handelt sich um einen imperialistischen Krieg, einen Krieg um die kapitalistische Beherrschung des Weltmarkts, um die kapitalistische Beherrschung wichtiger Siedlungsgebiete für das Industrie- und Bankkapital …“

Liebe Freunde, kommt euch das bekannt vor? Haben wir nichts, aber auch überhaupt nichts dazugelernt?

CDU, SPD und die Grünen lehnten eine Gedenktafel für Liebknecht ab. Wundert uns das?

Die Abgeordnete der LINKEN Sevim Dagdelen schreibt:

„“Wir leben in einer Vorkriegszeit. Das spüren immer mehr Menschen in diesem Land.Unsere Aufgabe ist es, die Lügen, die die neuen Kriege mitvorbereiten, zu entlarven. Damit die Mehrheit der Bevölkerung, die Krieg als Mittel der Politik ablehnt, die keine Auslandseinsätze und Rüstungsexporte will, endlich zu ihrem Recht kommt.“

Daran möchte ich Teil haben. Und nicht am Kriegsgeheul obrigkeitstreuer Lobbyisten und Politiker. Ungehorsam ist nun gefragt. Wir sollten Schulen des Ungehorsams gründen. In meinem Herzen hat Karl Liebknecht seine Gedenktafel schon lange. Und in vielen anderen auch. Dessen bin ich mir sicher.

2) Mein Kommentar:

„Eines wird selten verstanden (auch von Konstantin Wecker nicht, den ich ansonsten sehr schätze):

A) Das Grundproblem ist das Denken in den fixen Kategorien von „gut“ und „böse“ bzw. „Gott“ und „Satan“ – das heißt die Idee, dass unheilsames oder heilsames Tun eine Art von metaphysischen Ursprung habe; und deshalb intrinsisch bzw. seinem ganzen Wesen nach negativ oder positiv wäre – eben „gut“ oder „böse“!

Aber in Wahrheit gibt es immer bloß ein „Abhängiges Entstehen“ (mit der Lehre des Buddhas gesprochen) bzw. Bedingungen, Ursachen und Folgen; und diese Zusammenhänge können extrem komplex werden – schon alleine in geschichtlicher Hinsicht; und dann auch noch in individueller Hinsicht.

Das „Abhängige Entstehen“ gilt wahrnehmungspsychologisch auch für die Begriffe „gut/Gott“ und „böse/Satan“ selbst. Denn „das Gute“, „gut“ oder „Gott“ sind überhaupt nicht zu begreifen, ohne unbewusst „das Böse“, „böse“ oder „Satan“ mitzudenken. Diese Vorstellungen stehen und fallen als relative Begriffe miteinander.

Sie sind gleichsam (um sie hier zu Anschauungszwecken zu personaliieren) echte „Buddies“, Busenfreunde oder siamesische Zwillinge, die sich hinter ihrem „ewigen Konflikt“ gegenseitig auf die Schultern klopfen!

B) Das Denken in jenen fixen Kategorien hat auch die psychologische Funktion, sich selbst „gut“ zu fühlen – in Abgrenzung zum „Bösen“. Diese Funktion befeuert wiederum die Gegenwehr der vermeintlich „Bösen“, weil sie es ja genauso betrachten. Denn jeder Mensch rechtfertigt sein Verhalten vor sich selbst in irgendeiner „positiven“ Form (gleichgültig, wie abstrus die jeweilige Selbstrechtfertigung den anderen erscheinen mag).

Das Denken in jenen fixen Kategorien macht psychologisch blind – für das reale „Abhängige Entstehen“. Genau das macht es so „unheilsam“, zigtausendfach in der Geschichte bis heute.

Eine paar Beispiele dafür, wie leicht es „verfängt“:

Unzählige Filme mit ihren Schwarz-Weiß-Gegenüberstellungen „leben“ geradezu von jenem fixen Denken in den Begriffen von „gut/Gott“ versus „böse/Satan“, indem sie Identifikationsmögichkeiten mit dem „Guten“ bieten. Darum rankt sich heute eine riesige Industrie.

In den ersten Weltkrieg sind alle Kriegsparteien höchst euphorisch – wissenschaftlich vielfach dokumentiert – explizit auf der Seite (ein- und desselben christlichen) Gottes (gegeneinander) gezogen.

C) „Gott“ wird immer bloß konstruiert, beliebig geformt und mit Bedeutung angefüllt vom Willen bzw. Charakter des jeweiligen Bewusstseins von „Ich und mein“, sei der Wille nun heilsam oder unheilsam; und erscheint sodann als eine vom „Ich“ unabhängige „höchste Macht“, die als solche geglaubte Macht das „Ich“ rückversichert. Genau das steckt hinter dem Gottesglauben und dem Einfluss, den er unbewusst auf so viele Menschen ausübt. Wie es schon im Alten Testament zum „Namen Gottes“ heißt: „Ich bin der ich bin“ (das heißt das Bewusstsein von „Ich bin“; 2. Moses 3, 14-15).

An dem Problem jenes ganzen Denkens sind viele beteiligt, ob – um bloß wenige Beispiele zu nennen – in denkbar extremer Form die Islamisten in Irak, Syrien, Pakistan, Afghanistan, Palästina (Hamas) und Israel, Nigeria, Sudan, Zentralafrikanischer Republik (einige habe ich sicher übersehen, weil es zu viele sind), die USA (besonders auffällig in Gestalt des früheren G. W. Bush), oder in Deutschland – ausgehend vom Text von Konstantin Wecker – ein Spiegel-Autor Jan Fleischhauer, ein Bundespräsident und Pfarrer Joachim Gauck sowie diverse Linke, darunter selbst ein Konstantin Wecker („Und der Gott der Liebe und des Verzeihens? Der Gott der Güte und des Erbarmens? Vergessen, verjagt, ausgeklammert …“ – auch wenn natürlich diese Gottesvorstellung „heilsamer“ als andere ist).

Ein riesiges Problem – dessen letzte Wurzel im Monotheismus liegt, das heißt in Wahnvorstellungen, die absolut gesellschaftsfähig sind!

D) Wenn es die heutigen Massenmedien vor einigen Jahrhunderten im Abendland gegeben hätte, dann wären die christlichen Kirchen mit ihren Kreuzzügen, Hexenverbrennungen und Inquisitionen, ihren Antisemitismen, Zwangsmissionierungen und Ermordungen von Andersdenkenden oder Freigeistern nicht anders als die heutigen Islamisten in der arabischen Welt erschienen!

Die Kirchen sind bloß in den letzten Jahrhunderten durch Aufklärung, Wissenschaft, Demokratie, Sozialbewegungen usw. gezähmt worden (wobei die alte Irrationalität bloß leidlich zu verbergen ist).

Das „Abhängige Entstehen“ hinter dem Islamismus ist unter anderem die Weltreligion Islam, die sich explizit als Legitimationsgrundlage für Gewalt heranziehen lässt (und Glauben ist die stärkste handlungsleitende Kraft); unterschiedliche Glaubensvorstellungen der Schiiten und Sunniten; Neid durch das Hintertreffen der „arabischen“ Kultur im Vergleich zum Westen und dem buddhistischen Asien; Perspektivlosigkeit arabischer Jugendlicher, die von Islamisten eingenommen und von Staaten wie Saudi-Arabien oder Katar dafür gut bezahlt werden; willkürliche, bloß den eigenen Interessen dienende Grenzziehungen durch die früheren Kolonialmächte in der arabischen Welt, die heute etwa von der Terrorgruppe „islamischer Staat“ negiert werden, sowie die damalige Ausbeutung (abgesegnet von den christlichen Kirchen, „im Namen Gottes“), das macht-, profit und ölorientierte Verhalten des Westens in Form einer lange betriebenen Politik seit dem Kolonialismus, das weitgehende Fehlen von „Wissensklarheit“ (der nach innen gewandten Achtsamkeit für die Qualität der eigenen Motive sowie deren direkte oder indirekte Auswirkungen auf andere und einen selbst), aufgrund des religionsbedingten Fehlens entsprechender Lehren, usw.

E) Auch wenn man etwas gegen die Islamisten tun muss, einschließlich Gewalt, um sie von ihren Schlächtereien abzuhalten, das einzige wirksame Gegenmittel heißt – ein ganz anderes Denken; und eine „innere (Achtsamkeits-)Praxis“, die an der Wurzel ansetzt!“

 

Anmerkung:

 

Sie können trotz der nachfolgenden eigenen „Schlaglichter“ in den voneinander „getrennten“ Kommentarfeldern (anstatt in einer einzigen weißen“ Seite) natürlich auch hier einen Kommentar hinterlassen. Dann einfach am Anfang das Schlaglicht nennen, worauf sich der Kommentar bezieht (ansonsten würde ich es nachtragen).

