Sind die tiefen Konzentrationszustände „Jhanas“
für die Befreiung notwendig?
* Näheres zum neu entdeckten Urvater des westlichen praktizierten Buddhismus,
U Dhammaloka, hier im Vorwort
* Tipp: Die Spiegelung meiner Facebook-Seite auf diesem Blog
Im Folgenden erscheint eine Diskussion über die Stellung der konzentrativen Vertiefungen „Jhanas“ in der Lehre des historischen Buddha, wie sie mit den ältesten vollständig überlieferten Redensammlungen im Pali-Kanon des Theravâda überliefert worden ist.
Die Diskussion dreht sich um die Kernfrage, ob laut den alten Reden des Buddha die konzentrativen Vertiefungen „Jhânas“ für die befreienden Einsichten notwendig sind. Der Diskussionspartner, der anonym bleiben möchte, vertritt diese Ansicht. Ich teile sie nicht.
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Beitrag I)
Lieber Herr Gruber,
Auf Ihrer interessanten Website vertreten Sie den Standpunkt, dass der Buddha im Pali-Kanon die Vertiefungen (Jhana) „nicht als notwendigen Zugang zur befreienden Schau gelehrt“ habe (siehe dazu hier).
Aus meiner Kenntnis der Lehrreden kann ich diesen Standpunkt nicht nachvollziehen und möchte das auch gerne begründen, denn ich bin der Meinung, dass es sich bei diesem Thema nicht um eine Lappalie handelt.
Mit der vierten edlen Wahrheit lehrt der Buddha den Weg zu Leidensaufhebung, nämlich den edlen achtfachten Pfad. Dessen 8. Glied ist „rechte Sammlung“.
„Was ist nun, ihr Mönche, rechte Sammlung?
Da weilt, ihr Mönche, der Mönch, gar fern von Begierden, fern von unheilsamen Dingen, in sinnend gedenkender ruhegeborener seliger Verzückung, in der Weihe der ersten Vertiefung.
Nach Vollendung des Sinnens und Gedenkens erwirkt er die innere Meeresstille, die Einheit des Bewusstseins, die von sinnen, von gedenken freie, in der Einigung geborene selige Verzückung, die Weihe der zweiten Vertiefung.
In heiterer Ruhe verweilt er gleichmütig, einsichtig, klar bewußt, ein Glück empfindet er im Körper, von dem die Heiligen sagen: ‚Der gleichmütig Einsichtige lebt beglückt‘; so erwirkt er die Weihe der dritten Vertiefung.
Nach Verwerfung der Freuden und Leiden, nach Vernichtung des einstigen Frohsinns und Trübsinns erwirkt er die Weihe der leidlosen, freudlosen, gleichmütig einsichtigen vollkommenen Reine, die vierte Vertiefung.
Das nennt man, ihr Mönche, rechte Sammlung.“
(aus: Digha-Nikaya 22, Mahāsatipatthāna Sutta, Die Grundlagen der Achtsamkeit)
An dieser und an anderen Stellen im Kanon ist vom Buddha die „rechte Sammlung“ als Jhana definiert worden. Wenn wir davon ausgehen, dass keines der Glieder des edlen achtfachen Pfades überflüssig oder unnötig ist, dann muss dies auch für die rechte Sammlung und damit für die Vertiefungen gelten. Andernfalls würde ein siebenfacher Pfad genügen oder aber das Glied „rechte Sammlung“ müsste umdefiniert werden, z. B. in „angrenzende Sammlung“. In beiden Fällen gerät man in Widerspruch zu den Lehrreden, die einen achtfachen Pfad lehren und dessen 8. Glied namens „rechte Sammlung“ als Jhana definieren.
Kurz vor seinem Erwachen heißt es vom werdenden Buddha:
„Da kam mir, Aggivessano, der Gedanke: ‚Ich erinnere mich, einst, während der Feldarbeiten bei meinem Vater Sakko, im kühlen Schatten eines Rosenapfelbaumes sitzend, den Wünschen erstorben, dem Unheil entronnen, in sinnend gedenkender ruhegeborener seliger Heiterkeit die Weihe der ersten Vertiefung errungen zu haben: das mag wohl der Weg sein zur Erwachung.‘
Da kam mir, Aggivessano, das einsichtgemäße Bewußtsein: ‚Das ist der Weg zur Erwachung.‘ „
(aus: Majjhima-Nikaya 36, Mahāsaccaka Sutta, Saccako II)
Für den Buddha waren also die Jhanas der Weg zur Erwachung, denn anschließend wird geschildert, wie er die vier Jhanas entfaltet und aufgrund dessen die sog. „drei Wissen“ erlangt:
1) Erinnerung an frühere Leben,
2) das himmlische Auge und
3) das eigentliche Erwachen, die Befreiung vom Leiden.
In dieser und anderen Lehrreden heißt es eindeutig, dass ihm diese Erkenntnisse nur aufgrund eines durch die Jhanas geläuterten Gemütes möglich waren:
„Solchen Gemütes, innig, geläutert, gesäubert, gediegen, schlackengeklärt, geschmeidig, biegsam, fest, unversehrbar, richtete ich das Gemüt auf ….“
Der Buddha spricht von 10 Fesseln (fünf niedere, fünf höhere) die ein Erwachter aufgelöst hat:
1) Persönlichkeitsglaube
2) Zweifelsucht,
3) Hängen an Regeln und Riten
4) sinnliches Begehren
5) Groll
6) Begehren nach reiner Form
7) Begehren nach Formlosigkeit
8) Dünkel
9) Aufgeregtheit
10) Unwissenheit.
Wer die ersten drei Fesseln aufgelöst hat, ist ein Stromeingetretener. Wer zusätzlich noch die vierte und fünfte Fessel stark abgeschwächt hat, ist ein Einmalwiederkehrer. Wer die fünf niederen Fesseln ganz aufgelöst hat, ist ein Nichtwiederkehrer. Wer alle zehn Fesseln aufgelöst hat, ist vollständig erlöst.
„Dass einer, Anando, hat er den Weg, hat er den Pfad nicht betreten, der aus den fünf niederzerrenden Fesseln entführt, diese kennen oder sehn oder ihnen entgehn kann: das ist unmöglich. …
Was ist das aber, Anando, für ein Weg, was für ein Pfad, der aus den fünf niederzerrenden Fesseln entführt?
Da gewinnt, Anando, ein Mönch …. die Weihe der ersten Vertiefung … zweiten Vertiefung … dritten Vertiefung … vierten Vertiefung …“
(aus: Majjhima-Nikaya 64, Mahāmālunkya Sutta, Der Sohn der Malunkya II)
Daraus ergibt sich, dass die fünf niederen Fesseln nicht ohne Jhana überwunden werden können, dass also Jhana bereits für die Frucht der Nichtwiederkehr notwendig ist.
Und was die höheren Fesseln betrifft heißt es:
„The four absorptions (jhanas) are to be developed for direct knowledge of these five higher fetters, for the full understanding of them, for their utter destruction, for their abandoning.“
(aus: Samyutta-Nikaya 9, 53)
Leider ist diese Lehrrede (neben anderen) nicht in den bekannten deutschen Übersetzungen enthalten, weshalb ich sie nur auf Englisch wiedergeben konnte (übersetzt von Bhikkhu Bodhi).
