Wie und warum der Freiherr so frei ist,
die Menschen hochsystematisch
zum Narren zu halten
* Näheres zum neu entdeckten Urvater des westlichen praktizierten Buddhismus,
U Dhammaloka, hier im Vorwort
* Tipp: Die Spiegelung meiner Facebook-Seite auf diesem Blog
Wie und warum der Freiherr so frei ist,
die Menschen hochsystematisch
zum Narren zu halten
Das Geheimnis seiner Popularität
Aus aktuellem Anlass werden vor dem angekündigten Beitrag im Folgenden bestimmte Aspekte der Causa „Guttenberg“ beleuchtet, die mir in der Medienberichterstattung und der öffentlichen Diskussion entweder zu wenig oder nicht beleuchtet scheinen. Das Thema Guttenberg ist nicht beendet. Schon jetzt kurz nach seinem Rücktritt sprechen sich viele seiner Parteigenossen für eine baldige Rückkehr aus. Aufgegeben hat Guttenberg bloß vorerst. Um seine Rückkehr in die große Politik zu verhindern, muss das Phänomen Guttenberg tiefer verstanden werden.
Im Folgenden wird eine durch und durch systematische Lügenstrategie Guttenbergs aufgedeckt, die nicht bloß für seine inzwischen als ein umfassendes Plagiat entlarvte Dissertation gilt, sondern etwa von Beginn bis zum Ende seines Umgehens mit den Vorwürfen gegen ihn nachzuweisen ist.
Für den Freiherrn hat die objektive Wahrheit nie wirklich eine Rolle gespielt, sondern, ob eine Aussage als Wahrheit verkauft werden kann, das heißt bei der jeweiligen Zielgruppe und in der Öffentlichkeit gut ankommt. Es werden auch Bezüge zu seinen politischen Entscheidungen hergestellt; und untersucht, warum Guttenberg bei weiten Teilen der Bevölkerung nach wie vor sehr populär scheint.
„In Wahrheit ist der Mensch ein Blender.
Aber er blendet so sehr, dass man denkt,
er sei eine Lichtgestalt.“
Peter Weissbach
Leserbrief in der Hamburger Morgenpost
vom 24. Februar
In gewisser Weise stimmt Guttenbergs bis heute aufrechterhaltener Anspruch, bei seiner Dissertation nicht wissentlich oder bewusst getäuscht zu haben. Denn aus seiner spezifischen Sicht verhält es sich folgendermaßen: Wenn es Guttenberg gelingt, eine Aussage als wahr zu verkaufen, das heißt andere davon zu überzeugen, dass sie wahr sei, gilt sie ihm auch als wahr bzw. authentisch. Der seinem ganzen Verhalten und seiner ganzen Rhetorik zugrundeliegende Zweck ist, die Wahrheit als gesellschaftlichen Leitwert zu untergraben.
Aber warum?
Weil damit der Boden für eine weitgehende Manipulation und Beherrschung der Menschen bereitet wäre. Und ausschließlich auf diese Weise „geht es“ unter demokratischen Vorzeichen in der heutigen, längst postfeudalen Zeit.
Das liegt ganz im Interesse der Boulevardpresse, allen voran der Bild-Zeitung, die Guttenberg besonders unterstützt, und für die, wie seit Günter Wallraffs Aufdeckungen hinlänglich bekannt ist, Manipulation, üble Nachrede und leeres Geschwätz charakteristisch sind. Ähnlich wie Guttenberg geht es der Springer-Presse vor allem um Wirkung, um „Ankommen“. Da liegt ein Bündnis nahe.
Macht über das Bewusstsein der Menschen liegt auch im Interesse der CDU und CSU (ähnlich wie im Interesse der Kirchen, mit denen diese beiden Parteien traditionell besonders eng verbunden sind). So betont der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer, dass er wolle, dass Guttenberg der deutschen Politik erhalten bleibe; denn, wie er sagt: „Wir brauchen ihn auch!“
Und zwar in dem oben beschriebenen Sinne. Denn die Kunst, sich öffentlich so darzustellen, dass selbst bei eindeutiger Unwahrhaftigkeit die Populärität des Unwahrhaftigen davon unbeschadet beleibt, ist von größtem Interesse für alle auf Beherrschung und unbeschränktes politisches Handeln ausgerichteten Kreise. Denn damit würde es ihnen möglich werden, eine nähere Überprüfung des eigenen politischen Handelns auszuhebeln. Und damit würde es ihnen leicht, bloß im eigenen Interesse oder dem Interesse der eigenen Klientelen zu agieren.