Herzliche Grüße,

Hans Gruber

 

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1 Hans Oktober 3, 2013 um 14:18 Uhr

Schlaglicht 10:

Eine Kritik am Beitrag Spiritueller Kapitalismus von Roland Rottenfußer,
in Connection Spirit: Unterwegs zu einer neuen Geldanschauung
(9/10-2013)

Dieser Beitrag ist online hier nachlesbar.

Ein gut lesbarer Text mit manchen guten Reflexionen, aber mit noch mehr Schwächen:

Wenn das Verhältnis von Religion und Kapitalismus untersucht wird, müssen ausgehend vom kardinalen Denker zu diesem Thema, dem Soziologen Max Weber, vor allem der christliche Lutherismus, Calvinismus und dessen heutige Mentalitätsableger untersucht werden.

Denn dieser häufig unbewusste Überzeugungskomplex bestimmt weltweit die moderne kapitalistische Mentalität ungleich mehr als irgendeine spätbuddhistische buddhistische Schule Chinas („Drei Stufen“) oder irgendeine alte vedische Schrift.

Roland Rottenfußer spricht den Calvinismus an, aber viel zu kurz. Hier ist der Beitrag jedoch durchaus stark, vor allem im Endteil mit dem Aufzeigen des engen Zusammenhanges von kapitalismuslegitimierenden esoterischen Grundüberzeugungen im Bereich des „Postiven Denkens“ wie denen von Dr. Joseph Murphy und dem Calvinismus. Max Webers kardinale Schrift wird jedoch gar nicht reflektiert.

Der Buddhismus hat in seiner besonders reichen Geistesgeschichte eine sehr große Zahl an Schulen und Philosophien hervorgebracht, die sich zum Teil stark widersprechen. Maßgeblich ist jedoch der frühe Buddhismus, dessen Quellen in der Wissenschaft als die autoritativsten gelten. Auch die hinduistischen Veden sind ein gewaltiger Schriftenkomplex. Hier kann man nicht nur irgendeine Schrift herausgreifen.

Offenbar geht es Rottenfußer ausgehend von der Gewichtung der Themen in seinem Beitrag vor allem um eine Kritik der nicht-christlichen, das heißt asiatischen hinduistisch-brahmanischen und buddhistischen Karma-Lehren.

Aber erstens müsste hier dann auch klar unterschieden werden:

Denn der Buddha hat laut den Quellen den brahmanischen Karmabegriff radikal umgedeutet, so dass er auf die Priester seiner Zeit als eine große Provokation gewirkt hat.

Zweitens müsste Rottenfußer im Falle des Buddhismus auf die originale Bedeutung von Karma als die innere Qualität der „Absicht“ eingehen, die den historisch maßgeblichen frühen Buddhismus bestimmt, was er mit keinem Wort tut. Dieser frühbuddhistische Karma-Begriff ist eindeutig nicht vereinbar mit dem von ihm betonten „spirituellen Kapitalismus“ oder jener „Händlermentalität“.

Denn „heilsames Karma“ (nicht ein von außen bestimmbares, per se „gutes Karma“) bemisst sich hier alleine an der „inneren“ Qualität der wechselnden eigenen Absichten bzw. Motivationen – in welchem Maße diese jeweils frei von unbewusst „treibenden“ geistigen Kräften wie Gier, Verlangen, Abneigung, Stolz, Dünkel, Neid, Geiz usw. und gelenkt von „heilsamen“ geistigen Kräften wie der Freiheit von jenen „Verblendungen“ oder, noch heilsamer, von Liebe, Mitgefühl, Mitfreude oder Gleichmut und Einsicht sind.

Und solche Motivlagen, wenn sie tatsächlich umgesetzt werden, was bloß über eine zunehmend entwickelte innere „Achtsamkeit“ und „Wissensklarheit“ möglich sei, führten zu wachsender geistiger Befreiung.

Wer diese Lehre wirklich umsetzt, steht zwangsläufig im Widerspruch zum „Mainstream“. Es verlangt große Integrität und Charakter, wie sie gerade die Reformer, Aufklärer und Selbstdenker der Geschichte, ob nun bekannt oder unbekannt, ausgezeichnet hat; und nicht die Vertreter des Eigennutzes und dessen religiöser „Legitimatoren“, wie vor allem Johannes Calvin oder Martin Luther.

Wie gingen sie für diese Legitimation konkret vor?

Max Weber salopp und leicht polemisch in eigenen Worten zusammengefasst:

Man erdenke erstens eine Lehre, wonach sich entgegen allen konkret erfahrbaren Kausalitätsgesetzen ein Mensch durch sein Wollen, Sinnen und Handeln nicht höher entwickeln könne, sondern alleine durch die so genannte „Gnade“ einer höheren Instanz namens „Gott“.

Zweitens kreiere man noch eine Lehre, wonach es diesem Gott gefalle, willkürlich bzw. „höchst unerforschlich“ die einem zum Heil und die anderen zu Unheil zu bestimmen, nämlich durch die so genannte „Vorbestimmung“ bzw. „Prädestination“. Diese findige Idee heißt „Prädestinationslehre“.

Der Unterschied zwischen den Menschen, so weiter entsprechend dieser Lehre, ließe sich am wirtschaftlichen Erfolg festmachen.

Dass ein solcher willkürlich auswählender Gott genau betrachtet wahnsinning wäre … ist doch kein Problem: Hauptsache der Zweck ist erfüllt!

Nämlich die Legitimation von Gewinnstreben um jeden Preis. Mitgefühl oder Ethik soll hier auch nicht weiter stören. Denn Letzteres brächte ja ohnehin nichts, wenn ein Gott sich nun einmal so unerforschlich entschieden habe!

Kurz gefasst mit Max Weber, warum der Lutherismus und Calvinismus die Hauptwurzel des modernen Kapitalismus ist, der heute die Welt an den Rand des Abgrunds geführt hat.

Die Urheber jener durchschaubaren Konstrukte, das heißt Martin Luther und Johannes Calvin, werden nun noch weithin als hochstehende Persönlichkeiten verehrt. So viel zum spirituellen Unterscheidungsvermögen jener (für die Legitimation von Eigennutz dankbaren) Gläubigen.

Mit echter Spiritualität hat dies alles überhaupt nichts zu tun. Die buddhistische Urgemeinde hätte mit solchen verblendeten „Eigennutz“-Lehren ihren Spaß gehabt!

Im Unterschied zum frühbuddhistischen Karmabegriff hat der brahmanische Karmabegriff „gutes Karma“ äußerlich an der Befolgung von für jede Kaste festgelegten, jeweils unterschiedlichen „Kastenregeln“ oder „Geboten“ festgemacht.

Der Buddha hat sich darüber lustig gemacht:

Im populären Dhammapada zum Beispiel (es gäbe viele Beispiele dafür) provoziert der Buddha die Brahmanen, indem er betont, dass ein „Brahmane“ nicht sei, wer in einer bestimmten Kaste geboren worden sei, sondern wer dem inneren Befreiungsweg von Ethik, Ruhe und Einsicht folge, gleichgültig was die jeweilige „Kaste“ der betreffenden Person sei.

Der historische Buddha hat das indische Kastensystem abgelehnt. In der buddhistischen Urgemeinde sind Angehörige aller Kasten vertreten gewesen. Manche der bekanntesten Schüler des Buddhas stammten aus niedrigen Kasten oder waren ehemals „Kastenlose“.

Diese damals „neue“ Karma-Lehre – dass alleine die eigene Handlungsabsicht je nach ihrer Qualität direkte oder indirekte Folgen für den Betreffenden habe – bedeutet einfach die älteste Umsetzung des modernen wissenschaftlichen Grundgedankens, dass das Universum einsehbaren Ursache-Wirkungs-Gesetzen folgt.

Dabei wird in den alten Quellen jedoch zugleich betont, dass das Karma-Gesetz in seinen lebensübergreifenden Verzweigungen „unergründlich“ wäre. Es sei bloß in seinen lebensimmanenten Teilbereichen einsehbar. Diese genügten jedoch für den Zweck der inneren Befreiung.

Besonders aufschlussreich an dem Text von Rottenfußer ist auch:

Generell gilt: Immer dort, wo starke Kritik an gezielt ausgewählten, aber im Gesamtvergleich relativ unbedeutenden spätbuddhistischen Karma-Lehren erfolgt, werden meistens auch christliche Überzeugungen betont.

So erklärt sich Rottenfußer selbst als ein christlicher Gläubiger – sowohl an Gott („wobei ich Gott nicht schlicht als menschliche Erfindung deuten würde“) als auch an dessen vermeintlichen „Sohn“ Jesus Christus („Spiritueller Kapitalismus hebt die Unvereinbarkeitsklausel zwischen Gott und Mammon auf, auf die Jesus Wert legte“).

Es gibt wohl solche Aussagen von Jesus im Neuen Testament.

Aber was nützen schöne Aufforderungen, wenn keine inneren Mittel geboten werden, um diese Aufforderungen auch tatsächlich umzusetzen (und unverifizierbare Glaubensüberzeugungen zählen nicht zu diesen inneren Mitteln)?