Über die Jhanas sagt der Buddha darüber hinaus:
„Das nennt man Wohl der Entsagung, Wohl der Einsamkeit, Wohl der Beruhigung, Wohl der Erwachung. Zu pflegen und zu hegen und zu mehren ist es: nicht zu hüten hat man sich vor solchem Wohle, sag‘ ich.“
(aus: Majjhima-Nikaya 139, Aranavibhanga Sutta, Streitlose Abzeichen)
Es ließen sich noch viele gleichlautende, über den ganzen Sutta-Pitaka verteilte Aussagen über die wesentliche Bedeutung der Jhanas für die Erlösung bringen. Ich halte deshalb Ihre Aussage, der Buddha hätte die Jhanas im Pali-Kanon nicht als notwendigen Zugang zur befreienden Schau gelehrt, für unzutreffend, denn aus eben diesem Kanon habe ich ja oben immer wieder zitiert. Wir stimmen aber sicherlich darin überein, dass Jhana allein nicht genügt.
Ich komme nun zum Schluss und bedanke mich recht herzlich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen auf Ihrem Weg alles Gute.
Beitrag II)
Lieber Herr …,
Als Antwort ein Exzerpt aus einem eigenen wissenschaftlichen Text zur modernen Bewegung der Achtsamkeits- bzw. Einsichtspraxis Vipassana:
“ …. B) Zum Vorverständnis:
Die Hauptansätze der Praxis des Vipassanâ lassen sich in zwei Gruppen unterteilen, die den beiden Hauptwegen zur befreienden Schau im frühen Buddhismus entsprechen. Laut den Reden des historischen Buddha im Pali-Kanon, der die Textbasis des frühbuddhistischen Theravâda bildet, also der Muttertradition des Vipassanâ, gibt es die folgenden beiden Hauptwege zur befreienden Schau:
1) Der Weg über die Vertiefungen „Jhânas“. Wichtigste Belegstellen:
* Die Standardpassage zum Befreiungsweg (etwa DN 2, 3; oder MN 27, 38). Dessen Etappen:
1) Sittliches Verhalten (sîlam), 2) Behüten der Sinnesorgane (indriya-samvara), 3) Wissensklarheit über die Aktivitäten (sampajannam), 4) Überwinden der Hindernisse (nîvaranâni), 5) Erlangen der Vier Vertiefungen „Jhânas“; dann auf dieser Basis: 6) Erkenntnis der eigenen Vorgeburten und des karmagemäßen Sterbens und Erscheinens der Wesen, 7) schließlich Überwinden der „Unheilsamen Einflüsse“ (âsavâ) durch die befreiende Schau der „Vier Edlen Wahrheiten“ (ariya-saccâni).
* Der „Achtfache Befreiungspfad“, dessen achtes Glied „Treffliche Sammlung“ (sammâ-samâdhi) ist. Sie wird als die Entwicklung der Vier Jhânas definiert.
* Das Anupada-Sutta (MN 111): Demnach sollen die Faktoren der konzentrativen Vertiefungen „Jhânas“ als gleichermaßen vergänglich, ungenügend und kein Selbst wie alle anderen Phänomene verstanden werden, indem in die Jhânas ein- und ausgetreten wird, was zur Befreiung führt. (Denn in den konzentrativen Vertiefungen besteht die Gefahr, sich mit ihnen zu identifizieren und damit der Illusion von Permanenz zu erliegen. In diesem Falle wären die Jhanas vielmehr ein Hindernis.)
2) Der Weg unabhängig von den Vier Vertiefungen „Jhânas“. Wichtigste Belegstellen:
* Buddhas „Rede über die (Vier) Vergegenwärtigungen der Achtsamkeit“ Satipatthâna-Sutta „SPS“ (MN 10, DN 22) und „Rede über das bewusste Ein- und Ausatmen“ Ânâpânasati-Sutta „APS“ (MN 118, Hauptteil daraus auch etwa in MN 62 oder SN 54 Ânâpânasamyutta ).
In diesen beiden hauptsächlichen Quellen für das Vipassanâ erscheinen die Jhânas nicht . Hier wird bloß die befreiende Einsicht durch Achtsamkeit „Sati“betont:
1) Im SPS wird alleine die die Achtsamkeit „Sati“ erwähnt, die zum „Endgültigen Wissen“ (annâ) der Befreiung führe.
2) Im „Refrain“ nach jedem Abschnitt des SPS wird der Prozess der befreienden Einsicht durch Achtsamkeit beschrieben. Dieser Refrain ist also das Herzstück der Rede.
3) Im SPS heißt einleitend der Weg der systematischen Achtsamkeit „Ekâyana Magga“, wörtlich „Direkter Weg“, „Einziger Weg“ oder „Weg bloß für einen alleine“. Dieser feierliche Ausdruck kommt im Pali-Kanon bloß hier vor.
4) Laut dem APS führt Sati zum „Wahren Wissen und Befreiung“ (vijjâ-vimutti).
* Das Susima-Sutta (SN 12 „Die Reden über Kausalität“ Nidânasamyutta , 70): Hier ist von „Weisheitsbefreiten“ (pannâ-vimuttâ) die Rede, die ausdrücklich nicht den Weg über die konzentrativen Vertiefungen „Jhânas“ bzw. die auf deren Grundlage entwickelbaren übernatürlichen Fähigkeiten genommen haben. Der Buddha resümiert den Weg dieser „Weisheitsbefreiten“ mit dem wiederholten Satz: „Zuerst kommt das Wissen über das Wesen der Dinge, danach das Wissen vom Verlöschen des Nibbâna“.
Dann geht er im Detail auf diese befreiende Wissensabfolge ein:
1) Volle Einsicht in die „Drei Merkmale“ Tilakkhana bzw. das Wissen von der Befreiung.
3) Dieses Wissen wird mit dem Sehen der zwölf Glieder des „Abhängigen Entstehens“ Paticcasamuppâda zusammengefasst.
4) Abschließend heißt es, dass diese kausale Wissensabfolge nicht die (alleine auf Basis der Jhanas) entwickelbaren übernatürlichen Fähigkeiten voraussetzt. …. “
(Ende des Zitates.)
Es gibt also laut den Suttas beide Befreiungswege – über die Jhanas und unabhängig von ihnen. Diese methodische Offenheit entspricht der generellen Haltung des Buddha, die als seine „geschickten Mittel“ resümiert wird. Damit ist seine Fähigkeit gemeint, sich dem konkreten Individuum anzupassen.
Denn Menschen sind unterschiedlich und benötigen unterschiedliche Wege. Die Sicht, es müsste genau dieser oder jener Weg sein und kein anderer, ist ein modernes Phänomen, vielleicht unbewusst mitbedingt durch christliche Vorprägungen, dass es bloß den einen richtigen Weg gebe und alle anderen minderwertig seien. Im Bereich der Religionsgeschichte ist es vor allem eine Eigenart der drei monotheistischen Religionen.