In diesem Sinne ist das Thema Guttenberg also ein Thema, das weit über den politischen Bereich hinausgeht; und etwa hier auf einem Blog zur Lehre des Buddha, wo die Wahrheit und Wahrheitsliebe einen besonders hohen Stellenwert haben, am Platze ist.
Eines fällt klar auf:
Bis zuletzt, das heißt in sämtlichen Phasen des Umgehens Guttenbergs mit den Aufdeckungen der letzten Zeit, ist er IMMER mit dem VOLLSTEN BRUSTTON der Überzeugung aufgetreten, auch wenn das von ihm Behauptete seinen vorangegangenen Behauptungen und den objektiven Tatsachen widerspricht. Dergleichen hat vor Guttenberg noch keine Person des öffentlichen Lebens vermocht, wenn ihr Falschaussagen nachgewiesen worden sind. Gewöhnlich sind in einem solchen Fall Unsicherheiten zu beobachten.
Nicht bei ihm. Vielmehr „berechnet“ er jede seiner Aussagen genau auf einen positiven „Effekt“ in der Öffentlichkeit hin, bevor er sie entsprechend umsetzt. Auch seine Rücktrittsrede. Lediglich in diesem Sinne vermag Guttenberg „die Herzen“ breiter Kreise der Öffentlichkeit zu berühren, wie Angela Merkel und seine Parteigenossen immer wieder bewundernd sagen. Was das eigentliche Geheminis dieser positiven Wirkung auf viele Menschen ist, wird weiter unten analysiert.
Die Kernlüge
Bis heute behauptet Guttenberg, bei seiner Dissertation nicht bewusst getäuscht zu haben. Deshalb zunächst zu dieser Kernlüge:
Die weitgehenden Plagiatsvorwürfe gegen ihn müssen nicht mehr belegt werden. Die konkreten Belege dafür werden für jeden einsehbar auf der entsprechenden Internetseite „Guttenplag Wikia“ im Einzelnen angeführt. Dort sind bisher (2. März 2011) für 82 Prozent der Seiten der Guttenberg-Dissertation Plagiate entweder aus einer oder (geschickt miteinander verflochten) mehreren Quellen nachgewiesen worden.
So heißt es dort im 2. Zwischenbericht vom 1. März 2011 unter anderem:
„Bisher wurden auf 324 der 393 Seiten der Dissertation (ohne Inhalts- und Literaturverzeichnis) plagiierte Stellen gefunden. Dies entspricht Plagiaten auf 82,44 % aller Seiten. Es ergaben sich 891 Plagiatsfragmente aus über 120 verschiedenen Quellen, die inzwischen alle auf Plausibilität geprüft wurden. In dieser Statistik fehlen vor allem noch viele Textstellen, die aus den Berichten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages übernommen wurden. Wir arbeiten daran, diese baldmöglichst komplett zu dokumentieren. …
2886 Zeilen (umgerechnet ca.72 Seiten reiner Text) sind Komplettplagiate aus anderen Quellen. Weitere 2829 Zeilen (umgerechnet ca. 70 Seiten reiner Text) sind verschleierte Plagiate, das heißt keinesfalls durch vergessene Anführungszeichen entstanden. …
Dies bedeutet, dass bis jetzt 8061 von 16325 Zeilen, das sind 49% der Doktorarbeit (jeweils inkl. Fußnoten) als Plagiate identifiziert wurden.“
Resümierend heißt es in diesem Bericht unter anderem:
„Die zahlreichen textuellen Anpassungen der Plagiate, die Tatsache, dass die Plagiate über die ganze Dissertation hinweg zu finden sind, und die Tatsache, dass selbst die Einleitung kopiert wurde, lassen darauf schließen, dass diese Plagiate kein Versehen waren, sondern bewusst getätigt wurden. Die oben genannten Einschätzungen teilen – soweit wir wissen – alle Experten, die sich bis jetzt zu Wort gemeldet haben. Die obige Bewertung ergänzen wir heute wie folgt:
Wir stellen fest, dass Herr zu Guttenberg in seiner heutigen Rücktrittserklärung seinen bisherigen Standpunkt, dass in der Dissertation nicht bewusst plagiiert wurde, nicht revidiert hat.