Warum ist der Buddhismus im Westen heute denn zunehmend populär? Weil er eine unvergleichlich große Zahl solcher effektiven inneren Mittel zu bieten hat, wie es die moderne Meditationsforschung und Neurowissenschaft schon vielfach nachgewiesen hat!

Außerdem gibt es im Neuen Testament (ganz zu schweigen vom Alten Testament) noch ganz andere Aussagen – etwa eine Reihe von massiven Drohungen, dass bloß über den vermeintlich rechten Glauben an den Vater und dessen Sohn Heil möglich sei und andernfalls „Verdammnis“ eintrete; oder die im religiösen Vergleich unnübertreffliche Kardinaldrohung vom Schreck einflößen wollenden Ammenmärchen „Jüngstes Gericht“.

Hier halte ich es persönlich bevorzugt mit dem Nobelpreisträger Betrand Russell, der einmal betont hat, dass er beim besten Willen nicht finden könne, dass Jesus Christus einigen späteren Philosophen überlegen gewesen sei.

Denn diese hätten es nicht nötig gehabt, zu drohen, um Anhänger zu gewinnen. Sie hätten andere lediglich durch die Kraft logisch oder empirisch nachvollziehbarer Argumente gewonnen – wie schon der Buddha.

Herzlich
Hans

2 Hans September 23, 2013 um 13:19 Uhr

Schlaglicht 9:

Nachwort zur inzwischen erfolgten Wahl

Die klaren Tatsachen sind:

Die Deutschen haben sich gemäß dem sinnvollen deutschen Wahlrecht (5-Prozent-Hürde), das so geschaffen worden ist, um eine „lähmende“ Zersplitterung im Parlament wie zu Zeiten der Weimarer Republik unmöglich zu machen, mehrheitlich für das “linke Lager” entschieden – sowohl auf der Bundesebene als auch in Hessen.

Nun ließe sich einwenden, dass bei fast 10 Prozent Stimmen für AFD und FDP sich mehr Wähler für das andere Lager entschieden hätten.

Aber bei diesem Argument muss man dann auch die rund 30 Prozent (!) Nichtwähler unter den Wahlberechtigten berücksichtigen. Hier handelt es sich überwiegend um Menschen, die von ihrer Lage und ihren Interessen viel eher links wählen würden, wie diverse Untersuchungen zeigen. Aber etwa Politverdrossenheit und Frustration halten sie davon ab.

Rechnet man diese Gruppe dazu, wäre die Entscheidung für das linke Lager ungleich deutlicher. Laut einer eingehenden ZDF-Dokumentation gaben bei dieser letzten Bundestagswahl 17,6 Millionen Wahlberechtigte ihre Stimme nicht ab. Wenn man sie noch dazurechnen würde, „sähe das Wahlergebnis ganz anders aus: Die CDU käme dann auf 24,1 und die SPD auf 18,2 Prozent“, wie es in der Dokumentation heißt. Plus der Wähler für die Grünen und die Linke wäre es dann also eine große Mehrheit für das linke Lager!

In der Dokumentation heißt es weiter: „Wahlforscher haben festgestellt: Je ungleicher Einkommen, Bildung und soziale Vernetzung, desto weniger Bürger sind mit der Demokratie zufrieden und desto weniger Vertrauen haben sie in die Politik; und desto weniger gehen sie zur Wahl.“ Deshalb gebe es in Deutschland sehr viele Nichtwähler; während es etwa in den skandinavischen Ländern sehr wenige seien.

Angesichts der mehrheitlichen Linksentscheidung der Wahlberechtigten, die zur Wahl gegangen sind – und der noch viel mehrheitlicheren Linskentscheidung einschließlich jener Nichtwähler, die im Interesse der Demokratie insgesamt wieder für diese gewonnen werden sollten – ist die Abgrenzung der SPD und der Grünen gegenüber den Linken vollkommen irrational und zudem selbstschädigend.

Die Gründe dafür sind:

Eine große Koalition würde der SPD dieses Mal noch mehr schaden als beim letzten Fall einer großen Koalition. Denn die SPD ist viel schwächer geworden und die CDU hat sich stark sozialdemokratisch angepasst. Die SPD kann angesichts dessen nicht viel durchsetzen; und ihre Konturen gegenüber der CDU würden weiter verschwimmen. Bei der nächsten Wahl stünde sie noch schlechter als heute da!

Auch den links verwurzelten Grünen würde auf der Bundesebene eine Koalition mit der CDU sicher mehr schaden als nützen. Das immer stark nach Personen entscheidende Hamburg ist kein Modellfall für den Bund. So gab es in diesem eigentlich traditionell SPD-dominierten Stadtstaat ja auch einige Jahre einen sehr „hamburgischen“ CDU-Oberbürgermeister, Ole von Beust.

Die machtkluge, gewiefte bisherige Kanzlerin und der von den mehrheitlich monarchisch gesinnten Bajuwaren so verehrte katholische König Horst werden dafür zu sorgen wissen, dass die SPD oder die Grünen durch die Koalition mit ihnen bei der nächsten Wahl noch schlechter dastehen als aktuell schon!

Jetzt ist also die Frage, ob die SPD oder die die Grünen tatsächlich so beschränkt sind, da mitzumachen!

Außerdem gilt klar:

Sowohl die SPD als auch die Grünen könnten viel mehr von ihren Kernforderungen in einer Koalition mit den Linken als in einer Koalition mit der CDU realisieren. Darum alleine sollte es ihnen im Interesse des Landes auch gehen!

Im Grunde gibt es hier viel mehr Gemeinsamkeiten: Das begann schon früh in der deutschen Geschichte. Ein Beispiel – nach dem gigantischen Fiasko der Nazizeit musste sich die ehemalige „Zentrums“-Partei ganz kurz und schnell einmal in die christliche „CDU/CSU“ umbenennen, und zwar weil sie gemeinsame Sache mit den Nazis beim Ermächtigungsgesetz gemacht haben!

Das mussten die SPD oder die KPD nicht, weil sie damals integer geblieben sind und dem Ermächtigungsgesetz nicht zugestimmt hatten. Das sind keine Kleinigkeiten. Daran zeigt sich echter Charakter, auf den es im menschlichen Leben ankommt!

Auch schon vorher in der Weimarer Republik hatten die Bürgerlichen als die primären Steigbügelhalter der Nazis gewirkt, etwa mit dem gigantischen Presseimperium von Alfred Hugenberg. Der spätere Axel Springer war im Vergleich zu Alfred Hugenberg eine viel kleinere Nummer. Dagegen hat die SPD die erste deutsche Demokratie von Weimar so gut wie möglich mit stockkonservativen wilhelminischen Beamten, die bloß darauf warteten und dazu beitrugen, dass die Weimarer Republik zu Ende kam, zu managen versucht!

Die im vorangegangenen Beitrag erwähnte enorme deutsche „Kirchenfinanzierung“ aus öffentlichen Mitteln, zu der unter anderem die “historischen Staatsleistungen” als ein Teilbereich gehören, sind kein Nebenthema – auch wenn es alle Parteien außen den Linken und den Piraten unter den Tisch kehren. Denn die Kirchen leisten jenen anderen Parteien ja indirekt auch heute noch gute Dienste …!

Es geht hier seit 200 Jahren (!!!) und zwar alljährlich um immense, anderweitig sinnvoller verwandte Summen, die aus öffentlichen Mitteln an die christlichen Kirchen bezahlt werden.

Zu Erinnerung (die Links siehe oben) zu den aktuellen Aufwendungen:

19 Milliarden jährlicher Finanzierung der Kirchen aus dem allgemeinen Steueraufkommen plus
9 Milliarden an Kirchensteuern, die der Staat für die Kirchen einzieht, plus
45 Millarden für Caritas und Diakonie

Die Mittel für die gesellschaftlich wichtigen Sozialeinrichtungen der Kirchen werden letztlich von jedem Bürger aus den öffentlichen Kassen des Staates bestritten.

Zugleich können die Kirchen innerhalb dieser Einrichtungen ihrem eigenen alten Sonder-”Kirchenrecht” folgen, das keine Streiks zulässt und Kirchenmitgliedschaft zur Voraussetzung für eine Anstellung hat.

Sie werden also öffentlich von jedem finanziert und können trotzdem ihre „eigenen Brötchen“ backen? Dort werden Menschen nicht bloß nach ihrer Befähigung eingestellt, sondern außerdem noch nach ihrem Glauben? Und das von einem der größten Arbeitgeber hierzulande? Und Menschen können sich dort nicht gegen Missstände per Streik zur Wehr setzen, wie es überall sonst in der Gesellschaft der Fall ist?