Von jener Sicht müssen wir uns alle verabschieden, wenn wir die Reden des historischen Buddha objektiv zur Kenntnis nehmen möchten. Der Buddha hat zwar sehr genau unterschieden, was „Treffliche Sicht“ und weniger treffliche oder „Verfehlte Sicht“ sei, aber zugleich zu dem von ihm gewiesenen Dharma eine Vielzahl von Methoden oder Wegen gelehrt. Dies gilt für viele spätere buddhistische Traditionen aber nicht mehr. Die Jhanas spielen für den Befreiungsweg sicher eine wichtige Rolle. Sie sind vor allem für die Ordinierten, die ausführlich Zeit für Meditation haben, gut begehbar. Aber es gibt auch einen anderen Weg, den der Buddha laut Pali-Kanon gelehrt hat.
Ein anderer Grund für jene ausschließende Sicht mag sein, dass auf einige Vertreter späterer buddhistischer Traditionen des Theravada und des Mahayana, wo die Jhanas als unerlässlich gelten, der frühbuddhistische offene Weg der sehenden Achtsamkeit bzw. der Weg des Vipassana relativ unvertraut oder störend wirkt. In gewisser Weise bedroht dieser Weg auch stark bestimmte Hierarchie- bzw. Machtstrukturen.
Beitrag III)
Lieber Herr Gruber,
Ich wünsche Ihnen ebenfalls ein gutes neues Jahr und danke Ihnen für Ihre Antwort.
1) Dass die Jhanas für die Befreiung letztlich entbehrlich sind, davon bin ich allerdings weiterhin nicht überzeugt. Aber ich akzeptiere selbstverständlich Ihren Standpunkt und möchte an der Stelle auch betonen, dass ich mir nicht etwa anmaße, es aus eigener Erfahrung (mit den Jhanas) besser zu wissen, denn das ist nicht der Fall. Ich stütze mich also in erster Linie auf mein Verständnis der Suttas, Äußerungen Anderer und auf eigene Überlegungen.
Wenn ich Sie richtig verstehe, gehen Sie davon aus, dass der Buddha sozusagen zwei Befreiungswege gelehrt hat: einen über die Jhanas und einen ohne sie. Als Beleg für den Weg ohne die Jhanas nennen Sie in dem mir vorliegenden Auszug Ihres Handouts einige Suttas.
Auch wenn die Jhanas in diesen Suttas z. T. nicht erwähnt werden, kann ich Ihnen hier dennoch nicht folgen. Der Grund dafür ist, dass ja die von Ihnen genannten Suttas alleine nicht genügen, um sich ein vollständiges Bild von der Lehre Buddhas zu machen, d. h. es gibt viele weitere Suttas, deren Inhalt für das Verständnis von Bedeutung ist. Darin stimmen wir vermutlich auch überein.
Manche Suttas enthalten Begriffe, die nicht in demselben, sondern nur in anderen Suttas näher erklärt werden, weshalb diese anderen Suttas auch für ein Verständis des erstgenannten Suttas von Bedeutung sind.
Das ist z. B. auch der Fall mit dem von Ihnen genannten Satipatthana-Sutta (M 10). Sie nehmen dieses Sutta als einen Beleg dafür, dass die Jhanas für die Befreiung nicht erforderlich sind.
Am Ende dieses Suttas heißt es, dass jemand, der diese vier Pfeiler der Achtsamkeit für einen Zeitraum von maximal 7 Jahren „behaupten“ kann, damit rechnen kann, entweder vollständig befreit zu werden oder aber (wenn noch ein Rest Anhaften vorhanden ist) ein Nichtwiederkehrer zu werden.
Und genau dieser „Nichtwiederkehrer“ ist z. B. einer der Begriffe, deren Bedeutung sich erst bei Zuhilfenahme weiterer Suttas erschließt. Dabei wird man dann auch auf die „10 Fesseln“ stoßen und erfahren, dass der Nichtwiederkehrer die niederen fünf von diesen Fesseln aufgelöst hat, und dass ein Befreiter sie alle aufgelöst hat. Und man erfährt auch näher, auf welchem Weg diese fünf niederen Fesseln aufgelöst werden, d. h. wie ein Nichtwiederkehrer (und letztlich auch ein Befreiter) „entsteht“:
„Dass einer, Anando, hat er den Weg, hat er den Pfad nicht betreten, der aus den fünf niederzerrenden Fesseln entführt, diese kennen oder sehn oder ihnen entgehn kann: das ist unmöglich. …
Was ist das aber, Anando, für ein Weg, was für ein Pfad, der aus den fünf niederzerrenden Fesseln entführt?
Da gewinnt, Anando, ein Mönch … die Weihe der ersten Vertiefung … zweiten Vertiefung … dritten Vertiefung …. vierten Vertiefung …“ (M 64)
Hier sagt also der Buddha, dass es nicht möglich ist, diese fünf Fesseln zu kennen, zu sehen oder ihnen zu entgehen (mit anderen Worten: ein Nichtwiederkehrer zu werden) wenn man nicht den Pfad betreten hat, der aus ihnen herausführt. Und diesen Pfad bezeichnet er dann als die Jhanas.
So mag also im Satipatthana Sutta zwar nicht ausdrücklich von den Jhanas die Rede sein, aber es ist vom Nichtwiederkehrer die Rede und damit eben doch indirekt von den Jhanas, wie sich aus anderen Suttas ergibt, denn alle Nichtwiederkehrer und alle Erlösten sind frei von diesen fünf niederen Fesseln bzw. allen 10.
2) Auch in dem von Ihnen genannten Susima-Sutta (S 12, 70) kann ich nicht erkennen, dass die Jhanas für die Befreiung nicht erforderlich wären. Die dort erwähnten „Weisheitsbefreiten“ verfügen zwar nicht über übernatürliche Kräfte, aber das ist aus meiner Sicht kein Kriterium für das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein der Jhanas, denn nicht jeder, der die Jhanas erlebt, entwickelt auch solche Kräfte (siehe Sariputta).
Vielleicht sollte man noch bedenken, dass es auch kontroverse Ansichten darüber gibt, was eigentlich die Vertiefungen sind.
Interessant in diesem Zusammenhang ist vielleicht A 3, 64:
„Was aber, Herr Gotama, ist dieses himmlisch-erhabene, vornehme Ruhelager, das der Herr Gotama jetzt ganz nach Wunsch erlangt, ohne Mühe, ohne Schwierigkeit?“
„Bei welchem Dorfe oder welcher Stadt ich da verweile, in eben jenem Dorfe oder jener Stadt gehe ich des Morgens, nachdem ich mich angekleidet habe, mit Gewand und Almosenschale versehen, um Almosenspeise. Am Nachmittage, nach Rückkehr vom Almosengang, begebe ich mich in den Wald. Was sich dort gerade an Gräsern oder Laub vorfindet, das trage ich an einen Platz zusammen und setze mich nieder. Und mit untergeschlagenen Beinen, den Körper gerade aufgerichtet und die Achtsamkeit vor mir gegenwärtig haltend, gewinne ich […] die […] erste Vertiefung […] die […] zweite Vertiefung […] die dritte Vertiefung […] die […] vierte Vertiefung und verweile in ihr.