Insofern bezweifeln wir ein aufrichtiges Interesse seinerseits, an der Aufklärung der Vorwürfe mitzuwirken.“
Die übersichtlich aufgebaute Seite „GuttenPlag Wiki“ hat die folgenden Unterseiten (und daneben noch weitere wie „Kommentare“ oder „Forum“):
Zwischenbericht
Chronologie der Ereignisse
Gefundene Plagiate
Herausragenden Fundstellen
Alle gefundenen Plagiate
Pressespiegel
Eine Übersicht auf GuttenPlag Wiki mit Links zu den einzelnen, im Internet zugänglichen Artikeln der letzten Zeit steht hier.
Intellektuelle Täuschung spielte schon vor Guttenbergs Zeit in der „großen Politik“ eine zentrale Rolle. So hat er etwa 2004 auch einen 29-seitigen Aufsatz zur Beziehung zwischen der Türkei und der EU für die CSU-nahe Hanns-Seidel-Stiftung veröffentlicht, der in einer Reihe mit politischen Analysen der Stiftung steht. Auch hier ist rund die Hälfte des Beitrags abgeschrieben worden (vgl. dazu etwa hier).
Mit Einreichen der Dissertation musste Guttenberg auch eine eidesstattliche Erklärung abgegeben, dass er die Arbeit selbstständig gemäß den Vorgaben für eine Dissertation verfasst habe. Auch mit dieser Erklärung hat er also wissentlich getäuscht.
Diese früheren Täuschungen und das heutige Abstreiten der eindeutigen früheren Täuschungsabsicht wiegen bei einer Person, die in besonderem Maße Anstand und Ehre für sich in Anspruch nimmt, natürlich besonders schwer.
Ein Schelm, wer Böses denkt
Guttenberg hätte mit der Note seines Examens die Voraussetzungen für die Promotion nicht erfüllt. Spiegel Online zitiert einen Tagesspiegel-Bericht, dem zufolge die maßgeblichen Professoren in Bayreuth, die ihn trotzdem zuließen, der CSU nahestehen (vgl. dazu hier).
Auch wirkt es verwunderlich (wenngleich es noch nichts beweist), dass seine Dissertation von mehreren angesehenen Professoren angesichts der schier überwältigenden Fülle von Plagiaten, die mit einer entsprechenden Google-Suche auffindbar sind, die Bestnote „summa cum laude“ erhalten hat. Es gibt auch typische „verräterische“ Übergänge und Wendungen in einer schriftlichen Arbeit, die eine Abschrift bzw. eine Zusammenflechtung von Abschriften nahelegen, wie Plagiatsexperten erklären.
Außerdem habe es eine „wirtschaftliche Verflechtung der Familie Guttenberg mit der Uni Bayreuth“ gegeben. Für die Schaffung eines neuen Lehrstuhls seien rund 750.000 € überwiesen worden. Näheres dazu steht etwa in den folgenden Berichten:
Handelsblatt, Tagesspiegel, Shortnews, Honigmann.
Es bleibt abzuwarten, ob die Universität Bayreuth, wie sie es spät angekündigt hat, auch jetzt nach der Aberkennung des Doktortitels und Guttenbergs Rücktritt genau überprüfen wird, ob es sich im Falle der Dissertation Guttenbergs um eine bewusste Täuschung gehandelt habe. Angesichts der Fülle an für jedermann einsehbaren eindeutigen Belegen ist es ganz offensichtlich. Das macht die eben zitierte Ankündigung der Universität auch unumgänglich.