Auf der Facebookseite von Michael Schmidt-Salomon von der „Giordano Bruno Stiftung“ schreibt Björn Borchardt unter den öffentlichen Kommentaren zu der Kampagne gegen religiöse Diskriminierung am Arbeitsplatz:

„Das ist bei den Protestanten ähnlich. Ich arbeite bei der Diakonie. Kirchenaustritt = Jobverlust. Ich habe seit kurzem eine neue zwangskonfessionierte Kollegin, die den Job nur unter der Voraussetzung bekam, sich taufen zu lassen.“

Meine eigene frühere Freundin ist eine Erzieherin, der in einer diakonischen Einrichtung vom Leiter eine Festanstellung angeboten wurde, weil sie unter den Kindern und Kollegen so beliebt war. Aber sie bekam diese Anstellung nicht. Der Grund: Der Leiter meinte, dafür müsse sie zuerst der Kirche beitreten. Das wollte sie nicht. Später war sie wirtschaftlich gezwungen, das finanziell attraktivste Angebot doch noch wahrzunehmen. So musste sie Kirchenmitglied werden. Sie sagt mir, dass sie sofort wieder austreten würde, sobald es rechtlich möglich wäre.

Das sind zwei von zahlreichen Beispielen, die im Grunde einen „himmelschreienden“ Missstand beleuchten.

Zu jener Kampagne heißt es (hier noch mit weiterführenden Links und Übersichten):

„Die sozialen Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft werden in der Öffentlichkeit stets als Pluspunkt für die Kirchen wahrgenommen. Was viele Menschen nicht wissen: Das finanzielle Engagement der Kirchen hält sich in Grenzen, viele Einrichtungen wie Krankenhäuser oder Altenheime werden zu 100 % aus öffentlichen Mitteln unterhalten. Dafür ist der kirchliche Einfluss auf die Arbeitsverhältnisse umso größer. Denn dort gilt ein eigenes kirchliches Arbeitsrecht, das zahlreiche Grundrechte der Beschäftigten einschränkt und insbesondere Konfessionslose diskriminiert.“

Ein Spendenaufruf, um die Ergebnisse einer aktuellen Studie dem neuen Parlament bekanntzumachen, erscheint hier.

Eingangs heißt es dort: „Ich rufe dazu auf, die Bekanntmachung der Ergebnisse der Studie Loyal dienen von Corinna Gekeler zu unterstützen. Die Politologin hat die Auswirkungen des besonderen kirchlichen Arbeitsrechts in Deutschland untersucht und herausgearbeitet, wie weit die Diskriminierung von Konfessionslosen und Andersgläubigen – in katholischen Einrichtungen auch von Homosexuellen, Geschiedenen und unverheirateten Paaren – geht.“

Diese Missstände können doch wohl heute nicht mehr wahr sein!

Doch, sind sie wohl! Wo denn? Im „Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation“ – zumindest in Hinsicht der finanziellen Unterstützung – also der Bundesrepublik (siehe dazu auch den vorangehenden Beitrag und unten).

Angesichts dieser Tatsachen und vor allem noch angesichts jener weiteren erwähnten immensen öffentlichen Mittel zur Finanzierung der Kirchen – unter anderem der hohen Gehälter, der unzähligen Gebäude, der theologischen Fakultäten, der kirchlichen Hochschulen, dem Religionsunterrcht, der generellen Mehrung des Kirchenvermögens, diverser großer Steuerbefreiungen usw. (zu den Details siehe die Links oben) – lässt sich beim besten Willen doch nicht von einer “weltanschaulichen Neutralität” des Staates sprechen!

Aber sie wird von der bundesdeutschen Verfassung klar gefordert. Nicht einmal diese „weltanschauliche Neutralität“ ist also der Fall. Denn von einer echten „Trennung von Kirche und Staat“, die alleine zeitgemäß wäre, wird in der Verfassung noch gar nicht gesprochen.

Sie wäre auch angesichts der zunehmenden weltanschaulichen Ausdifferenzierung des Gesellschaft unbedingt notwendig.

Nur in einer Koalition mit den Linken lässt sich das zukünftig ändern.

Herzlich
Hans

3 Hans September 21, 2013 um 15:07 Uhr

Schlaglicht 8:

Man reibt sich ungläubig die Augen …

Der aktuelle Papst Franziskus, der zweifellos ein großer Fortschritt „in Richtung“ unserer Zeit gegenüber seinen beiden mittelalterlich denkenden Vorgängern ist, wird aktuell von den deutschen Medien ehrerbietig gefeiert; und zwar von mehr oder weniger allen.

Und zwar für bloße Worte! Im Einklang mit der stets von rhetorischem Pathos unterlegten kirchlichen Verlautbarungsreligiosität etwa per „Gottesdiensten“ und Segnungen, ohne wirklich konkrete innere Methoden oder äußere Schritte, die zur Umsetzung der Wortgerüste geboten werden.

Alle wichtigen Posten in der katholischen Kirche sind von seinen erzkonservativen beiden Vorgängern von deren Gesinnungsgenossen besetzt worden. Warten wir doch erst einmal ab, ob Papst Franziskus daran wirklich etwas ändert!

Der Grund für die Begeisterung der Medien: Ein Interview, mit dem er seine Kirche und die katholischen „Beichtväter“ in Bezug auf Homosexuelle, Geschiedene sowie Frauen mit Abtreibungen auffordert (hier ist Teil 1 des Interviews und hier der Teil 2):

„Wir müssen sie mit Barmherzigkeit begleiten.“ Denn, so vorher: „Gott begleitet die Menschen durch das Leben und wir müssen sie begleiten und ausgehen von ihrer Situation.“

1) Er deutet also jetzt seiner Gott sehr freundlich so. Das ist doch schön! Seine Vorgänger haben ihn jedoch anders gedeutet.

Die Bibel bedient hier ja wieder einmal alle weltanschaulichen Seiten.

In dem Interview spricht er, wie es alle christlichen Geistlichen und die meisten an Universitäten ausgebildeten Theologen tun, über „Gott“ just genau so, als hätte er ihn eben vorher getroffen und dieser ihm dabei höchst-Selbst-persönlich mitgeteilt, was er sei oder nicht sei, was wolle oder nicht wolle, was die Menschen tun sollten oder nicht tun sollten.

Man beachte: Es handelt sich hier um wissenschaftlich ausgebildete Menschen, die ständig von einer bloßen Annahme oder Behauptung genau so sprechen, als wäre es eine unhinterfragbare Realität!

Aber dies ist es mitnichten, sondern ein unbeweisbarer Glaube, gegen den objektiv ungleich mehr spricht als für ihn spricht, und den geschichtlich deutlich positiver dastehende Weltreligionen wie die Lehre des Buddhas eindeutig verneinen (siehe etwa hier „Unterschiedlich plausible Glaubenswelten„).

Jeder echte Wissenschaftler würde sich durch ein solches Vorgehen, mit dem kurzerhand Behauptungen und Spekulationen zu Realitäten erklärt werden, sofort selbst gegenüber allen seine Kollegen vollstandig disqualifizieren.

Nicht so bei Theologen!

Das ist eine mittelalterliche Unterscheidung, die sich bis heute gehalten hat, vor allem in Deutschland.

In den USA und Frankreich zum Beispiel gibt es eine echte Trennung von Kirche und Staat. Dort werden Theologen auch nicht an staatlichen Hochschulen ausgebildet. Und nirgendwo werden die Kirchen aus öffentlichen Mitteln vom Staat in solchem Maße alimentiert wie in Deutschland.

Jetzt werden so manche katholischen Gläubigen einwenden, der Papst als „Stellvertreter Gottes“ müsse wissen, in wessen Namen er spreche.

Meine Antwort: Ich bin ein Abgesandter der ewig lebenden Wächterrasse vom Sternennebel Orion mit dem Auftrag, die menschliche Ignoranz zu überwinden. Ich behaupte, dass der Papst keinen Deut mehr echter Belege für die Richtigkeit seines Anspruches hat wie ich für den meinigen ….!

2) „Barmherzigkeit“ wird also mehrfach von Papst Franziskus gefordert. Keines der großen deutschen Medien, die die aktuellen Aussagen des Papstes feiern, scheint auf den Gedanken zu kommen, dass diese Forderung vollkommen unpassend ist.

Denn es ist eine Forderung aus einer „Von-oben-Herab“-Haltung, gemäß dem Motto:

„Das sind arme Sünder, die falsch gehandelt haben, und wir guten Hirten sollten deshalb mit ihnen barmherzig sein!“

Nein, die katholischen Theologen sollten nicht herablässig gegenüber jenen vermeintlichen Sündern „barmherzig“ sein. Sie sollten noch nicht einmal „tolerant“ sein – was von lateinisch „tolerare“ für „ertragen, erdulden“ stammt, von dem, was einem im Grunde „gegen den Strich“ geht!

Sie sollten vielmehr echte Akzeptanz gegenüber erwachsenen, mündigen Menschen üben!

Damit würden sie wirklich unter Beweis stellen, dass sie bestimmte grundlegende spirituelle Qualitäten verwirklich haben.