Wandle ich nun , Brahmane, in solcher Verfassung auf und ab , so gilt das zu dieser Zeit als mein himmlisches Wandeln. Stehe ich in solcher Verfassung , so gilt das zu dieser Zeit als meine himmlische Stellung. Sitze ich in solcher Verfassung, so gilt das zu dieser Zeit als mein himmlischer Sitz. Pflege ich in solcher Verfassung der Ruhe, so gilt das zu dieser Zeit als mein himmlisch-erhabenes, vornehmes Ruhelager. Das aber, Brahmane, ist jenes himmlisch-erhabene, vornehme Ruhelager, das ich jetzt ganz nach Wunsch erlange, ohne Mühe, ohne Schwierigkeit.“
Er gewinnt also die Vertiefungen, verweilt darin und „wandelt“ oder „steht“ dann „in solcher Verfassung“. Das scheint einigen Vorstellungen darüber zu widersprechen, was in den Jhanas möglich ist und was nicht. Wie totales Entrücktsein, verbunden mit der Unfähigkeit zu irgendwelchen Einsichten und körperlichen Bewegungen währenddessen, liest sich das jedenfalls nicht.
Wie auch immer … Ich hoffe jedenfalls, ich konnte verdeutlichen, warum ich Ihren Standpunkt bezüglich der Jhanas so nicht teilen kann. Von meiner Seite aus sind damit eigentlich auch alle (für mich) wesentlichen Argumente hervorgebracht, auch wenn man vom Umfang her sicherlich noch mehr dazu sagen könnte.
Viele Grüße und alles Gute!
Beitrag IV)
Lieber Herr …
Danke für Ihre ausführliche und wohl überlegte Antwort. Zunächst zum ersten Teil Ihrer Mail, also zum Thema Satipatthana-Sutta (hier kurz SPS).
Ihre Argumentation überzeugt mich aus folgenden Gründen nicht:
Im letzten Teil des SPS wird stark betont, dass die Zeiträume, um die Befreiungsergebnisse zu verwirklichen, auch sehr kurz sein kann – nämlich bis zu sieben Tagen. Diese kurzen Zeiträume gelten für eine konsequente Praxis der vorher in der Rede genau beschriebenen Vier Vergegenwärtigungen der Achtsamkeit. Es ist aber unmöglich, dass die hohen Konzentrationszustände der Vier Vertiefungen „Jhanas“ in einem derart kurzen Zeitraum verwirklicht werden. Schon alleine deshalb können sie keine unerlässliche Voraussetzung für den Befreiungsweg sein, der über die Vier Vergegenwärtigungen führt.
Wenn der historische Buddha die Jhanas als Voraussetzung für den Befreiungsweg über die Vier Vergegenwärtigungen angenommen hätte, hätte er sich in den beiden zentralen Suttas zum Thema Achtsamkeit – dem Satipatthana-Sutta und dem Anapanasati-Sutta – wenigstens irgendwo kurz, aber dennoch explizit auf die Jhanas bezogen. Das gilt um so mehr, als die Vertiefungen „Jhanas“ in den Reden des Pali-Kanons relativ häufig erscheinen. Es wäre ein derart wichtiger Punkt, wenn die Jhanas Voraussetzung für den Achtsamkeitsweg der Befreiung wären, dass in jedem Fall wenigstens kurz im SPS und APS auf sie Bezug genommen worden wäre. Dies ist aber nicht der Fall.
* Sie beziehen sich gerne auf die Lehren, die zu der allgemeinsten Kategorie in der Lehre des historischen Buddha gehören (etwa den „Achtfachen Pfad“ oder die „Zehn Fesseln“), um einen Punkt zu belegen. Diese Lehren der allgemeinsten Kategorie bieten allgemeine orientierende Richtlinien. Sie haben eher einen die Lehre resümierenden Charakter, ohne dass sie in jedem konkreten Fall als exakte, unerlässliche Voraussetzungen zu verstehen sind.
So widerspricht zum Beispiel folgender Umstand klar der Botschaft des Achtfachen Pfades: Die besonders feierliche Lobpreisung für die Vier Vergegenwärtigungen der Achtsamkeit als „Der Einzige Weg“ oder „Der Direkte Weg“ im SPS, die auch lediglich hier vorkommt, bringt zum Ausdruck, dass ausschließlich die Achtsamkeitspraxis der schnellste, „Direkte Weg“ zur Verwirklichung der Befreiungsergebnisse bzw. unbedingt notwendig sei. Ähnlich gibt es verschiedene Stellen, laut denen Praktizierende bestimmte Befreiungsergebnisse wie die „Nichtwiederkehr“ in spontaner Weise durch Aufnehmen der Lehre des historischen Buddha realisiert haben (vgl. etwa Mittlere Sammlung Rede 140).
* In der Einleitung zum APS werden die bei der Rede anwesenden Praktizierenden in verschiedene Gruppen eingeteilt, die sich jeweils ganz bestimmten Wegen oder Praxisformen verschrieben haben. Zu diesen Wegen gehört aber nicht die Praxis der Jhanas, obwohl in der Einleitung vorweg gesagt wird, dass die anwesenden Praktizierenden mit ihren spezifischen Wegen die verschiedenen Fesseln aufgelöst haben. Zum Abschluss der Einleitung mit der Auflistung der verschiedenen Gruppen von Praktizierenden wird betont, dass die Praktizierenden der Atemachtsamkeit zwangsläufig die Vier Vergegenwärtigungen (einer der vorher in der Einleitung genannten Wege) und damit die Sieben Erwachensglieder und damit das Befreiende Wissen erfüllen würden. Die Atemachtsamkeit wird also unter allen Wegen als eine Art von Dachbewusstheit besonders hervorgehoben.
Resümierend sei hier gesagt:
Es ist schlicht nicht möglich, aus den Reden des historischen Buddha ein „geschlossenes System“ zu machen, wie Sie und viele andere es versuchen. Dies ist nicht möglich, weil sich der Buddha an UNTERSCHIEDLICHE Zuhören gewandt hat und offenbar die außergewöhnliche GABE besessen hat, genau einschätzen zu können, was für das jeweilige Individuum der effektivste Weg zur Befreiung sei. Das ist mit jenen „geschickten Mitteln“ des Buddha gemeint. Das ist ein GRUNDUNTERSCHIED zu allen modernen Traditionen und zum guten Teil auch den späteren buddhistischen Traditionen. Der Buddha hat das SPS etwa in der Stadt Kammasadhamma im Kuru-Land gegeben. Laut anderen Suttas gab es dort viele Anhänger des Buddha unter den Laien.
Deshalb bleibe ich bei dem, was ich bereits geschrieben habe:
„Die Sicht, es müsste genau dieser oder jener Weg sein und kein anderer, ist ein modernes Phänomen, vielleicht unbewusst mitbedingt durch christliche Vorprägungen, dass es ausschließlich den einen richtigen Weg gebe bzw. alle anderen minderwertig seien. Im Bereich der Religionsgeschichte ist dies vor allem eine Eigenart der drei monotheistischen Religionen.