In der ersten Pressekonferenz zu der Causa Guttenberg meinte die Universität Bayreuth noch, dass sie den Täuschungsvorsatz „nicht zu untersuchen brauchte“. Denn sie hätte „sich auf die Punkte konzentriert, die nicht strittig“ seien (vgl. hier).
Der Staatsrechtler Professor Oliver Lepsius von der Universität Bayreuth jedenfalls hat sich jüngst unmissverständlich klar geäußert:
„Wir sind einem Betrüger aufgesessen. … Niemand hätte sich vorstellen können, mit welcher Dreistigkeit hier ein Plagiat eingereicht wird. … Er hat planmäßig plagiiert. Er hat eine Collage von Plagiaten angefertigt, über Hunderte von Seiten. … Das ist doch kein Versehen. Hier geht jemand bewusst vor. Der Mann hatte einen bewussten Vorsatz des Plagiierens. Mir ist vollkommen schleierhaft, wie er diesen Vorsatz bestreiten kann. … Das politische Berlin muss sich schon die Frage stellen, ob jemand das Amt eines Bundesministers ausüben kann, der X tut, aber in Abrede stellt, dass er X getan hat. Wer solch eine Selbsteinlassung vornimmt, von dem muss man fragen, wenn er in diesem Fall nicht uwsste, was er tut, weiß er es denn in anderen Fällen. … Die Art und Weise, wie der Minister in der letzten Woche mit der Causa umgegangen ist, lässt bei mir als Staatsbürger erhebliche Zweifel an seinen charakterlichen Fähigkeiten zur Selbsteinschätzung seiner Handlungen erkennen.“
Das ganze Interview mit Professor Lepsius erscheint hier.
Ein hochstrategisch vorgehender Lügenmeister
Lassen wir – einmal abgesehen von den oben resümierten, durchgehenden und deshalb selbstverständlich bewussten Täuschungen in der Dissertation – die bisherige Affäre Revue passieren, um Guttenbergs Lügenstrategie in ihrer Gesamtheit aufzuzeigen, das heißt sein zu jeder Zeit bewusstes Vorgehen. Das macht ihn zu einem „Lügenmeister“ par excellence. Und das macht ihn auch für die Zukunft gefährlich. Dieser Bogeintrag ist als Beitrag zu verstehen, dass es nicht zu einer Rückkehr Guttenbergs in die große Politik kommt.
Im gleichen Maße, wie der ganze Umfang der Plagiate in Guttenbergs Dissertation klar geworden und die Kritik von immer mehr Seiten gekommen ist, hat er sich gegenüber der Öffentlichkeit vollkommen unterschiedlich positioniert, aber immer entgegen der Wahrheit und dabei immer mit dem vollsten Brusston der Überzeugung:
Zuerst sagt Guttenberg (16. Februar): „Der Vorwurf, meine Doktorarbeit sei ein Plagiat, ist abstrus. Ich weise mit allem Nachdruck diesen Vorwurf des Plagiats von mir.“ Er sagt weiter, dass die Dissertation fraglos Fehler enthalte. Es sei aber zu keinem Zeitpunkt bewusst getäuscht oder die Urheberschaft nicht kenntlich gemacht worden. Es sei aber durchaus zu prüfen, ob bei über 1200 Fußnoten auf 475 Seiten „vereinzelt Fußnoten nicht oder nicht korrekt gesetzt sein sollten“.
Als Nächstes kündigte er an, den Doktortitel vorübergehend nicht mehr führen zu wollen (18. Februar), bis die Universität Bayreuth die Plagiatsvorwürfe geprüft habe. „Allerdings nur bis dahin. Anschließend werde ich ihn wieder führen“, wie er weiter betont. Da ist er also von einem Ergebnis dieser Prüfung zu seinen Gunsten ausgegangen.
Auf einer Wahlkampfveranstaltung im hessischen Kelckheim verkündete er kurz danach (21. Februar), dass er dauerhaften auf den Doktortitel verzichten wolle.