Doch es fehlt ihnen IN WAHRHEIT doch selbst an diesen grundlegenden Qualitäten, die schon jeder durchschnittlichen Ethik zu eigen sind!

Das wäre deutlich religiöser und spiritueller als sich auf alte religiöse Bücher mit zweifelhaften Inhalten zu berufen, denen in mittelalterlicher Manier aus einem spezifischen Glauben heraus eine höhere, vermeintlich nicht zu hinterfragende Autorität zugesprochen wird.

Außerdem gibt der Papst ja IM SELBEN Interview vor lauter Glaubensüberzeugung sogar selbst indirekt zu (und dazu braucht es schon Einiges), worum es ihm mit seiner „Barmherzigkeit“ eigentlich geht – nämlich um eine effektivere Missionierung bzw. Verbreitung des katholischen Glaubens!

Genau deshalb hat man nach seinen beiden erzkonservativen Vorgängern mit deren zahlreichen mittelaterlichen Fehltritten jüngst ja nun auch ihn gewählt. In anderen Fall wäre die katholische Kirche geradezu abgrundtief verblendet gewesen. Im Interview gibt der Papst also selbst zu, was hinter seiner „Offenheit“ steckt:

„Wir müssen das Evangelium auf allen Straßen verkünden, die frohe Botschaft vom Reich Gottes verkünden und – auch mit unserer Verkündigung – jede Form von Krankheit und Wunde pflegen.“

Man mischt sich schlicht und einfach nicht in das private Leben von Erwachsenen ein! Das gilt ganz grundsätzlich; und allemal für eine Institution, die so viel geschichtlichen und aktuellen „Dreck am Stecken“ wie die katholische Kirche hat –

zum Beispiel unüberbietbare Gewalt im Zuge von Zwangsmissionierungen ganzer Kontinente durch die Jahrhunderte hindurch im Bündnis mit weltlichen Herrschern, jahrhundertelanger religiöser Antisemitismus als dem hauptsächlichen Nährboden des späteren faschistischen Vernichtungsantisemitismus, nach neuesten Forschungen die Zerstörung der hohen allgemeinen Bildung in der ausgehenden Antike, weil allgemeiner Analphabetismus den Herrschaftsabsichten der Kirche dienlich gewesen ist, und damit rund 1000 Jahre Rückfall in ein „dunkles Mittelalter“, bevor es über den Import der antiken Wissensschätze aus der arabischen Welt gegen den Widerstand der Kirche im Abendland zur „Renaissance“ kam, Hexenverfolgung, Inquisistion, Kreuzzüge, Religionskriege von gewaltigem Ausmaß;

oder heute zum Beispiel Missbrauch von Kindern im großen Stil durch pädophile Priester und gewiss in höherer Zahl als in jeder anderen „Berufsgruppe“, übelster Materialismus von üppig ausgestatteten kirchlichen Würdenträgern, etwa des Mega-Egos Bischofs Tebartz-van Elst, der sich für 31 Millarden seinen privaten Prunksitz erbauen lässt, van mittelalterliche Diskussionen zum Beispiel über die Unmöglichkeit eines „gemeinsamen Abendmahles“ mit der evangelischen Kirche (haben die denn keine anderen Probleme?), der Ausschluss von Frauen (also der Hälfte der Menschheit) von allen wichtigen Funktionen innerhalb ihrer Institution, starke Beschränkung von Befreiungstheologen, die sich gegen die uralte Unterdrückung und Ausbeutung in ihren gebeutelten Ländern einsetzen, Verbot von Kondomen in Aids-Ländern, damit auch genug neue Schäfchen nachkommen, usw. usf.

Die sexuelle Orientierung von Menschen ist ausschließlich deren Sache! (Ich selbst bin übrigens nicht homosexuell.)

Außerdem – um kurz einmal auf diese ganz Denklinie zu gehen – :

Warum sollte denn ein „Schöpfergott“ mit seinen eigenen „Geschöpfen“, die er selbst mit ihrer spezifischen sexuellen Orientierung geschaffen hätte, irgendein Problem damit haben? Folglich sollte es diesem Schöpfergott doch dann auch keineswegs um eine „Barmherzigkeit“ von oben herab gehen, sondern um eine echte Akzeptanz?

Deshalb muss hier also gefragt werden:

Scheitert bereits an diesem einfachen Schluss das logische Denkvermögen des höchsten Katholiken Papst Franziskus?

Um ob sich Menschen scheiden lassen oder abtreiben ist ebenfalls ausschließlich ihre private Sache.

Jede Frau wird sicherlich die größten inneren Zweifel durchleben, bevor sie einen solchen Schritt tut. Wenn sie sich dazu nach Abwägung allen Für und Widers entscheidet, sollten ihr nun bitte moralisierende Theologen fern blieben, die ihr dadurch ein schlechtes Gewissen machen, dass sie ihren Schritt entweder explizit als „Sünde“ bewerten, oder dies implizit dadurch tun, dass sie „Barmherzigkeit“ dieser Frau gegenüber fordern.

Was soll denn bitte daran fortschrittlich sein – ihr deutschen Medien?

Dass sich christliche und vor allem katholische Theologen immer wieder solche (und viel schlimmere) Schoten erlauben können, hat in allererster Linie damit zu tun, dass sie finanziell allerbestens ausgestattet sind bzw. regelmäßig werden.

Dazu trägt der deutsche Staat in einem besonderen Maße bei – und zwar mit der enormen jährlichen „Kirchenfinanzierung“ und den diesen untergeordneten „historischen Staatsleistungen“, die als „Kompensation“ für Enteignungen von Anfang des 19. Jahrhunderts seitdem (!!!) gezahlt werden. (Näheres steht auch in diesem Blog-Beitrag.)

Das wäre das wirklich wichtige Thema, das von den Medien auch breit und genau behandelt werden sollte; und nicht die tausendste pathetische Bekundung eines hohen Kirchenvertreters.

Eine umfassende zusammenfassende Übersicht steht hier.

Eine kurze, schnell gelesene Übersicht zu den tatsächlichen enormen Summen, die hier alljährlich – und unabhängig von der Kirchensteuer (von rund 9 Millarden) – gezahlt werden, erscheint hier auf der Website von Dr. Carsten Frerk, dem führenden Experten zu diesem Thema.

Diese Übersicht ist ein Kurztext zu seinem Violettbuch Kirchenfinanzen: Wie der Staat die Kirchen finanziert.

Ergänzend hier ein Spiegel-Artikel von ihm, zu den Kirchen als den „reichsten Unternehmen der Republik“.

Ein Artikel zu Carsten Frerks Violettbuch Kirchenfinanzen im Spiegel, der die von ihm errechnete Summe von 19 Milliarden jährlicher finanzieller direkter und indirekter Leistungen an die Kirchen aus dem allgemeinen Steueraufkommen kurz aufschlüsselt (etwa Zuschüsse für Bischöffe und Kirchenpersonal, Steuerbefreiungen, Religionsunterricht, theologische Fakultäten, kirchliche Hochschulen, christliche Kindergärten und Hilfswerke). Diese 19 Millarden kommen also zu den 9 Milliarden an Kirchensteuern, die der Staat für die Kirchen einzieht, sowie den 45 Millarden für Caritas und Diakonie, noch hinzu.

Zuschüssen der Bundesländer für Bischöfe und anderes Kirchenpersonal, teils indirekt, wie durch Steuerbefreiungen. Allein der Religionsunterricht kostete den Staat im vergangenen Jahr 1,7 Milliarden, theologische Fakultäten und kirchliche Hochschulen weitere 509 Millionen Euro. Mit 3,9 Milliarden finanziert wurden christliche Kindergärten. Selbst eine rein kirchliche Unternehmung wie Misereor, das Bischöfliche Hilfswerk, bekam zuletzt 63 Prozent seines 162-Millionen-Etats vom Entwicklungsministerium, nur fünf Prozent stammen direkt von der Kirche. Die Bundesländer zahlen zudem „Baulasten“ für den Erhalt von Tausenden Kirchen und Pfarrhäusern.

Eine neuere Übersichts-Website zu den „Staatsleistungen“ an die Kirchen von Dr. Carsten Frerk erscheint hier.

Zur Wahl morgen: Es gbt in Deutschland bloß zwei Parteien, die diese Staatsleistungen zum Thema machen:

Die Linke und Die Piraten.

Ich wähle morgen auch erstmals Die Linke (Die Piraten haben bisher noch zu viele Defizite):

Erstens weil bloß durch eine Koaltion von Die Linke, Die Grünen und SPD eine andere Politik in diesem Land möglich ist; und Die Grünen und die SPD alleine durch eine starke Die Linke zu einer solchen Koalition gebracht werden können, der sie sich bisher verweigern.

Ich würde Die Linke nicht wählen, wenn sie bereits stark genug wäre, dass sie nicht mehr zu umgehen wäre. Denn eine klare Fraktion in ihr mit den alten „Klassenkampf“-Denkern hat schlichtweg nichts aus der Geschichte gelernt.