Von jener Sicht müssen wir uns alle verabschieden, wenn wir die Reden des historischen Buddha objektiv zur Kenntnis nehmen möchten. Der Buddha hat zwar sehr genau unterschieden, was „Treffliche Sicht“ und weniger treffliche oder „Verfehlte Sicht“ sei, aber zugleich zu dem von ihm gewiesenen Dharma eine Vielzahl von Methoden oder Wegen gelehrt. Dies gilt für viele spätere buddhistische Traditionen aber nicht mehr. Die Jhanas spielen für den Befreiungsweg sicher eine wichtige Rolle. Sie sind vor allem für die Ordinierten, die ausführlich Zeit für Meditation haben, gut begehbar. Aber es gibt auch einen anderen Weg, den der Buddha laut Pali-Kanon gelehrt hat.
Ein anderer Grund für jene ausschließende Sicht mag sein, dass auf einige Vertreter späterer buddhistischer Traditionen des Theravada und des Mahayana, wo die Jhanas als unerlässlich gelten, der frühbuddhistische offene Weg der sehenden Achtsamkeit bzw. der Weg des Vipassana relativ unvertraut oder störend wirkt. In gewisser Weise bedroht dieser Weg auch stark bestimmte Hierarchie- bzw. Machtstrukturen.“
Zum zweiten Teil Ihrer Mail (ab Ziffer 2):
Die „Weisheitsbefreiten“ haben in jedem Fall nicht die so genannten „formlosen Jhanas“ verwirklicht, weil sie die entsprechende Frage Susimas verneint haben. Zuvor haben sie die Frage Susimas nach dem Besitz der diversen übernatürlichen Fähigkeiten verneint, die lediglich auf Basis der Jhanas entwickelt werden können.
Laut der Standardpassage zum Befreiungsweg, der über die Jhanas führt (vgl. den früher bereits gemailten Auszug aus dem Handout) folgen der Realisierung der Vier Jhanas unmittelbar zwei bestimmte übernatürliche Fähigkeiten – das Überschauen der eigenen Vorgeburten und das Überschauen des unterschiedlichen Wiedergeborenwerdens der Lebewesen gemäß ihrem Karma –, denen wiederum die befreiende Erkenntnis der Vier Edlen Wahrheiten folgt. Demnach sind also diese beiden übernatürlichen Fähigkeiten für den Befreiungsweg über die Jhanas WESENTLICH bzw. KONSTITUTIV. Auch Sariputta hatte sie meines Wissens (wenngleich nicht die anderen übernatürlichen Fähigkeiten). Aber die von Susima Befragten verneinen ja den Besitz ALLER übernatürlichen Fähigkeiten, EINSCHLIEßLICH jener eben genannten beiden, die sich unmittelbar aus der Realisierung der Jhanas ergeben und auf dem Jhana-Weg zur Befreiung der eigentlichen befreienden Erkenntnis direkt vorausgehen. Damit verneinen die von Susmia Befragten also zugleich auch, dass sie selbst den Befreiungsweg über die Jhanas gegangen seien.
Andernfalls würde es doch überhaupt keinen Sinn machen, wenn sie sich selbst gegenüber Susima als „Weisheitsbefreite“ bezeichnen bzw. unterscheiden würden. Denn die befreiende Weisheit steht am Ende SÄMTLICHER buddhistischer Befreiungswege – sowohl desjenigen über die Jhanas als auch desjenigen unabhängig von ihnen.
Die von Susima Befragten wollen sich mit dem Terminus der „Weisheitsbefreiten“ gerade von dem anderen Befreiungsweg über die Jhanas abgrenzen. Sie benutzen den Begriff „Weisheitsbefreite“ eindeutig als ein Unterscheidungskriterium, indem sie diesen als ein Resümee ihrer Verneinungen der anderen Fragen Susimas verwenden, um dessen Verwirrung infolge eben dieser Verneinungen aufzulösen. Sie wollen mit dem Terminus also resümierend hervorheben, dass sie selbst AUSSCHLIEßLICH durch Weisheit befreit worden seien, OHNE ZUERST die Jhanas verwirklicht zu haben.
Herzlich, Hans Gruber
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Ich habe bei Goenka meditiert, Vipassana in der Form der Körperachtsamkeit. Meine Erfahrung umfasst alle Jhanas. Sie liegen auf dem Weg, wenn man Körperachtsamkeit, so wie bei Goenka lehrt, praktiziert.
Es ist doch bekannt, daß man sie nicht erreichen kann. Sie passieren, wenn die Konzentration bei der Achtsamkeit einen bestimmten Umfang erreicht hat. Wenn man das Erlebnis der Jhanas sucht, werden sie zur Ablenkung. Man muss sie nicht erleben, außer dem achten, welches, auf dem systematischen Weg, den der Buddha gelehrt hat, die endgültige Befreiung initiiert.
Das Erlebnis des achten Jhanas ist unverkennbar: von dort geht es nicht mehr weiter, nur noch zurück. Und tatsächlich schließt sich nach einiger Zeit die Befreiung von jeglichem Leiden an. Ist man jedoch noch anhaftend, an was auch immer, so fällt man wieder heraus. Daraus lernt man dann, daß eben auch alle Anhaftungen gelöst sein müssen, bevor man im Leben sterben kann.
Lösen lassen sich die Anhaftungen nach meiner Erfahrung ebenfalls mit der bei Goenka gelehrten Methode der Körperachtsamkeit. Wieso das funktioniert, das erkläre ich auf meiner Website.
auf deutsch:
„Denn ferner noch, ihr Mönche, hat Sāriputto nach völliger Überwindung der Grenzscheide möglicher Wahrnehmung die Auflösung der Wahrnehmbarkeit gewonnen, und des weise Sehenden Wahn ist aufgehoben. Und aus diesem Erfunde kehrt er besonnen zurück. Und ist er aus diesem Erfunde besonnen zurückgekehrt, so nimmt er die Dinge, die überstanden, aufgelöst, umgewandelt sind, wahr: ‚So kommen denn diese Dinge ungewesen zum Vorschein, und gewesen verschwinden sie wieder.‘ Und er ist diesen Dingen nicht zugeneigt und nicht abgeneigt, nicht angeschlossen, nicht angeheftet, ist ihnen entgangen, ihnen entronnen, ohne das Gemüt umschränken zu lassen. Denn ‚Es gibt keine höhere Freiheit‘ weiß er. Und indem er sie entwickelt merkt er eben ‚Das gibt es nicht‘.“
Wie man im Anupadda Sutta lesen kann, tritt die Befreiung als letze Einsicht nach den jhanas auf : „Puna caparaṃ, bhikkhave, sāriputto sabbaso nevasaññānāsaññāyatanaṃ samatikkamma saññāvedayitanirodhaṃ upasampajja viharati. Paññāya cassa disvā āsavā parikkhīṇā honti. So tāya samāpattiyā sato vuṭṭhahati. So tāya samāpattiyā sato vuṭṭhahitvā ye dhammā atītā niruddhā vipariṇatā te dhamme samanupassati – ‘evaṃ kirame dhammā ahutvā sambhonti, hutvā paṭiventī’ti. So tesu dhammesu anupāyo anapāyo anissito appaṭibaddho vippamutto visaṃyutto vimariyādīkatena cetasā viharati. So ‘natthi uttari nissaraṇa’nti pajānāti. Tabbahulīkārā natthitvevassa hoti.“
Noch einige Anmerkungen speziell für den ZEN-Buddhismus.