Aber zu diesem Zeitpunkt war schon klar, dass ihm angesichts der erdrückenden Fülle an Belegen die Universität Bayreuth den Titel würde aberkennen müssen. Wenn er trotzdem daran festgehalten hätte, wäre die Folge gewesen, dass er sich hätte gegenüber der Universität erklären müssen, inwiefern denn seine Dissertation entgegen den zahlreichen Belegen kein Plagiat sein soll. Das galt es unbedingt zu vermeiden, um seine Kernlüge weiter aufrechterhalten zu können. Deshalb nun hier der „zuvorkommende“ Verzicht auf den Doktortitel.
Demgemäß betonte er auch in Kelckheim zugleich erneut jene Kernlüge: „Ich habe Fehler gemacht, aber ich habe sie nicht bewusst gemacht. Ich habe dieser Arbeit selbst geschrieben.“ Weiter behauptete er: „Aber ich stehe auch zu dem Blödsinn, den ich geschrieben habe.“
Eine über sieben Jahre sukzessive erarbeitete und umfassende Zusammenstellung von teilweise geschickt miteinander verflochtenenen Plagiaten ist niemals ein ihm unbewusst oder unbeabsichtigt unterlaufener „Blödsinn“, den Guttenberg überhaupt erst zu dem Zeitpunkt entdeckt habe, als er sich nochmals mit seiner Arbeit beschäftigt habe – genausowenig wie Wasser trocken ist.
Der nächste Baustein im Lügengebäude Guttenbergs war seine Rede während der aktuellen Stunde im Bundestag zu der Affäre. Guttenbergs Rede im Bundestag ist durch wohl platzierte Wendungen mit Blick auf seine öffentliche Wirkung charakterisiert, die den jetzt zwar fehlerhaften, aber so reumütigen und nach wie vor authentischen Menschen darstellen sollen; schon einleitend: „Am Ende zählt, dass einer das ist, was er vorgibt; ja, ein Mensch mit seinen Schwächen und Fehlern.“ Außerdem betont er hier wieder die Kernlüge: „Man kann aber auch zu einer Sache weiterhin klar stehen: dass man nicht bewusst und mit Vorsatz getäuscht hat.“
Das Gleiche hat er auch in der vorangehenden Befragung gegenüber Jürgen Trittin hervorgehoben.
Mit Guttenbergs Rücktrittsrede hat er seinen Rücktritt vor allem als einen selbstlosen Akt der Rücksicht auf die Soldaten präsentiert. Auf diese Weise konnte er dann als eine Art Märtyrer abgehen, der gegenwärtig leider den Kampagnen seiner Gegner weichen musste, aber als zu Unrecht Geschlagener zu gegebener Zeit zurückkehren kann.
Er gesteht wieder allgemein Fehler ein und entschuldigt sich wieder allgemein, rückt aber nicht von seiner Kernlüge ab.
Es lässt sich auch der „Wissenschaftler“ Guttenberg vom Politiker Guttenberg nicht trennen, wie etwa Angela Merkel betont hat.
So hat er 2009 zunächst das deutsche Bombardement auf zwei entführte Tanklaster mit zahlreichen zivilen Opfern noch als angemessen bezeichnet, bloß um ein paar Wochen später eingestehen zu müssen, dass der Angriff miltärisch nicht angemessen gwesen sei. Geschoben hat er diese Selbstrevidierung dann auf eine angebliche Fehlinformation durch den Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhahn, den er auch entlassen hat. Ob es wirklich so wahr, ist bis heute strittig. Im Januar mahnte er dazu, den Kommandanten der „Gorch Fock“ wegen des Unfalltodes einer Offiziersanwärterin nicht vorzuverurteilen, bloß um eine Zeit später eben diesen Kommandanten zu entlassen. Inzwischen sieht es so aus, als ob dieser zu rehabilitieren ist.
Es gäbe weitere Beispiele für vorschnelle politische Entscheidungen Guttenbergs. So steht letztlich ja auch die ganze von ihm in Gang gebrachte Bundeswehrreform in der Kriitik von einigen Experten.
So wie bei seiner Dissertation scheint Guttenberg den objektiven Tatsachen wenig Beachtung zu schenken und stattdessen vor allem einen positiven öffentlichen „Eindruck“ zu bezwecken.