Zweitens weil sie die einzig annehmbare Haltung gegenüber den Kirchen und dies einhellig vertritt.

Die Grünen sind hier gespalten:

Einerseits gibt es führende Politiker wie Jürgen Trittin und die „säkularen Grünen„, die ähnlich wie Die Linke argumentieren; andererseits auch tief überzeugte Christen bis in die Führungsriege hinein, etwa die Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt oder den baden-würtembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann.

Zugleich ist zu sehen, dass selbst Grundüberzeugungen von Die Linke christlich verwurzelt sind, etwa die Sichtweise einer zielgerichteten „Heilsgeschichte“.

Diese Kritik am westlichen heilsgeschichtlichen „Glauben“ hat der prägende Philosoph Karl Löwith (1897-1973) unter anderem mit seiner Werk Weltgeschichte und Heilsgeschehen: Zur Kritik der Geschichtsphilosophie formuliert.

Von ihm stammt zum Beispiel das treffende Wort „Kreis und Kreuz sind unvereinbar“.

Die vorchristliche antike Philosophie, das heißt die Grundlage der gesamten abendländischen Philosophie, wie auch das asiatische und buddhistische Denken, sind naturnah bzw. realistisch dem Kreis verpflichtet.

Fortschritt ist hier bloß durch das individuelle Verstehen und Überwinden des Zirkulären möglich, was jedoch eine solche Dynamik gewinnen kann, dass es zu realem gesellschaftlichen Fortschritt führt.

Das christliche Denken dagegen ist naturfern bzw. utopisch dem Kreuz und den damit verbundenen Glaubensvorstellungen verpflichtet. Deshalb sind die hier verwurzelten Utopien, wie zum Beispiel der Marxismus, immer in der geschichtlichen Realität gescheitert, die objektiv dem Kreis folgt.

Krieg und Frieden zum Beispiel haben sich in der Geschichte immer abgewechselt. Es gibt heute im globalen Maßstab sicherlich mehr Gewalt als zu früheren Zeiten, gegenüber den Mitmenschen, den Tieren wie der Natur generell. Daran hat der Marxismus und dessen Folgeideologien rein gar nichts geändert. Im Gegenteil haben sie zu diesem Mehr an Gewalt maßgeblich beigetragen.

Neben den utopischen Vorstellungen von einer zielgerichteten Heilsgeschichte sind zum Beispiel der marxistische (bzw. sozialistische und kommunistische) Utilitarismus gegenüber der Natur, das heißt die Idee, dass die Natur für den Menschen da sei, sowie eine anthropozentrische Ethik, welche die Tiere nicht einschließt, auch christlich verwurzelt.

Fortschritt auf der einen Seite, etwa in den Wissenschaften, wird durch Rückschritt auf der anderen Seite, etwa der Potenzierung von Gewalt gegenüber Mensch, Tier und Natur mit technischen Mitteln, ausgeglichen; oder großer Wohlstand einer globalen Minderheit hat den Preis einer zunehmend die Erde bedrohenden Naturzerstörung sowie wachsenden enormen Ungleichheit, was zu entsprechenden Konflikten führt.

All dies eben bedeutet „Kreis“.

Drittens weil Gregor Gysi und Sarah Wagenknecht aus meiner Sicht den integersten Eindruck im Wahlkampf gemacht haben; und es letztlich immer auf die konkreten Menschen bzw. die Qualität von deren Motiven ankommt.

Herzlich
Hans

4 Hans August 14, 2013 um 20:29 Uhr

Schlaglicht 7:

Über die mit Steuergeldern finanzierte „Kunstaktion“
einer umgeworfenen Buddhastatue in der
bayerischen Landeshauptstadt

Buddha in München

Jüngst bekam ich per Mail einen Aufruf der Hamburger Gruppe des „Lotus Sangha World Social Buddhism“ zur Unterzeichnung eines Protestes gegen eine aktuelle „Kunstaktion“, nämlich eine umgeworfene große Buddhastatue auf dem Münchner Viktualienmarkt.

Der Aufruf:

„Bitte unterzeichnen Sie diese Petition und leiten sie an Ihre Mitglieder oder andere Interessierte weiter!

Es geht um eine Kunstaktion, bei der eine große Buddhastatue auf den Rücken gekippt wurde. Wir fordern, dass diese Statue aus Respekt gegenüber Buddha und damit gegenüber unser aller Buddhanatur aufgerichtet wird, damit sie eine heilsame Wirkung im Geist der Menschen entfalten kann.

Hierfür finden direkt vor der Statue auch Protestakationen statt, von der Yun Hwa Denomination of World Social Buddhism und anderen Sanghas. Auch die DBU (Anm.: „Deutsche Buddhistische Union“, der Dachverband einiger Gruppen) hat schon einen Protestbrief an die Stadt München verfasst.“

Mein kleiner Kommentar dazu, mit dem ich auch in jenem Hamburger Verteiler den Protestaufruf beantwortet habe:

Die Kritik sollte in beide Richtung gehen, nämlich jene des Veranstalters der so genannten „Kunstaktion“ und jene der Empörten über dessen Veranstaltung.

1) Der Veranstalter ist laut dem Artikel der Süddeutschen Zeitung das Kulturreferat der Stadt München (Zitat – „Der Buddha ist ein Teil der vom Kulturreferat veranstalteten Aktion ,A Spcace called Public – hoffentlich öffentlich´, das sich mit dem Stadt-Bild zwischen Klischee und Kommerz auseinandersetzen möchte“). Das heißt der bayerische Staat, der das Ganze also mit Steuergeldern finanziert.

Derselbe Veranstalter im tief katholischen Bayern hätte gewiss keine Aktion genehmigt, bei der ein umgestürzter, auf dem Boden liegender Jesus Christus zu ähnlichem Zweck künsterlisch verwertet worden wäre.

Das sagt schon alles.

2) Die Empörten über diese Veranstaltung steigen auf den Provokationsversuch ein, was nicht gerade von Souveränität zeugt. Nichtbeachtung wäre die einzig angemessene Reaktion.

Man regt sich ja auch nicht über Buddhastatuen zum Beispiel in Friseurläden auf (wie hier in Hamburg/Ottensen), wo deren „Positionierung“ genausowenig passt. Der historische Buddha und alle buddhistischen Mönche waren/sind kahlköpfig, und Eitelkeit gilt als ein geistiges Hindernis.

Im Rahmen des Protestes ist großflächig auf einem Plakat betont worden (siehe dieses YouTube-Video über den Protest):

„Buddha ist unser wahres Selbst. Buddha zu respektieren bedeutet Buddha zu respektieren.“

Das ist eine sehr späte bzw. heutige „buddhistische“ Deutung, insofern der Buddhismus bekanntlich in seinen traditionellen Hauptströmungen nicht von einem „wahren Selbst“ ausgeht.

Es sollte im Sinne des Dharma korrekt heißen: „Buddha ist unser Nicht-Selbst.“

Folglich würde Buddha zu respektieren bedeuten, solche Veranstaltungen „ins (eigene) ,Leere´“ gehen zu lassen!

Denn eine Lehre und Praxis, der es tatsächlich um innere Entwicklung geht und nicht um oberflächliche Glaubensgesten, ist nicht von Statuen, ob aufrecht oder umgeworfen, Devotionalien, Blumen usw. abhängig – wenngleich diese nicht schaden und Buddhastatuen inspirieren können.

Ein gleichmütig und frei lächelnder Buddha ist zweifellos für den spirituellen Entwicklungsweg eine sinnvollere Inspiration als ein Blutender mit schmerzverzerrtem Gesicht, der an ein Kreuz genagelt ist, und von dem zudem viele glauben, dass das dargestellte Leid die Hauptursache für ihre „Erlösung“ und die „Erlösung“ anderer „Gläubiger“ wäre.

Gegen solche Vorstellungen (zum Beispiel) sollten sich alle ernsthaften Dharma-Praktizierenden mit einer klaren, sachlichen Kritik – genau wie im Falle des Buddha und der Urgemeinde – richten, anstatt gegen umgeworfene Buddhastatuen oder ähnlich Unbedeutendes.

Der historische Buddha hat sich laut den alten Quellen bereits gegen wesentlich durchdachtere und plausiblere Glaubensvorstellungen als die oben zitierte scharf, aber immer sachlich gewandt.

Die Grundbotschaft jeder Buddha-Abbildung ist: „Das ist Dein inneres höchstes Potenzial, das Du wie ich entfalten kannst!“

Die Grundbotschaft von Jesus Christus am Kreuz ist: „Du bist ein geborener Sünder und eine Erlösung gibt es für Dich alleine durch mich, nämlich durch diesen meinen Opfertod, sofern Du an mich als Sohn Gottes und Erlöser glaubst!“

Von jeder theologischen Apologetik ganz abgesehen sei hier nüchtern und objektiv gefragt:

Können religiöse Grundbotschaften denn unterschiedlicher sein?