Im (japanischen) ZEN-Buddhismus werden explizit kaum unterschiedliche Meditationen unterschieden oder gar Stufen differenziert.
Im ZEN in Südostasien werden aber durchaus Meditationsformen des Theravade integriert.
1. Die meisten ZEN-Buddhisten beginnen mit einer Gegenständlichen Meditation – das Zählen des Atems von 1-10. Das ist aber erst die Vorstufe für eine korrekte ZEN-Meditation und diese noch nicht selbst.
2. Die Soto-ZEN-Schule hat heute die meisten Anhänger weltweit und ist damit zur „Norm“ geworden. Hier übt man einfach „nur Sitzen“ (Zazen) und distanziertes Beobachten, der Vorgänge in einem selbst. Dies ist definitiv Einsichtsmeditation, welche von den meisten ZENlern betrieben wird (oder besser: sollte …).
3. In den Anfängen des Chan in China, wurden überwiegend noch verschiedene Atemmeditationen geübt, welche aus Inden mitgebracht wurden und ursprünglich aus dem Yoga kamen.
4. Nach diesen Anfängen in China hat man die Praxis neu ausgerichtet und „normiert“ – es wurde die Koan-Meditation eingeführt. Ein Koan ist nur etwas auf das man sich in der Meditation (aber auch im Alltag) fokussieren muss. Damit war schon zu dieser Zeit in China die Gegenständliche Meditation üblich und ist bis heute im Rinzai-ZEN erhalten geblieben.
Es wäre nun völlig falsch zu behaupten, dass diese Methode „schlecht“ oder „minderwertig“ wäre, da doch genau diese Methode grosse und berühmte ZEN-Meister hervorgebracht hat. Andererseits möchte ich nicht verschweigen, dass diese Koan-Praxis über die reine Meditation hinaus geht, was vielleicht bei einer Gegenständlichen Meditation im Theravada
Grüsse
michael
Ein Zusatz des Administrators Hans Gruber: Der Verfasser der beiden vorangehenden Einträge betreibt die Website http://www.zen.fuer-uns.de.
Guten Tag,
ich möchte ein klein wenig Praxis und Erfahrung in diese fundamentalbuddhistische Diskussion bringen.
Die Lehren Buddhas wurden ca. 200 Jahre mündlich überliefert, ca. von 10 Generationen von Mönchen weiter erzählt.
Sind diese Details von „Jhana“ welche hier hinein interpretiert werden, wirklich noch orginal von Buddha oder nicht schon aufgrund von Unkenntnis, angepasst, verfälscht oder wegen besserer Merkbarkeit, besserer Reimbarkeit geändert worden?
Der Dreikorb ist unsere „Bibel“, aber interpretieren wir nicht manch mal etwas zu viel hinein oder haben all zu hohe Erwartungshaltungen an seine Exaktheit?
Buddha hat das aber einkalkuliert und uns mitgegeben, dass wir nicht alles blind annehmen sollen, sondern wir sollen selbst prüfen – insofern können wir diese unterschiedlichen Meditationwege prüfen …
Ich selbst möchte hier das deutsche Begriffspaar verwenden:
Gegenständliche Meditation Einsichtsmeditation
„Jhana“ ist damit die Gegenständliche Meditation. Gegenstand oder Fokusobjekt für eine Meditaion können z.B. sein:
Mantra, Kerze, Mandala, Atem Zählen, vorbeiströmenden Atem spüren, Buddha Statue, „grüne Wiese“, …
Auch ich rate ganz klar zur Einsichtsmeditation und ziehe diese persönlich vor.
Aber auf der anderen Seite ist die Gegenständliche Meditation nicht zu unterschätzen.
Es gibt „Meister“ die über beide Meditationen auch „erleuchtet“ wurden und das sollte uns zu denken geben.
Einige Anmerkungen von mir:
1. Meditationsanfänger
Neulinge quellen häufig so voller Gedanken und Gefühlen über, dass sie kaum für eine Einsichtsmeditation geeignet sind.
Diesen gibt man dann logischer Weise einen Meditationsgegenstand und lässt Sie Gegenständliche Meditation praktizieren.
Hier sind sie dann nach einger Zeit so weit, direkt in die Einsichtsmeditation wechseln zu können.
Z.B. im ZEN gibt man jedem Neuen die Aufgabe die Atemzüge bis 10 zu zählen – was ich nicht als gute Methode erachte.
2. Dualismus
Sobald wir hier Worte für unterschiedliche Meditationsmethoden verwenden, sind wir nicht mehr im realen Leben, sondern auf einer Meta-Ebene, einer Ebene über das Leben, nach Erich Fromm auch Fiktion betitelt.
Wir messen der Wirklichkeit Attribute bei, welche nicht in der Wirklichkeit selbst vorhanden sind. Dass dann nicht alle Folgerungen aus den Begriffen selbst wieder auf die Wirklichkeit zutreffen, sollten wir immer im Hinterkopf behalten.
Entspricht es nicht eher der Erfahrung, dass Gegenständliche Meditation und Einsichtsmeditation nur 2 Seiten der selben Medaille sind und über beide Seiten die Medaille ergriffen werden kann?
Liegen nicht beide Seiten sogar extrem nahe bei einander – nämlich beide Nahe am Ziel?
Für mich ist es durchaus fraglich, ob der Dualismus des Gegensatzpaares „Gegenständliche Meditation / Einsichtsmeditation“ so korrekt ist oder es nicht vielmehr ein Kontinuum zwischen diesen beiden Gegensätzen gibt – wir benennen es nur so, die Wirklichkeit selbst kann noch vielfältiger sein.
Aber wenn es eine kontinuierliche Skala gibt, macht eine Diskussion ausschliesslich über die beiden Skalenenden keinen Sinn mehr.
3. Gegenständliche Meditation und Einsichtsmeditation sind ineinander umwandelbar:
Wenn ich in der Einsichtsmeditation bin, ein Gedanke oder Gefühl in mir aufkommt, ich mich darauf fokussiere, kann ich direkt zur Gegenständlichen Meditation übergehen. Aber auch der Weg umgekehrt ist möglich, wie ich an einem Beispiel aufzeigen will.
Es kauft sich jemand eine neue Standuhr oder Wanduhr für das Wohnzimmer. Am Anfang hören wir das ständige „Ticken“, welches uns neu und fremd vorkommt. Doch spätestens nach einem Monat hören wir im Wohnzimmer kein „Ticken“ mehr, weil wir konditioniert sind und unser Bewusstsein es ausblendet.
Genauso ist es mit der Gegenständlichen Meditation. Wenn wir einen (einfachen …) Meditationsgegenstand haben, der vollständig unseren Geist ausfüllt und alle anderen Gedanken verdrängt, werden Ebenen in uns auch diesen letzten Fixpunkt plötzliche ausblenden (Konditionierung), damit stehen wir ohne Fokus da und „fallen“ direkt in die Einsichtsmeditation.