Außerdem: Was sagt es eigentlich über den Charakter eines Menschen, wenn er über lange Zeit nicht aus dem Grunde eine wissenschaftliche Arbeit verfasst, weil er wirklich Wichtiges zu seinem Thema zu sagen hätte und es wissenschaftlich belegen möchte, sondern offenbar bloß deshalb, um mittels eines groß angelegten Plagiates an einen Doktortitel zu kommen?
Was zählen noch die Verlautbarungen eines solchen Menschen, mit denen er sich besondere charakterliche Qualitäten zuspricht, wie es Guttenberg regelmäßig tut?
Das Fazit:
Guttenberg hat diese Kernlüge durchgehend aufrechterhalten, dass er nicht bewusst getäuscht habe, und dass er die Arbeit selbst geschrieben habe. Seine Schritte während der ganzen Affäre erfolgten genau so, das er mit diesem Kernlüge „durchgekommen“ ist. Auch während der Befragung im Bundestag musste er sich dazu nicht erklären, indem ihm etwa Plagiatsbeispiele genannt worden wären, und er sich hätte erklären müssen, wie diese nicht bewusst verfasst worden sein sollen (wenn er sie selbst geschrieben hat, muss er es ja wissen).
Nun stellt sich die zentrale Frage, warum Guttenberg trotz dieser „alten“ großen Täuschung seiner Doktorarbeit, die über sieben Jahre bewusst erfolgt ist, nur um an einen Titel zu kommen, sowie seiner aktuellen Täuschungsversuche im Umgehen mit den sukzessiven Aufdeckungen immer noch in weiten Teilen der Bevölkerung ziemlich populär ist. Das ist ein erklärungsbedürftiges Phänomen.
Das Geheimnis von Guttenbergs Popularität
Das Geheimnis dieser Wirkung ist seine versteckte Überzeugung, dass es nicht darauf ankomme, was wahr sei, sondern was in „authentischer Form“ als wahr präsentiert werden könne. Mit dieser „authentischen Form“ ist ein starkes Überzeugtsein von sich selbst gemeint, das unabhängig davon ist, ob eine Aussage der Wahrheit entspricht. Das hat auf viele Menschen eine vereinnahmende Wirkung – aber immer vorausgesetzt, dass ihnen eine bestimmte Art von Achtsamkeit fehlt, die mit diesem Blog zentral thematisiert wird – sehende Achtsamkeit.
Darauf werde ich auch mit dem nächsten, bereits angekündigten Beitrag als einem Merkmal der „ursprünglichen Achtsamkeit“ entsprechend den alten Quellen des Palikanons zum Thema Achtsamkeit eingehen.
„Wissensklarheit“ Sampajannâ ist ein primärer Bestandteil der ursprünglichen Achtsamkeit. Wissensklarheit ist dienjenige „Achtsamkeit in Aktion“, welche die Qualität der eigenen Handlungsmotive wahrheitsgemäß erfasst und sodann den Impuls liefert, das jeweilige Motiv in eine Handlung umzusetzen, sofern es „heilsam“ ist, aber unbedingt von einer Handlung abzustehen, sofern das Motiv unheilsam ist.
Außerdem „sieht“ Wissensklarheit, ob eine intendierte Handlung in Anbetracht der Umstände auch wirklich „passt“, um den heilsamen Zweck zu verwirklichen. Die Wissensklarheit ist für eine wahre Ethik unabdingbar. Sie schafft auch die ethischen Voraussetzungen für die höheren, befreienden Einsichten des Vipassanâ.
Menschen mit geringer Wissensklarheit sind leicht zu manipulieren bzw. zu täuschen. Denn die „innere Unsicherheit“, die sie in sich selbst aufgrund einer fehlenden oder mangelnden Wissensklarheit verspüren, äußert sich gegenüber Menschen mit einem starken Überzeugtsein von sich, wie es Guttenberg sicher bereits von klein an eingeübt hat, in der Art und Weise, dass sie ihnen „alles glauben“.