Unsere von Nichtsehen bzw. Ego und damit zwangsläufig großen Krisen geplagte Welt braucht effektive Praxisformen, überprüfbare religiöse Sichtweisen und ernsthafte, kritische Auseinandersetzungen über das wirklich Wichtige, nicht über Kindereien wie umgeworfene Buddhastatuen, verhunzte Jesus-Symbole oder etwa auch Mohammed-Karikaturen.

Außerdem gab es aus kunsthistorischer Sicht die ersten Jahrhunderte nach dem historischen Buddha keine Statuen!

Der Buddha hat seine Abbildung nicht empfohlen.

Die Aufforderung „Nehmt den Weg als führendes Licht, nehmt den Weg als Freiort!“

gilt als sein letztes Wort.

Herzliche Grüße,

Hans Gruber

5 Hans Mai 26, 2013 um 11:15 Uhr

Schlaglicht 6:

„Gibt es ein Selbst? Was sagt der Buddhismus dazu?“

Diese „große“ und immer wieder thematisierte Frage ist auf YouTube nach dem Video mit meinem Vortrag über die frühbuddhistische Achtsamkeits- bzw. Einsichtspraxis Vipassana vom Hamburger „Internationalen Achtsamkeitskongress“ von einem Besucher gestellt worden.

Ich habe eine prägnante Antwort versucht. Denn die Kommentare auf YouTube sind auf 500 Zeichen beschränkt.

Mit zwei „Nachträgen“ gehe ich dort noch kurz auf bestimmte weit verbreitete Fehldeutungen und kaum bekannte Sachverhalte zu deren Hintergründen ein, um sie einem breiteren Publikum zu vermitteln.

Inzwischen kommt das Video beim Suchbegriff „Vipassana“ weit oben. Das gilt es für diese leider notwendigen Hinweise zu nutzen.

Über diesen Link gelangt man direkt zum Video, unter dem jene eingangs zitierte Frage des Besuchers sowie meine Antwort mit den beiden Nachträgen erscheinen.

Jeder kann sich übrigens dort einbringen.

Herzlich, Hans

6 Hans April 4, 2013 um 12:50 Uhr

Schlaglicht 5:

Gerd Scobel zum Sammelband Achtsamkeit: ein buddhistisches Konzept erobert die Wissenschaft

Der bekannte Moderator von Wissenschaftsdiskussionen (Scobel: 3Sat), hat den Sammelband zu der „Internationalen Achtsamkeitskonferenz“ 2011 an der Uni Hamburg positiv besprochen, den ich hier auf dem Blog näher vorgestellt habe.

Gerd Scobels Besprechung als Video erscheint hier.

Das Buch verkauft sich sehr gut. Auf Amazon steht eine ausführliche Besprechung von mir.

Zu den Beiträgen des Bandes über die buddhistischen Wurzeln der westlichen Achtsamkeitsanwendungen gehört der eigene Beitrag über Achtsamkeit in Buddhas Lehre und der Vipassana-Bewegung, der auch bald als kleines Ebook erscheinen wird.

Eine gewissermaßen zum Thema gehörige einstündige Wissenschaftssendung von Gerd Scobel zum Thema „Yoga boomt“ erscheint hier auf der Mediathek von 3Sat. Ich mache selbst schon länger Bikramyoga.

Herzlich, Hans

7 Hans Januar 20, 2013 um 17:36 Uhr

Schlaglicht 4:

Neue wichtige Seite von Avaaz

Die thematisch breit engagierte Internet-Kampagnen-Organisation und Beteiligungs-Plattform „Avaaz“ offeriert einen neuen Dienst – „Daily Briefing“.

Ihr könnt Euch in der eben verlinkten Eröffnungsseite in den Newsletter eintragen.

In der Mail, die danach kommt, heißt es unter anderem (übersetzt von mir):

„Die Medien, die uns zur Verfügung stehen, sind häufig zu zynisch, versessen auf „Infotainment“ (Unterhaltung durch Information) und Knechte von Konzerninteressen. Um die Änderungen herbeizuführen, die wir alle wünschen, braucht unsere Welt bessere Medien – weniger negativ und passiv. Unser neuer Dienst „Daily Briefing“ ist unser Beitrag zu diesem Ziel. Wir sichten die wichtigsten Berichte des Tages und geben den Lesern die Möglichkeit, aktiv zu werden, um einen Einfluss auszuüben auf die Themen, über die wir sprechen.“

8 Hans Januar 19, 2013 um 23:16 Uhr

Schlaglicht 3:

Zu Ehren von Aaron Swartz – „Wahrer Mensch“ (sappurisa)

Internet-Wunderkind Aaron Swartz, der maßgeblich etwa an der idee und Umsetzung der RSS-Feeds, von Creative Commons, Reddit und Avaaz mitwirkte, nahm sich vermutlich wegen des massiven Vorgehens der US-Behörden gegen ihn das Leben (Details und Links in diesem Beitrag von der neuen Nachrichtenseite von Avaaz, die ganz andere Zwecke als die gewöhnlichen Medien verfolgt).

Er war Direktor von http://www.demandprogress.org und fellow am „Edmond J. Safra Center for Ethics“ der Harvard Universität. Er ist auch Gründer von http://www.jottit.com, einer Internetfirma, die das Erstellen von Websiten extrem einfach macht.

Sein Hauptanlegen war die Verfügbarmachung von auch geschützten Informationen, die bis dahin alleine Partikularinteressen gedient haben, für die breite Öffentlichkeit und die immer weitere Demokratisierung des Internets.

In der Lehre des Buddhas heißen Menschen, die sich wirklich einem in Achtsamkeit gegründeten ganzheitlichen Entwicklungweg von Ethik, Ruhe und Einsicht bzw. dem Dharma (das, was von innen trägt) verschreiben, „Wahre Menschen“ (sappurisa).

Dieser Weg beinhaltet auch immer die Bereitschaft zum Einsatz für übergeordnete Zwecke des allgemeinen Wohls. Aaron Swartz hätte auch eine konventionelle Karriere und sehr viel Geld machen können. Stattdessen führte er bewusst das Leben, das er aus innerem Pflichtgefühl führte.

Der altindische Begriff „Dharma“, also der Name, mit dem der historische Buddha selbst seine Praxislehre bezeichnet hat, bedeutet wörtlich „das, was (von innen) trägt“, hat aber ursprünglich die Bedeutung von spirituellem „Gesetz“ bzw. innerer „Pflicht“).

Weitere Artikel zu Aaron Swartz:

New York Times
Economist
Center for Global Development

Auf YouTube gibt es viel von und zu ihm. In diesem älteren Interview sagt er Einiges zu seiner grundsätzlichen Motivation.

Diese Aussagen scheinen mir ein hervorragendes Beispiel für das zu sein, was in der Lehre des Buddhas „Trefflicher Entschluss“ (samma-sankappa) heißt (das zweite Glied des „Achtfachen Pfades“, das von „Trefflicher Sicht“ angeführt wird):

Der frühbuddhistische Begriff „Wahrer Mensch“ (sappurisa) impliziert, dass ein Mensch erst durch den kulturübergreifenden Entwicklungsweg von Ethik, Ruhe und Einsicht oder Weisheit zum wirklichen, vollen bzw. voll menschlichen „Menschen“ wird.

Im am höchsten entwickelten Sinne ist ein „Wahrer Mensch“ ein Buddha, das heißt wörtlich übersetzt ein „Erwachter“. Er oder sie wird also seiner oder ihrer Natur als Mensch am tiefsten bzw. vollsten gerecht.

Dem Begriff „Buddha“ liegt also objektiv betrachtet ein gänzlich anderes Menschenbild zugrunde, als es von den monotheistischen Religionen gelehrt wird. „Buddha“ ist eine Aufforderung an jeden Menschen, an seiner oder ihrer inneren „Fülle“ als Mensch zu arbeiten. Aus dieser Sicht gibt es keine Alternative dazu, weil ansonsten bestimmte existenzielle Leiden oder Zustände des Ungenügens niemals enden können (höchstens vorübergehend).

Dieser Weg zum vollen, „Wahren Menschen“ gilt kulturübergreifend überall. Er ist der Kern jeder echten Spiritualität, und nicht irgendein naturwidriger, lediglich postulierter, in sich widersprüchlicher und in der eigenen Erfahrung nicht überprüfbarer „Glaube“.

Die konsequente Arbeit an sich selbst auf Basis eines entsprechenden Menschenbildes ist immer die Quelle von Befreiung, und nicht irgendein Glaube an fiktive Kausalzusammenhänge (zum Beispiel an die Erlösung der an Jesus Christus glaubenden Menschen durch seinen vermeintlichen Kreuzestod), die nüchtern betrachtet ins Reich der Fabel oder des religiösen Märchens gehören, nicht in eine von der Wissenschaft bestimmte moderne Welt.