Entweder führt die Gegenständliche Meditation eigenständig auch zum Ziel, oder es ist aber genau dieser Mechanismus, welche die Gegenständliche Meditation in die Einsichtsmeditation umwandelt und dann so zum Ziel führt.
4. „Ausgewogen“ Meditieren:
Es gibt Erfahrungen, welche berichten, dass eine ausschliessliche dauerhafte Einsichtsmeditaion zu Problemen führen kann. Aus diesem Grunde sollte man zum Auslgleich oder auch zur Kompensation immer wieder auch Gegenständliche Meditation praktizieren. Es ist auch so, dass Erfahrungen in der einen Meditationsarte einen in der anderen Meditationsart weiter bringen können – also gibt es hier Synergien.
Mein resume:
Die Gegenständliche Meditation ist durchaus eine zielführende Methode, welche nicht unterbewertet werden sollte.
Ich selbst praktiziere Einsichtsmeditation und empfehle dies auch grundsätzlich.
Aber es ist ein hoher Anspruch und aus meiner Sicht nicht in der Breite praktikable, eine einzige Methode auf alle Menschentypen und auf alle unterschiedlichen Ausgangsbasen anzuwenden.
Es gibt Menschen die mit einer Gegenständlichen Meditation glücklich werden, sehr eigenständig arbeiten können und grosse und schnelle Fortschritte machen. Warum sollte ich sie zur Einsichtsmeditaion „zwingen“? Zumal ich doch auch so weiss, dass sie unweigerlich (früher oder später) in der Einsichtsmeditation ankommen werden.
Warum sollte ich die Gegenständliche Meditation nicht als „geschicktes Mittel“ anwenden? Das wäre sicher im Sinne Buddhas gewesen …
Trotz allem bleibt für mich intellektuell interessant, wie Buddha selbst diese beiden Methoden geübt und wie er diese exakt empfohlen hat – ob das heute noch festgestellt werden kann?
Grüsse
michael
Hallo,
Die Versenkungen sind für das Erreichen der Heiligkeit nicht unerlässliche Bedingung; die Erlösung kann vielmehr auch ohne diese Fähigkeit verwirklicht werden: Die Sutten des Pālikanons sprechen von zwei Arten von Heiligen: – Es gibt den cetovimutta, das ist der „Gemütserlöste“, der die Erlösung auf dem Wege der Jhānas erreicht hat. – Es gibt aber auch den paññavimutta, den Weisheitserlösten, der sich, ohne die Jhānas verwirklichen zu können, ganz auf die Weisheit stützt, die der der Versenkungen fähige Gemütserlöste in jedem Fall ebenfalls benötigt, während der Weisheitserlöste nicht auf die Jhānas angewiesen ist. Der Begriff einer „trockenen Einsicht“ in Bezug auf die ohne Versenkungszustände gewonnene Einsicht stammt übrigens von späteren Kommentatoren (!). Fazit: Erlösung ohne Versenkungszustände (jhānas) ist durchaus möglich, sofern die Weisheit im erkennenden Schauen (ñānadassana) gewonnen wurde; nicht aber ist Erlösung ohne ñānadassana möglich, mag auch die Fähigkeit der Versenkungszustände gegeben sein. Ausschlag gebend für die Erlösung ist also die Weisheit bzw. die aus ihr erfolgende Loslösung, nicht die Fähigkeit des Abschaltens der Sinne. Die Pflege der Jhānas ist somit, anders als die Weisheit, für sich allein kein Garant für das Verwirklichen der Heiligkeit, sie stellt nur eine zusätzliche, wunderbare Fähigkeit dar; ohne das Hinzukommen von Weisheit aber stellen die Jhānas für den Buddha „bloße Wohlseinszustände“ dar (vgl. Majjh. 8), die mangels Weisheit und Loslösung nicht zur Erlösung führen können (und durchaus nicht nur innerhalb der buddhistischen Lehre praktiziert wurden, wie mehrere Sutten belegen). Natürlich ist in beiden Fällen ein sehr hohes Maß an Konzentration unerlässlich, aber, um es noch einmal zu wiederholen, nicht unbedingt auf dem Wege der Jhānas (unter Ausschalten der Sinne), wohl aber auf dem Weg der Samādhi, die der der Jhānas nicht fähige Weisheitserlöste sehr wohl in vollem Maße besitzt! Auch im Zustand von Samādhi ist der Betreffende voll konzentriert, nur ohne dabei die äußeren Sinne völlig abgeschaltet zu haben. Auf die Frage, woran es denn liege, dass nicht jeder die Fähigkeit zu den Versenkungen besitzt, erwiderte der Buddha, dass dies an der „unterschiedlichen Veranlagung“ des Einzelnen liegt (Majjh. 64).
Hallo,
ich interessiere mich seit vielen Jahren für spirituelle Lebensformen, besonders für Tantra, Energiezustände und meine Erfahrung ist, daß ohne einen erfahrenen, gut ausgebildeten und vorallem bodenständigen Lehrer, der zwar schon bestimmte Einsichten kennt,aber ein einfacher Mensch geblieben ist, geht es nicht, ja es ist sogar gefährlich, weil bei wirklichen Konzentrationsübungen/Zustände Dinge im Inneren ausgelöst werden mit denen man alleingelassen kaum umgehen kann und diese sich dann unbewußt gehalten verselbstständigen.
Wir können es ja in der heutigen Zeit überall im Alltag erleben wozu Menschen in unbewußten Zuständen fähig sind, Wahnzustände bleiben nie aus!
Also ich arbeite jetzt schon seit fast 7 Jahren an mir und erst jetzt glaube ich demütig genug zu sein mich auf den geistigen Weg machen zu dürfen und dafür bin ich sehr dankbar, vorallem meinem Lehrer und den Menschen die mich bis jetzt begleitet haben, egal ob sie heute noch mit mir im alltäglichen Kontakt stehen oder nicht, allein die Erfahrungen mit ihnen sind wichtig und werden mir weiterhin helfen mein Bewußtsein für das Leben zu entwickeln.
Ich möchte abschließend davor warnen zu glauben allein bestimmte Konzentrationszustände bringen die Einsichten, das ist einfach falsch und ich meine auch gefährlich. Einsicht ohne die menschlichen Erfahrungn führt zu dem was wir heute krank macht und soziale Strukturen einfach sterben läßt.
Hans Gruber schrieb:
„Im letzten Teil des SPS wird stark betont, dass die Zeiträume, um die Befreiungsergebnisse zu verwirklichen, auch sehr kurz sein kann – nämlich bis zu sieben Tagen. Diese kurzen Zeiträume gelten für eine konsequente Praxis der vorher in der Rede genau beschriebenen Vier Vergegenwärtigungen der Achtsamkeit. Es ist aber unmöglich, dass die hohen Konzentrationszustände der Vier Vertiefungen “Jhanas” in einem derart kurzen Zeitraum verwirklicht werden. Schon alleine deshalb können sie keine unerlässliche Voraussetzung für den Befreiungsweg sein, der über die Vier Vergegenwärtigungen führt.“
Kommentar:
Eine Beurteilung der Sachlage, ob es ein Wesen gab, gibt oder geben wird welches die hohen Konzentrationszustände der Vier Vertiefungen in einem Zeitraum von sieben Tagen verwirklichen kann setzt wissen über ALLE gewesenen, momentan bestehenden und noch kommenden Wesen aller Weltzeitalter voraus und ihnen/uns daher noch nicht möglich.