Denn im Grunde erhoffen sie sich die gleiche „Sicherheit“ bzw. das gleiche „Überzeugtsein von sich“, das ihnen mit solchen Menschen gegenübertritt, wenn sie ihnen „folgen“.
Hier liegt auch das Geheimnis, warum zum Beispiel ein Adolf Hitler die Massen so begeistern konnte. Selbst die größte Abstrusität wurde ihm „abgenommen“, eben weil er von sich so überzeugt war!
In diesem Sinne hat ein buddhistisches Achtsamkeitstraining im Sinne jener „ursprünglichen Achtsamkeit“ höchste gesellschaftliche Relevanz; ohne diese alten Achtsamkeitslehren gäbe es den heutigen „Achtsamkeitstrend“ nicht (u. a. dazu näher im nächsten Blogeintrag).
Denn es immunisiert gegenüber Manipulation und „Rattenfängerei“.
Wer mit der Achtsamkeit der Wissensklarheit die Qualitäten der eigenen wechselnden Motive wahrheitsgemäß erfasst, kann auch die Qualitäten der Motive anderer wahrheitsgemäß erfassen, unbeeindruckt von der Sicherheit oder der Unsicherheit hinter dem jeweiligen Auftreten.
Im Falle von förderlichen bzw. heilsamen Motiven wird er sich dem Menschen zuwenden, wie sicher oder unsicher er auch sein mag.
Im Falle von abträglichen bzw. unheilsamen Motiven wird er sich dem Menschen kritisch zuwenden, egal wie sicher oder überzeugt von sich er auftritt.
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Ihr wollt von anständigen, edlen Politikern regiert werden? Schon mal bemerkt daß die, nach der Wahl, alle Dasselbe machen, auch die anständigen – Deutschland im Rahmen des marktwirtschaftlichen, heute internationalen Wettbewerbs an die Spitze der Nationen zu führen.
Das hat eh nichts damit zu tun, dass es den Menschen gut gehen soll und dabei die Natur unbeschadet rauskommt. Es ist von allen so beschlossen, daß man die Banken, den Euro, das Geld der Welt, die Freiheit des Gewinnemachens mit hunderten Milliarden rettet, aber kein Geld für die Nahrung der Verhungernden ausgibt.
Warum nimmt keiner wirklich ernst, was diese Politiker wollen? Anständig oder nicht.
Ich will von keinem regiert werden.
Was erwartet ihr von diesen Politikern für Eure Interessen?
Hallo Frau Kirch,
Ich habe meine Kritiken genau begründet und belegt. Sie haben deshalb nichts mit „schlechter Rede“ zu tun. Begründete Kritik ist nicht „schlecht“.
Eine kritisch prüfende Betrachtung ist ein zentrales Element des frühbuddhistischen Herangehens an die Welt und der Entwicklung von Weisheit gemäß der Lehre des Buddha.
Darüber sind sich viele Vertreter der modernen Anwendungen bzw. Übernahmen der frühbuddhistischen Vipassana-Achtsamkeitspraktiken etwa in Form des MBSR-Programms, dem ihr Institut gewidmet ist, leider wenig klar. Ich habe offen gesprochen nicht den Eindruck, dass sie sich näher mit dem Thema von „trefflicher“ (sammâ), das heißt die Wahrheit „treffender“, und „verfehlter“ (micchâ) Rede in der Lehre des Buddha befasst haben.
Eine christlich-dualistisch „schlechte“ Rede gibt es in dieser Lehre schon gar nicht.
Gemäß dieser Lehre sind ohne „treffliche Sicht“, die sich bloß durch das Unterscheidenlernen von einer weniger trefflichen oder verfehlten Sicht realisieren lässt, tiefere Befreiungszustände (außerhalb der Früchte von Konzentration) nicht möglich. Treffliche Sicht gilt als das wichtigste Glied des ganzen universellen Pfades.
Ein näherer Vergleich von mir zwischen jenen modernen Anwendungen der Achtsamkeit und den frühbuddhistischen Quellen ist etwa hier nachzulesen (der originale Magazinbeitrag).
Die frühbuddhistischen und Vipassana-Quellen des MBSR-Programms selbst werden in diesem alten Beitrag von mir in Psychologie Heute behandelt.