In den Worten des Buddhas laut dem „Pfad des inneren Gesetzes“ Dhammapada, einem ganz zentralen Werk des Palikanons:

„Man ist sich selbst der Erlöser.
Welchen anderen Erlöser sollte es denn geben?
Im wohlbeherrschten Selbst wächst einem ein Erlöser zu,
der anderweitig kaum zu finden ist.“ (12, 4)

„Bloß von einem selbst wird Unheil getan,
und von einem selbst wird man verblendet.
Von einem selbst wird Unheil nicht getan,
und bloß von einem selbst wird man geläutert.
Läuterung und Nichtläuterung hängen von einem selbst ab.
Niemand läutert einen anderen. (12, 9)

Oder in den Worten des thailändischen Theravada-Meisters Ajahn Chah:

„Das Erwachen kommt nicht als Gnade einer göttlichen Macht,
sondern als das Ergebnis der Bemühungen des Menschen,
den Dharma zu verstehen.“

Ein weiteres (bekanntes) Beispiel für einen „Wahren Menschen“ ist die burmesische Oppositionsführerin Aun San Suu Kyi, die Jahrzehnte in Burma unter Hausarrest verbrachte, obwohl sie jederzeit hätte ausreisen bzw. zurück nach England hätte gehen können. Sie tat es nicht. Das Resultat: Der gegenwärtige Übergang Burmas zur Demokratie.

Oder Sam Harris, dessen erstes Buch The End of Faith: Religion, Terror and the Future of Reason, das ich vor Jahren mit Begeisterung las, ursprünglich von zehn Verlagen abgelehnt wurde, bevor es vom elften Verlag angenommen wurde. Es wurde sein erster Bestseller. Heute ist er eine, wenn nicht weltweit die führende Stimme gegen alle und vor allem alle religiösen Formen von Irrationalität und Manipulation von Menschen.

Oder natürlich der historische Buddha selbst, der mit seiner Lehre eine radikale Neudeutung der zentralen altindischen Lehren von Dharma, Karma, Wiedergeburt und Befreiung der hinduistischen Priester,Theologen und Philosophen „Brahmanen“ brachte.

Laut jener neuen Lehre spielte vor allem die Kastenzugehörigkeit oder das Geschlecht keine Rolle mehr für die Befreiungsfähigkeit des Menschen. So haben sich viele und vor allem die Brahmanen davon provoziert gefühlt, wie zahlreiche alte Reden des Palikanons bezeugen. Aber einige Brahmanen wurden auch überzeugt und folgten fortan dem Dharma (das, was von innen trägt) des Buddhas.

Es waren immer solche Menschen, die ursprünglich genauso hier im Abendland dafür gesorgt haben, dass wir heute Freiheiten genießen können, die es kaum woanders gibt. Aber diese Freiheiten sind trotzdem immer weiterhin bedroht.

In der Lehre des Buddhas wird klar zwischen „wahrer“ oder „trefflicher“ und „verfehlter Achtsamkeit“ unterschieden. „Wahre Achtsamkeit“ (sammâ-sati) bildet immer die Quelle des ganzheitlichen Entwicklungsweges von Ethik, Ruhe und befreiender Einsicht oder Weisheit.

Diese ursprüngliche Form der Achtsamkeit ist niemals bloß die Quelle von Sammlung, Konzentration oder geistiger Ruhe – wie es generell häufig in den westlichen Übernahmen bzw. Umdeutungen der buddhistischen Achtsamkeit etwa in christlichen, psychologischen oder therapeutischen Kontexten gesehen wird. Das wird etwa an deren notorischem Fokus auf „Nichtbewertung“ oder „ganz im Hier und Jetzt sein“ deutlich.

Diese Art der Konzentration kann letztlich allen Zwecken oder weltanschaulichen Systemen dienen. Hier geht es generell nur um höhere Formen der „Wellness“, die höchstens zeitweise befreien kann.

Herzlich
Hans

9 Hans Oktober 20, 2012 um 13:59 Uhr

Schlaglicht 2:

Der religiöse Wahnsinn tobt mal wieder …

Der türkische Pianist Fazil Say sagt vom nackten Kaiser, dass er nackt ist,
und soll dafür hinter Gitter!

Fazil Say, bekennender Atheist und ein weltweit gerühmter türkischer Pianist, steht vor Gericht (siehe etwa diesen SZ-Artikel). Denn er twitterte Anfang April zwei Sätze des mittelalterlichen persischen Dichters Omar Khayyam:

„Du behauptest, durch die Bäche wird Wein fließen – ist das Paradies etwa eine Schänke? Du sagst, jeder Gläubige wird zwei Jungfrauen bekommen – ist das Paradies etwa ein Bordell?“

Da spricht einmal ein bewusster Mensch in der (als für die islamische Welt als besonders fortschrittlich geltenden) Türkei das ganz Offensichtliche an, nämlich dass die zitierten Paradiesvorstellungen letztlich nichts weiter als Männerphantasien sind, und soll dafür hart bestraft werden. Sicher auch, weil er generell ein unbequemer Kritiker ist.

Die islamistischen Selbstmordattentäter und „Märtyrer“ erhoffen sich ja sogar das Mega-Paradies-Bordell der 100 Jungfrauen, die auf sie warten. Bei diesen enormen Phantasien muss schon eine enorme unterdrückte Sexualität im Spiel sein. Hier dürfte auch der wahre Grund für deren große Gewaltbereitschaft liegen.

Unbewusstheit und Selbstbetrug können schon drastische Formen annehmen. Wie es einmal ein tibetischer Lama so schön ausdrückte: „Die großen Ozeane der Welt sind begrenzt. Aber die menschliche Ignoranz ist nicht begrenzt.“

So wie die Unterdrückung von Frauen generell in der islamischen Welt zum Beispiel durch die Verschleierungsvorschriften letztlich nichts weiter als die hilflosen Vor-Sich-Selbst-Schutz-Maßnahmen unbewusster Männer sind, die sich nicht anders gegen ihr eigenes Begehren zu helfen wissen; und gleichermaßen Ausdruck einer Kultur, in der es kaum religiös vermittelte Instrumente zur Schulung von Bewusstheit gibt – egal, was die islamischen Theologen und Apologeten meinen.

Die Türkei fürchtet ja sogar, dass solche Aussagen wie die von Say zum „Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung“ führen könnten. Denn wo kämen wir denn hin, wenn plötzlich angesichts des nackten Kaisers nicht bloß ein unabhängig denkender Mensch, sondern alle rufen würden – „der Kaiser ist ja nackt!“

Eben nichts dran an dem Ganzen. Ein großer Fake! Ja, Fazil Say, lebe besser im buddhistischen Japan, wie Du es erwägst.

Wenigstens ist die türkische Staatsführung mit jenem befürchteten „Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung“ ehrlich, wie sehr menschliche Religionskonstrukte wie die von Say zitierten Männer-Paradies-Projektionen für die Wahrung der staatlichen Macht in ihrem alten Bündnis mit der klerikalen Macht zentral sind.

Eine solche Türkei gehört eindeutig nicht in die EU!

Wie sagte auch bei uns so schön der Bischoff zum Minister:

„Du hältst sie arm und ich halte sie dumm!“

10 Hans Juli 29, 2012 um 19:32 Uhr

Schlaglicht 1:

Die Kultur des Hypes

Zum Thema der Olympischen Spiele in London gab es am 28. juli 2012 im “Deutschlandradio Kultur” um 1.00 morgens die “Nachtgespräche am Telefon”. Man konnte früher einen Kommentar auf den AB sprechen, was ich getan habe. Der Kommentar ist in der Sendung nicht abgespielt worden (diese und andere Sendungen können als Podcasts heruntergeladen werden). Mein Kommentar war sicher nicht brav genug.

Hier folgt dieser Kommentar:

Nach dem Hype um die Fußball-Europameisterschaft folgt jetzt in kurzem Abstand der Hype um die Olympischen Spiele in London.

Wir leben in einer Kultur des “Hypes” – um Dinge, die nüchtern betrachtet ein solches Übermaß an Aufmerksamkeit nicht verdienen – zum Beispiel diese oder andere Sportveranstaltungen, Stars der Film- und Musikwelt oder die Aushängeschilder vermeintlicher Größe genannt “Statussymbole”, darunter etwa Luxuskarossen, Hamburger Elbphilharmonie- und Co.-Gebäude, über Plagiate erschleichte Titel usw.

All diese Formen des Hypes erfüllen eine Kompensationsfunktion, nämlich für ein Gefühl der inneren Leere und Orientierungslosigkeit.

Der Hype kann den großen “Kick” immer bloß dort vermitteln, wo der wirklich große Kick durch ein entwickeltes, spirituelles Innenleben fehlt oder von der Aussicht her weitgehend im Dunkeln liegt.

Der Hype lenkt ab, verschafft kurzlebige und oberflächliche Glücksgefühle und löst letztlich nichts.

Deshalb: Don´t follow the Hype!

Sei achtsam! Sei Du selbst!”

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