Bzgl. Lu´s Erfahrungen mit Jhana-Praktizierenden: Nicht von der Hand zu weisen, doch man muss immer berücksichtigen, wie es den jeweiligen Menschen danach ging/geht. Oft folgen ja Einsichten erst nach einem weiteren Stück Leben. Denke mal, Vertiefungszustände sind in jeder Hinsicht wertvoll, doch wenn man nicht ständig einen Lehrer um/mit sich hat oder in klösterlicher Umgebung lebt, können dadurch Dinge in Bewegung gesetzt werden, die dann nicht so im Mittelpunkt öffentlicher Diskussionen stehen.
Es wäre nicht nur in diesem Kontext mal interessant, mit Menschen zu reden, die sich aus buddhistischen Klöstern (in denen Jhanas meditiert werden) zurückgezogen haben und die Gründe dafür zu erfahren.
Meine Beobachtungen bezüglich Jhanas:
ob Jhanas der einzige Weg ist, der zur Befreiung führt, weiß ich nicht, maß ich mir auch gar nicht an.
Eines weiß ich aber, dass Jhanas nicht unbedingt und automatisch zur Weisheit führen muss. Ich habe über Jahrzehnte einige Negativ-Fälle erlebt von Leuten, die teilweise 5, 6 oder 8 Jhanas gemeistert hatten. Woher weiss ich das? Durch Studium der Jhanas und durch die Erlebnisse der Einzelnen, die von Jhanas teilweise gar nichts wußten.
So hatte eine junge Frau auf einer Parkbank tiefe Erlebnisse im plötzlich aufgetretenen Versenkungszustand und die einfachen Schilderungen entsprachen genau den Jhanas bis zur 5. Stufe. Diese Frau jedoch war alles andere als Weise; ihr Lebensstil war eher asozial.
Ein anderer Jhana-Praktikant (Buddhist) ging übelst auf seine Eltern los; unterste Schublade, keine Weisheit, kein Mitgefühl.
Eine Jhana-Lehrerin bekannte sich selbst als ‚Nicht-Heilige’und agierte dementsprechend im Alltag.
Ein Jhana-Mönch floh aus dem Kloster ins Bett einer jungen Frau……
Diese Fälle möchte ich nicht im Detail ausschlachten, sonst würde es einem teilweise übel.
Nonnen in kath. Frauenklöster erreichen oft die 2. Stufe (piti) der Jhanas und benennen das als Gotteserfahrung. In dieser Stufe zu verharren, auf Dauer, kann aber zur geistigen Dumpfheit führen, sagen die Tibeter.
Meine Meinung ist, dass Befreiung durchaus über die 16 Einsichtsstufen (nanas) möglich ist. (Vipassana)
Zu den Befreiungsmöglichkeiten im Zen oder tibetischen Buddhismus kann ich nichts sagen.
Jhanas sind nicht für Jedermann erreichbar. Somit wäre der Dharma auch nicht für Jedermann praktizierbar und hätte keine Aussicht auf Befreiung.
Lu
Hallo,
eine mE wichtige Diskussion, doch wie oben bemerkt, sollte man zuerst auch wirklich betrachten, was denn die Jhanas eigentlich wirklich sind.
Ich habe mich auf einem 14-tägigem Retreat, welches via Anapansati-Praxis ohne Satipatthana- bzw. Vipassana-Aspekt ausschließlich auf Gemütsruhe abzielte, automatisch den Jhanas angenähert und aufgrund der Beschreibung des Kursleiters kamen die meisten Teilnehmer ab ca. dem 8. Tag in den Bereich der 1., 2. und 3. Vertiefung. Über 4-5 Tage hinweg bewegte ich mich ständig zwischen angrenzender Sammlung und diesen drei Stufen hin und her. Einmal war mir, als könnte es die 4. Vertiefung gewesen sein, was sehr beeindruckend war – weil nämlich „Form und Leere“ ganz natürlich als Einheit zum Ausdruck kamen. Eine „Beschreibung“ dieser „Zustände“, die mal überwältigend, mal eher beruhigend, mal ernüchternd waren, ist für mich schlechterdings unmöglich.
Mal davon abgesehen, dass ich bis dahin erst 2 Jahre Zazen und einige Sesshin gemacht hatte, und ich deshalb mE für derlei Erfahrung noch lange nicht reif war, um das psychisch zu verkraften, muss ich sagen, dass das „Jhana-Bewusstsein“, welches auch Nyanaponika als unschätzbar wertvoll hält, im Alltag so gut wie nicht oder nur extrem schwer beizubehalten ist. Nach dem Retreat meditierte ich ein paar Wochen ohne Anleitung weiter (2 Std. täglich) und lief nach eigenem Empfinden tatsächlich Gefahr, verrückt zu werden. Es ist irgendwie schizophren, sich täglich nahezu als „Ich“ aufzulösen und sich andererseits in unserer westlichen, dualistischen Welt im Beruf und Familie behaupten zu müssen. Nyanaponika hat auch auf diesen Umstand hingewiesen, als er Satipatthana als „die“ Praxis für moderne Westler empfahl.
Aus Angst, vollkommen verrückt zu werden, bin ich wieder zum Zen zurückgekehrt und sehe da inzwischen meine Heimat. Ich muss auch dazu sagen, dass ich bei diesen Jhanas in keinster Weise irgendwelche Weisheits-Einsichten hatte, die über Erfahrungen von Sesshins hinausgegangen wären. Alleine die Nicht-Selbst-Erfahrung war wirklich beeindruckend aber eben auch für einen Nicht-Mönch wie mich eher erschreckend.
Mein persönliches Fazit: Jhanas im richtigen Rahmen über einen langen Zeitraum für ein mönchisches Leben sind mit Sicherheit sehr passend doch Vipassana/Satipatthana entsprechen mE mehr dem westlichen Geist. Und ich gehe mit der o.g. Ansicht konform, dass die Menschen unterschiedlich sind und der Buddha dies gut wusste.
Nochmal zur Definition der Jhanas: Sollten die o.g. Beschreibungen denn wirklich als Hilfe für den Meditierenden dienen? Macht der Übersetzer und unser Verstand denn daraus nicht wieder ein strukturiertes Gebilde? Ich glaube, ohne wirklich guten Lehrer sind die Jhanas eher ein Hindernis für Einsicht.
Ich erlaube mir zu behaupten, dass, wenn ich vor dem Buddha heute stehen würde und er meine Daseinsschleifen kennt – würde er mir eine für mich passende Meditationsweise empfehlen, die vielleicht so aussehen könnte wie Zazen oder Ajahn Chah´s Unterweisungen. Und bei einem Mönch in Sri Lanka mag das wieder ganz anders aussehen…
Liebe Grüße Bernd