Sam Harris ist einer der beiden – neben Richard Dawkins – heute führenden „Atheisten“, mit millionenfach verkauften Büchern. Ich zitiere ihn hier deshalb, weil er ein besonders gutes und bekanntes Beispiel dafür ist, wie sich eine scharfe sachliche Kritik, wo objektiv geboten, ein tief mitfühendes Engagement und eine frühbuddhistisch inspirierte spirituelle Praxis bestens vertragen – ganz im Unterschied zu einigen landläufigen Meinungen.
Harris plädiert für diese frühbuddhistischen Achtsamkeitspraktiken als eine Form der Spiritualität, die für unsere wissenschaftliche moderen Zeit wirklich tauglich ist. Er hat sich zehn Jahre in Asien eingehend mit buddhistischen und hinduistischen Lehren befasst und dort rund zwei Jahre auf Meditationsretreats verbracht.
Jenes sein Plädoyer wird etwa in dem unten zuerst eingebetteten öffentlichen Vortrag über „death and the present moment“ deutlich. Ab Minute 29.30 beginnt zunächst eine klassische, von ihm geleitete Achtsamkeitsmeditation und ab Minute 43 sein diesbezügliches erwähntes Resümee. Sein nächstes Buch gilt erstmals dem Thema der Spritualität, mit dem vorläufigen Titel – Waking Up: Science, Skepticism, and Spirituality.
Unterhalb dieses Videos habe ich ein weiteres Video von ihm (beide auf YouTube) eingebettet – einen Auszug aus einer mehrstündigen Fernsehdebatte zwischen einem führenden nordamerikanischen Evangelisten, Dr. Craig, und Sam Harris. Dieser Auszug zeigt trefflich jene enge Verbindung von scharfer Kritk und echtem Mitgefühl.
Mit besten Grüßen,
Hans Gruber
Das Plädoyer für die buddhistisch inspirierte Achtsamkeitspraxis:
Zur engen Verbindung von scharfer Kritik und tiefem Mitgefühl:
Beim Lesen dieses Beitrags über Herrn Guttenberg kam ich nicht umhin, an das zu denken, was Buddha über die rechte Rede ausgeführt hat, zum Beispiel keine schlechte Rede wider andere zu führen und sich des Hörensagens zu enthalten.
Ich hätte mir gewünscht, das hätte in diesem Tribunal Berücksichtigung gefunden.
Ja, Guttenberg hat in diesem Fall gelogen. Ich frage mich allerdings, warum gerade der Fall Guttenberg so viel öffentliche Aufmerksamkeit anzieht. Es gab einmal einen Politiker (Schäuble), der nahm einen Geldkoffer mit 100.000 DM an. Er hat konsequent gelogen und abgestritten und wurde Finanzminister. Ein anderer fuhr betrunken Auto und tötete dabei in einem Unfall Menschen (Wiesheu). Er hat konsequent gelogen und blieb Verkehrsminister. Wieder ein anderer tötete bei einem Skiunfall eine Urlauberin – er stritt jede Schuld ab, und es blieb folgenlos für ihn (Althaus).
Ist wirklich nur Guttenberg ein „Meister der Lüge“? Irgendwie steht er im Vergleich mit seinen Kollegen gar nicht mehr so schlecht da. Ohne sein Vergehen verteidigen zu wollen: Er ist wenigstens zurückgetreten. Sind das nun alles Einzelfälle, auf die man zeigen sollte (und sich damit selber besser fühlen)?
Ein starker „Wille zur Macht“ ist Voraussetzung für einen Berufspolitiker in unserer repräsentativen Demokratie. Der Wähler, also das Volk, also wir sortieren alle vermeintlich Schwachen auf dem Weg nach oben aus. Und dabei sind wir recht unverzeihlich: Jedes Vergehen wird als charakterliche Schwäche ausgelegt. Kein Wunder also, wenn ein Politiker sein Vergehen vertuscht, wenn er noch weiter arbeiten will. Eine ausgeprägte Ethik ist bei dieser Karriere eher hinderlich.